Bindung ist zwingend notwendig, damit Kinder sich gesund und zu glücklichen Erwachsenen entwickeln können. Doch wie entsteht dieses Gefühlsband zwischen einem Kind und seinen Eltern, was fördert es? Das Zauberwort lautet: Bindung. Die soziale und emotionale Beziehung zwischen Eltern und dem eigenen Kind.
«Liebe ist unsere stärkste Emotion überhaupt», sagt Remo Largo, der Schweizer Kinderarzt und Autor der Bestseller «Babyjahre» und «Kinderjahre». Hinter diesem Gefühl steckt das urmenschliche Bedürfnis, vorbehaltlos angenommen zu werden. Wir alle kommen damit zur Welt. Es ist diese tiefe, innere Sehnsucht, enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen, Verbundenheit zu spüren.
«Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind ist mehr als nur Beziehung», erklärt Dr. Heidi Simoni, Direktorin des Marie Meierhofer Instituts MMI. Kinder sind existenziell an ihre Eltern gebunden. Diese Bindung wird definiert durch das Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Kindes einerseits und das Fürsorgeverhalten sowie die spezielle innere Bezogenheit der Eltern zu ihrem Kind andererseits.
Die Bedeutung von Schutz und Sicherheit
Schutz brauchen junge Kinder, um Unsicherheiten zu meistern, Ängste zu überwinden und um Gefühle zu regulieren. Sicherheit brauchen sie, um Situationen einzuordnen, Freude zu teilen und ein angemessenes Sozialverhalten zu entwickeln. Beides - Sicherheit und Nähe - müssen sie von ihren unmittelbaren Bezugspersonen adäquat und verlässlich erhalten.
Kinder sind darauf angewiesen, dass ihre ausgesendeten Signale von ihren Bezugspersonen regelmässig, zuverlässig und liebevoll beantwortet werden. Ist das der Fall, vertrauen Kinder ihren Bezugspersonen und suchen bei ihnen gerne Trost. Folglich hat das kindliche Verhalten eigentlich ein Hauptziel: die optimale Nähe zu einer verlässlichen und verfügbaren Bezugsperson herzustellen und ungefähr 15 Jahre aufrechtzuerhalten.
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«Das Leben beginnt mit einer Entbindung, zunächst also mit der Auflösung von Bindung», sagt der Basler Kinderarzt Cyril Lüdin. Weil kein Neugeborenes das zu leisten vermag, schaut dieses sich «in der grossen, kalten Welt um und fragt sich: Wo ist denn hier mein schützender, Wärme und Nahrung spendender Versorger?», so der deutsche Kinderarzt Herbert Renz-Polster.
Ein Kind bindet sich bedingungslos an seine Eltern, «unbesehen davon, ob seine Eltern liebevoll und fürsorglich sind oder ob es sich um Rabeneltern handelt», sagt Largo. «Kinder sind emotional abhängig von ihren Eltern und anderen Bezugspersonen, die sicherstellen, dass ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Pflege und Schutz zuverlässig befriedigt werden», schreibt Remo Largo in seinem Buch «Das passende Leben».
Damit dies möglichst nicht geschieht, verfügen Mädchen und Buben von Geburt an über ein ganzes Repertoire an Verhaltensweisen, abhängig von Alter, Temperament, Entwicklungsstand und aktueller Situation. Dabei können sie sehr hartnäckig sein. Wie Klammeräffchen hängen sie an uns, wenn wir telefonieren, oder kriechen nachts ins Elternbett.
Dieses Bedürfnis nach Geborgenheit schwindet mit zunehmendem Kindesalter nicht, sondern äussert sich einfach anders. Schulkinder gehen immer wieder dieselben Situationen aus dem Klassenzimmer durch. «Soziales Referenzieren» nennt das die Psychologie. «Es bedeutet, dass ein Kind sich seine Informationen von den Eltern holt, um sein eigenes Verhalten zu planen oder anzupassen, wenn es in Situationen kommt, die es nicht kennt», erklärt Entwicklungspsychologe Moritz Daum.
Jugendliche tun dies, indem sie zu Hause beispielsweise unerbittlich über Regeln aus anderen Familien diskutieren, vordergründig, um etwas auszuhandeln. Dahinter steckt das Bedürfnis nach inneren Leitplanken. Kinder bewegen sich permanent zwischen zwei Polen. Der eine ist gleichbedeutend mit Verlässlichkeit, Vertrautheit und Verfügbarkeit, der andere mit Neugier, Abwechslung und Herausforderung.
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Das Wippe Modell
Diese Pole muss man sich wie zwei Enden einer Wippe vorstellen: Beide Teile müssen mal oben, mal unten sein. Ist beispielsweise der Pol der Sicherheit und Nähe zu lange zu weit unten, versucht das Kind, dieses Bedürfnis so lange zu befriedigen, bis der «Saldo» wieder ausgeglichen ist. Erst danach kehrt sein natürlicher Drang zurück, die Welt zu erforschen.
Damit ein Kind optimal gedeiht und sich entwickelt, müssen beide Pole zwingend ausgeglichen sein. John Bowlby heisst der Mann, dem wir diese Einsicht verdanken. Er entwickelte 1969 die Bindungstheorie. Diese postuliert, dass das Bedürfnis nach emotionaler Nähe und absoluter Verlässlichkeit für das Kind grösser ist als das nach Nahrung.
Bowlby und seine Theorie sind der Grund, weshalb Babys heute im Tragetuch herumgetragen werden, lange gestillt werden und im Elternzimmer schlafen dürfen. All dies war in früheren Jahrzehnten verpönt. Kein Erwachsener dachte je über Geborgenheit und Körperkontakt von Kindern nach. Man war der Meinung, dass das Verhalten von Kindern ausschliesslich über Konditionierungsprogramme wie Bestrafen und Belohnen erklärt werden könnte.
Beeinflusst wurde Bowlby unter anderem vom österreichischen Kinderarzt René Spitz. Dieser stellte fest, dass sich Kinder in Waisenhäusern trotz genügend Platz, Sauberkeit, Sicherheit und Essen emotional unzureichend entwickelten, verkümmerten und gar starben.
Die Hauptbezugsperson
Aber wie funktioniert diese Bindung überhaupt? «In der Regel bindet sich das Kind an die verlässlichste und zeitlich verfügbarste Person seiner Umgebung», erklärt die Psychologin Giulietta von Salis. Diese werde dann zu seiner Hauptbezugsperson. Die Bindungsforschung sagt, die Mutter sei diese Hauptbezugsperson - und diese These hat bis heute Gültigkeit.
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«Eigentlich besagt der gesellschaftliche Druck Folgendes: Mütter, befriedigt bitte von Anfang an die Bedürfnisse eurer Kinder, sonst gedeihen sie womöglich nicht. Wenn sie Schäden davontragen, seid ihr schuld», bringt es Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm auf den Punkt. Dieses Ideal habe zur Folge, dass selbst gut ausgebildete, emanzipierte und finanziell unabhängige Frauen nur dann das Gefühl hätten, eine «gute Mutter» zu sein, wenn sie möglichst viel Zeit mit ihrem Kind verbringen.
Interessanterweise stützt sich die Bindungstheorie auf Beobachtungen von Rhesusaffen und Schimpansen. Bei beiden Arten ist es allein die Mutter, die für das Kind sorgt. Manchmal mit einer regelrechten «Affenliebe», denn Schimpansenmütter sind dafür bekannt, dass sie selbst ihre kranken oder toten Babys hingebungsvoll pflegen und tagelang mit sich herumtragen.
Die Bindungsforscher ignorierten aber die Berichte von Ethnologen, die von einem genau gegenteiligen Mutterbild berichteten. «Bindungen können sehr unterschiedlich aussehen«, bestätigt Heidi Keller. In dieser ökonomisch gut gestellten Familie nähme sich ein Elternteil, in der Regel die Mutter, exklusive Zeit, um für das Baby zu sorgen. Was wir hierzulande als Standard erachten, ist in Wahrheit ein Privileg, das nur etwa 5 bis 10 Prozent der Weltbevölkerung repräsentiert.
Ebenfalls fraglich ist, ob das Kind, wie die Bindungstheorie besagt, in einer Art Exklusivbeziehung stehen muss, um zu gedeihen. Es wird meist von der Mutter, zuweilen aber auch vom Vater erwartet, prompt, konsistent und angemessen auf die kindlichen Signale zu reagieren, weil das die beste Voraussetzung für die Entwicklung einer sicheren Bindungsbeziehung sei. Dieser sogenannte «kindzentrierte Ansatz» ist aber laut Keller nicht universell gültig. So gibt es Kulturen beispielsweise in Asien oder auch Afrika, in denen es als inkompetent gilt, wenn man das Kind frage, was es denn möchte.
Wie sehen sicher gebundene Kinder aus?
Wie sehen denn nun nach Meinung der Experten sicher gebundene Kinder aus? Laut Klaus Grossmann, Psychologieprofessor und führender Bindungsspezialist Europas, können diese Kinder Kummer zeigen und erhalten daraufhin von Seiten ihrer Bezugsperson - wenn nötig - Trost. Kehrt diese nach einer Abwesenheit zurück, suchen sie ihre Nähe, können das unterbrochene Erkunden wieder aufnehmen und beziehen die Bezugsperson, meist die Mutter, ins Spiel mit ein.
Die Bezugsperson zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Bedürfnisse des Kindes erkennt, richtig interpretiert und schnell und angemessen darauf reagiert. Es muss nicht immer die Mutter sein. Tatsächlich «vermag sich das Kind auf verschiedene Schutz- und Versorgungsinstanzen einzustellen», sagt Giulietta von Salis. Und es gilt als erwiesen, dass Babys geschlechtsunabhängig denken: Sie bauen einfach zu der verlässlichsten und zeitlich verfügbarsten Person in ihrer Reichweite eine innige Beziehung auf.
«Wenn es ein Mann ist, der die verlässlichste Pflegeperson in Reichweite abgibt, so wählen sie eben ihn als hauptsächliche Bindungsperson aus», sagt Renz-Polster. Wie gut die Bindung klappt, hängt auch mit der Gesamtsituation der Eltern zusammen. Zahlreiche Studien zeigen: Je belasteter und unsicherer die finanzielle, soziale und emotionale Situation ist, desto schwerer fällt es beispielsweise der Mutter, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.
Kommen zu Stress noch psychische Probleme oder belastende Situationen wie etwa eine Trennung hinzu, so entsteht nur allzu leicht «eine Bindung ohne inneren Kern», wie es Renz-Polster nennt. Allerdings gilt nicht zwingend der Umkehrschluss: Natürlich haben es in der Regel Mütter, denen es im Leben gut geht und die sich auf ihr Netz verlassen können, leichter, eine sichere Bindung zu ihrem Kind aufzubauen, aber eben nicht immer.
So leiden gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik beispielsweise rund 13 00 Frauen bzw. 15 Prozent aller frischgebackenen Mütter an einer postpartalen, einer nachgeburtlichen Depression, die unbehandelt unter Umständen die Erziehungskompetenz der betroffenen Mutter schmälert. Beim Säugling können Bindungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten sowie Störungen der kognitiven und emotionalen Entwicklung die Folge sein.
Diesen Kindern fehlt die nötige Sicherheit, um sich neugierig ihrer Umwelt zuzuwenden. Sie erleben sich nicht als eigenständig und effektiv, was wiederum den Aufbau ihrer Selbständigkeit mindert. Kurz gesagt: Sie bilden kein Urvertrauen aus. Einige Längsschnittstudien belegen, dass unsichere Bindungen zu den häufigsten negativen Wirkungen auf die kindliche Entwicklung gehören.
«Weit mehr als mit fest verankerten mütterlichen Qualitäten hängt Bindung mit dem zusammen, wie das Leben der Eltern verläuft, wie wohl sie sich in ihrer Haut fühlen, wie reichhaltig ihre Umwelt ist, wie viel Unterstützung sie haben und wie gut sie und das Kind zusammenpassen», sagt Renz-Polster. Das soziale Netz ist wichtig, aber auch die Passung: So hat beispielsweise die Mutter zum fordernden Temperament des einen Kindes vielleicht einen anderen Zugang als eine andere Bezugsperson, etwa der Vater.
Eine gute, tragfähige und sichere Bindung mit Tiefenwirkung ist für das Leben von Kindern äusserst wichtig. Doch zeigen zahlreiche Untersuchungen aus den 1990er-Jahren, dass die frühkindliche Bindung auch nicht überschätzt werden sollte. Denn für eine optimale kindliche Entwicklung sind die anderen positiven Beziehungserfahrungen, die ein Mensch im Laufe seiner Kindheit und Jugendzeit macht, beispielsweise mit Lehrpersonen, Nachbarn, Trainern, ebenso wichtig.
So können auch negative frühe Bindungsmuster des Kindes später positiv verändert werden, sagt der Psychologe Claus Koch. Dies sei möglich, wenn andere Bezugspersonen «authentisch und präsent sind und sich feinfühlig in ein Kind hineinversetzen können». Bindung ist lebenswichtig, aber sie ist «keine Impfung fürs Leben und nicht das alleinige Kapital, aus dem wir schöpfen», sagt Renz-Polster.
Und da gibt es ja noch das Kind. Es spielt einen eigenen, durchaus aktiven Part. Wie Kinder beispielsweise auf Betreuungssituationen oder Trennungen reagieren, hat auch mit ihrem Temperament und Charakter zu tun. «Kinder jeden Alters sind nicht gleichermassen auf Geborgenheit angewiesen», erklärt Remo Largo. Es gibt Zweijährige, die verabschieden sich in der Krippe problemlos von ihrer Mutter und fühlen sich bei der Erzieherin gut aufgehoben. Andere Kinder haben auch mit zehn Jahren noch Mühe, eine Woche in ein Klassenlager zu gehen.
So wie Erwachsene unterschiedliches Verlangen nach einer verlässlichen emotionalen Einbindung verspüren, haben dies eben auch Kinder.
Carl Gustav Jung und das Unbewusste
Vor fast 120 Jahren formulierte Carl Gustav Jung in seiner Dissertation die These, dass die wirkliche Arbeit der Charakter- und Persönlichkeitsentwicklung auf der unbewussten Ebene erfolgt. Ihr Unterbewusstsein wird damit der Schlüssel zu dem Leben, das Sie sich wünschen und das Ihrem Potential als Mensch entspricht. Es ist Ihr Unterbewusstsein, das so oft im entscheidenden Moment Ihre Hand führt, Ihren Fuss setzt und Ihre Zunge lenkt.
Neben dem individuellen Unterbewusstsein nahm Jung ein kollektives Unbewusstes an. Er nahm es als einen alles tragenden Boden wahr, in dem die Psyche eines jeden Menschen eingebettet ist. Als ein reiches psychologisches Fundament voller alter Symbole, Bilder und Muster, die bereits in der geistigen Welt unserer Ahnen vorhanden waren.
Diese Symbole begleiten uns seit Jahrtausenden und werden von uns als Archetypen leicht wiedererkannt, wo immer sie sich in unserer Welt zeigen. Erfahrbar werden diese Symbole in Träumen, Trancen und Visionen - und in Kunst, die uns mit unerklärlicher Kraft ergreift und bewegt.
Das von Jung entwickelte analytische Modell sieht Arzt und Patient nicht als solche, sondern als eine lebendige Begegnung zweier entwicklungsfähiger Menschen. Diese Haltung basiert auf dem Modell der Intersubjektivität. Es existiert keine objektive Wahrnehmung, immer nur einen Austausch zwischen zwei subjektiven Wahrnehmungen.
Die Begegnung findet deshalb auf Augenhöhe statt, einander sehend - körperlich wie seelisch. Das alte Bild vom distanzierten Psychoanalytiker am Kopfende einer Liege wird damit entschlossen verabschiedet. Die therapeutische Haltung ist ein engagiertes, akzeptierendes und wertfreies Interesse am Menschen.
Das Modell der Archetypen gibt Anlass zu der Annahme, dass sich in jedem Menschen andere primäre Muster verwirklichen. Jeder spielt eine andere Rolle. Niemand muss sein, wie jemand anderes von ihm erwartet.
Eine therapeutische Sitzung nach dem Analytischen Modell kann dabei sowohl gesprächsorientiert als auch darstellend-kreativ sein. Wenn Sie offen für eine Psychotherapie sind, sollten Sie in jedem Fall in den ersten Sitzungen prüfen: Haben Sie gutes Gefühl im Kontakt zu Ihrem Therapeuten? Können Sie ihr oder ihm vertrauen? Eine gesunde therapeutische Beziehung ist entscheidend für Sie, Ihre psychische Gesundheit und eine erfolgreiche Therapie.
Der Therapeut muss für die erfolgreiche Anwendung der analytischen Methode fähig zur Selbstbeobachtung und Reflexion im gegenwärtigen Moment sein. Er muss wahrnehmen können, wie er den Verlauf der Therapie und die psychologische Entwicklung des Klienten beeinflusst. Statt schnelle Schlüsse zu ziehen, sollte sich Ihr Therapeut der Möglichkeit des Erzeugens von sogenannten Artefakten bewusst sein.
Artefakte sind »künstlich« erschaffene psychologische Phänomene bei Ihnen als Klient. Diese sind jedoch nicht Ihr Problem! Möglicherweise suchen sie danach, unangenehme Empfindungen während der Therapie dadurch zu lindern, Nähe zu suchen. Das kann ein Versuch sein, Themen zu meiden, die jetzt endlich betrachtet werden wollen.
Die Individuation des Menschen ist die Entwicklung des eigenen Charakters zum Unikat und eine Integration aller verstoßenen Wesensanteile. Jung war dabei überzeugt davon, dass die Individuation weniger mit Wollen und Durchsetzen zu tun habe, sondern vielmehr mit Loslassen. Er erlebte das Unbewusste als eine lebendige, numinose Präsenz, den ständigen Begleiter jeder unserer wachen (und schlafenden) Augenblicke.
Wie können wir das Unbewusste befähigen, sich zu verwirklichen? Indem wir ihm freie Ausdrucksmöglichkeiten einräumen und dann untersuchen, was es zum Ausdruck gebracht hat. Wir geben unserem Unterbewusstsein also das Signal, wachsen zu wollen - und lassen uns dann davon überraschen, was unsere uralte Körperintelligenz erzeugt.
Die Individuation ist dabei kein egoistischer Prozess, sondern ermöglicht Ihren einzigartigen Beitrag an die Welt und die Gemeinschaft. Es ist das Wachsen vom leicht beeinflussbaren und verletzlichen kindlichen Geist hin zum gereiften Menschen.
Jung betonte immer wieder die Bedeutung des Numinosen. Nicht jeder unbewusste Anteil muss in Worte gefasst, nicht jede Regung der Seele zitierbar werden. Er selbst entwickelte im Laufe seines Lebens eine immer tiefere Beziehung zu einem solchen nur schwer zitierbaren Teil in sich, den er No. 2 nannte.
Der Name No. 2 symbolisierte eine Abgrenzung zu No. 1, den sozialisierten Teil seiner Persönlichkeit, der für Jung in seiner späteren Entwicklung zunehmend an Bedeutung verlor. No. 1 war sein konditionierter Geist, der eine Maske zu tragen gelernt hatte, um von seinen Mitmenschen akzeptiert und geliebt zu werden. Später, als er die Bedeutung dieses inneren Paares erkannte - und dass sie nicht nur in ihm, sondern in jedem Menschen lebendig sind - benannte er No. 1 in das Ich und No. 2 in das Selbst um.
No. 2 war ein geheimnisvoller Anteil seiner Psyche, der bedingungslos und kraftvoll nach Verwirklichung und dem Erschaffen eines Lebenswerkes strebte. Die Sprache gibt Hinweise: Selbst-Verwirklichung. Er nahm diesen erblühenden Teil seiner Psyche als aufstrebende Lebenskraft wahr, die keine Entsprechung in Worten besaß und sich nicht um die Akzeptanz und Zustimmung der Gesellschaft sorgte - und sogar frei davon sein musste, um ihre Kraft zu entfalten.
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