Die Elektrokrampftherapie (EKT), auch Elektrokonvulsionstherapie genannt, ist ein modernes und hochwirksames medizinisches Verfahren zur Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen. Die EKT ist ein wissenschaftlich anerkanntes, hochwirksames und sicheres medizinisches Behandlungsverfahren in der Psychiatrie und wird seit über 80 Jahren erfolgreich bei schweren psychischen Erkrankungen eingesetzt. Dabei ist EKT im Verhältnis zur Schwere der damit behandelten Erkrankungen nebenwirkungsarm.
Wie funktioniert die EKT?
Bei der EKT werden in einer Kurznarkose mit Muskelrelaxation mit kurzen Stromimpulsen generalisierte Krampfanfälle ausgelöst. Der grundlegende therapeutische Wirkprinzip der EKT ist ein durch elektrische Stimulation des Gehirns ausgelöster generalisierter cerebraler Krampfanfall kurzer Dauer (etwa 30 Sek.). Dieser wird während einer 10 bis 15 Minuten dauernden Vollnarkose durch eine 6 bis 8 Sekunden dauernde Stimulation mit sehr kurzen elektrischen Impulsen über der Kopfhaut ausgelöst. Die Vollnarkose und Muskelrelaxation reduzieren die Ängste von Patientinnen und Patienten vor der EKT und verringern deutlich die Nebenwirkungen durch den Krampfanfall.
Die Elektrokrampftherapie beruht auf einer elektrischer Hirnstimulation, die unter Narkose erfolgt. Dabei wird für Sekunden Strom ins Gehirn geleitet, der einen Krampfanfall auslöst. Das kann man sich ähnlich wie bei einem epileptischen Anfall vorstellen, nur dass der Anfall hier gezielt und unter kontrollierten Bedingungen erfolgt. Zudem krampft der Körper durch die Gabe von muskelentspannenden Mitteln während der Behandlung nicht.
Wirkmechanismen der EKT
Über welche Mechanismen genau ein solcher „Heilkrampf“ eine positive Wirkung entfaltet, ist noch nicht vollständig geklärt. Man hat jedoch beobachtet, dass die Anfälle zahlreiche neurochemische Veränderungen im Gehirn anstossen. Entscheidend scheint hierfür zu sein, dass ein Teil der Nervenzellen während der Behandlung im gleichen Takt aktiviert wird.
Beispielsweise verändert sich die Konzentration verschiedener Hormone und Botenstoffe im Gehirn ebenso die Zahl der Andockstellen (Rezeptoren) für diese Neurotransmitter. Die Masse der sogenannten grauen Substanz, die sich aus den Zellkörpern der Nervenzellen zusammensetzt, nimmt zu. Vor allem vernetzen sich die Neuronen verstärkt untereinander.
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Forschungsdaten deuten darauf hin, dass es durch regelmässig mittels EKT ausgelöste Anfälle zu einer Adaptation im menschlichen Gehirn kommt. Diese dient primär dazu, das Auftreten weiterer Anfälle zu erschweren (=Schutzfunktion). Gleichzeitig scheint diese Adaptation mit einem heilenden Effekt auf die psychiatrischen Erkrankungen assoziiert zu sein. Durch EKT werden Regenerationsprozesse im menschlichen Gehirn ausgelöst, wodurch es zur Linderung der psychischen Symptome kommt und dadurch der Genesungsprozess unterstützt wird.
Indikationen für die EKT
Psychiater greifen auf eine EKT bei sehr schweren oder gravierenden, schwer zu behandelnden psychischen Erkrankungen zurück. Die EKT ist wirksam bei depressiven Symptomen im Rahmen verschiedener affektiver Störungen (z.B. unipolare, bipolare Depressionen oder schizoaffektive Störungen), wird aber auch eingesetzt bei schwer behandelbarer Manie, Suizidalität und Katatonie sowie schizophrenen Störungen.
Eine Indikation für eine Elektrokrampftherapie besteht beispielsweise, wenn:
- der psychische Zustand eines Patienten so gravierend ist, dass eine schnelle Entlastung notwendig ist
 - der Patient schlecht auf eine vorangegangene Behandlung mit Psychopharmaka angesprochen hat (Therapieresistenz)
 - der Patient Psychopharmaka schlecht verträgt
 - die Risiken der EKT geringer sind als andere Behandlungsmöglichkeiten
 
Bei einigen schweren psychischen Erkrankungen ist eine EKT die Therapie erster Wahl. Dazu gehören:
- Depressionen mit Wahnvorstellungen
 - Depressive Erstarrung (Stupor)
 - Psychosen mit Stimmungsschwankungen (schizoaffektive Psychose), darunter schwere depressive Symptome
 - schwere Depression (Major Depression) mit hoher Suizidalität oder Nahrungsverweigerung
 - akute, lebensbedrohliche (perniziöse) Katatonie
 
Als Therapie zweiter Wahl setzen Psychiater die EKT in folgenden Situationen ein:
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- schwere Depressionen (Major Depression), bei denen die Betroffenen auf mindestens zwei Antidepressiva möglichst unterschiedlicher Wirkstoffklassen in Kombination mit Schlafentzug nicht ausreichend angesprochen haben
 - nicht lebensbedrohliche Katatonien und akute Psychosen nach erfolgloser Behandlung mit Neuroleptika
 - Manien nach erfolgloser Behandlung mit Neuroleptika, Lithium oder Carbamazepin
 
Wirksamkeit der EKT
Die EKT ist ein hochwirksames Verfahren, auf das 50 bis über 80 Prozent der Behandelten gut ansprechen. Da sie nur bei sehr schweren Erkrankungen eingesetzt wird sowie bei Patientinnen und Patienten, die zuvor nicht ausreichend auf andere Therapieverfahren angesprochen haben, ist die hohe Wirksamkeit umso beachtlicher.
«EKT lindert therapieresistente und schwere depressive Symptome in kurzer Zeit zuverlässig», sagt Prof. Brühl.
Die Wirksamkeit der EKT nimmt mit der Dauer der Erkrankung ab.
Nebenwirkungen und Risiken
EKT gehört zu den sichersten Behandlungsverfahren in Narkose überhaupt und es gibt abgesehen von einzelnen Erkrankungen keine Gegenanzeigen für den Einsatz von EKT. Voraussetzung für die Durchführung ist eine vorhandene Narkosefähigkeit. Das Behandlungsrisiko entspricht im Wesentlichen dem Narkoserisiko. Es ist vielfach belegt, dass es nicht zu strukturellen oder indirekt nachweisbaren Hirnschäden kommt.
Als häufigste Nebenwirkungen der EKT sind in der Regel medikamentös gut behandelbare Kopfschmerzen, Muskelkater und Übelkeit zu nennen. Vorübergehend können auch die Gedächtnisfunktionen der Patientinnen und Patienten beeinträchtigt sein.
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Die relevanteste Nebenwirkung der EKT sind vorübergehende kognitive Störungen, wobei vor allem die Gedächtnisleistung betroffen sein kann mit möglichen Störungen der Merkfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses. Das Alt- oder Langzeitgedächtnis (für länger zurückliegende Ereignisse vor der EKT-Serie) und das Gedächtnis nach einer EKT-Serie sind nur extrem selten betroffen. Diese Nebenwirkungen sind meist mild bis moderat ausgeprägt und bilden sich in der Regel innerhalb von 30 bis 60 Tagen wieder zurück.
Ablauf der Behandlung
Die Behandlung mit EKT wird bei vielen Patientinnen und Patienten ambulant durchgeführt. Die EKT-Anwendungen können aber auch stationär oder teilstationär erfolgen.
Zunächst erfolgt ein ambulantes Abklärungs- und Aufklärungsgespräch, ggf. sind noch weitere Untersuchungen (MRI, EKG, Labor, etc.) erforderlich. Die Behandlung wird mit dem Einverständnis der Patientinnen und Patienten in einer kurzen Vollnarkose durchgeführt. Sie ist schmerzfrei.
Während einer Sitzung werden über Elektroden am Kopf für wenige Sekunden elektrische Impulse abgegeben, die eine kontrollierte Reaktion des Gehirns auslösen.
«Es braucht etwas Zeit für spürbare Verbesserungen. In einer Akutphase werden in der Regel 8 bis 12 Behandlungen zweimal pro Woche durchgeführt. Die Führung der Behandlung obliegt dem EKT-durchführenden Arzt der PDGR. Der Anästhesist des Kantonsspitals Graubünden ist für die Kurznarkose verantwortlich.
Ethische Aspekte
Grundsätzlich führen wir die EKT nur bei Patientinnen und Patienten durch, die dazu ihre Einwilligung erteilen. In bestimmten, lebensbedrohlichen Notfällen setzen wir EKT als Notfallmassnahme ein.
Wie sonst bei allen medizinischen Massnahmen oder Eingriffen üblich, erfolgt vor Beginn einer EKT eine ausführliche Ab- und Aufklärung der Patientinnen und Patienten sowie von deren Angehörigen. Nach schriftlicher Anmeldung führen wir eine ausführliches Abklärungsgespräch im Rahmen der Second Opinion Sprechstunde durch, informieren über EKT als Behandlungsverfahren und geben eine Behandlungsempfehlung ab, wobei wir auch mögliche andere Behandlungsoptionen berücksichtigen.
EKT im Kontext multimodaler Behandlung
EKT ist kein Behandlungsverfahren für schwere psychische Erkrankungen, das andere Behandlungsmethoden ersetzt, sondern immer Teil eines multimodalen Behandlungsansatzes, der psychosoziale und biologische Verfahren umfasst. Das Team umfasst Psychiaterinnen und Psychiater, Anästhesistinnen und Anästhesisten sowie fachspezifisches Pflegepersonal.
Geschichte der EKT
Der deutsche Begriff «Elektrokrampftherapie» veranschaulicht, welche Grundidee ursprünglich dahinter steckte: Gezielt verabreichte Elektroschocks sollten heilsame Muskelzuckungen auslösen. Der Gedanke, dass dies positive Effekte auf die Psyche haben könnte, geht auf die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück.
Der ungarische Mediziner Ladislas J. Meduna war überzeugt, dass Epilepsie und Schizophrenie einander diametral entgegengesetzte Erkrankungen seien. Zur Behandlung von schizophrenen Störungen versuchte er deshalb, künstlich epileptische Anfälle mit den typischen Muskelkrämpfen auszulösen - durch Injektion von Kampfer und Cardiazol. 1934 wandte er dieses Verfahren erstmals bei einem schwer katatonen Patienten an. Mit einigem Erfolg.
Die Methode verbreitete sich daraufhin schnell, da sie neue Möglichkeiten bei der Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen eröffnete. Der Fortschritt war allerdings teuer erkauft: Die medikamentös ausgelösten Anfälle waren kaum zuverlässig steuerbar, und die Patienten litten als Nebenwirkung der eingesetzten Substanzen oft unter schweren Angstzuständen.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma fand der italienische Psychiater Ugo Cerletti, der seit Anfang der 1930er-Jahre die Auswirkungen elektrisch ausgelöster epileptischer Anfälle auf Tierhirne erforscht hatte. Gemeinsam mit seinen Assistenten entwickelte er ein Verfahren, das eine gezieltere und nebenwirkungsärmere Behandlung mittels Elektroschocks ermöglichen sollte. 1938 fand diese Methode erstmals Anwendung: Nach elf Sitzungen zeigte der Patient deutliche Besserung der Symptome.
In der Folge löste die Elektrokrampftherapie die pharmakologische Krampftherapie in den psychiatrischen Kliniken auf breiter Front ab und brachte speziell bei der Behandlung affektiver Störungen beeindruckende Resultate.
Dass die EKT dennoch in Vergessenheit geriet, lag zum einen an den Fortschritten in der medikamentösen Behandlung psychischer Störungen. Viel stärker setzte der EKT aber der Zeitgeist der 1960er- und 1970er-Jahre zu: Die Psychotherapie wurde grundsätzlich in Frage gestellt und im Film-Klassiker «Einer flog über das Kuckucksnest» als sadistisches Machtinstrument ohne medizinischen Nutzen gebrandmarkt. Speziell Jack Nicholsons Darstellung als hilflos unter den Elektroschocks zuckendes Psychiatrieopfer brannte sich derart ins öffentliche Bewusstsein ein, dass die EKT nachhaltig aus den Kliniken verschwand - auch in der Schweiz.
Die solchermassen in Verruf geratene Therapieform erfreut sich unterdessen in der Depressionsbehandlung nicht nur hierzulande einer stillen Renaissance.
Aktuelle Situation in der Schweiz
Gänzlich war die EKT aber nie aus dem Repertoire der psychiatrischen Einrichtungen verschwunden: In Zürich und Bern wurde sie vereinzelt immer wieder eingesetzt. Und in den 1990er-Jahren wurde die EKT in der psychiatrischen Klinik Königsfelden sogar offiziell wieder ins Behandlungsportfolio aufgenommen - was international für einiges Aufsehen sorgte.
Mittlerweile ist die Zahl der Elektrokrampftherapien in der Schweiz stetig leicht gestiegen auf rund 100 Fälle pro Jahr. Hier kommt der Elektroschock aktuell als letzte Behandlungsoption bei therapieresistenten oder besonders schweren, lebensbedrohlichen, psychotischen Depressionen zum Einsatz.
Die Kosten für eine EKT werden in der Regel abzüglich Franchise und Selbstbehalt von der Krankenkasse übernommen.
Zusammenfassung
Die EKT ist eine wirksame Methode zur Behandlung therapieresistenter Depressionen. Mit Hilfe kontrollierter elektrischer Impulse werden gezielt biochemische Prozesse im Gehirn aktiviert, die depressive und wahnhafte Symptome deutlich lindern oder sogar beseitigen können. Moderne Verfahren machen die Behandlung heute besonders sicher, schonend und effektiv.
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