Depressionen sind die häufigsten psychischen Krankheiten überhaupt und entsprechen einem psychischen, körperlichen und verhaltensbezogenen Reaktionsmuster auf Überforderung. Bis zu 20 % der Bevölkerung leidet mindestens einmal im Leben an einer depressiven Episode. Depressionen treten oft in kritischen Übergängen mit besonderen Belastungen oder in Verlustsituationen auf. In der Depression setzt sich eine Person mit einer bereits eingetretenen überwältigenden Verlust- oder Belastungssituation auseinander.
Richtig behandelt, ist die Depression heutzutage häufig heilbar. Das Ziel jeder antidepressiven Behandlung muss die Genesung sein, um dem Patienten wieder ein uneingeschränktes Leben zu ermöglichen.
Ursachen und Diagnose
Depressive Störungen sind ein zunehmendes Problem unserer Zeit und unserer Gesellschaft. Die WHO geht davon aus, dass ihre Bedeutung in den nächsten Jahrzehnten zur zweitwichtigsten Ursache von Krankheitsausfällen und Einschränkung der Lebensqualität werden wird. Man rechnet, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt 5 - 7 Prozent an einer Depression leiden, im gesamten Lebensverlauf sogar jeder vierte Mensch (20 - 25 Prozent)!
Man unterscheidet unipolare und bipolare Depressionen. Dazu kommen verschiedene andere Begriffe wie Erschöpfungsdepression oder Burnout. Eine depressive Episode dauert in der Regel drei Monate und länger; treten dazwischen auch Phasen von Überaktivität (Manie) auf, so spricht man von einer bipolaren Störung.
Die Diagnose wird anhand eines Anamnesegesprächs mit einem Arzt oder Psychologen und mit psychologischen Tests gesichert. Um möglichst ein Gesamtbild zu erhalten, berücksichtigen wir immer auch die Arbeits- und Familiensituation.
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Behandlungsmethoden
Verschiedene internationale und nationale Fachgesellschaften haben Behandlungsrichtlinien erarbeitet, die sich am neusten Stand der Kenntnisse aller verfügbaren Therapieoptionen von Depressionen orientieren. Diese beschreiben nicht nur verschiedene Behandlungs-Algorithmen für individuell angepasste Therapien, sondern geben auch Anweisungen bei ungenügendem oder fehlendem Ansprechen, zur notwendigen Dauer der Therapie und zu prophylaktischen Behandlungen bei Personen mit grossem Rückfallrisiko. Grundsätzlich gliedert sich eine antidepressive Therapie in die drei zeitlichen Abschnitte: Akuttherapie (erste 6-12 Wochen), Erhaltungstherapie (4-9 Monate) und einer allfälligen Rückfallprophylaxe (länger als ein Jahr).
Psychotherapie
Die adäquate Behandlung der Depression muss stets Psychotherapie beinhalten. Da jede Patientin und jeder Patient über ein individuelles emotionales Profil verfügt, ist eine jeweils hierauf abgestimmte Behandlung erforderlich. Diese führt idealerweise zu einem veränderten Umgang mit Stress und zur Korrektur der negativen individuellen Bewertung und Verarbeitung der persönlichen stressreichen Lebensereignisse. An psychotherapeutischen Verfahren sind die kognitive Verhaltenstherapie (VT) und die interpersonelle Psychotherapie (IPT) aktuell am besten untersucht und in ihrer Wirksamkeit belegt.
Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen sich ständig gegenseitig und die Körperfunktionen.
Medikamentöse Therapie
Wie bei den Antidepressiva der ersten Generation, beruht das Wirkprinzip der modernen Antidepressiva immer noch hauptsächlich auf der Unterstützung und Erhöhung der Konzentration der Neurotransmitter (Botenstoffe) Serotonin, Noradrenalin und Dopamin an den Kontaktstellen der Neurone (Nervenzellen) im Gehirn. Diese Neurotransmittersysteme sind bei Depressionen aus dem Gleichgewicht geraten. Moderne Antidepressiva wirken spezifisch auf bestimmte Komponenten dieser Transmittersysteme.
Je nach verwendetem Antidepressivum unterscheiden sich die Zielorte der Wirkung voneinander. Deshalb haben moderne Antidepressiva oft unterschiedliche Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile, die sich vorteilhaft in der Therapie nutzen lassen können. So haben einige Antidepressiva zusätzlich eine schlaffördernde oder schmerzlindernde Wirkung, oder sie verbessern auch die durch das Krankheitsbild eingeschränkten geistigen (kognitiven) Funktionen wie Aufmerksamkeit, klares Denken und Handeln. Entgegen eines immer noch vorhandenen und gefährlichen Unwissens, gibt es keine Belege, dass Antidepressiva abhängig machen oder eine Veränderung der Persönlichkeit bewirken.
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Trotz zahlreicher Forschungsanstrengungen ist noch immer weitgehend unklar, welches Antidepressivum im Einzelfall die beste Wirkung erzielt. Obwohl die spezifischen aktuellen Symptome des Patienten und seine allfälligen Erfahrungen mit früheren Behandlungen Hinweise geben können, sprechen mind. 30% der Patienten nicht genügend gut auf eine Erstbehandlung an. Die Wirkung von Antidepressiva entfaltet sich über Tage und Wochen. Wenn aber nicht innerhalb der ersten zwei Wochen zumindest ein Wirkungsbeginn festgestellt werden kann, sollte die Therapie angepasst werden, sei dies mit höherer Dosis, einem anderen Medikament oder gar einer Kombination von Medikamenten. Das Ziel muss sein, eine weitgehende Symptomfreiheit zu erreichen. Dies gelingt während der Akuttherapie bei ca. 40-50% der Patienten.
Weitere Therapieansätze
Da depressive Episoden in der Regel 6-12 Monate dauern, muss die Therapie mindestens solange fortgesetzt werden, um Rückfälle während dieser kritischen Zeitperiode zu vermeiden. Beim vorzeitigen Absetzen der Therapie (weil es einem ja wieder gut geht, könnte man denken, die Therapie jetzt abbrechen zu können) erleiden nämlich ca. 80% der Patienten einen Rückfall. Oft bleiben auch nach erfolgreicher Akuttherapie noch einige depressive Restsymptome bestehen wie Schlafstörungen, kognitive Störungen oder Energiemangel. Restsymptome erhöhen das Risiko, Rückfälle zu erleiden. Die Bekämpfung der Restsymptome ist daher das zweite wichtige Ziel der Weiterbehandlung.
Diese sollte mit demselben Antidepressivum in unveränderter Dosis weitergeführt werden. Wenn die aktuelle depressive Episode die erste im Leben des Patienten war oder nach einer jahrelangen Phase ohne Depressionen aufgetreten ist, kann das Antidepressivum sorgfältig ausgeschlichen und abgesetzt werden. Wenn sich aber depressive Phasen in kürzerer Zeit gehäuft haben und die Depression sehr schwer war, wird oft eine prophylaktische Weiterbehandlung auf unbestimmte Zeit erwogen, um künftigen und zu erwartenden depressiven Episoden vorzubeugen. Eine solche prophylaktische Weiterbehandlung ist sehr wirksam und verhindert in 80% der Fälle das Entstehen von weiteren Depressionen.
Lichttherapie
Diese nahezu nebenwirkungsfreie Therapie hat sich nicht nur in der Behandlung der Winterdepression, sondern bei allen Depressionsformen als wirksam erwiesen. Jeden Morgen werden 30 bis 60 Minuten vor einer hellen Lichtquelle (2’500 bis 10’000 Lux) verbracht. Währenddessen kann auch gelesen werden. Je früher im Krankheitsverlauf die morgendliche Lichttherapie stattfindet, desto besser ist in der Regel der Behandlungserfolg.
Schlafentzug
Eine Nacht ohne Schlaf verbessert die Stimmung. Dies klingt zunächst eher merkwürdig, da viele depressive Patienten ohnehin schon an Schlafstörungen leiden. Auch ein teilweiser Schlafentzug ab morgens um ca. 1 Uhr ist antidepressiv wirksam. Man geht also normal zu Bett und wird gegen 1 Uhr morgens wieder geweckt. Wichtig ist, dass man während des Rests der Nacht und während des ganzen folgenden Tages keinesfalls auch nur für ganz kurze Zeit einschläft. Sobald wieder geschlafen wird, verschwindet die stimmungsaufhellende Wirkung wieder.
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Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
Die EKT wird zur Behandlung therapieresistenter Depression und schwerer depressiver Episoden angewandt - in der Regel dann, wenn andere Therapieverfahren versagt haben oder nicht genügend wirksam waren. Die Behandlung gilt als wirksam und nebenwirkungsarm, und der Wirkeintritt erfolgt in der Regel rasch. Das Behandlungsprinzip ist ein in Kurznarkose und Muskelentspannung schonend ausgelöster therapeutischer Krampfanfall im Gehirn. Während dieses etwa eine Minute dauernden Ereignisses wird der Patient anästhesiologisch überwacht.
Begleitmassnahmen und Selbsthilfe
Parallel zu diesen Therapieformen können individuell gestaltete Begleitmassnahmen sehr hilfreich sein, die auf verschiedenste Weisen die Wahrnehmung des Körpergefühls fördern. Es ist äusserst wichtig, dass Sie sehr rasch eine ärztliche Behandlung aufsuchen, sei dies der Hausarzt oder Psychiater. Nicht nur die depressive Stimmung, sondern auch speziell Suizidgedanken und -absichten können wirksam behandelt werden. Es ist daher sehr wichtig, depressive Personen dazu zu bewegen, einen Arzt aufzusuchen oder aber zumindest anonym die Telefonseelsorge, dargebotene Hand oder ein Kriseninterventionszentrum oder einen Psychosozialen Dienst anzurufen.
Seien Sie geduldig mit sich. Eine Depression entwickelt sich meist langsam und bildet sich auch unter Behandlung eher schrittweise zurück. Wenn Sie Medikamente benötigen, nehmen Sie diese bitte genau nach ärztlicher Verordnung. Fragen Sie bei unangenehmen Begleiterscheinungen sofort nach. Auch wenn Sie sich besser fühlen, setzen Sie die Medikamente nicht ab. Planen Sie jeden Tag jeweils am Vorabend möglichst genau (z.B. mit einem Stundenplan). Setzen Sie sich kleine und überschaubare Ziele. Führen Sie ein Stimmungstagebuch. Nach dem Aufwachen sollten Sie sofort aufstehen und das Bett verlassen. In der Depression ist das Wachliegen im Bett eine «Grübelfalle». Oft fällt dies sehr schwer.
Wenn es besser geht: Finden Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten heraus, wie Sie Ihr persönliches Risiko für einen Rückfall vermindern können. Zum rechtzeitigen Erkennen und Verhindern einer neuen depressiven Episode kann es hilfreich sein, Frühwarnsymptome richtig zu erkennen. Es kann für Betroffene sehr hilfreich sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschliessen, um sich unter Personen mit denselben Erfahrungen auszutauschen.
Umgang mit depressiven Angehörigen
Das veränderte Verhalten eines depressiven Angehörigen, eines Arbeitskollegen oder Freundes ist oft schwierig zu verstehen und kann dazu verleiten, ungeduldig und vorwurfsvoll zu reagieren. Zweifellos ist es für Angehörige eine grosse Belastung, mit dem Betroffenen die Krankheit durchzustehen. Sie führt dazu, dass Ihr Lebenspartner oder Freund plötzlich desinteressiert, abweisend und lustlos erscheinen kann. Seien Sie in dieser schweren Zeit geduldig. Die Hilflosigkeit und Trauer - auch Ärger und Wut -, die Sie durch das Miterleben der Erkrankung oft empfinden, sind eine häufige und normale Reaktion.
Vorsicht ist nicht nur bezüglich einer möglichen Überforderung des Erkrankten geboten, sondern auch bezüglich der Überforderung des Helfers. Es ist sehr wichtig, sich über die Krankheit Depression gut zu informieren. Oft ist dies im Rahmen eines gemeinsamen Termins beim behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten möglich. Die Betroffenen sind krank, sie können nicht mehr «etwas wollen». Einem Depressiven fällt es oft sehr schwer, Aktivitäten zu beginnen und durchzuführen. Bereits das Aufstehen, Waschen und Ankleiden oder einfachste Tätigkeiten im Haushalt können für die Betroffenen enorm grosse Hürden sein. Hier können Angehörige und Freunde Hilfe leisten, indem sie den Erkrankten behutsam dabei unterstützen, zu einem geregelten Tagesablauf zu finden.
Depressive Patienten haben zudem krankheitsbedingt sehr grosse Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen. Helfen Sie mit, Geduld aufzubringen. Die Depression ist behandel- und heilbar, aber sie bessert sich meist in kleinen Schritten. Geben Sie Unterstützung zur Einhaltung der Therapie und zur regelmässigen Medikamenteneinnahme. Ergreifen Sie wenn nötig die Initiative und vereinbaren Sie für den Erkrankten einen Arzttermin. Bei Besserung ist es für Betroffene oft schwer, die notwendige Behandlung geduldig fortzuführen. Hier können Sie wertvolle Hilfe leisten. Geben Sie auch Unterstützung bei der wichtigen Rückfallvorbeugung, wenn es wieder besser geht. Helfen Sie dem Betroffenen, Therapie- und Kontrolltermine einzuhalten.
Stationäre Behandlung
Nicht alle depressiven Menschen brauchen eine Klinik. Wenn aber eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihr Leben selbstständig zu bewältigen, trotz eingeleiteter Therapie nicht schlafen kann, unter zusätzlichen körperlichen Problemen leidet und unter dem Druck von Suizidgedanken steht, so ist eine stationäre Behandlung angezeigt. Die Entscheidung erfolgt im Gespräch zwischen Hausarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
In den ersten Tagen nach Eintritt erfolgt eine breite Abklärung und Diagnostik. Dazu gehören klinische Interviews, standardisierte Fragebogen und eine körperliche Untersuchung (inkl. Labortests). Besonders wichtig ist es aber, im Gespräch die ganz persönlichen Problembereiche herauszuarbeiten und ihre Bedeutung für die Entstehung und den Verlauf der Depression zu besprechen.
Weil die Ursachen von Depressionen so vielfältig sind, wird auch die Therapie verschiedene Bereiche einschliessen. Grundlegend ist die Milieutherapie, eine vorübergehende Lebensgemeinschaft, die von Wärme und Geborgenheit, Freundlichkeit und mitfühlender Anteilnahme geprägt sein soll. Depressionen brauchen oft längere Zeit, bis sie völlig abklingen. In der stationären Therapie gehen wir von einem Aufenthalt von 4 - 8 Wochen aus.
Rechtzeitig vor dem Austritt wird mit der Planung der Zeit nach dem Klinikaufenthalt begonnen: Dazu gehören Regelung der Arbeits- und Wohnsituation, Gespräche mit den Angehörigen, Orientierung über die Medikation und über Wege zur Rückfallverhütung. Wichtig ist eine geregelte ärztlich-therapeutische Nachbetreuung, um das Erreichte nicht zu gefährden.
Psychosomatische Rehabilitation
In der integrativen psychosomatischen Rehabilitation bieten wir Ihnen die Möglichkeit, Ihren eigenen Rhythmus wieder zu finden. Die psychosomatische Medizin stellt die praktische Umsetzung der Psychosomatik in der Krankenbehandlung dar. Sie befasst sich mit Krankheiten und Leidenszuständen, an deren Verursachung psychosoziale und psychosomatische Faktoren (einschließlich dadurch bedingter körperlich-seelischer Wechselwirkungen) massgeblich beteiligt sind. Die Psychosomatik beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen körperlichen, seelischen und sozialen Prozessen; in der Entstehung, im Verlauf und bei der Bewältigung von Krankheiten und Umständen, die zu psychischem Leiden führen.
Das ganzheitliche, biopsychosoziale Denken hat in den letzten Jahren insbesondere in der Rehabilitation an Bedeutung gewonnen. Man hat sehr viel Erfahrung in der Behandlung von chronischen Erkrankungen gewonnen. Erfahrungen, die deutlich aufzeigen, wie komplex das Zusammenspiel von psychischen, somatischen und genetischen (sowie anderer Umweltfaktoren) ist. Dieses Zusammenspiel ist sehr störanfällig und die Herausforderung für alle Menschen besteht darin, es zeitlebens im Gleichgewicht zu halten. Das ist der Ansatz der Psychosomatik.
Mit Hilfe einer multimodalen Therapie analysieren wir mit Ihnen die Störfaktoren, erarbeiten neue Bewältigungsstrategien, decken vorhandene eigene Ressourcen (natürlichen Selbstheilungskräfte) auf und aktivieren diese. So erhält Ihr sensibles System die Chance zur Stabilisierung. Die Krankheit wird als gesunde Reaktion der körperlichen Entität betrachtet. Mit dem Hintergrund unseres ganzheitlichen Therapiekonzepts streben wir eine Behandlung an, in der wir gemeinsam mit Ihnen Ziele setzen und individuelle Lösungswege erarbeiten.
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