Arbeitsgedächtnis und seine Bedeutung für ADHS, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Lernerfolg

Das Arbeitsgedächtnis spielt eine entscheidende Rolle für den schulischen Erfolg und die kognitiven Fähigkeiten von Kindern. Eine Studie der Universität von Kalifornien hat gezeigt, dass das Arbeitsgedächtnis ein verlässlicherer Prädiktor für den Schulerfolg ist als der klassische IQ.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden fast 200 Schüler im Alter von 8 bis 13 Jahren in ihrer Entwicklung begleitet. Die Studie verglich ihre Arbeitsgedächtniskapazität und ihren IQ mit ihren schulischen Leistungen in den Bereichen Lesen, Textverständnis, Rechtschreibung und Rechnen - mit erstaunlichen Ergebnissen!

Während längerer Zeit galt der klassische IQ als einziger sicherer Prädiktor (Faktor der Vorhersage) für zukünftigen Schulerfolg. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Tracy Alloway der Universität California, kurz: FTAUC, hat dies nicht nur in Frage gestellt, sondern bewiesen, dass dies falsch ist!

In einer ausführlichen Studie an 200 Jugendlichen zwischen 8 und 13 Jahren wurde durch die FTAUC bewiesen, dass das Arbeitsgedächtnis als verlässlicher Prädiktor für die zukünftigen erzielten Leistungen gilt und nicht der klassische IQ. Erstaunlich ist, dass die Voraussage zu nahezu 95% eintraf. Die Studie wurde dadurch erhärtet, dass die Voraussage auch nach rund 6 Jahren immer noch zutraf.

Die Kernaussage der Studie sagt folgendes: Jugendliche mit hohem klassischen IQ-Werten hatten kaum Vorteile gegenüber solchen, die eher durchschnittliche IQ-Werte besaßen, jedoch ein gutes Arbeitsgedächtnis.

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Beispiel: Marco und Marcel

Nehmen wir zwei Schüler Marco und Marcel, beide mit einem überdurchschnittlichen IQ. Sei Marco hat eine wesentlich geringere Arbeistgedächtniskapazität hat als Marcel. Das heißt der flüssige IQ von Marco ist geringer als der von Marcel.

Beide erhalten die Aufgabe auf der Basis der Satzgruppe des Pythagoras (konkret: Satz von Pythagoras, Höhensatz und Kathetensatz=Satz von Euklid) zwei sogenannte eingekleidete Aufgaben (Satzaufgaben) zu verstehen und das Vorgehen zu einer möglichen Lösung erklären. Beide Schüler können den Inhalt der drei Sätze formal etwa gleich wiedergeben. Das erzielte Resultat ist jedoch typisch: Während Marcel schnell den Inhalt und die korrekte Interpretation der Sätze in der Textaufgabe wieder erkennt und folglich auch zügig lösen, sowie am Schluss auch verständlich erklären kann, hat Marco bereits Mühe den Inhalt der Aufgabe zu verstehen und den Zusammenhang mit den vorgegebenen Sätzen zu erkennen. Marco konnte auf Anhieb auch keine Lösung erarbeiten und anschliessend nur mit Mühe das Resultat erklären.

Das leistungsstärkere Arbeitsgedächtnis von Marcel erlaubt diesem die Aufgabe effizient zu lösen und auch zu erklären, wobei Marco dies nur mit großer Mühe kann und dies auch viel umständlicher.

Arbeitsgedächtnis und Lernstörungen

Wo auch immer Sie in einem Klassenzimmer auftauchen, Sie werden wahrscheinlich immer ein bis zwei Schüler antreffen, die Lernstörungen aufweisen. Zu diesen Lernstörungen gehören vor allem ADHS, Dyslexie und Autismus. Alle drei Lernstörungen haben eine gemeinsame Basis: Ein leistungsschwaches Arbeitsgedächtnis.

Der Zusammenhang zwischen Lernstörungen und Arbeitsgedächtnis ist hoch komplex, was auch das FTAUC-Team erfahren musste. Viele Forschergruppen arbeiten intensiv an den Kausalitäten und Ursachen dieses Zusammenhangs. Die Erforschung des Arbeitsgedächtnis und deren Erkenntnisse sind entscheidend für das Lernen und hat enorme Folgen für unsere Schulen; genauso für Bildung und Erziehung allgemein. Über das Arbeitsgedächtnis eines Schülers Bescheid zu wissen, kann für Lehrer sehr von Vorteil sein.

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Als Testinstrumentarium zur Messung der flüssigen Intelligenz oder flüssigen IQs gibt es den in der Schweiz noch unbekannte AWMA-Test der FTAUC, der vor allem in California eingesetzt wird. Hier gilt es neu die Lehrpläne der Volksschulen nach arbeitgedächtnisfördernden Aufgaben und Konzepten zu durchleuchten und anzupassen.

Arbeitsgedächtnis bei Wunderkindern

Die Faktoren, die Wunderkinder zu dem machen, wurden systematisch untersucht. Die Faktoren sind: Allgemeine Intelligenz; das Arbeitsgedächtnis, das ein spezieller Aspekt der Intelligenz darstellt (sogen. Gf-Faktor), oder eine Art von Autismus.

Aus früheren Forschungen ist bekannt, dass überdurchschnittlich viele Personen, die an Autismus (Asperger-Syndrom) leiden, hochbegabt sind. Die Wissenschaftler Joanne Ruthsatz und Jourdan Urbach haben 2012 insgesamt 8 Wunderkinder ausgiebig befragt und untersucht. Die befragten Kinder haben bereits mit 10 Jahren Großes geleistet, sei es in Kunst, Mathematik oder Musik. Um die klassisische Intelligenz und das Arbeitsgedächtnis zu testen, wurde der Stanford-Binet IQ-Test vorgegeben.

Fazit 1: Der IQ war nur relativ leicht erhöht, der ca 20% über dem Durchschnitt der Bevölkerung lag. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Wunderkinder zwar intelligent sind, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie man es hätte erwarten können.

Fazit 2: Arbeitsgedächtnis (engl: working memory) lag im oberen Extrembereich.

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Bei der Analyse der Arbeitsgedächtnisse der Wunderkinder stießen die Wissenschaftler auf ein verblüffendes Ergebnis: Jedes einzelne der acht Wunderkinder besaß ein Arbeitsgedächtnis, das besser war, als jenes von 99% der Bevölkerung. Jedes der acht Kinder gehört somit zu dem einen Prozent der Bevölkerung mit dem höchsten Arbeitsgedächtnis.

Trainierbarkeit des Arbeitsgedächtnisses

Auch wenn die meisten von uns vermutlich zu alt sind, um ein Wunderkind zu werden, können wir doch unser Arbeitsgedächtnis durch regelmäßiges Trainieren massiv steigern. In vielen Studien wurde demonstriert, dass Gehirn-Training, wie es die GfG oder Neuronalfit anbietet, in der Lage ist, das Arbeitsgedächtnis dauerhaft und bedeutsam zu steigern. Für die Schulen ist diese Erkenntnis bahnbrechend. Dies führt zwingend zu neuen Trainingsmethoden im Schulunterricht.

Intelligenz und Hochbegabung

Der Begriff Hochbegabung weckt bei den meisten Menschen ganz bestimmte Vorstellungen. In den meisten Fällen hat Hochbegabung ein anderes Gesicht. Der Volksmund sagt: hochbegabte Menschen sind besonders intelligent. Aber wodurch zeichnet sich Intelligenz aus und wie kann sie optimal gemessen werden? Diese Fragen beschäftigen Wissenschaftler seit Jahrhunderten.

Bereits 1905 entwarfen die Forscher Binet und Simon ein erstes Konzept, wonach Intelligenz die Art und Weise war, wie ein Mensch eine aktuelle Situation bewältigt, d.h. wie er urteilt, versteht und denkt. Wechsler definierte Intelligenz 1944 als die zusammengesetzte Fähigkeit eines Menschen, „zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinander zu setzen.“

Die Intelligenz wird heute mithilfe von Testverfahren gemessen. Dabei werden unterschiedliche Bereiche wie beispielsweise das logische Denken, das Allgemeinwissen, das Wortverständnis, die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, die Verarbeitungsgeschwindigkeit, die Merkfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit usw. mithilfe verschiedener Leistungstest geprüft. Diese Verfahren sind standardisiert, das heißt, es gibt strenge Richtlinien, wie diese durchgeführt werden müssen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Leistungsunterschiede zwischen Kindern nicht auf Unterschiede in der Testsituation oder Testdurchführung zurückgeführt werden können - alle sollen dieselben Chancen erhalten.

Wenn das Kind alle Untertests absolviert hat, berechnet die Diagnostikerin aus der individuellen Leistung des Kindes einen Gesamtwert. Für verschiedene Altersgruppen gibt es sogenannte Normtabellen, mit denen die Leistung des Kindes verglichen wird.

So viele Konzepte es von der menschlichen Intelligenz gibt, so viele existieren auch zum Begriff der Hochbegabung. Im klassischen Sinne wird von einer Hochbegabung gesprochen, wenn ein Kind oder Erwachsener in einem standardisierten Intelligenztest einen Intelligenzquotienten von 130 oder mehr erzielt.

Wir gehen davon aus, dass 68% der Kinder und Erwachsenen einen Intelligenzquotienten zwischen 85 und 115 aufweisen. Ab einem Intelligenzquotienten von 130 (und mehr) geht man im Allgemeinen von einer Hochbegabung aus. Wenn ein Kind, nennen wir ihn Tobias, einen Intelligenzquotienten von 130 hat, entspricht dies einem Prozentrang von 98: 98% der Gleichaltrigen schneiden im Intelligenztest also schlechter ab als Tobias, nur 2% der Gleichaltrigen erzielen ebenso gute oder bessere Leistungen.

Die Hochbegabung ist damit ein seltenes, aber dennoch ernstzunehmendes Phänomen. Um sie zu erkennen bedarf es einer professionellen Abklärung, bei der nicht nur die Intelligenz gemessen, sondern auch Eltern und Lehrkräfte befragt und das Kind in seinem Verhalten beobachtet wird. Eine erfahrene Psychiaterin, Psychotherapeutin oder (Schul-) Psychologin wird aus dem Mosaik der Testergebnisse, der Eltern- und Schulberichte, der Verhaltensbeobachtung des Kindes, sowie des Gesamteindruckes in der Regel einen Bericht erstellen. Oftmals finden Sie in diesem neben dem allgemeinen Intelligenzquotienten auch ein Profil der Stärken und Schwächen des Kindes (die auch hochbegabte Kinder haben) sowie eine abschließende Beurteilung.

Im Falle einer Hochbegabung kann die Fachperson Sie über Fachstellen und Elternvereine informieren, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben, und die Ihnen als Eltern mit Rat und Tat zur Seite stehen können.

Vorurteile und Realität

In der Gesellschaft kursieren viele Vorurteile über hochbegabter Kinder. Sind sie von Natur aus schulische Überflieger? Oder trifft eher das Gegenteil zu und sie langweilen sich im Unterricht und schreiben schlechte Noten? Wie steht es um ihre Sozialkontakte? Sind sie einsam, empfindlich, eigenbrötlerisch? Was hat es mit der vielbesagten Kombination aus Genie und Wahnsinn auf sich?

Die wissenschaftliche Forschung bringt hier etwas Licht ins Dunkel: Bereits in den 1920er Jahren befasste sich der Psychologe Lewis Terman mit der Frage, wie hochbegabte Kinder heranwachsen. Er beobachtete und dokumentierte den Entwicklungsverlauf hochbegabter Kinder und verglich diesen mit einer Vergleichsgruppe.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Marburger Hochbegabtenprojekt (MHP) unter der Leitung von Prof. Rost, das in den 80er Jahren in Deutschland ins Leben gerufen wurde. Über 7000 Drittklasskinder wurden mittels Intelligenzverfahren getestet. Man identifizierte 151 hochbegabte Kinder und wählte eine Vergleichsgruppe von 138 Gleichaltrigen aus, die sich hinsichtlich ihres Geschlechts, der Schulart und -stufe sowie des familiären Hintergrunds mit diesen deckten. Sechs Jahre später wurden beide Gruppen im Alter von circa 15 Jahren erneut untersucht. Dabei zeigten sich interessante Ergebnisse:

  • 85% der hochbegabten Jugendlichen verfügten über angemessene Schulleistungen.
  • Bei lediglich einem kleinen Teil von 15% handelte es sich um sogenannte underachiever / schulische Minderleister, die bezüglich ihrer Noten weit unter dem zurückblieben, was im Hinblick auf ihre Intelligenz zu erwarten wäre.

Im Durchschnitt schienen die intellektuell sehr starken Jugendlichen ihr Potenzial also gut auszuschöpfen. Auch das Vorurteil, dass hochbegabte Jugendliche eigenbrötlerisch oder sozial isoliert seien, ließ sich nicht bestätigen, vielmehr waren sie im Durchschnitt so gut sozial integriert wie ihre Gleichaltrigen. Dies bestätigten nicht nur die Selbsteinschätzungen der Jugendlichen, sondern auch die Angaben der Eltern und Lehrkräfte.

Die Forscher der MHP-Studie ziehen aus den vielen Ergebnissen ihrer Langzeituntersuchung das Fazit, dass „die Hochbegabten als im Schulsystem gut integriert und schulisch erfolgreich sowie sozial unauffällig, psychisch besonders stabil und selbstbewusst charakterisiert werden (können)."

Die bisherigen wissenschaftlichen Studien zeichnen insgesamt ein positives Bild und prognostizieren Hochbegabten im Durchschnitt einen erfreulichen Lebensweg. Es ist dabei wichtig, zu beachten, dass aus wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen getroffen werden können.

Die oben erwähnten Studien legen nahe, dass ein großer Teil der hochbegabten Kinder in der Schule gut zurecht kommt, seinen Platz in der sozialen Gruppe findet und psychisch gesund ist. In diesen Fällen rutscht das Thema "Hochbegabung" oftmals gar nicht auf das Radar der Kinder und deren Familien.

Ein kleiner Anteil der intellektuell sehr starken Kinder entwickelt Probleme, wegen derer Eltern und / oder Lehrpersonen bei einer Fachperson (Psychiater/in, Psychotherapeut/in, (Schul-)Psychologen) vorstellig werden. So wurden einige hochbegabte Kinder, die ich im Laufe der Zeit kennen gelernt habe, wegen eines Verdachts auf eine Aufmerksamkeitsstörung, wegen schlechter Schulleistungen oder einer kritischen Stellung in der Klasse zur Abklärung angemeldet. Erst im Zuge der Diagnostik zeichnete sich der -für das Umfeld oftmals überraschende- hohe Intellekt ab.

Auf der anderen Seite begegnen uns immer wieder Eltern, die Motivations- und Aufmerksamkeitsprobleme oder emotionalen Auffälligkeiten des Kindes gerne auf eine Hochbegabung bzw. Unterforderung zurückführen würden. Meist ist die Testung der Intelligenz ein "Nebenprodukt", wenn es darum geht, herauszufinden, worauf gewisse Auffälligkeiten zurückzuführen sein könnten.

In den allermeisten Fällen wird eine testdiagnostische Erhebung dann durchgeführt, wenn beim Kind selbst und / oder Eltern und Lehrpersonen ein Leidensdruck entsteht - sei dies aufgrund von Leistungsschwierigkeiten, emotionalen Problemen oder Auffälligkeiten im Sozialverhalten.

Nur wenn wir wissen, welche Faktoren den Auffälligkeiten zugrunde liegen, können wir als Eltern und Fachpersonen geeignete Unterstützungsmassnahmen einleiten und dem Kind die Förderung zukommen lassen, die es braucht.

Oft soll eine Abklärung auch Antworten auf eine spezifische Fragestellung geben, z.B. "Wäre es für dieses Kind sinnvoll, früher eingeschult zu werden / eine Klasse zu überspringen / einzelne Fächer in höheren Stufen zu besuchen? Benötigt dieses Kind besondere Unterstützungsangebote oder ein angereichertes Freizeitprogramm?

Eine Zusammenstellung von Auffälligkeiten hochbegabter Kinder, welche in manchen Fällen zu einem Problem werden können, hat die „Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind" herausgegeben.

Hochbegabte Kinder haben ganz unterschiedliche Interessen und Begabungsbereiche. Diese zeigen sich oftmals bereits im Alltag, manchmal sorgt auch eine umfassendere Begabungsabklärung für Klarheit. Manche hochbegabte Kinder fallen durch ihre beeindruckende Auffassungsgabe und messerscharfen Beobachtungen auf und ziehen rasche logische Schlussfolgerungen, andere zeigen ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten, ein hohes Maß an Fantasie und Kreativität oder ein ausgeprägtes Gespür im sozialen und emotionalen Bereich. Das hochbegabte Kind als solches gibt es jedoch nicht.

Hat eine Abklärung stattgefunden, die dem Kind eine Hochbegabung ausweist, sind sich die meisten Eltern unsicher, ob sie die Lehrkräfte und das Umfeld informieren sollen. Ein Patentrezept gibt es nicht, schlussendlich muss jede Familie für sich entscheiden, mit welcher Lösung sie sich am wohlsten fühlt.

Wir würden uns wünschen, in einer Gesellschaft zu leben, die Menschen mit den verschiedensten Besonderheiten akzeptiert und ihnen einen Platz einräumt. Die Realität sieht oft ganz anders aus. Unsere Gesellschaft ist sehr stark auf Chancengleichheit bedacht und reagiert deshalb oft geradezu beleidigt, wenn ein Kind „von Natur aus“ intellektuelle Vorteile gegenüber anderen Kindern hat.

Die wenigsten Menschen verstehen, warum es auch mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, ein „besonders gescheites“ Kind zu haben. Wer sein Kind als hochbegabt „outet“, läuft Gefahr, auf Neid und Missgunst zu stossen, denn der Begriff ist immer noch mit vielen Vorurteilen verbunden.

Für manche Eltern hat es sich bewährt, das Phänomen im Umfeld zu umschreiben, wenn diesbezüglich Fragen aufkommen (z.B. „er ist fasziniert von Mathematik“ , „sie vertieft sich gerne in Sprachspiele“, „sie möchte alles immer ganz genau verstehen.“).

Wenn es um den Umgang mit der Schule geht, ist es nützlich, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Hochbegabung ein seltenes Phänomen ist. Die meisten Lehrkräfte, aber auch viele Psychologen haben wenig Erfahrung mit diesen Kindern. Wie die Forschung zeigt, sind die meisten hochbegabten Kinder in der Schule gut aufgehoben und gehen ihren Weg erfolgreich.

Sofern Sie das Gefühl haben, dass die Schule wenig auf die Besonderheiten Ihres Kindes eingehen kann, ist es ratsam, sich Literatur zum Thema zu beschaffen und diese bei Bedarf auch an Lehrkräfte weiterzugeben.

Viele Eltern sind zwiegespalten, wenn es um die Frage geht, wieviel das eigene Kind über gewisse Abklärungsergebnisse wissen sollte. Hier ist der Leidensdruck des Kindes oftmals der ausschlaggebende Punkt. Manche hochbegabte Kinder spüren schon früh, dass sie "irgendwie anders funktionieren" und dass sich ihre Interessen von denen Gleichaltriger unterscheiden. In diesem Fall sorgt es oftmals für Entlastung, wenn man diesen Besonderheiten einen Namen geben kann.

Gerade wenn im Zuge der Abklärung besondere Fördermaßnahmen oder gar ein Schulwechsel angeraten wird, ist es wichtig, das Kind entsprechend zu informieren. Wird die Thematik mit dem Kind besprochen, ist es ratsam, eine erfahrene Fachperson hinzuzuziehen. Sie wird dem Kind die Ergebnisse erklären und ihm zeigen, dass es in bestimmten Bereichen anders denkt und schneller auf Lösungen kommt als andere Kinder und ggf. auch besondere Interessen hat. Dies hilft dem Kind, die Informationen besser einzuordnen.

Die Fachperson wird dem Kind bestenfalls jedoch auch vermitteln, dass der Intellekt nur ein Teilbereich des Lebens ist und dass jeder Mensch einzigartig ist und besondere Fähigkeiten mitbringt. Sorgfältige und kindgerechte Informationen sollen auch dazu beitragen, dass dem Kind keine Nachteile entstehen.

Die Beschäftigung mit dem eigenen Intelligenzquotienten ist eine sprichwörtliche Medaille mit zwei Seiten. Die Information, dass ungenügende Schulleistungen nicht auf "Dummheit" zurückzuführen sind, kann unsichere Kinder entlasten und ihr Selbstvertrauen aufbauen. Auf der anderen Seite birgt die Betonung eines hohen Intellekts auch Gefahren. Gerade wenn Eltern sehr stolz darauf sind und immer wieder durchscheinen lassen, dass ihr Kind "besonders begabt" oder "sehr klug ist" und "fast nie etwas lernen muss, weil es alles auf Anhieb kapiert", kann dies dazu beitragen, dass sich das Kind kaum mehr anstrengt.

Manche Kinder haben das Gefühl, sich auf ihren Lorbeeren ausruhen zu können, schließlich haben sie bereits bewiesen, was in ihnen steckt. Andere Kinder entwickeln Ängste und gehen schwierigen Aufgaben aus dem Weg. Manche Eltern und Lehrpersonen, die es mit minderleistenden Hochbegabten zu tun haben, beklagen die mangelnde Motivation dieser Kinder. Vielleicht fällt auf, dass ein Kind Feuereifer für seine Spezialinteressen entwickeln kann, aber deutlichen Widerstand und Unlust in „uninteressanten Schulfächern“ zeigt. Dafür kann es verschiedene Gründe geben.

Den ersten Grund haben wir weiter oben bereits kurz angerissen: das Umfeld macht dem Kind immer wieder bewusst, wie talentiert und clever es ist. Damit sinkt die Motivation, sich anzustrengen. Hochbegabte Kinder können sehr sensibel sein und sind keineswegs vor Leistungsängsten gefeit. Widerstand kann immer auch ein aktives Vermeiden sein, um Misserfolge zu erklären, ohne das Selbstbewusstsein angreifen zu müssen: Wer sich gar nicht erst anstrengt, läuft nicht Gefahr, etwaige Misserfolge auf sich selbst beziehen zu müssen.

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