Hitzewellen und ihre Auswirkungen auf die psychische Gesundheit

Heisse Sommertage und langanhaltende Hitzeperioden treten immer häufiger auf und können für den Körper eine Belastung darstellen. Der Klimawandel hat direkte und indirekte Auswirkungen auf verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens, der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit.

Hohe Umgebungstemperaturen und Hitzewellen stellen ein ernstes Gesundheitsrisiko dar. Hitze kann Menschen schwächen, bestehende Krankheiten verschlimmern sowie verschiedene Krankheiten unterschiedlichen Schweregrades hervorrufen. Dies geht von leichten Beschwerden wie Hautentzündungen über Krämpfe oder Erschöpfung bis hin zu schwerwiegenden Fällen wie dem Hitzschlag.

Wie der Körper auf Hitze reagiert

Wenn die Aussentemperatur steigt und der Körper mehr Wärme aufnimmt, als er durch seine natürlichen Kühlmechanismen abgeben kann, kann dies problematisch werden. Die Körpertemperatur steigt und das Risiko von Hitzestress wächst. Besonders bei Temperaturen über 30 °C haben viele Menschen in Mitteleuropa grössere Schwierigkeiten, ihre Körpertemperatur selbst zu regulieren.

Wenn der Körper hohen Aussentemperaturen ausgesetzt ist, reagiert er mit verschiedenen physiologischen Mechanismen, um die Körpertemperatur stabil zu halten. Eine der ersten Reaktionen ist die Erweiterung der Blutgefässe, was zu einer stärkeren Durchblutung der Haut führt. Dadurch kann überschüssige Körperwärme abgegeben werden. Ein weiterer wichtiger Prozess ist das Schwitzen. Der Körper scheidet Schweiss aus, um die Haut zu befeuchten. Durch die Verdunstung des Schweisses wird Körperwärme abgeführt, wodurch der Körper gekühlt wird.

Eine hohe Luftfeuchtigkeit stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Ist die Luftfeuchtigkeit zu hoch, wird die Verdunstung des Schweisses erschwert, da die Luft bereits mit Wasser gesättigt ist. Steigt die Temperatur über 40 Grad Celsius, wird der Körper stark belastet. Ab einer Körpertemperatur von 42 °C kann dies lebensbedrohlich werden, da körpereigene Eiweisse zerstört werden und der Organismus zusammenbrechen kann.

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Bei extrem hohen Temperaturen sind insbesondere Menschen gefährdet, deren Fähigkeit zur Selbstregulation der Körpertemperatur eingeschränkt ist oder die aufgrund von Vorerkrankungen zu einer Risikogruppe gehören. Dazu zählen vor allem ältere Menschen, die oft weniger schwitzen und ein vermindertes Durstgefühl haben. Darüber hinaus sind Säuglinge, Kleinkinder, pflegebedürftige Menschen und Obdachlose besonders gefährdet, da sie sich in der Regel weniger gut vor Hitze schützen können. Auch bestimmte Medikamente wie Diuretika oder Antidepressiva können eine Rolle spielen, da sie die Fähigkeit des Körpers zur Kühlung verringern. Zudem sind auch Personen ohne Vorerkrankungen nicht vor Hitzebelastung sicher, insbesondere wenn sie sich stark anstrengen, Alkohol konsumieren oder Drogen einnehmen.

Es ist nachgewiesen, dass sich extreme Hitze negativ auf diepsychische Gesundheit auswirkt. Studien zeigen, dass sie das Risiko für psychische Beschwerden wie Angstzustände und depressive Verstimmungen erhöht. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, sozial benachteiligte Gruppen sowie Personen mit bestehenden psychischen Erkrankungen. Denn die Belastung durch Hitze kann bestehende Symptome verstärken. Auch die kognitive Leistungsfähigkeit wird durch hohe Temperaturen beeinträchtigt. Ein weiterer möglicher psychischer Effekt ist die sogenannte Klimaangst, ein Zustand innerer Anspannung und Besorgnis angesichts der Klimakrise. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit kann zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol führen. Zusätzlich können starke Temperaturschwankungen Sommerdepressionen verschlimmern.

Gesundheitliche Probleme durch Hitze

Bei extremer Hitze können verschiedene gesundheitliche Probleme unterschiedlicher Schweregrade mit unterschiedlichen Symptomen auftreten. Eine häufige Folge ist der Sonnenstich, der auftritt, wenn der Kopf zu lange direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, ohne durch eine Kappe oder einen Hut geschützt zu werden. Ein weiterer schwerwiegender Zustand ist der Hitzschlag. Er entsteht, wenn die Fähigkeit des Körpers, durch Schwitzen die Temperatur zu regulieren, überfordert ist. Dies führt zu einem schnellen Anstieg der Körpertemperatur auf über 40 °C.

Ein Hitzekollaps wird insbesondere durch langes Stehen bei starker Hitze verursacht und führt zu einem schnellen Blutdruckabfall. Dies kann zu Schwindel, Schwäche und in einigen Fällen auch zu Bewusstlosigkeit führen. Hitzekrämpfe entstehen häufig nach körperlicher Anstrengung bei hohen Temperaturen. Weitere Hitzeerkrankungen sind der Hitzeausschlag, der durch verstopfte Schweissdrüsen verursacht wird und sich durch kleine, juckende Bläschen äussert, sowie die Hitzepickel, die durch verstopfte Talgdrüsen entstehen. Sie treten vor allem bei zu enger oder wenig atmungsaktiver Kleidung auf.

Verhaltensweisen und Empfehlungen bei Hitzewellen

Wichtig ist es, rechtzeitig vor einer bevorstehenden Hitzeperiode gewarnt zu werden und sich frühzeitig über die Verhaltensempfehlungen zu informieren. Die Bevölkerung wird über die App und Webseite von MeteoSchweiz über anstehende Hitzeperioden gewarnt.

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Trinken Sie während einer Hitzewelle mindestens 2-3 Liter Flüssigkeit täglich. Am besten eignen sich kühle, aber nicht eiskalte Getränke wie Wasser, Kräutertee oder Saftschorlen. Reduzieren Sie fettreiche, schwer verdauliche Mahlzeiten und setzen Sie auf leicht verdauliche Kost wie Salate, Gemüse, wasserreiches Obst (z. B. Melonen, Gurken) und Vollkornprodukte. Tragen Sie luftige, helle Kleidung aus natürlichen Stoffen wie Baumwolle oder Leinen, welche die Haut atmen lässt und den Körper kühl hält. Dunkle Farben absorbieren mehr Sonnenstrahlen - vermeiden Sie diese im Sommer, um eine Überhitzung zu verhindern.

Um die Raumtemperatur unter 26°C zu halten, verdunkeln Sie tagsüber die Fenster und vermeiden Sie Wärmequellen wie Backöfen oder Elektrogeräte. Tragen Sie regelmässig Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor (mindestens SPF 30) auf alle exponierten Hautstellen auf, um Sonnenbrand und Hautschäden zu vermeiden. Duschen Sie statt mit kaltem lieber mit lauwarmem Wasser, um Ihre Poren zu öffnen und Ihre Körperwärme entweichen zu lassen. Wenn Sie Sport treiben möchten, verschieben Sie Ihr Training auf die kühleren Stunden des Tages. Achten Sie auf den Flüssigkeitshaushalt bei Diabetes: trinken Sie regelmässig, vor allem bei heissem Wetter. Wasser oder ungesüsste Tees sind ideal, während zuckerhaltige Getränke und Alkohol vermieden werden sollten. Gehen Sie auf grasbewachsenen Flächen oder nutzen Sie Strassen mit Bäumen und Schatten, um die Belastung durch die Hitze der Oberflächen zu verringern.

Psychische Gesundheit und Hitze

„Extreme Hitze ist nicht nur eine körperliche Belastung, sondern auch ein ernstzunehmendes Risiko für die psychische Gesundheit. Sie verstärkt Stress, Schlafstörungen und psychische Vorerkrankungen“, warnt Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Die Zahl der aggressiven Zwischenfälle steigt, es kommt zu mehr Notaufnahmen in Akutpsychiatrien. Sogar die Zahl der Suizide steigt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), wenn es heiss ist.

„Menschen mit psychischen Erkrankungen sind besonders anfällig für gesundheitliche Hitzefolgen“, sagt Prof. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der DGPPN. „Gerade für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist es häufig schwierig, sich selbstständig und effektiv vor Hitze zu schützen; psychische Erkrankungen gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren für hitzebedingte Todesfälle.“

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Empfehlungen für Betroffene und Angehörige

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat spezifische Empfehlungen für den Hitzeschutz von psychisch Erkrankten herausgegeben:

  • Im Schatten bleiben, ausreichend Wasser trinken und körperliche Anstrengung vermeiden.
  • Da Alkohol- oder Drogenkonsum und intensiver Sport das Risiko zu dehydrieren und zu überhitzen erhöhen, sollte man beides an heissen Tagen möglichst meiden, so die BPtK. Wer auf intensiven Sport nicht verzichten möchte, sollte dies an kühleren und sonnengeschützten Orten tun und reichlich Wasser zu sich nehmen.
  • Mit der Ärztin oder dem Arzt abklären, was an heissen Tagen hinsichtlich der Medikation beachtet werden sollte und ob eine Anpassung der Dosis nötig ist.
  • Mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten besprechen, an wen man sich in psychischen Notlagen wenden kann.

Diese Punkte können auch für das Umfeld wichtig sein. „Es ist dringend erforderlich, psychisch Erkrankte vor den Folgen grosser Hitze zu schützen, da sie dazu selbst aufgrund ihrer Erkrankung oft nicht ausreichend in der Lage sind“, so die Psychotherapeutenkammer Berlin.

Kinder und Jugendliche sind besonders empfindlich auf hohe Temperaturen, da ihr Körper noch nicht vollständig in der Lage ist, Hitze zu regulieren: Sie schwitzen weniger effektiv und dehydrieren schneller. Dadurch steige das Risiko für Hitzschläge und Kreislaufprobleme. Bestehende Erkrankungen können sich durch Hitze verschlechtern.

Das gelte auch für die Regulation psychischer Zustände: „Unter Hitze verstärken sich psychische Belastungen bei Kindern. Reizbarkeit und Unruhe, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Aggressivität nehmen zu. Auch bei Jugendlichen werden Probleme wie depressive Verstimmung, sozialer Rückzug, emotionale Verletzlichkeit oder impulsives Verhalten durch Hitze verstärkt.“

Forschungsergebnisse und Studien

Ana Vicedo: Unsere Studie deutet darauf hin, dass die Umgebungstemperatur das Risiko von Spitalaufenthalten aufgrund psychischer Störungen beeinflussen kann. Wir konnten zeigen, dass höhere Umgebungstemperaturen mit einem erhöhten Risiko für Hospitalisierungen aufgrund psychischer Erkrankungen verbunden sind.

Die Studie basiert auf den täglichen Einweisungszahlen der Psychiatrischen Universitätsklinik Bern zwischen 1973 und 2017, mit einer Gesamtzahl von fast 90'000 Hospitalisierungen.

Marvin Bundo: Der Zusammenhang scheint von der psychiatrischen Subdiagnose beeinflusst zu werden. Menschen mit Entwicklungsstörungen und Schizophrenie schienen in dieser Studie am stärksten betroffen zu sein. Dieser Befund lässt sich beispielsweise dadurch erklären, dass viele Menschen mit Entwicklungsstörungen - zum Beispiel Autismus - überempfindlich auf äussere Umwelteinflüsse wie extreme Temperaturen reagieren können.

Es gibt Hinweise aus einigen Studien, dass das Risiko von einem Suizid oder Suizidversuch in Zeiten ungewöhnlicher Hitze zunimmt. Eine dieser Studien konnte diesen Einfluss bei Suiziden in verschiedenen Ländern und Städten nachweisen, darunter acht Städte in der Schweiz. Andere Studien geben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Suizidversuchen.

Thomas Müller: Menschen mit psychischen Erkrankungen sind, wie bereits erwähnt, verletzlicher. Sie haben weniger Ressourcen, um sich vor Stressoren zu schützen. Wir müssen also dafür sorgen, dass gerade Menschen mit diesen Erkrankungen bei Hitzewellen besser geschützt werden können. Heutzutage stehen bei Hitzewellen vor allem ältere Menschen im Mittelpunkt. Wir müssen dies auf Menschen mit psychischen Erkrankungen ausweiten.

Anpassung und Prävention

Um den Herausforderungen der Hitze zu begegnen, ist es unerlässlich, auf den eigenen Körper zu achten und vorbeugende Massnahmen zu ergreifen.

Bei den derzeitigen Erwärmungsraten werden Hitzesommer wie 2022 in der Schweiz in den kommenden Jahrzehnten nicht nur häufiger, sondern zur Normalsituation. Der Hitzesommer 2022 wird zu einem durchschnittlichen Sommer. Und selbst wenn die Treibhausgas-­Emissionen sofort drastisch reduziert würden, wären wir in den nächsten Jahren vorerst weiterhin höheren Temperaturen ausgesetzt. Das wissen wir von Klimastudien.

Um ins Handeln zu kommen, sollte in der Politik, in der Bevölkerung und bei Fachpersonen ins Bewusstsein rücken: Die Gesundheitsbedrohung durch den Klimawandel ist real, und zwar nicht erst in Zukunft, sondern hier und jetzt.

Auch weil Ärztinnen, Pflegefachpersonen und Therapeuten eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, Menschen auf die gesundheitlichen Risiken aufmerksam zu machen. Sie geniessen hohe Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

In Städten, wo die Bevölkerung besonders unter Hitzewellen leidet, könnten zudem künftig «Climate Shelters» Schutz bieten. Das sind beschattete Orte in Parks oder Quartierzentren, die vulnerable Personen wie Ältere, Kinder oder sozial Benachteiligte in heissen Stunden aufsuchen können. Wir wissen, dass Hitze-Aktionspläne helfen: In Schweizer Städten, die solche Pläne jetzt schon umsetzen, ist die hitzebedingte Sterblichkeit nachweislich geringer.

Therapeutische Ansätze

Ein vielversprechender Ansatz ist die passive Ganzkörperhyperthermie - eine therapeutische Hitzeanwendung. Hanusch sieht Potenzial, depressive Patient*innen durch Hyperthermie auf eine Psychotherapie vorzubereiten: «Sie könnte helfen, die mentale Starre zu durchbrechen - ähnlich wie auch Antidepressiva eingesetzt werden».

In Studien mit depressiven Patient*innen konnte die depressive Symptomatik durch Hyperthermie deutlich reduziert werden (Knobel 2022). «Bemerkenswert war das sehr rasche Ansprechen innerhalb weniger Tage, im Vergleich zu Antidepressiva, die dafür mehrere Wochen benötigen», berichtet Hanusch.

Bei der moderaten passiven Ganzkörperhyperthermie wird die Körperkerntemperatur um etwa 1 °C auf bis zu 38,5 °C erhöht. «Die Patient*innen liegen in einem Hyperthermiezelt, wo Hitzestrahler mit wassergefilterten Infrarot-A-Lampen die Kammer auf etwa 55 °C erwärmen», erklärt Hanusch. «Wir untersuchen, wie sich das Temperaturempfinden gegenüber Hitze auf Schmerz und Stimmung auswirken - sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Patient*innen mit Depressionen oder primär chronischen Schmerzen», erklärt Hanusch.

Neben der therapeutischen Anwendung könnte eine adaptierte Hyperthermie auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine Rolle spielen. «Wenn wir verstehen, wie thermische Anpassung im Körper funktioniert, können wir gezielte Empfehlungen geben, um Menschen in Zeiten des Klimawandels besser zu schützen», betont Hanusch.

Thermotherapien haben in der Physiotherapie eine mehr als hundertjährige Geschichte, doch die neuen Erkenntnisse könnten helfen, sie gezielter in die moderne Schmerz- und Depressionsbehandlung zu integrieren. Ansätze wie die passive Ganzkörperhyperthermie könnten den Zugang zu multimodalen Therapien erleichtern und die Lebensqualität von Betroffenen nachhaltig verbessern.

Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit
Zielgruppe Risiken Empfehlungen
Ältere Menschen Vermindertes Durstgefühl, weniger Schwitzen, Herz-Kreislauf-Belastung Regelmässig trinken, kühle Orte aufsuchen, leichte Kleidung tragen
Kinder und Jugendliche Ineffektive Hitzeregulation, Dehydration, psychische Belastungen Ausreichend trinken, Schatten suchen, körperliche Anstrengung vermeiden
Psychisch Kranke Verschlimmerung der Symptome, erhöhte Anfälligkeit für Stress Medikation überprüfen, Kontakt zu Therapeuten halten, Hitzeschutzmassnahmen beachten

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