Loslassen können: Psychologie und hilfreiche Tipps

Der Mensch ist von Natur aus auf Bindung ausgelegt. Deshalb kann das „Loslassen“ eines Phänomens, eines Ereignisses oder einer Idee beängstigend sein, denn es ist nicht leicht, sich mit ganzem Herzen darauf einzulassen, innezuhalten, zu scheitern, im Unrecht zu sein und seinen Glauben zu erneuern, dem zu vertrauen, was der Fluss bringt.

Jeder von uns hat solche Sprüche schon einmal gehört. In trockenen Sätzen ausgedrückt, scheinen wir sie sagen zu hören: „Ist das so einfach? Was sind also die Schwierigkeiten?

Warum fällt Loslassen oft so schwer?

Loslassen fällt uns dann schwer, wenn wir in das, was wir aufgeben müssen - sei es ein Ziel, eine Gewohnheit oder eine Beziehung -, viel Zeit, Energie, Geld und Emotionen investiert haben.

Der Motivationspsychologe Eric Klinger beschreibt diesen Mechanismus in seiner «Disengagement-Theorie»: Je mehr wir in etwas investiert haben, desto stärker hält uns unser inneres Engagement davon ab, loszulassen.

Besonders schmerzhaft wird es, wenn das Loslassen unfreiwillig geschieht - wie beim Verlust eines geliebten Menschen oder Haustieres. In solchen Momenten sind wir gezwungen, gemeinsame Erinnerungen, Liebe und geteilte Zeit loszulassen. Es fühlt sich an, als würde ein Teil von uns selbst verloren gehen.

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Doch gerade dieser Schmerz zeigt uns auch etwas Wichtiges: Das Verlorene war von grosser Bedeutung und hat unser Leben bereichert.

Soziale Faktoren, Engagement, Erwartungen und Hoffnungen sind weitere Gründe, warum Loslassen so schwierig ist.

  • Soziale Faktoren: Die sozialen Normen können manchmal eine Herausforderung darstellen, wenn es darum geht, etwas aufzugeben.
  • Engagement: Wenn man sich einem Ziel verschrieben hat, kann es schwierig sein, es aufzugeben, weil man vielleicht eine emotionale oder physische Bindung zu diesem Ziel aufgebaut hat.
  • Erwartungen und Hoffnungen: Der eingeschlagene Weg wird von Hoffnungen und Erwartungen bestimmt.

Wann sollten wir aufgeben?

Es kann wichtig sein, ein Ziel zu erreichen, aber manchmal kann es auch notwendig sein, um unserer Gesundheit willen aufzugeben. Aufgeben ist auch in spiritueller Hinsicht ein wichtiger Prozess.

Es kann der erste Schritt sein, um die eigenen Grenzen zu erkennen, die Selbstachtung und Selbstliebe zu stärken und das Selbstmitgefühl zu erhöhen. In einer solchen Situation ist es für den Einzelnen sehr hilfreich, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.

Wir sollten nicht vergessen, dass es auch Aspekte gibt, die uns pädagogisch und beruflich weiterbringen. Wenn wir eine Arbeit oder ein Projekt schreiben, werden wir uns unserer Unzulänglichkeiten bewusst. Eine andere Methode auszuprobieren hilft uns, uns zu verbessern und das Ziel zu erreichen.

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Wann sollten wir also aufgeben und wann sollten wir weitermachen? Die Antwort auf diese Frage hängt von persönlichen Vorlieben und der jeweiligen Situation ab. Deshalb ist es in unserem eigenen Interesse, gut nachzudenken und eine gute Entscheidung zu treffen.

Anzeichen dafür, dass es Zeit ist, loszulassen:

  • Motivationsverlust: Die Person verliert häufig das Interesse an Dingen, die sie früher interessiert oder begeistert haben.
  • Verlust der emotionalen Stabilität: Emotionale Veränderungen wie Depressionen, Ruhelosigkeit oder Hoffnungslosigkeit können beobachtet werden.
  • Kommunikationsprobleme mit der Familie, den Kollegen, dem Ehepartner oder den Kindern können dazu führen, dass wir aufgeben.

Wie Loslassen uns helfen kann

Loslassen ermöglicht Krisenmanagement. Es hilft, unsere emotionale Kontrolle zu verbessern. Aufgeben erlaubt uns, uns auf unser Selbstmitgefühl zu konzentrieren. Es hilft uns, uns selbst Vorrang vor Situationen außerhalb unserer selbst zu geben. Los lassen bringt uns auf neue Ideen und hält uns zielorientiert. Freies Denken eröffnet uns bessere Optionen.

Wer kann mir beim Aufhören helfen?

Die Therapie bei Schwierigkeiten mit dem Los lassen kann sich auf den Prozess des Los lassens von einer bestimmten Situation, Gewohnheit, Sucht oder Beziehung konzentrieren. Dafür gibt es verschiedene Therapieformen:

  • Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Sie hilft der Person, den Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten zu erkennen und negative Denkmuster durch positive zu ersetzen.
  • Motivierende Gesprächsführung: Sie wird eingesetzt, um die intrinsische Veränderungsmotivation der Person zu erhöhen und den Entwöhnungsprozess proaktiv zu gestalten.
  • Selbsthilfegruppen: Sie können sich mit anderen austauschen, die ebenfalls Erfahrungen mit Sucht, Verlust, großen Veränderungen im Leben usw.
  • Berater und Coaches: Sie können Ihnen bei bestimmten Problemen helfen.

Die Art der Unterstützung, die während des Ausstiegsprozesses benötigt wird, kann von Person zu Person variieren, und manchmal kann mehr als eine Art von Unterstützung erforderlich sein. Neben Therapien können diese Unterstützungsmethoden helfen, die Schwierigkeiten des Aufgebens zu mildern und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Loslassen im Alter

Ältere Menschen stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es ums Loslassen geht. Verluste wie der Übergang in den Ruhestand, gesundheitliche Einschränkungen oder der Abschied von geliebten Menschen sind eng mit diesem Lebensabschnitt verbunden. Solche Einschnitte können das Gefühl verstärken, dass wichtige Teile des eigenen Lebens unwiederbringlich verloren gehen - sei es die berufliche Identität, körperliche Unabhängigkeit oder soziale Rollen. Gleichzeitig verfügen ältere Menschen häufig über weniger körperliche und mentale Ressourcen, um mit diesen Veränderungen umzugehen, was den Prozess zusätzlich erschwert.

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Doch das Alter bringt auch eine Chance mit sich: Viele Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine grössere Akzeptanz. Statt gegen den Verlust anzukämpfen, hilft es, ihn anzunehmen und zu verstehen, dass Loslassen zum Leben dazugehört. Gleichzeitig ist es wichtig, den Blick von dem Verlorenen auf das zu richten, was noch möglich ist. Ein Perspektivenwechsel kann dabei unterstützen: Welche neuen Chancen oder Wege könnten sich jetzt eröffnen?

Familie, Freunde, aber auch lockere Bekannte - jede Art sozialer Kontakte hilft. Es lohnt sich, frühzeitig ein Netzwerk aufzubauen, es stärkt unsere Resilienz und hilft uns, uns weniger allein zu fühlen. Selbst einfache soziale Aktivitäten wie das Mitmachen in einer Turngruppe oder bei einer Jassrunde oder ein wöchentlicher Kaffee mit Bekannten können wertvoll sein.

Tipps zum Loslassen

  • Machen Sie sich klar, ob Sie wirklich los lassen wollen.
  • Seien Sie ehrlich zu sich selber. Halten Sie aus Gewohnheit, Nostalgie oder aus Bequemlichkeit fest? Oder ist die Zeit definitiv abgelaufen?
  • Sehen Sie der Realität ins Auge.
  • Grübeln Sie nicht über das was-wäre-wenn nach.
  • Wenn Sie loslassen wollen, tun Sie es möglichst zügig. Fairerweise für Sie und die anderen.
  • Tragen Sie sich nichts nach. Wenn der Gedanke kommt wieso das Loslassen so lange gedauert hat, schieben Sie ihn weg. Es brauchte halt seine Zeit, bis Sie bereit dazu waren.
  • Verabschieden Sie sich.
  • Bedanken Sie sich für die Zeit, die Erlebnisse oder die Erinnerungen bei der Person oder den Erinnerungsstücken. Das hinterlässt ein gutes Gefühl des wirklich „abgeschlossen haben“.
  • Loslassen muss nicht immer ein totaler Verlust sein. Auch wenn es im ersten Moment so erscheint. Schauen Sie ein paar Wochen oder Monate später auf Ihren Entscheid zurück. Wie fühlen Sie sich?

Loslassen und Verzeihen

Loslassen ist ein Akt der Selbstfürsorge, der dazu dient, sich von belastenden Emotionen zu befreien und den inneren Frieden wiederzufinden. Es kann der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung sein, bis man möglicherweise irgendwann bereit ist, zu vergeben - was jedoch nicht unbedingt notwendig ist. Letztlich ist es entscheidend, dass der Betroffene seinen emotionalen Frieden wiedererlangen kann.

Loslassen, ohne zu verzeihen, ist möglich. Hauptsache, man findet seinen inneren Frieden.

Loslassen der Vergangenheit: Praktische Übungen und Techniken

  • Tagebuchschreiben: Das Aufschreiben Ihrer Gedanken und Gefühle kann eine therapeutische Wirkung haben. Es ermöglicht Ihnen, Ihre Emotionen zu verarbeiten und einen neuen Blickwinkel auf die Situation zu bekommen.
  • Achtsamkeitsmeditation: Diese Technik hilft Ihnen, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und sich nicht von schmerzhaften Erinnerungen oder Ängsten über die Zukunft überwältigen zu lassen.
  • Gedankenstopptechniken: Wenn Sie feststellen, dass bestimmte Gedanken immer wieder in Ihrem Kopf kreisen, können Sie sich ein Stopp-Signal setzen. Dies kann so einfach sein wie das mentale Aussprechen des Wortes «Stopp».
  • Affirmationen: Wiederholen Sie positive und stärkende Sätze für sich selbst, um Ihr Denken zu ändern und eine positivere Perspektive zu fördern.

Psychologische Perspektiven auf das Loslassen

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hier geht es darum, schädliche Denkmuster zu erkennen und zu ändern. Loslassen wird oft als ein Prozess des Ersetzens dieser Muster durch gesündere, adaptivere Ansichten gesehen.
  • Psychoanalyse: Hier könnte das Festhalten an der Vergangenheit als das Ergebnis unaufgelöster innerer Konflikte oder traumatischer Ereignisse aus der Kindheit betrachtet werden.
  • Humanistische Psychologie: Diese Perspektive betont das Wachstum und das Potenzial des Einzelnen. Loslassen wird hier oft als notwendiger Schritt auf dem Weg zur Selbstverwirklichung und zum Erreichen des besten Selbst gesehen.
  • Gestalttherapie: Dieser Ansatz konzentriert sich darauf, unvollendete Geschäfte abzuschliessen und den gegenwärtigen Moment vollständig zu erleben. Das Loslassen der Vergangenheit ist ein zentraler Aspekt dieses Prozesses.

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