Was ist OCD? Eine Definition der Zwangsstörung

Viele Menschen machen sich beim Verlassen der Wohnung Gedanken, ob sie auch wirklich den Herd ausgeschaltet haben. Oder sie kontrollieren mehrmals, ob der Schlüssel in der Tasche ist. Bekanntlich ist ja «Vorsicht besser als Nachsicht». Aber was, wenn solche Kontrollen ins Zwanghafte übergehen?

Definition: Was ist eine Zwangsstörung (OCD)?

Unter Kontrollzwang versteht man eine Form der Zwangsstörung (engl. Obsessive Compulsive Disorder, kurz OCD), was eine schwere psychische Störung ist. Eine Zwangserkrankung ist eine psychische Störung, die durch wiederkehrende zwanghafte Gedanken und/oder zwanghaftes Verhalten gekennzeichnet ist. Die Zwangsstörung ist eine schwere psychische Erkrankung. Die Betroffenen führen zwanghaft immer wieder die gleichen Rituale aus oder werden von beunruhigenden Gedanken geplagt. Obwohl sie erkennen, dass ihre Handlungen und Ängste irrational sind, bekommen sie ihr Denken und Handeln nicht in den Griff.

Die englische Bezeichnung der Zwangsstörung, OCD = Obsessive-Compulsive Disorder, bringt diesen Aspekt sehr schön zum Ausdruck. Eine Zwangsstörung (OCD) ist eine häufige psychische Erkrankung, welche sowohl die betroffene Person als auch ihr soziales Umfeld beeinträchtigt. Diese Störung betrifft in der Schweiz 2 bis 3 % der Bevölkerung.

Merkmale einer Zwangsstörung

  • Sie zeichnet sich durch ein breites Spektrum an Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Merkmalen aus.
  • Manche Betroffene haben beispielsweise zwanghafte Vorstellungen und Gedanken, andere verspüren den Drang, bestimmte Handlungen in ritualisierter Weise immer und immer zu wiederholen, beispielsweise Hände zu waschen.
  • Auch die Kombination beider Aspekte ist weit verbreitet.
  • Ritualisierte Handlungen werden jedoch erst dann als Zwang bezeichnet, wenn Betroffene unter grosser Anstrengung und erfolglos versuchen, gegen diese Dränge anzukämpfen.
  • Innerlich verspüren sie einen grossen Widerstand, der in ihnen Anspannung und mitunter auch Angst auslöst.

Bei Kontrollzwang geht es um die ritualisierte Handlung des Kontrollierens bestimmter Gegenstände. Betroffene verbringen viel Zeit und Energie damit, bestimmte Dinge zu überprüfen und zu kontrollieren. Beispielsweise prüfen sie wiederholt, ob der Herd auch tatsächlich aus ist, der Wasserhahn zugedreht ist oder ob die Haustür verschlossen ist. Aufgrund dessen, dass Betroffene oft sehr viel Zeit und Energie in dieses Kontrollieren stecken, kann ihr soziales Leben stark darunter leiden.

Symptome von OCD

OCD ist eine psychische Störung, die durch das Vorhandensein von Obsessionen und Zwängen gekennzeichnet ist. Obsessionen sind unerwünschte, wiederkehrende Gedanken, Bilder oder Impulse, die starke Angst oder Unbehagen verursachen. Zwänge sind repetitive Verhaltensweise oder Rituale, die durchgeführt werden, um die Angst zu lindern, die durch die Obsessionen ausgelöst wird.

Ein Kontrollzwang äussert sich von Person zu Person ganz unterschiedlich. Auch die Dinge, die kontrolliert werden, sind vielfältig. Betroffene haben ängstliche Gedanken, Gefühle und Zweifel. Sie befürchten, dass etwas Schlimmes passieren könne, wenn sie nicht genug aufpassen. Diese Gedanken empfinden Betroffene als so beängstigend, dass sie diese kaum ertragen können. Daher entsteht der Drang, sich immer wieder zu versichern, dass beispielsweise der Herd ausgeschaltet ist.

Verschiedene Arten von Zwangsstörungen

  • Kontrollzwang: Personen, die unter dieser Art von OCD leiden, haben das ständige Bedürfnis zu überprüfen, ob z.B. Türen verschlossen und elektrische Geräte ausgeschaltet sind.
  • Reinigungszwang: Personen, die unter dieser Art von OCD leiden, haben eine übermässige Angst vor Schmutz, Keimen oder Infektionen.
  • Zwangsstörung, die mit der Angst vor einem Unglück verbunden ist: Diese Personen verspüren das Bedürfnis, bestimmte Aufgaben in einer bestimmten Reihenfolge zu erledigen oder eine geistige Handlung auszuführen.
  • Zwangsgedanken in Zusammenhang mit der Angst, eine unerwünschte Tat zu begehen: Bei dieser Art von OCD besteht der Zwang aus aufdringlichen und unerwünschten Gedanken über Tabuthemen wie Gewalt oder Sexualität.

Weitere Symptome

  • Obsessionen: Diese können sich auf Themen wie Kontamination, Ordnung, Sicherheit, sexuelle Gedanken und mehr beziehen.
  • Zwangshandlungen: Diese umfassen übermässiges Händewaschen, wiederholtes Überprüfen von Türen, exzessives Zählen und andere Rituale.
  • Beeinträchtigung des täglichen Lebens: OCD kann das tägliche Leben erheblich beeinflussen und die Fähigkeit zur Durchführung alltäglicher Aufgaben erschweren.

Zwangsgedanken vs. Zwangshandlungen

Unter Zwangshandlungen versteht man hingegen wiederholte physische Handlungen, die ausgeübt werden, um Befürchtungen zu verhindern. Kontrollen laufen immer nach demselben Muster ab. Kontrollzwänge beziehen sich zumeist auf alltägliche Gebrauchsgegenstände. Hinter solchen Zwangsgedanken stehen Befürchtungen, anderen oder sich selbst Schaden zuzufügen. Auch die Furcht vor Schuldgefühlen spielt hierbei eine Rolle. Bei Kontrollzwang bezieht sich der Zwang ausschliesslich auf die Kontrolle von Gegenständen. Das Kontrollieren von Menschen hingegen deutet eher auf eine Persönlichkeitsstörung hin. So haben Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung einen starken Perfektionismus, der zu Misstrauen und Kontrolle anderer führen kann.

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen sind zwei Hauptkomponenten der Zwangsstörung (OCD), aber sie sind nicht dasselbe, und sie können unterschiedliche Ursache und Mechanismen haben. Hier ist eine Erklärung:

  • Zwangsgedanken: Zwangsgedanken sind unerwünschte, wiederkehrende und belastende Gedanken, Bilder oder Impulse, die in den Köpfen von Menschen mit OCD auftreten. Diese Gedanken sind oft irrational oder absurde Ängste, die starke Angst oder Unbehagen auslösen.
  • Zwangshandlungen: Zwangshandlungen sind wiederholte Verhaltensweise oder Rituale, die Menschen mit OCD ausführen, um ihre Ängste oder Zwangsgedanken zu lindern. Diese Handlungen sind oft ritualisiert und werden in einem Versuch durchgeführt, die Belastung zu reduzieren.

Die Unterscheidung zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen ist wichtig, weil sie unterschiedliche Ansätze in der Behandlung erfordern. Menschen mit OCD können entweder Zwangsgedanken, Zwangshandlungen oder beides haben.

Ursachen von OCD

Die genaue Ursachen von OCD sind komplex und noch nicht vollständig verstanden, da sie wahrscheinlich auf eine komplexe Wechselwirkung mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Wie auch bei anderen psychischen Erkrankungen können verschiedene Auslöser für den Kontrollzwang infrage kommen. Grundsätzlich gelten sowohl biologische Faktoren als auch Umwelteinflüsse als mögliche Ursache.

Hier sind Einige der Hauptfaktoren, die an der Entstehung von OCD beteiligt sein könnten:

  • Genetische Faktoren: Es gibt Hinweise darauf, dass OCD in einigen Familien gehäuft auftritt. Dies deutet darauf hin, dass genetischen Faktoren eine Rolle spielen können. Es wurden jedoch keine spezifischen Gene identifiziert, die OCD verursachen.
  • Neurobiologische Faktoren: Störungen im Gehirn, insbesondere im Bereich der Basalganglien und des Frontallappens, sind mit OCD in Verbindung gebracht worden. Ungewöhnliche neurochemische Prozesse, insbesondere im Zusammenhang mit dem Neurotransmitter Serotonin, könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Ferner wird ein Serotoninmangel als mögliche Ursache gesehen.
  • Psychologische Faktoren: Frühere traumatische Erfahrungen oder belastende Lebensereignisse könnten das Risiko für OCD erhöhen. Menschen, die anfällig für Angst oder Perfektionismus sind, könnten auch anfälliger für OCD sein.
  • Umweltfaktoren: Einige Studien haben vorgeschlagen, dass Infektionen in der Kindheit oder Streptokokken-Infektionen (PANDAS) bei einigen Menschen OCD auslösen können.
  • Lernen und Verhalten: Manche Menschen entwickeln OCD, weil sie in der Vergangenheit festgestellt haben, dass bestimmte Handlungen oder Rituale dazu beitragen, ihre Angst oder Obsessionen vorübergehend zu lindern. Dies kann zu einer Verstärkung der Zwangsstörung führen.

Viele Betroffene scheinen eine genetische Prädisposition aufzuweisen und haben Familienmitglieder, die ebenfalls von einer Zwangserkrankung betroffen sind. Auch das Verhalten der Eltern spielt eine Rolle: beobachten Kinder die Mutter dabei, wie sie immer wieder die Wohnungstüre überprüft, übernehmen sie dieses Verhalten allenfalls. Auch andere Aspekte in der Erziehung können die Entstehung von Zwangsstörungen fördern. So werden beispielsweise ängstliche Kinder zusätzlich verunsichert, wenn sie überbehütet aufwachsen und nicht lernen, mit ihren Ängsten gesund umzugehen.

Eine weitere Rolle spielt die eigene Persönlichkeit oder andere psychische Erkrankungen. Menschen, die grundsätzlich ängstlich sind oder eine Angststörung haben, tendieren dazu, bedrohliche Gedankenmuster ernster zu nehmen als andere. Kontrollhandlungen können daher ausgeprägter vorhanden sein. Auch Traumata können dazu beitragen, insbesondere wenn das Erlebte mit einem Gefühl von Kontrollverlust verbunden ist.

Diagnose und Behandlung

Wahrscheinlich kennen auch Sie Situationen, in denen Sie sich nicht sicher sind, ob Sie den Herd auch wirklich ausgeschaltet haben. In diesen Fällen genügt meist ein kurzes Nachprüfen, damit sich die Anspannung löst. Anders ist es jedoch bei Betroffenen von Kontrollzwang. Anfangs kann ein Nachprüfen noch zu einer sinkenden Anspannung führen, diese hält aber meist nur kurz an oder bleibt erhalten, beziehungsweise steigert sich. Aus diesem Grund sehen sich Betroffene immer wieder gezwungen, Kontrollhandlungen auszuführen, obwohl diese kaum noch Linderung bringen. Mit der Zeit kann dies dazu führen, dass Betroffene in ihrer Kontrolle immer drastischere Massnahmen unternehmen. Auch die Gedanken der Betroffenen kreisen ständig um das Thema. Selbst wenn sie nach mehrmaligem Kontrollieren die Wohnung verlassen, fragen sie sich ständig, ob die Wohnungstür wirklich abgeschlossen und der Herd wirklich ausgeschaltet ist. Oft kehren sie deshalb schnell nach Hause zurück, um sich erneut zu versichern. Das kann soziale und berufliche Konsequenzen nach sich ziehen, weil Betroffene zum Beispiel zu spät zu Verabredungen oder Terminen kommen. Zudem fühlen sich Betroffene hilflos und frustriert, weil sie wissen, dass ihre Handlungen übertrieben sind, jedoch nicht von alleine damit aufhören können.

Wenn Sie den Verdacht haben, an einem Kontrollzwang erkrankt zu sein, empfehlen wir Ihnen den Weg zu einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin. Diese können mittels spezieller Fragebögen, Gesprächen und Untersuchungen einen Kontrollzwang feststellen. Sobald die Diagnose gestellt wurde, kann die Therapie beginnen. Ziel ist dabei insbesondere Vermeidungsstrategien aufzudecken und zu bearbeiten. Auch die Auslöser der Erkrankung sollen nach Möglichkeit festgemacht werden.

Behandlungsmethoden

  • Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie, Exposition-und Reaktionsprävention (ERP), Gestalttherapie, Hypnosetherapie, Achtsamkeitsübungen. Am effektivsten hat sich bisher die kognitive Verhaltenstherapie mit Konfrontationsübungen erwiesen. Betroffene lernen dadurch, sich ihren Ängsten zu stellen und sich auf ein «normales» Mass an Kontrolle zu beschränken.
  • Medikation: Medikamente, besonders Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), werden häufig zur Behandlung angesetzt. Sie können helfen, die chemische Balance im Gehirn zu regulieren und Symptome zu lindern. In manchen Fällen kann dies auch in Kombination mit Medikamenten, wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) geschehen. Diese Medikamente werden häufig in der Depressionstherapie angewendet, erhöhen die Serotoninkonzentration im Gehirn und haben eine angstlösende Wirkung.
  • Kombinierte Therapie: Oft wird eine Kombination aus Psychotherapie und Medikation für die effektivste Behandlung angesehen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Behandlung individuell angepasst werden muss und das, was für eine Person funktioniert, für eine andere vielleicht nicht geeignet ist.

Tipps zur Linderung

Die folgenden Tipps können Betroffenen helfen, kurzfristige Linderung zu erfahren.

  • Wenn Kontrollgedanken die Überhand gewinnen, kann es helfen, sich bewusst auf die Atmung zu konzentrieren. So können Sie sich von Ihren Gedanken ablenken und beruhigen. Dazu gibt es verschiedene Atemtechniken, die Sie ausprobieren können.
  • Auch wenn sich das schwierig anhört und für Sie vielleicht (noch) unvorstellbar ist, Akzeptanz ist ein wesentlicher Schritt, der auch in der Therapie erzielt werden soll. Denn das Leben ist voller Risiken und es ist unmöglich, die Kontrolle über alles zu behalten.
  • Ihre Kontrollhandlungen haben bisher nicht Ihren Zweck erfüllt und Ihre Zweifel kommen trotzdem wieder hoch. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
  • Halten Sie sich vor Augen, was Sie mit der Bewältigung Ihrer Zwangserkrankung für sich und Ihre Lebensqualität erreichen können. Feiern Sie jeden Erfolg - auch wenn er noch so klein erscheint. Jedes Mal, wenn es Ihnen gelingt, Ihren Kontrollgedanken nicht nachzugeben, haben Sie einen weiteren Schritt in die richtige Richtung getan.
  • Sie müssen mit Ihrer Erkrankung nicht alleine bleiben! Therapeutisches Fachpersonal kann Sie gezielt unterstützen und Ihnen helfen. Aber auch Ihr Umfeld kann Ihnen eine Stütze sein. Zudem gibt es immer die Möglichkeit einer Selbsthilfegruppe beizutreten. Hier können Sie sich mit Menschen austauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

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