Zwangsstörungen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Zwangsstörungen (engl. Obsessive Compulsive Disorder, kurz OCD) umfassen eine Gruppe von psychischen Erkrankungen, die durch wiederkehrende Zwangshandlungen und Zwangsgedanken gekennzeichnet sind. Betroffene Patienten sind in allen Bereichen des Alltags schwer eingeschränkt, da die Zwänge ihr Verhalten dominieren.

Was sind Zwangsstörungen?

Zwänge sind wiederkehrende Gedanken und Handlungen, die der Betroffene als unsinnig und nutzlos erkennt. Trotzdem sieht er sich gezwungen, sie wiederholt auszuführen. Neben Zwangsgedanken und Zwangshandlungen ist meist auch Angst vorhanden.

Zwanghafte Gedanken

Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die sich den Betroffenen gegen ihren Willen aufdrängen. Sie sind aufdringlich und intensiv und für Aussenstehende oftmals rational schwer nachvollziehbar. Betroffene haben beispielsweise übermässige Angst vor der Ansteckung mit infektiösen Erkrankungen oder vor einer Vergiftung oder sie verspüren einen zwanghaften Drang zu Ordnung und Symmetrie.

Zwanghafte Handlungen

Zwangshandlungen sind meist alltägliche Verhaltensweisen, die immer wieder zwanghaft wiederholt werden. Obwohl die Betroffenen ihr Handeln als übertrieben oder sinnlos erkennen, verspüren sie einen starken Drang, das zwanghafte Handeln auszuführen.

Symptome von OCD

  • Obsessionen: Diese können sich auf Themen wie Kontamination, Ordnung, Sicherheit, sexuelle Gedanken und mehr beziehen.
  • Zwangshandlungen: Diese umfassen übermässiges Händewaschen, wiederholtes Überprüfen von Türen, exzessives Zählen und andere Rituale.
  • Beeinträchtigung des täglichen Lebens: OCD kann das tägliche Leben erheblich beeinflussen und die Fähigkeit zur Durchführung alltäglicher Aufgaben erschweren.

Ursachen von Zwangsstörungen

Die genauen Ursachen für Zwangsstörungen sind unbekannt. Wahrscheinlich begünstigen sowohl genetische Faktoren wie auch Umweltfaktoren (insbesondere soziale Faktoren) die Entstehung der Erkrankung.

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Zentrales und gemeinsames Merkmal einer Zwangsstörung ist die Motivation zu bestimmten Verhaltensweisen und Gedanken. Daher liegt die Vermutung nahe, dass jene Hirnareale in ihrer Funktion eingeschränkt sind, die Motivation und Belohnung steuern. Diese Steuerung wird von Strukturen in der Tiefe des Gehirns erfüllt, unter anderem den Basalganglien.

Es gibt sowohl körperliche als auch soziale Faktoren sowie Persönlichkeitsfaktoren und Lernerfahrungen die zur Erkrankung führen können. Zu den körperlichen Faktoren gehört die genetische Vererbung.

Zwangserkrankungen treten in Familien gehäuft auf. Dabei ist eine Veränderung des Gehirnstoffwechsels erkennbar, insbesondere beim Botenstoff Serotonin. Einer solchen Veränderung kann auch eine bakterielle Infektion zugrunde liegen. Dies ist jedoch eher selten die Ursache.

Zu den Persönlichkeitsfaktoren zählen Eigenschaften einer bestimmten Person, die vererbt oder durch das Erziehungsverhalten gelernt wurden. Zu diesen Eigenschaften gehören ängstlich, gewissenhaft oder vorsichtig zu sein und sich schnell Sorgen zu machen.

Die sozialen Faktoren lassen sich im Umfeld und in der Familie finden. So kann es sein, dass Betroffene vermehrt Stress oder Streit mit Freunden oder Familie erleben. Andere fühlen sich sozial ausgeschlossen, haben zum Beispiel nur wenige Freunde.

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Wie erfolgt die Diagnose?

Zwangssymptome können auch körperliche Ursachen wie neurologische Erkrankungen oder Infektionen in der Kindheit haben. Deshalb gehören medizinische Abklärungen wie Laboruntersuchungen ebenso zu einer sorgfältigen Diagnostik wie psychodiagnostische Skalen.

Das wichtigste Element in der Diagnose ist die Analyse des Zwangsverhaltens. Optimalerweise findet die Verhaltensbeobachtung durch die Therapeutin oder den Therapeuten in der Umgebung statt, wo das Zwangsverhalten auftritt. Das kann beispielsweise zu Hause sein.

In der Regel wird auch das Beziehungsumfeld in die Therapie mit eingeladen, da dieses häufig von den Patienten und Patientinnen in die Zwangsrituale miteinbezogen wird. Partnerinnen, Partner und Familien können durch eine Teilnahme an der Therapie entlastet werden.

Welche Therapien gibt es?

Im Vordergrund der Therapie stehen die kognitive Verhaltenstherapie und die medikamentöse Therapie.

Kognitive Verhaltenstherapie

Zwangsstörung werden mit Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. Zu Beginn erfolgt eine ausführliche und der individuellen Situation angepasste Aufklärung und Motivation. Anschliessend wird der oder die Betroffene nach seinem ausdrücklichen Einverständnis seinen auslösenden Zwängen exponiert (Exposition). Dabei werden die beruhigenden Zwänge verhindert (Reaktionsverhinderung).

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Die kognitive Verhaltenstherapie ist die Behandlung der Wahl.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie kann dabei in schweren Fällen unterstützend wirken.

Tiefe Hirnstimulation

Für Patienten, die auf die konventionellen Therapien nicht hinreichend ansprechen, ist die Tiefe Hirnstimulation (DBS von engl. deep brain stimulation) eine neuartige, vielversprechende Behandlungsmethode. Sprechen die Symptome nur unzureichend auf diese multimodale Therapie an, ist die Tiefenhirnstimulation (DBS) eine Behandlungsalternative.

Mehrere Studien haben den Effekt der Tiefen Hirnstimulation nachgewiesen. Ähnlich wie bei anderen Erkrankungen, die mittels DBS behandelt werden können, gibt es verschiedene Zielpunkte im Gehirn, deren Stimulation zu einer Verbesserung der Zwangsstörungen führt. Zu den gängigen Zielpunkten im Gehirn zählen der vordere Schenkel der Capsula interna (engl. anterior limb of the internal capsule, ALIC), der anteriore Teil des Nucleus subthalamicus sowie das ventrale Striatum.

Dies sind die zu erwartenden Effekte der Tiefen Hirnstimulation:

  • Reduktion in der Häufigkeit der Zwangshandlungen
  • verminderter Drang, eine Zwangshandlung auszuführen
  • insgesamte Verbesserung der Lebensqualität

Mehrere Studien konnten die Sicherheit und den positiven Effekt der DBS bei Zwangsstörungen nachweisen *, *, *, *. Die Ansprechrate von Patienten liegt über alle Studien hinweg bei 50-60 %, wobei im Mittel die Symptome um 40-60 % reduziert werden können.

Zu den häufigeren, zum Grossteil nur vorübergehenden Nebenwirkungen zählen eine gedrückte Stimmung, vermehrte Unruhe und Impulsivität sowie Schlafstörungen.

Da offensichtlich nicht alle Patienten von der Stimulation gleich gut profitieren, ist eine gute Patientenselektion durch ein interdisziplinäres Team eine notwendige Voraussetzung für ein postoperatives Ansprechen auf die Therapie. Kriterien, die in Frage kommende Patienten erfüllen sollten, wurden in entsprechenden Guidelines festgehalten *.

Am Inselspital werden alle in Frage kommenden Patienten interdisziplinär von erfahrenen Neurologen, Psychiatern und Neurochirurgen individuell besprochen. Dies geschieht im Rahmen unseres monatlich stattfindenden DBS-Boards.

Wo werden Zwangsstörungen behandelt?

Zwangsstörungen behandeln wir an allen unseren Standorten:

Die Diagnose und Behandlung von Zwangsstörungen sollten durch erfahrene Psychiater erfolgen.

Prognose

Früher galten Zwangsstörungen als kaum behandelbar. Mit den heutigen Methoden der Psychotherapie und bestimmten Medikamenten aber lassen sich die Symptome meist auf ein erträgliches Mass reduzieren. Dabei gilt: Je früher die Therapie einsetzt, desto besser die Prognose. Schlechtere Aussichten haben allerdings Betroffene, die zusätzlich an Depressionen leiden.

Langzeitstudien haben gezeigt, dass sich der Zustand von etwa zwei Drittel der therapierten Patienten auch noch zwei bis sechs Jahre nach Therapieende im Vergleich zu früher gebessert oder sehr gebessert hat. Eine vollständige Heilung der Zwangsstörung ist jedoch eher selten.

Selbsthilfe

Die folgenden Tipps können Betroffenen helfen, kurzfristige Linderung zu erfahren. Wenn Kontrollgedanken die Überhand gewinnen, kann es helfen, sich bewusst auf die Atmung zu konzentrieren. So können Sie sich von Ihren Gedanken ablenken und beruhigen. Dazu gibt es verschiedene Atemtechniken, die Sie ausprobieren können.

Auch wenn sich das schwierig anhört und für Sie vielleicht (noch) unvorstellbar ist, Akzeptanz ist ein wesentlicher Schritt, der auch in der Therapie erzielt werden soll. Denn das Leben ist voller Risiken und es ist unmöglich, die Kontrolle über alles zu behalten. Ihre Kontrollhandlungen haben bisher nicht Ihren Zweck erfüllt und Ihre Zweifel kommen trotzdem wieder hoch. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern.

Halten Sie sich vor Augen, was Sie mit der Bewältigung Ihrer Zwangserkrankung für sich und Ihre Lebensqualität erreichen können. Feiern Sie jeden Erfolg - auch wenn er noch so klein erscheint. Jedes Mal, wenn es Ihnen gelingt, Ihren Kontrollgedanken nicht nachzugeben, haben Sie einen weiteren Schritt in die richtige Richtung getan.

Sie müssen mit Ihrer Erkrankung nicht alleine bleiben! Therapeutisches Fachpersonal kann Sie gezielt unterstützen und Ihnen helfen. Aber auch Ihr Umfeld kann Ihnen eine Stütze sein. Zudem gibt es immer die Möglichkeit einer Selbsthilfegruppe beizutreten. Hier können Sie sich mit Menschen austauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

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