Gras Psychosen auslösen Studien

Das Projekt Cannabis und Schizophrenie erhielt den Auftrag, eine neuere Untersuchung in der Schweiz durchzuführen, welche die Wechselwirkung zwischen dem Konsum von Cannabis und möglichen psychotischen Störungen untersucht.

Ziele der Studie

Dazu gehörte:

  • Die Abklärung des Zusammenhanges zwischen Cannabiskonsum und verschiedenen Ausprägungen des schizophrenen Formenkreises.
  • Die Überprüfung der Wirkung des Cannabiskonsums bei Gesunden unter Berücksichtigung prämorbider psychischer Störungen.
  • Die Klärung des Auftretens psychischer Störungen, insbesondere im Hinblick auf sozialen Rückzug, Aggressivität und schizotype Persönlichkeitszüge.

Ergebnisse der Literaturübersichten

In der ersten Literaturübersicht kamen die Forscher zum Schluss, dass die mancherorts durch die intensive Indoorkultivierung gestiegenen THC-Konzentrationen möglicherweise bei unerfahrenen Cannabiskonsumenten, selten Konsumierenden oder Cannabis peroral (Essen/Schlucken) einehmenden Menschen zu panikartigen Zuständen führten.

In der zweiten Literaturübersicht, welche dem Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen nachging, kam man zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Es schien grundsätzlich plausibel, dass sehr hohe Dosen von Cannabis kurz dauernde psychotische Symptome auslösen konnten.
  • Obwohl ein negativer Einfluss von Cannabiskonsum bei psychosevulnerablen Individuen nahe schien, war die Befundlage bei Patienten noch uneindeutig.
  • Patienten die bereits an einer Schizophrenie litten, sprach hingegen vieles dafür, dass Cannabiskonsum den Krankheitsverlauf zumindest längerfristig verschlechterte.
  • Jugendliche mit schwerem Cannabiskonsum wiesen ein viermal höheres Risko für eine spätere Schizophrenie auf als jene ohne Konsum psychotroper Substanzen.

Auswirkungen von Cannabis auf die Psyche

Cannabis wirkt sehr individuell. Die meisten bleiben nicht nur frei von unerwünschten Nebenwirkungen, sondern erleben das Kiffen als überaus angenehm. Cannabis lindert zum Beispiel chronische Schmerzen sehr wirkungsvoll.

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Aber es gebe eben auch diesen Link zwischen Cannabis und Paranoia. Der britische Psychologieprofessor Daniel Freeman hat im Juli 2014 dazu die bisher umfangreichste Studie vorgelegt. Darin zeigt er, dass der Cannabis-Wirkstoff THC eine Kurzzeit-Paranoia auslösen kann.

Bei verletzlichen Menschen kann die Droge auch psychotische Symptome hervorrufen. Dieses Risiko ist zwar vergleichsweise klein, aber: Unter Dauerkiffern ist der Anteil Schizophrener mit 2 Prozent doppelt so hoch als der Durchschnitt. Psychosen treten ebenfalls viel häufiger auf.

Das Problem ist: «Wir können nicht vorhersagen, ob ein Mensch für Psychosen anfällig ist oder nicht - ausser wenn die Eltern bereits einmal eine Psychose hatten», sagt der Zürcher Psychiatrieprofessor Wulf Rössler.

Macht Cannabis krankhaft misstrauisch?

Cannabis-Konsumenten sind tatsächlich misstrauischer als andere Menschen. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass die Droge nach wie vor illegal ist.

Der britische Psychologe Daniel Freeman verabreichte 121 Freiwilligen entweder THC oder ein Placebo. Bei der Placebogruppe berichteten 30 Prozent, sie hätten paranoide Gedanken, bei der THC-Versuchsgruppe waren es 50 Prozent.

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Gemäss der Freeman-Studie befallen solche Gedanken Cannabis-Konsumenten aber dreimal häufiger als Nicht-Kiffer. Dass andere Menschen versuchten, einen ernsthaft zu verletzen, glauben sie sogar fünfmal häufiger.

«Viele Kiffer sind auf feindselige Gedanken besonders anfällig», sagt auch der Zürcher Pharmakopsychologe Boris Quednow. Der Zusammenhang sei extrem naheliegend.

Auswirkungen von THC auf das Gehirn

THC wirkt auf verschiedene Teile im Gehirn. Vereinfacht gesagt so: Im Kleinhirn und in den Basalganglien beeinflusst es die Motorik, in der Gehirnrinde verändert es Zeitgefühl und Konzentrationsfähigkeit, im Hippokampus schläfert es das Kurzzeitgedächtnis ein.

Im Mandelkern, der sogenannten Amygdala, verändert es den Gefühlshaushalt: Zunächst löst es ein Gefühl entspannten Wohlseins aus, in höherer Dosis dann aber bei vielen Angst und Anzeichen von Verfolgungswahn. Das THC dämpfe die Kontrollwirkung des Frontallappens im Gehirn.

Nicht nur die Dosis ist entscheidend, sondern das Verhältnis von THC zu seinem Gegenspieler Cannabidiol. Bei hochgezüchteten Sorten ist dieses Verhältnis nicht mehr im Gleichgewicht. Die beiden Faustregeln sind: Je höher der THC-Gehalt, desto paranoider die Gedanken. Und: Je höher der Cannabidiol-Gehalt, desto intakter das Gedächtnis.

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Um die paranoiden Gedanken zu verscheuchen, steigen sie von Indoor-Hanf, der oft mit genverändertem Saatgut gezüchtet wird, auf weniger starkes Eigengewächs um. Die dunkeln Gedanken verschwinden dann bei den meisten wie von Geisterhand.

Jugendliche und Cannabis

Jugendliche Kiffer sind tatsächlich ungleich stärker gefährdet. Je früher man mit Kiffen beginnt, desto höher ist das Risiko, eine Psychose zu entwickeln.

Die neuste Studie dazu stammt vom Forscher Edmond Silins, der die Daten von 4000 unter 17-Jährigen aus Australien und Neuseeland untersuchte. Sie zeigen, wie tägliches Kiffen die Jugendlichen beeinflusst: Dreimal mehr flogen von der Highschool, siebenmal mehr unternahmen einen Selbstmordversuch, und sie konsumierten achtmal häufiger andere illegale Drogen.

Auch mit 25 sind die Folgen noch spürbar: Unter den Kiffern hatten 38 Prozent weniger einen Highschool-Abschluss, gab es zweieinhalbmal mehr Selbstmordversuche, und dreimal mehr konsumierten andere illegale Drogen.

Man könne bei jugendlichen Dauerkiffern tatsächlich minimale hirnorganische Veränderungen feststellen. Sie seien jedoch nur geringfügig, sagt Michael Schaub, wissenschaftlicher Direktor am Zürcher Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung.

Schlimmer sei, dass viele jugendliche Dauerkiffer antriebslos werden. Viele brechen die Lehre ab oder verlassen das Gymnasium. «Das hat auf eine Biographie weitaus grössere Auswirkungen als die Veränderungen der Gehirnstruktur.»

Eine aktuelle neuseeländische Studie zeigt, dass jene, die mit 15 kiffen, ein dreifach erhöhtes Risiko haben, in den folgenden zehn Jahren eine Psychose zu entwickeln. Deshalb rät der Winterthurer Jugendpsychiater und Suchtexperte Oliver Bilke-Hentsch Jugendlichen dringend: «Wartet wenigstens, bis ihr erwachsen seid.

Personen mit psychischen Beschwerden sollten auf Cannabis verzichten. Bei ihnen kann es die Symptome verstärken und Rückfälle auslösen.

Legalisierung von Cannabis und psychische Gesundheit

Psychiater weisen schon seit langem warnend darauf hin: Die Freigabe des Cannabisverkaufs wird zu einer Zunahme von Psychosen führen. Jetzt gibt es dafür handfeste Beweise.

Durch ihre Studie wollten die Wissenschafter herausfinden, wie sich eine Cannabislegalisierung in der Schweiz sozialökonomisch, beispielsweise auf die Arbeitslosenraten und Bildungsabschlüsse, auswirken würde, erklärt Andreas Beerli vom Departement Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich.

Insgesamt sieben solcher Pilotversuche gibt es, mit denen die Schweiz versucht, sich für eine Cannabislegalisierung vorzubereiten. Die Teenager im Land sind Europameister im Kiffen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist sich einig: Es muss etwas passieren. Cannabis sollte legal werden.

Im vergangenen April wurde erlaubt, die Droge in Anbauvereinen oder Klubs zu erwerben. Unter lautem Protest der Psychiater: Eine Legalisierung könnte für die Psyche der Jugendlichen gefährlich werden, sagten sie warnend.

Dass der Konsum von Cannabis Psychosen auslösen kann, wird von niemandem bestritten. Denn aus dieser Tatsache lasse sich nicht unbedingt herleiten, argumentieren die Befürworter, dass eine Freigabe zu mehr psychisch kranken Jugendlichen führe.

Gefährdet seien vor allem diejenigen, die schon eine gewisse genetische Veranlagung dafür mitbrächten. Oder Menschen, die beispielsweise durch Traumata in ihrer Jugend ohnehin psychisch verletzt sind. Bei solch verwundbaren Personen liefert der Cannabiskonsum quasi den letzten, noch fehlenden Impuls, der dazu führt, dass das angegriffene System endgültig kollabiert.

Das zweite Argument der Pro-Legalisierungs-Fraktion: Die Wahrscheinlichkeit einer Cannabispsychose sei nicht nur eine Frage, ob jemand überhaupt konsumiere. Es gebe noch andere entscheidende Faktoren. Beispielsweise: Wie früh hat der Jugendlich begonnen zu kiffen? Wie viel Gramm raucht er? Und wie hoch ist die Wirkstoff-Konzentration, die THC-Dosis, im Kraut?

Schliesslich würde eine Legalisierung genau solchen Risikofaktoren - früher Konsumbeginn, hohe Dosen und sehr potente Drogen - durch die kontrollierte Abgabe entgegenwirken. Deshalb sei durch die Freigabe gerade keine Zunahme der Psychosen zu befürchten.

Neue Studien und Erkenntnisse

Am Dienstag wurde von Wissenschaftern des kanadischen Ottawa Hospital Research Institute in der Fachzeitung «Jama Network Open» eine neue Studie zum Thema präsentiert. «Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Legalisierung von Cannabis zu einer Zunahme von psychischen Erkrankungen führt», sagt er.

Die Forscher berichten darin über das Ergebnis ihrer Auswertung von Gesundheitsdaten von fast 14 Millionen Menschen aus den Jahren 2006 bis 2022. Alles Einwohner der Provinz Ontario; dort hat man Cannabis bereits vor sieben Jahren legalisiert. Schon drei Jahre zuvor hatte man in Ontario damit begonnen, bei Cannabiskonsum oder -verkauf beide Augen zuzudrücken.

Seit der Freigabe, berichten sie, habe sich die Zahl der neu diagnostizierten Psychosekranken in der Provinz fast verdoppelt. Vor der Legalisierung lag die Rate der Neuerkrankungen bei 30 von 100 000 Personen. Danach bei 55. Zudem hatten unter den Cannabiskonsumenten knapp 15 Mal so viele Personen eine Schizophrenie entwickelt wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Eine Schizophrenie ist eine besonders schwere und langwierige psychotische Erkrankung.

2019 hatten Wissenschafter bereits in der Fachzeitung «Lancet» ausgerechnet: Wer täglich den THC-Rausch anstrebt, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an einer Psychose erkrankt, rund dreimal so hoch wie bei einer abstinenten Person. Konsumiert er zudem besonders THC-haltige Drogen, steigt das Risiko sogar auf das Fünffache.

Ein weiteres Ergebnis der kanadischen Studie: Nach der Legalisierung wurde tatsächlich deutlich mehr Cannabis konsumiert. Im Vergleich zu den Jahren zuvor hatte sich die Zahl der Menschen, die im Rausch eine Notfallambulanz aufsuchten, fast verfünffacht.

So hatten beispielsweise bereits 2014 Wissenschafter im US-Gliedstaat Colorado ermittelt, dass eine Freigabe 12- bis 17-Jährige geradezu zum Kiffen animiert. Verglichen mit dem Durchschnitt ihrer Altersgenossen in den restriktiveren Nachbarstaaten konsumierten dort 39 Prozent mehr Jugendliche Cannabis.

Teenager und Jugendliche gelten als besonders durch die Droge gefährdet. Wird dieses System dann auch noch durch Wirkstoffe von aussen überschwemmt, ist es völlig überfordert. Das stört wiederum andere Systeme, mit denen es verschaltet ist. Darunter das System mit dem Botenstoff Dopamin. Und dem wird wiederum eine entscheidende Rolle bei Psychosen und Schizophrenien zugeschrieben.

Positionen von Experten

«Die neue kanadische Studie bestärkt mich weiter in meiner Position, mich gegen eine Cannabislegalisierung auszusprechen», sagt Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, die Präsidentin der psychiatrischen Fachgesellschaft, der DGPPN.

«Die kanadische Studie kann nicht belegen, dass eine Freigabe unweigerlich zu mehr Psychoseerkrankungen führen würde», sagt Andreas Beerli. Denn sie habe eine entscheidende methodologische Schwäche: Sie wertet im Rückblick nur aus, was nach einer entscheidenden Veränderung, der Legalisierung, in der Realität passiert.

Beerli würde nur eine Studie gelten lassen, sagt er, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügte: mit zwei Gruppen von jeweils kiffenden und nichtkiffenden Versuchspersonen, die einmal unter Legalisierungsbedingungen und einmal auf dem Schwarzmarkt ihr Cannabis organisieren könnten.

Individuelle Schicksale

Laut einer internationalen Schülerbefragung liegt der Cannabis-Konsum in der Schweiz weit über dem internationalen Durchschnitt.

10 Prozent der Jugendlichen, die kiffen, könnten Probleme bekommen. «Bei entsprechender Veranlagung kann das Kiffen auch Psychosen auslösen», sagt auch Boris Quednow, Drogenexperte der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

«Es sind unter anderem die Bereiche für Gedächtnisleistungen sowie zur Generierung von Emotionen betroffen.» Weil das Gehirn sich noch im Wachstum befinde, könne das Kiffen bei Jugendlichen Schäden verursachen.

Hochpotente Cannabis-Sorten und Risiken

Forscher haben berechnet, dass 12 Prozent der psychotischen Erkrankungen verhindert werden könnten, wenn Cannabisprodukte mit einem hohen THC-Gehalt aus dem Verkehr gezogen würden. In Amsterdam wären es sogar 50 Prozent.

Sie verglichen den Cannabis-Konsum einer Gruppe von 900 Patienten zwischen 18 und 64 Jahren, die erstmals in ihrem Leben an einer Psychose erkrankt waren, mit demjenigen einer gesunden Kontrollgruppe, die bezüglich Alter, Geschlecht und anderer Merkmale der Patientengruppe sehr ähnlich war.

Probanden, die täglich Cannabis konsumierten, hatten eine dreimal so hohe Wahrscheinlichkeit, an einer Psychose zu erkranken, wie Nichtkonsumenten. Verwendeten sie Produkte mit einem hohen Gehalt der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) war eine Erkrankung fünfmal so wahrscheinlich.

Verschwände hochpotenter Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 10 Prozent vom Markt, könnten insgesamt 12 Prozent der Ersterkrankungen an Psychosen verhindert werden.

Allerdings fanden die Forscher keinen Zusammenhang zwischen Psychose und seltenem Cannabis-Konsum von weniger als einmal pro Woche, ungeachtet dessen, wie stark die eingenommenen Sorten waren.

Die Studie zeige, dass Cannabis ein zentraler Risikofaktor für Psychosen sei, sagte Eva Hoch vom Klinikum der Universität München gegenüber dem Science Media Center Germany.

THC-Gehalt in der Schweiz

Auch in der Schweiz sind viele hochpotente Sorten im Umlauf. So lag der Median für Marihuana laut einer Statistik der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin in den letzten fünf Jahren zwischen 11 und 13 Prozent. Das bedeutet, dass der THC-Anteil bei der Hälfte aller von der Polizei beschlagnahmten Proben jeweils über diesem Prozentsatz lag. Der Maximalwert lag zwischen 23 und 48 Prozent. Bei Haschisch sind die THC-Werte noch höher.

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