Borderline-Syndrom: Typische Verhaltensweisen und Symptome

Das Borderline-Syndrom ist eine Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägter emotionaler Instabilität.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) gehört zu den sogenannten "emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen". Menschen mit dieser schweren psychischen Störung leiden unter ihren intensiven und unkontrollierbaren Emotionen.

Das Leiden ist sehr vielschichtig und je nach Person sehr verschieden ausgeprägt.

Alle netDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Wer ist vom Borderline-Syndrom betroffen?

In der Bevölkerung sind durchschnittlich etwa 1,6 Prozent von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Unter den jungen Menschen ist die Krankheit mit über 6 Prozent überdurchschnittlich oft vertreten.

Lesen Sie auch: "Borderline": Drehorte und ihre Bedeutung

Die Borderline-Krankheit entwickelt sich oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Die ersten Anzeichen für die psychische Störung treten teilweise bereits im Kindesalter auf, es ist jedoch schwierig, Borderline bei Kindern zu diagnostizieren.

Auffällige Anzeichen sind bei Kindern und auch Jugendlichen häufig nicht eindeutig dem Borderline-Syndrom zuzuordnen. Bei einem Verdacht auf eine Borderline-Erkrankung im jungen Alter sprechen Experten von einer Borderline-Entwicklungsstörung.

Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für die Borderline-Störung. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass die Geschlechter-Verteilung ausgeglichen ist. Zwar sind bis zu 80 Prozent der Patienten in Therapie weiblich.

Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äussert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen unter Umständen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstraf-Einrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.

Ursachen des Borderline-Syndroms

Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren wird diskutiert:

Lesen Sie auch: Ursachen und Symptome der BPS

  • Angeborene Veranlagung: stark ausgeprägte Emotionen, Sensibilität und Impulsivität
  • Traumatische Kindheitserlebnisse (Scheidung, Missbrauch, Verluste, Vernachlässigung usw.)
  • Erziehungsstil der Eltern: bestimmte Erziehungsformen können bei entsprechender Veranlagung ein Borderline-Syndrom begünstigen. Dazu zählt eine Erziehung mit ständig wechselnden Grenzen und Konsequenzen oder zu viel Nähe (dem Kind ist es unmöglich zu lernen, sich abzugrenzen).

Borderline-Symptome im Überblick

Borderline-Symptome sind vielfältig. Die Patienten leiden besonders unter ihrem impulsiven Verhalten und ihrer instabilen emotionalen Welt. Sie sind oft aggressiv und können nur schwer stabile Beziehungen aufbauen.

Ihr Denken ist schwarz-weiss: Sie schwanken zwischen Idealisierung und Herabwertung ihrer Mitmenschen, zwischen Angst vor Nähe und Angst vor dem Verlassenwerden. Selbstverletzendes Verhalten und Suizidversuche sind nicht selten Folgen der belastenden Persönlichkeitsstörung.

Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) unterteilt Menschen mit emotional instabilen Persönlichkeiten zusätzlich in zwei verschiedene Typen: den Impulsiven Typ und den Borderline-Typ.

Um dem Impulsiven Typ zugeordnet zu werden, müssen bestimmte Merkmale vorhanden sein. Zum Beispiel die Neigung zu Streitereien oder impulsiven, unerwarteten Handlungen ohne auf mögliche Folgen zu achten. Auch die Neigung zu unkontrollierten Wut- oder Gewaltausbrüchen und starke Stimmungsschwankungen gehören dazu.

Typische Merkmale des Borderline-Typs sind, neben der ebenfalls vorliegenden Neigung zu Streitigkeiten, Unsicherheiten im Selbstbild beziehungsweise in der eigenen Identität, Neigung zu intensiven, aber instabilen Beziehungen, Angst vorm Verlassenwerden. Zudem kommt häufig die Androhung oder Durchführung von Selbstverletzungen und ein dauerhaftes Gefühl der Leere.

Lesen Sie auch: Einblicke in Borderline - Grenzenlose Verbrechen

ICD-Codes

ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.

  • F60 Unsicher und impulsiv

Emotionale Instabilität und Gefühlsstürme

Typische Borderline-Syndrom-Symptome sind Stimmungsschwankungen und Gefühlsstürme. Die Patienten erleben täglich eine Achterbahnfahrt von Gefühlen, die sie nicht kontrollieren können.

Die Auslöser für diese intensiven Emotionen können geringfügig erscheinen, doch Borderliner reagieren sehr sensibel auf äussere Ereignisse. Sie fühlen sich schnell überfordert oder unter Druck gesetzt. Ihre Gefühle halten meist nicht lange an, erzeugen jedoch eine starke innere Unruhe.

Betroffene einer Borderline-Störung leiden an einem emotionalen Ungleichgewicht. Sie erleben Stimmungsschwankungen wie bei einer Achterbahnfahrt, die sie nicht kontrollieren können. Dabei reagieren sie in schwierigen Situationen schnell sehr sensibel.

Bereits ein scheinbar harmloser Anlass kann ausreichen, um eine starke emotionale Reaktion auszulösen. Die Situation überfordert Betroffene und setzt sie stark unter Druck.

Impulsives Verhalten

Schwierigkeiten, die Impulse und Gefühle zu kontrollieren, sind charakteristische Borderline-Symptome. Borderline-Patienten rasten auch bei Kleinigkeiten schnell aus und sind streitsüchtig, vor allem wenn sie daran gehindert werden, ihre Impulse auszuleben. Wutausbrüche gehören zu ihrem Alltag.

Hinter diesem explosiven Auftreten stecken meist starke Selbstzweifel. Borderline-Patienten geben ihren Impulsen nach, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Ihr überzogenes Verhalten bringt sie schnell in Konflikte mit anderen.

Ihr Selbstbild ist instabil bis hin zur Unsicherheit über die eigene sexuelle Ausrichtung. Die meisten Betroffenen haben auch Probleme, ein angestrebtes Ziel zu verfolgen, weil sich ihre Pläne unentwegt ändern.

Selbstverletzung und Suizidversuche

Eine ständige innere Anspannung ist typisch für die Borderline-Störung. Symptome von Anspannung können sich sogar als Zittern äussern. Die Spannungszustände treten oft mehrmals am Tag auf. Sie nehmen rasch zu und klingen langsam ab. Ein Auslöser ist für die Patienten nicht immer erkennbar.

Um diese Anspannung im Körper abzubauen, ritzen sich viele Borderline-Patienten (Automutilation). Mit Rasierklingen, Glasscherben und anderen Gegenständen fügen sie sich zum Teil lebensgefährliche Verletzungen zu. Manche legen auch andere Formen selbstzerstörerischen Verhaltens an den Tag.

Sie konsumieren beispielsweise Alkohol und Drogen, leiden unter Essstörungen, rasen mit dem Auto, betreiben hochriskante Sportarten oder haben Risikosex.

Selbstschädigende Verhaltensweisen, die auf Aussenstehende wie ein Suizidversuch wirken, sind für die Betroffenen meistens ein verzweifelter Versuch, die quälenden Gefühlszustände in den Griff zu bekommen.

Häufig mündet Borderline in eine Depression. Viele Betroffene entwickeln Suizidgedanken, über die Hälfte aller Betroffenen begeht Suizidversuche. Die Suizidrate liegt zwischen drei und zehn Prozent.

Die höchste Gefährdung besteht bei Patienten im Alter zwischen 20 bis 30 Jahren; danach nimmt das impulsive Verhalten ab.

Paranoide oder dissoziative Symptome

Selbstverletzende oder -gefährdende Handlungen helfen den Patienten auch, in die Realität zurückzufinden. Denn häufig zeigen Borderliner Symptome der Dissoziation. Bei einer Dissoziation verändert sich die Wahrnehmung wie in einem Drogenrausch.

Es können kurzzeitig Erinnerungsverluste oder auch Bewegungsstörungen auftreten.

Die Dissoziation hängt mit der Abspaltung von Gefühlen zusammen, die Borderliner erleben. Die Ursache dafür sind häufig traumatische Erlebnisse in der Kindheit. Wenn ein Kind nicht die Möglichkeit hat, einer traumatischen Situation zu entfliehen, begibt es sich emotional oftmals an einen anderen Ort.

Diese Dissoziationen tauchen bei Borderlinern auch im späteren Leben auf, vor allem dann, wenn negative Gedanken und Gefühle auftreten.

Manche Borderline-Patienten erleben auch sogenannte Derealisationen oder Depersonalisationen. Bei einer Derealisation wird die Umwelt als fremd und unwirklich wahrgenommen. Bei einer Depersonalisation empfinden die Betroffenen ihr eigenes Ich als fremd. Ihre Gefühle erscheinen ihnen wie losgelöst von ihrer Person.

Schwarz-Weiss-Denken

Ein weiteres Borderline-Anzeichen ist das „Schwarz-Weiss-Denken“ der Patienten, das Sachverhalte ebenso betrifft wie ihre Mitmenschen. So idealisieren Borderliner Personen in ihrer Umgebung oft zunächst, um sie dann bei der kleinsten enttäuschten Erwartung extrem abzuwerten.

An solchen plötzlichen Umschwüngen lässt sich Borderline erkennen.

Stabile Beziehungen einzugehen ist daher ein grosses Problem für Menschen mit der Boderline-Persönlichkeitsstörung. Symptome sind sowohl die Angst vor der Nähe zu anderen Personen, als auch die Angst, alleine zu sein.

Das Verhalten der Betroffenen wechselt daher oftmals zwischen Abweisung und extremem Klammern.

Gefühl der Leere

Typische Borderline-Symptome sind auch Gefühle der Leere und Langeweile. Diese Gefühle hängen zum einen damit zusammen, dass Borderline-Patienten Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Identität haben.

Sie sind sich unsicher darüber, wer sie sind und was gut und schlecht für sie ist. Demzufolge fehlen ihnen oftmals eigene Wünsche und Ziele, die sie verfolgen können und die sie im Leben antreiben.

Zum anderen fühlen sich die Betroffenen oft alleine und verlassen. Beziehungen zu anderen Menschen sind aufgrund der typischen Borderline-Symptome schwierig, instabil und zerbrechen leicht.

Auswirkungen auf Kinder von Eltern mit Borderline

Menschen mit Borderline, die ein Kind erwarten, haben oft grosse Selbstzweifel und Sorge, dem Kind nicht gerecht zu werden. Wenn Mutter oder Vater am Borderline-Syndrom leiden, bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass auch die Kinder psychische Schwierigkeiten haben werden.

Betroffene Eltern, die bereit sind, sich in therapeutische Behandlung zu begeben und an ihrem typischen Borderline-Verhalten zu arbeiten, bieten möglicherweise ihrem Kind den nötigen Schutz vor der Erkrankung.

Eltern mit Borderline haben - wie andere Eltern auch - die besten Absichten für ihre Kinder. Diese überfordern sie aber häufig. Häufig haben beispielsweise Mütter mit Borderline-Syndrom sehr hohe Ansprüche an sich und wollen dem Kind ein besseres Leben als das ihre ermöglichen.

Es besteht die Gefahr, dass sie den Nachwuchs überbehüten und ihm kaum Raum zur Entwicklung geben.

Bei Eltern mit schwer ausgeprägten Borderline-Symptomen leiden die Kinder sehr unter den Auswirkungen der psychischen Störung. Sie sind den Stimmungsschwankungen der Eltern hilflos ausgesetzt. Der Wechsel zwischen liebevoller Nähe und Abweisung verunsichert die Kinder, und sie verlieren das Vertrauen in die Eltern.

Wenn die Kinder merken, dass ihre Eltern nicht in der Lage sind, den Alltag zu meistern, übernehmen sie die Rolle des Erwachsenen. Experten bezeichnen das als Parentifizierung. Die Kinder bemühen sich, die Bedürfnisse der Eltern zu erfüllen und stecken ihre eigenen zurück.

Diese Rollenumkehr erzeugt bei den Kindern meist psychische Probleme, die manchmal ein Leben lang anhalten.

Viele Patienten mit Borderline-Syndrom wurden in ihrer eigenen Kindheit vernachlässigt oder misshandelt. Ein eigenes Kind ruft möglicherweise Erinnerungen an solche traumatischen Ereignisse wach. Die Betroffenen fühlen sich dadurch wieder in die Kinderrolle versetzt und sind häufig nicht in der Lage, ihr eigenes Kind angemessen zu versorgen.

Die Elternrolle überfordert sie, erzeugt Aggression - und in manchen Fällen auch Gewalt gegen die Kinder.

Viele Gründe also, warum es ratsam ist, sich als Eltern mit Borderline-Syndrom unbedingt Hilfe zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Therapeut die Familie auf ihrem Weg begleitet. Die Eltern haben mit entsprechender Unterstützung gute Chancen, zu lernen, wie sie die Bedürfnisse ihres Kindes erkennen.

tags: #Borderline #typische #verhaltensweisen