Der Verlust eines geliebten Menschen, sei es durch Krankheit, Unfall oder andere Umstände, ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen im Leben. Neben der Trauer können auch Wut und andere schwierige Emotionen auftreten, die den Trauerprozess zusätzlich belasten. Dieser Artikel beleuchtet die psychologischen Zusammenhänge zwischen Trauer und Wut und bietet Einblicke in den Umgang mit diesen Emotionen.
Trauer: Ein vielschichtiger Prozess
Trauer ist ein natürlicher Prozess, der nach einem Verlust einsetzt. Er ist individuell und verläuft bei jedem Menschen anders. Typische Anzeichen von Trauer sind:
- Traurigkeit
 - Schmerz
 - Einsamkeit
 - Verlust des Interesses an Aktivitäten
 - Schlafstörungen
 - Appetitveränderungen
 
Es ist wichtig zu verstehen, dass Trauer keine festgelegte Dauer hat und es kein "richtiges" oder "falsches" Gefühl gibt. Das zeitweise Zulassen von Trauer und die Rückkehr in die Normalität des Alltags ist für Kinder und Jugendliche typisch. Offene Kommunikation ist wichtig und Sie dürfen auch ruhig darüber reden, wenn Sie vielleicht für sich selbst eine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Rolle der Wut in der Trauer
Wut ist eine Emotion, die oft im Zusammenhang mit Trauer auftritt. Sie kann sich gegen den Verstorbenen, gegen sich selbst, gegen andere oder gegen das Schicksal richten. Wut kann verschiedene Ursachen haben:
- Gefühl der Ungerechtigkeit: Manchmal empfindet man Wut, weil man das Gefühl hat, dass der Verlust ungerecht ist.
 - Hilflosigkeit: Wut kann auch aus dem Gefühl der Hilflosigkeit entstehen, weil man den Verlust nicht verhindern konnte.
 - Verlust der Kontrolle: Der Verlust eines geliebten Menschen kann das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben erschüttern und Wut auslösen.
 
Es ist wichtig zu erkennen, dass Wut in der Trauer ein normales Gefühl ist. Sie sollte jedoch nicht unterdrückt oder ignoriert werden, da dies zu psychischen Problemen führen kann.
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Umgang mit Wut und Trauer
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Wut und Trauer umzugehen:
- Emotionen zulassen: Es ist wichtig, die eigenen Emotionen anzuerkennen und zuzulassen, auch wenn sie unangenehm sind.
 - Ausdruck der Emotionen: Wut und Trauer können auf verschiedene Weise ausgedrückt werden, z.B. durch Gespräche, Schreiben, Malen oder Sport.
 - Selbstfürsorge: In Zeiten der Trauer ist es besonders wichtig, auf sich selbst zu achten und sich Gutes zu tun. Dazu gehören ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Bewegung.
 - Professionelle Hilfe: Wenn die Trauer und Wut zu stark werden und den Alltag beeinträchtigen, kann professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.
 
Es könnte helfen, gemeinsam mit Freunden eine Art Abschiedsritual durchzuführen und die verstorbene Person symbolisch darzustellen. Sie schreiben gerne und es tut Ihnen gut - nutzen Sie das! Die Dignity Therapy (Würdetherapie) stellt genau diesen Ansatz ins Zentrum: Mit einem Dokument werden positive Erinnerungen festgehalten, um sie zu würdigen und zu teilen. Sie können auch mit Freunden und Angehörigen sprechen und für sie die Erinnerungen aufschreiben. Fragen Sie zum Beispiel, was er für jeden Einzelnen bedeutet hat, wofür Sie sich bedanken möchten, welche schönen Erlebnisse sie geteilt haben, wie sie sich an ihn erinnern möchten und was sie ihm zum Abschied gerne noch mitgegeben hätten.
Positive Psychologie als Unterstützung
Die Positive Psychologie konzentriert sich auf die Stärken und Ressourcen des Menschen und kann helfen, schwierige Lebensereignisse besser zu bewältigen. Die bewusste gedankliche Konzentration auf positive Momente und die Adressierung der entsprechenden Erkenntnisse können dabei helfen, Belastendes besser zu bewältigen.
Barbara Fredrickson schreibt in ihrem Buch «Die Macht der guten Gefühle», dass es drei emotional positive Erlebnisse braucht, um ein emotional bedrückendes Erlebnis auszugleichen. Es geht darum, mit vielen kleinen positiven Momenten, den sogenannten «Seifenblasenmomenten», die Verarbeitung von Schicksalsereignissen zu unterstützen.
Wir können Seifenblasenmomente sammeln. Und wir können in unserem Leben Seifenblasenschonraumzonen einrichten, in denen wir Fragen stellen wie: «Was war heute schön, worüber habe ich mich gefreut, was hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert?» Auch wenn es viele «Tennisbälle» gibt und gab, ist es ausser Zweifel, dass auch kleinere oder grössere Seifenblasenmomente da sind, die es wahrzunehmen gilt.
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Emotionale Reife und der Umgang mit Wut
Maren Urner nennt diesen Blick nach innen «emotionale Reife». Denn Wut, die die meisten Menschen erst einmal nach aussen gerichtet empfinden, also gegen den blöden Nachbarn, die doofe Politik oder die nervige Freundin, verweise eben vor allem auf eine innere Not. Das zu erkennen, sei aber für viele Menschen nicht so leicht. Denn es sei üblich, sich Wut und einen ehrlichen Umgang damit schon in frühen Jahren abzutrainieren. Vor allem Mädchen lernten schnell: Wenn ich wütend bin, bin ich nicht liebenswert.
«Ein besserer Umgang mit Wut ist hingegen radikale Aufmerksamkeit nach innen: Was fühle ich da gerade? Okay: Ich bin wütend. Allein das wertfrei festzustellen, kann enorm befreiend sein», sagt Urner. Emotional unreif sei es hingegen, die Wut im Aussen zu lassen oder gar zu unterdrücken. Das könne Hass und andere heftige Reaktionen hervorrufen.
Die Bedeutung von Emotionen
Emotionen und Gefühle werden im Sprachgebrauch oft synonym verwendet. Doch was ist der Unterschied? Emotionen sind erstmals unbewusste Prozesse. Das Wort Emotion stammt dem lateinischen Wort «emovere» und bedeutet herausbewegen, empor wühlen oder in Bewegung setzen. Genau das geschieht bei einer Emotion. Irgendein Ereignis wühlt in uns etwas auf und löst bei uns eine Emotion aus. Auch wenn dieser Prozess erst einmal unbewusst abläuft, hat er doch Auswirkungen auf drei verschiedenen Ebenen.
- Biologischer Aspekt: Die Emotion löst auf der biologischen Ebene eine körperliche Reaktion aus. Nehmen wir die Emotion «Angst». Wenn die Emotion Angst ausgelöst wird, dann verengen sich die Blutgefässe, oder der Pulsschlag wird schneller.
 - Psychologischer Aspekt: Auch unsere Psyche reagiert auf jede Emotion. Es geschieht eine Veränderung auf kognitiver Ebene.
 - Sozialer Aspekt: Jede Emotion zeigt sich zusätzlich durch eine körpersprachliche Reaktion. Denn durch Mimik und Körpersprache kommunizieren wir bewusst oder unbewusst mit unserem sozialen Umfeld.
 
Emotionen und Gefühle spielen auch bei unseren Entscheidungen eine ganz zentrale, wichtige Rolle.
Hilfreiche Tipps für Trauernde
Die Lebens- und Trauerbegleiterin Bettina Konetschnig hat durch den Tod ihres Lebenspartners selbst erlebt, wie facettenreich, intensiv und auch unerwartet sich Trauer manifestieren kann. Konkrete Vorschläge sind laut Konetschnig hilfreicher, da es Trauernde oftmals Überwindung kostet, um Hilfe zu bitten. Hilfe wird aber vor allem danach, wenn Trauernde sich wieder im Alltag zurechtfinden müssen, benötigt. Zusammen zu weinen ist wichtig. Es darf aber auch gelacht werden. Beschenken Sie Trauernde mit schönen Erinnerungen oder Anekdoten an einen geliebten Menschen. Tauschen Sie sich aus. Auch während einer Trauerphase haben alle Gefühle ihre Berechtigung.
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Zusammenhang zwischen Unterdrückter Wut und Gesundheit
René Hurlemann sagt: «Viele Menschen verbannen Wut in ein inneres Exil. Dadurch kann sie sich nicht entladen. Das ist stressig für den Organismus und kann auf Dauer krank machen.» Bluthochdruck kann eine Folge von chronisch unterdrückter Wut sein. Bei manchen Menschen zeigt sie sich in Depressionen. Auch ein Zusammenhang zwischen unterdrücktem Ärger und der verminderten Ausschüttung von Endorphinen ist bekannt, die eigentlich ein körpereigenes Belohnungssystem ist. Nicht umsonst fühlen sich viele innerlich wütende Menschen schon viel besser, wenn sie Sport machen. Beim Sport werden die Endorphine quasi entlassen, der Körper darf sich abreagieren.
Tipps, wenn die Wut hochsteigt
Wie aber geht man nun mit Wut um, die einen hinterrücks überkommt und bei allem geschilderten Potenzial in vielen Situationen auch unangenehm sein kann? Sei es, weil das Gegenüber nicht mit ihr umgehen will oder weil man ihr selbst allzu sehr ausgeliefert ist? «Atmen, atmen, atmen. Versuchen Sie, sich abzulenken», sagt René Hurlemann. «Wenn es möglich ist: Gehen Sie raus aus der Situation.»
Andere Experten empfehlen, sich in Selbstwahrnehmung zu schulen, um schon frühe innere Anzeichen aufkommender Wut besser zu spüren. Es hilft, sich darüber im Klaren zu sein, dass der Auslöser von Wut fast nie der echte Grund ist. Oft hilft es bereits, die Situation zu benennen, am besten gleich mit der Unterscheidung zwischen Auslöser und Ursache.
Beispiele und Erfahrungen von Betroffenen
Viele Menschen haben ähnliche Erfahrungen mit Trauer und Wut gemacht. Hier sind einige Beispiele:
- Eine Frau verlor ihren Mann nach kurzer Krankheit und fragte sich, ab wann sie professionelle Hilfe für ihre Kinder hinzuziehen sollte.
 - Eine andere Frau hatte ihren Partner durch Suizid verloren und suchte nach Wegen, mit ihrer Enkelin über deren Mutter zu sprechen.
 - Eine Person hatte ihren Mann vor sechs Jahren durch eine Krebserkrankung verloren und bereute, nie Trauerhilfe in Anspruch genommen zu haben.
 
Trauergruppen und Anlaufstellen
Es gibt viele Trauergruppen und Anlaufstellen, die Unterstützung anbieten. Hier sind einige Beispiele:
- Hospiz Trauertreff
 - Selbsthilfegruppen für Eltern, die ein Kind verloren haben
 - Trauergruppen in Kirchengemeinden
 
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