Das Thema der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) ist sowohl komplex als auch faszinierend, da es tief in die menschliche Psyche und das Verhalten eintaucht. NPS ist in verschiedenen Kontexten präsent, von zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu Führungsebenen in Unternehmen und Politik. Menschen mit NPS können erhebliche Schwierigkeiten in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen haben, was zu Konflikten, Missverständnissen und emotionalem Leid führen kann.
Drei Stufen von Narzissmus
Wie Marc Walter, Experte für Narzissmus, erklärt, gibt es grundsätzlich drei Abstufungen bei Narzissten:
- Normaler Narzissmus: Die am meisten verbreitete Ausprägung, die nicht als Persönlichkeitsstörung, sondern als Persönlichkeitseigenschaft gilt. Menschen haben in der Regel ein gutes Selbstwertgefühl und sind mit sich zufrieden, was positiv ist.
 - Akzentuierte narzisstische Persönlichkeit: Personen drängen sich häufig in den Vordergrund und fühlen sich anderen überlegen. Gleichzeitig merke man mit der Zeit, dass sie innerlich sehr verunsichert sind und stark angewiesen sind auf positive Rückmeldung und Bewunderung von anderen. Solange die psychosoziale Funktionsfähigkeit noch vorhanden ist, liegt keine narzisstische Persönlichkeitsstörung vor. Die meisten Menschen, die in diese Stufe eingeordnet werden, sind noch berufstätig und in partnerschaftlichen Beziehungen.
 - Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Anders als die anderen beiden Abstufungen klar definiert. Die Persönlichkeitsstörung kann nach klar vorgegebenem Schema diagnostiziert werden. Die drei Hauptmerkmale sind hier Selbstüberschätzung, ein extremes Bedürfnis nach Bewunderung sowie Empathielosigkeit. Das Letztere sei dabei das wichtigste Kriterium, um einen pathologischen Narzissten zu erkennen. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung manipulieren andere und interessieren sich nur für sich selbst. Ein bis fünf Prozent der Bevölkerung ist von dieser Störung betroffen, wobei Männer doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen.
 
Eine Diagnose zu stellen, ist dennoch relativ schwierig, da narzisstische Personen kaum wegen Verdacht auf Narzissmus zur Therapie gehen. Häufig gehen sie wegen anderer Beschwerden in Behandlung, beispielsweise Depression, Suchtkrankheiten oder ein Burn-out. Diese Probleme verdecken dann den Narzissmus.
Auswirkungen narzisstischer Eltern auf Kinder
Kinder- und Jugendtherapeutin Andrea Kramer erklärt, dass narzisstische Eltern ihre Kinder benutzen, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Selbstwert zu pushen. Es fällt Menschen mit einer narzisstischen Erkrankung schwer, eine ausgeglichene und liebevolle Beziehung aufzubauen - egal, ob das zu einem Kind oder einem anderen Menschen ist. Kinder brauchen aber vor allem am Anfang konstante Beziehungen und bedingungslose Liebe, die sie von solchen Eltern nur sehr schwer bekommen.
Solche Erfahrungen können traumatisieren und erschüttern das kindliche Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Umgebung. Die Kinder haben oft Schuldgefühle, weil sie versuchen, die hohen Erwartungen zu erfüllen - das aber nicht schaffen. Häufig glauben sie, nicht zu genügen. Und sehr oft, je nachdem wie schwer die Erkrankung des Elternteils ist, entwickeln sie ein gestörtes Bindungsverhalten, das sich bis ins Erwachsenenalter zieht. Untersuchungen zeigen ausserdem, dass Kinder von Eltern, die psychische Erkrankungen haben, ein sehr hohes Risiko haben, selbst psychische Auffälligkeiten zu entwickeln. Bei Persönlichkeitsstörungen, zu denen auch der Narzissmus zählt, ist das Risiko viermal höher.
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Die Rolle des nicht-narzisstischen Elternteils
Der gesunde Elternteil muss viel Schutz bieten und versuchen, dem Kind ausreichend Selbstvertrauen zu vermitteln. Das können übrigens auch Verwandte oder Freunde der Familie machen.
Wie sich der Narzissmus eines Elternteils auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, wurde bisher nur in wenigen Studien festgehalten. Bei Eltern, die Merkmale einer Persönlichkeitsstörung des Clusters B zeigten, berichteten die Kinder zwei Jahre später von depressiven Symptomen. Der tatsächliche Effekt werde aber unterschätzt, weil sich der Einfluss der Persönlichkeitsstörungen über die Zeit noch verstärke, so die Forschenden.
Wie man einem Kind das verletzende Verhalten von Papa oder Mama erklärt
Es gibt Bilderbücher, die psychische Erkrankungen thematisieren. Mit denen könnte man beispielsweise arbeiten. Man sollte die Kinder auch unbedingt in den Dingen unterstützen, in denen sie gut sind. Und: Dem Kind eine Therapiemöglichkeit verschaffen.
Werden Kinder von Narzissten selbst irgendwann narzisstisch? Grundsätzlich geht man bei Narzissmus davon aus, dass es genetische Faktoren gibt, ja. Aber ich würde sagen, es ist eine Mischung aus genetischer Prädisposition und dem Verhalten, das die Kinder sich abschauen. Entweder sie übernehmen die narzisstischen Züge, oder sie brechen den Kontakt ab, um sich zu schützen.
Scheidung von einem Narzissten oder einer Narzisstin
Eine Scheidung von einem Partner mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NPS) kann besonders herausfordernd und emotional belastend sein. Narzissten neigen dazu, manipulative und kontrollierende Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Sie können sich weigern, fair zu verhandeln, was zu langwierigen und teuren rechtlichen Auseinandersetzungen führen kann. Die emotionale Belastung durch den Missbrauch kann während der Scheidung eskalieren, da der Narzisst möglicherweise versucht, Schuldzuweisungen zu machen oder den Partner zu diskreditieren.
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Strategien für die Bewältigung
- Klare Grenzen setzen: Festgelegte Grenzen sind entscheidend, um sich vor weiterer Manipulation und Missbrauch zu schützen.
 - Emotionale Unterstützung: Psychologische Unterstützung, Sie sind nicht alleine.
 - Kindeswohl im Fokus: Es ist wichtig, das Wohl der Kinder in den Vordergrund zu stellen.
 - Psychologische Unterstützung für Kinder: Kinder, die in einem narzisstischen Umfeld aufwachsen, können von psychologischer Unterstützung profitieren, um die emotionalen Auswirkungen zu verarbeiten.
 - Trauma Verarbeitung: Nach der Scheidung ist es wichtig, Zeit und Raum für die eigene Heilung und Verarbeitung des Erlebten zu finden.
 - Zukünftige Beziehungen: Es kann hilfreich sein, sich mit den Dynamiken der vergangenen Beziehung auseinanderzusetzen, um in zukünftigen Beziehungen gesunde Muster zu etablieren und narzisstische Partner zu vermeiden.
 
Eine Scheidung von einem Narzissten kann äusserst schwierig und belastend sein, erfordert jedoch sorgfältige Planung, Unterstützung und Selbstfürsorge.
Weiblicher Narzissmus
Weiblicher Narzissmus schwankt oft zwischen Grössenfantasien und Minderwertigkeitsgefühlen. Narzisstische Frauen hungern nach Bewunderung und Anerkennung. Nur dann fühlen sie sich gut. Nach aussen erscheinen sie perfekt, doch an ihnen nagen starke Selbstzweifel. Experten unterscheiden grundsätzlich die verdeckte und die offene Form von Narzissmus. Männer zeigen häufiger eine offene Form des Narzissmus. Bei Frauen funktioniert der Narzissmus eher über ihr Aussehen und ihre Attraktivität. Und da weiblicher Narzissmus häufig verdeckt auftritt, ist er nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.
Ähnlich wie beim männlichen Narzissmus wirken auch die Frauen nach aussen oft stark und überlegen. Es handelt sich meistens um Frauen mit einem perfekten Auftreten. Sie legen sehr viel Wert auf ihr Äusseres, sind sehr leistungsstark und achten darauf, keine Fehler zu machen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich viel Leid. Während das Äussere sorgfältig gepflegt wird, werden die eigenen Bedürfnisse und Gefühle vernachlässigt. Das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen ist entgegen dem äusseren Anschein sehr gering.
Weiblicher Narzissmus lebt von der Anerkennung und Bewunderung durch andere Menschen. Die Betroffenen führen positive Erfahrungen und Erfolge häufig auf ihr Aussehen oder oberflächliche Werte zurück. Sie können sich nicht vorstellen, Wertschätzung allein für ihre Person zu erhalten. Narzisstische Frauen haben zudem sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Viele sind beherrscht von der Angst, diesem Anspruch nicht gerecht zu werden.
Belastung für die Familie
Narzisstische Mütter (aber auch Väter) sind eine starke Belastung für die Kinder, denn es fehlt den Betroffenen die Fähigkeit, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen. Die Kinder müssen sich daher meistens schon früh selbst versorgen. Vor allem für eine Tochter kann es schwierig sein, da sich die Mutter mit ihr identifiziert. Alle Probleme, die die Mutter mit sich selbst hat, überträgt sie auf ihre Tochter. Die Tochter kann auch als weibliche Konkurrenz empfunden werden.
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Die innere Spaltung zwischen Grossartigkeit und Minderwertigkeitsgefühl spiegelt sich auch im Verhalten einer narzisstischen Mutter zu den Kindern wider. Häufig wird ein Kind idealisiert und ein anderes abgewertet. Die Erfolge des Kindes erkennen narzisstische Mütter entweder gar nicht an oder nur dann, wenn diese ihr eigenes Image verbessern, wie zum Beispiel den Schulabschluss. Das Kind soll der narzisstischen Mutter dazu dienen, die Fassade der perfekten Frau und Mutter aufrechtzuerhalten. Liebe erhalten diese Kinder nur, wenn sie den Vorstellungen der Mutter entsprechen.
Unabhängig davon, was die Kinder durchmachen oder erleben, es dreht sich immer alles um die Mutter. Diese Art von emotionalem Missbrauch bleibt Aussenstehenden meist verborgen. Möglicherweise zeigt sich die Mutter Nachbarn, Freunden oder Verwandten gegenüber als liebevoll und besorgt. Zu Hause vermittelt die narzisstische Mutter dem Kind aber, dass es eine Belastung für sie ist.
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung können zudem sehr manipulativ sein. So bringen narzisstische Mütter ihre Kinder in Situationen, in denen sie nur verlieren können. Wie auch immer das Kind sich verhält, am Ende wird es die Wut oder Rache der Mutter zu spüren bekommen. Konfrontiert das Kind die Mutter mit ihrem Verhalten, schiebt diese die Verantwortung dafür entweder auf das Kind oder bemitleidet sich selbst.
Eine narzisstische Mutter ist nicht in der Lage, ihre eigenen Fehler zu erkennen. Das Eingestehen von Fehlern würde ihre Grossartigkeit infrage stellen und somit ihr Selbstbild bedrohen.
Umgang mit Narzissmus in der Familie
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man nicht für das Verhalten anderer verantwortlich ist. Der Fokus sollte auf der eigenen psychischen Gesundheit und dem Schutz der eigenen Grenzen liegen. Klare Kommunikation und das Vermeiden von Schuldzuweisungen können helfen, Konflikte zu minimieren. In manchen Fällen kann es notwendig sein, den Kontakt zu narzisstischen Familienmitgliedern zu reduzieren oder abzubrechen, um sich selbst zu schützen.
Hier sind einige Tipps zum Umgang mit Narzissmus in der Familie:
- Grenzen setzen: Definieren Sie klare Grenzen und kommunizieren Sie diese deutlich.
 - Selbstfürsorge: Achten Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse und nehmen Sie sich Zeit für sich selbst.
 - Professionelle Hilfe: Suchen Sie professionelle Unterstützung, um die emotionalen Auswirkungen zu verarbeiten.
 - Unterstützungsgruppen: Treten Sie einer Unterstützungsgruppe bei, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
 
Der Weg zur Heilung nach einer Kindheit mit einer narzisstischen Mutter ist oft lang und herausfordernd, doch er ist möglich. Entscheidend ist, die Dynamiken der Vergangenheit zu erkennen, das eigene Selbstwertgefühl aufzubauen und sich von den toxischen Verhaltensmustern zu lösen. Dieser Prozess erfordert Mut, Zeit und oft professionelle Unterstützung.
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