Der Begriff Narzissmus hat seinen Ursprung in der griechischen Mythologie. Narziss war ein wunderschöner junger Mann, in der griechischen Mythologie der Spross eines Flussgottes und einer Wassernymphe.
In der griechischen Mythologie verliebt sich Narziss, der schöne Sohn eines Flussgottes und einer Wassernymphe, in sein eigenes Spiegelbild. Jünglinge himmelten ihn an, Mädchen umschwärmten ihn. Aber Narziss wollte nichts von niemandem wissen. Erfüllt vom trotzigen Stolz auf seine Schönheit wies der Beau der Antike seine Bewunderinnen herzlos zurück.
Die Göttin Artemis strafte ihn mit unstillbarer Selbstliebe. Als Narziss sich lustwandelnd bei einer Wasserquelle niederliess, verliebte er sich in sein eigenes Spiegelbild. Er verzehrte sich und verschmachtete vor seinem Ebenbild bis zu seinem Tod. Statt seines Leichnams war am Wasser eine Narzisse zu finden. Die masslose Selbstverliebtheit wird ihm schliesslich zum Verhängnis: Er schwindet vor Sehnsucht dahin und wird in die gleichnamige Blume (Narzisse) verwandelt.
Narziss wurde umgangssprachlich zum Namensgeber für eine Verhaltensweise, die durch übertriebene Selbstverliebtheit, rücksichtslosen Egoismus und Arroganz geprägt ist - den Narzissmus. Wie es in den griechischen Sagen so kommt, rächt sich das.
Was bedeutet Narzissmus heute?
Das Wort narzisstisch wird heute inflationär gebraucht. Doch die wenigsten wissen genau, was damit gemeint ist. Vielleicht etwas Ähnliches wie selbstverliebt? Oder ein bisschen egozentrisch? Oder sehr eitel, marken- und modebewusst? Oder alles miteinander?
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Bloss: Narzisstische Züge hat jede/r, und Eigenschaften wie Selbstvertrauen oder Durchsetzungsvermögen sind auch durchaus positiv besetzt. Nicht nur, um sich an die Aussenwelt anzupassen, sondern auch, um ein ausgeglichenes Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten, ist ein gesunder Narzissmus von Vorteil. Er hilft uns, besser mit Rückschlägen, Beleidigungen, Kritik und Krisen umzugehen. Dies wird oft als "positiver Narzissmus" bezeichnet, der bei Menschen mit einem gesunden Selbstwertgefühl und einer gesunden Selbstliebe vorhanden ist.
Ob das Verhalten einer Person noch im normalen Rahmen ist oder doch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt, ist deshalb nicht einfach zu erkennen. Welche Faktoren für die Unterscheidung wesentlich sind, wird in diesem Artikel beschrieben.
Das ist das erste Gesicht: die schöne Fassade. Mit der Zeit aber zeigt sich das zweite Gesicht. Dann kommt oft die Enttäuschung. Der Narzisst entpuppt sich als verletzliches Kind im Erwachsenenkleid, als getriebener, leistungsorientierter Wackelkandidat, als schnell kränkbares Wesen, als Bewunderungsjunkie.
Narzisstische Menschen fühlen sich schneller angegriffen als Menschen ohne solche Persönlichkeitsmerkmale. Die Männer reagieren oft gar aggressiv.
Persönlichkeitsdimension versus Persönlichkeitsstörung
Narzissmus kann in zwei Bereiche differenziert werden. Einerseits ist Narzissmus eine Persönlichkeitsstörung und andererseits eine Persönlichkeitseigenschaft. Der Übergang von der Persönlichkeitseigenschaft zur Persönlichkeitsstörung ist fliessend, indem die narzisstische Ausprägung zunimmt.
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Die Persönlichkeitseigenschaft des Narzissmus zeigt sich in hoher Selbstwertschätzung, geringer Empathie, dem Wunsch nach Bewunderung, dem Gefühl der Überlegenheit, einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und ansatzweise sozial unverträglichen Verhaltensweisen.
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsausprägung sind in der Tat mit der Fähigkeit zur Empathie ausgestattet. Doch ist das Entfalten dieser Empathie stark abhängig von ihrem Willen, sie zu zeigen - eine Bereitschaft, die solche Menschen nur allzu oft zurückhalten. Folglich verspüren Narzisst*innen auf ihr Handeln kaum bis kein Schuld- und Schamgefühl.
Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsausprägung zeigen sogar eine erhöhte Fähigkeit zur Empathie auf. Das heisst, Narzisst*innen sind überdurchschnittlich gut darin, die Gefühle von Mitmenschen zu erkennen, was sie wiederum zu ihrem Vorteil nutzen können.
Ursachen und Entstehung von Narzissmus
Als Ursache für die Entwicklung dieser Störung wird ein Zusammenspiel aus genetischen Faktoren und Umgebungsbedingungen angenommen. Mehrere psychologische Theorien gehen davon aus, dass die Erziehung eine wesentliche Rolle spielt.
Die Soziale Lerntheorie nimmt an, dass Kinder dann narzisstische Züge entwickeln, wenn sie von Ihren Eltern vergöttert werden, das heisst, wenn die Eltern ihr Kind für etwas Besonderes halten, das Anspruch auf eine besondere Behandlung hat. Die Psychoanalytische Theorie wiederum nimmt an, dass jene Kinder zu Narzissten heranwachsen, die von ihren Eltern zu wenig Wärme und Wertschätzung erfahren haben.
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Das überzogene, grandiose Selbst wird in vielen Erklärungsansätzen auch als Strategie angesehen, um ein sehr niedriges Selbstwertgefühl zu kompensieren.
Eine positive Auswirkung auf die Gesundheit, die oft verborgen bleibt, ist die psychische Widerstandsfähigkeit und die geringere Anfälligkeit auf Depressionen von Menschen, die zu narzisstischen Zügen neigen.
Narzissmus in Beziehungen und im Arbeitsleben
Narzissten tendieren dazu, ihr Umfeld hinsichtlich Aussehen oder Leistung unsicher zu machen. Ausserlich mögen narzisstische Menschen sehr selbstbewusst wirken, aber innerlich sind sie in ihrem Selbstwertgefühl verletzt. Die Wurzeln dieser Störung liegen in der kindlichen Entwicklung, oft verbunden mit ihren Beziehungen zu den Eltern.
Kinder oder Partnerinnen, die mit einem Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zusammenleben, sind erheblichem Leid ausgesetzt. Denn für ihre eigenen Bedürfnisse, Ziele und Wünsche gibt es oft keinen Platz: Sie fühlen sich unsichtbar. Meist stehen sie unter dem Druck, sich tadellos zu verhalten und den Betroffenen ja nie zu kritisieren oder zu kränken. Oft sind sie auch Abwertungen, Liebesentzug, emotionalen Ausbrüchen und psychischer Gewalt ausgesetzt.
Wenn ein Narzisst Teil des Teams ist, sind Stress und Spannungen unvermeidlich. Narzissten sind oft der "beste Kumpel" des Chefs. Sie manipulieren und überreden andere, Dinge zu tun, die sie normalerweise nicht tun würden. Sie handeln unabhängig und missachten die Bedürfnisse anderer.
Therapie und Umgang mit Narzissmus
Marc Walter, Klinikleiter für Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Dienste Aargau, hat Erfahrung mit Menschen, die an ihrer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden: «Es gibt keinen Narzissten, der sagt, ich bin narzisstisch und komme in die Therapie. Keinen einzigen.»
Je nach Motivation und Wille der Patienten können diese ihre narzisstischen Verhaltensweisen tatsächlich ändern. Zuerst gehe es darum, den gefallenen Narzissten zu helfen, ihren Selbstwert zurückzugewinnen und diesen zu stärken.
Narzissten hinterfragen oder ändern ihr Verhalten kaum. Sie zu therapieren, sei wahnsinnig schwierig, sagen Experten.
Oft suchen Narzissten erst dann eine Therapie auf, wenn ihr Verhalten zu Konsequenzen führt, wie z.B. einer Trennung oder wenn zusätzliche Probleme wie Sucht, Depressionen oder Suizidgefährdung auftreten. Häufiger suchen Co-Narzissten therapeutische Unterstützung, um Klarheit über ihre Beziehungen zu narzisstischen Partnern, Kollegen oder Familienmitgliedern zu gewinnen.
Genau das hat Cyril Kammer aus Eigeninitiative gemacht. Er hat seine Antennen für heikle Momente geschärft. Heute erkenne er sein narzisstisches Verhalten sofort und versuche es fortlaufend zu verändern.
Cyril Kammer sagt, dass er heute qualitativ bessere Beziehungen zu seinen Freunden habe. Weil er lernte, zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Geschlechterunterschiede im Narzissmus
Egal wie alt, egal welche Generation: Männer sind narzisstischer veranlagt als Frauen, sagt eine Studie. Männliches AnspruchsdenkenDieser in der Regel nicht als sehr positiv bewertete Cocktail von Eigenschaften findet sich häufiger bei Männern als bei Frauen, haben die Forscher um Professor Emily Grijalva von der University of Buffalo herausgefunden, wie sie im «Psychological Bulletin» berichten.
Sie untersuchten die geschlechtsspezifischen Unterschiede in drei Aspekten, die typisch für Narzissmus sind: übersteigertes Anspruchsdenken, Grössenwahn/Exhibitionismus und Führungsanspruch/Autorität. Beim Anspruchsdenken war der Unterschied zwischen den Geschlechtern am klarsten: Männer neigen offenbar deutlich häufiger als Frauen dazu, andere auszubeuten. Sie fühlen sich auch eher im Recht, wenn sie Privilegien für sich in Anspruch nehmen. Beim Führungsanspruch konnten die Wissenschaftler ebenfalls eine geschlechtsspezifische Differenz feststellen. «Im Vergleich zu Frauen zeigen Männer mehr Durchsetzungsvermögen und Machthunger», sagte Grijalva in einer Pressemitteilung.
Beim Exhibitionismus dagegen gab es keinen Unterschied - was aber nicht heisse, dass Frauen und Männer sich gleich häufig vor anderen entblössen. «Das bedeutet, dass beide Geschlechter gleich eitel und ichbezogen sind», erklärte Grijalva.
Grijalva geht davon aus, dass die jeweilige Geschlechterrolle von klein auf gelernt und durch Lob oder Kritik von Bezugspersonen gefestigt wird. «Insbesondere Frauen werden meist harsch kritisiert, wenn sie aggressiv oder autoritär auftreten. Dadurch geraten sie - im Gegensatz zu Männern - unter Druck, narzisstisches Verhalten nicht auszuleben.»Dies wiederum erkläre, so Grijalva, auch den eklatanten Frauenmangel in den Chefetagen, der trotz formeller Gleichberechtigung der Geschlechter nach wie vor besteht.
Zusammenfassung der Geschlechterunterschiede im Narzissmus
| Aspekt des Narzissmus | Geschlechterunterschied | 
|---|---|
| Anspruchsdenken | Männer neigen stärker dazu, andere auszubeuten und Privilegien für sich zu beanspruchen. | 
| Führungsanspruch/Autorität | Männer zeigen mehr Durchsetzungsvermögen und Machthunger. | 
| Exhibitionismus | Kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern. | 
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