Postpartale Depression: Ursachen, Symptome und Behandlung

Für die meisten Mütter ist die Geburt eines Babys ein freudiges Ereignis. Trotzdem können Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt an einer depressiven Störung leiden. Der Sammelbegriff dafür ist die peripartale Depression - man spricht aber auch von Schwangerschafts- oder Wochenbettdepression sowie vom Babyblues.

«Peripartal» bedeutet «um den Zeitpunkt der Geburt herum» (lat. partus, «Geburt») - dabei unterscheidet man die präpartale (auch: pränatale) und die postpartale (auch: postnatale) Depression vor und nach der Geburt.

Oft ist es nicht leicht, eine postpartale Depression zu erkennen und sie vom sogenannten Babyblues zu unterscheiden. Den Babyblues erleben viele Mütter in den ersten Tagen nach der Geburt. Es ist eine wenige Stunden oder Tage andauernde depressive Verstimmung aufgrund der Hormonumstellung. Oft müssen Mütter vermehrt weinen, machen sich mehr Sorgen und sind sehr ängstlich oder unruhig.

Bei der postpartalen bzw. postnatalen Depression, die im ersten Jahr nach der Geburt auftritt, kommen meistens mehrere Faktoren zusammen: Die Ursachen sind sehr individuell und können körperlicher, hormoneller, genetischer, psychodynamischer, sozialer oder gesellschaftlicher Art sein.

Eine Sonderform der Depressionen rund um die Schwangerschaft ist die postpartale Psychose, die eine deutlich schwerere seelische Krankheit als die anderen Formen bezeichnet. Typische Symptome dieser Psychose sind Angstzustände, Unruhe- und Erregungszustände, Antriebssteigerung oder Teilnahmslosigkeit, Halluzinationen und Wahnvorstellungen.

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Betroffene Frauen sollten sich unabhängig vom Schweregrad ihrer Schwangerschaftsdepression unbedingt Hilfe holen - peripartale Depressionen sind in den meisten Fällen gut therapierbar.

Wie äussert sich eine prä- oder postnatale Depression?

Die Symptome der verschiedenen peripartalen Depressionsformen können sehr unterschiedlich sein, sowohl in ihrer Ausdrucksform wie auch in ihrem Schweregrad.

Die Anzeichen, die auf eine postpartale Depression hinweisen, sind oft nur schwer zu erkennen - sowohl für die betroffene Mutter als auch für die Menschen in ihrem Umfeld. Dies liegt zum einen daran, dass die Symptome nicht plötzlich auftreten, sondern sich schleichend entwickeln.

Es gibt eine Vielfalt von Symptomen, die bei einer postpartalen Depression auftreten können:

  • Stimmungsschwankungen
  • Traurigkeit, häufiges Weinen
  • Erschöpfung, sowohl geistig als auch körperlich
  • Appetitlosigkeit oder übermässig verstärkter Appetit
  • Antriebslosigkeit, Teilnahmslosigkeit, grosse Schwierigkeiten, sich aufzuraffen
  • Vernachlässigung von eigenen Bedürfnissen, zuweilen auch der Bedürfnisse des Babys
  • Reizbarkeit, stetige Unzufriedenheit, Aggressionen und Wutausbrüche
  • Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme
  • Grübeln, verlangsamtes Denken
  • Unsicherheit und Mangel an Selbstvertrauen
  • Schuld- und Versagensgefühle, Selbstvorwürfe, das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
  • Sozialer Rückzug
  • Ängste, Panikattacken
  • Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen
  • Fehlende oder ablehnende Gefühle dem Kind gegenüber
  • Sexuelle Unlust
  • Zwangsgedanken, beispielsweise quälende Gedanken, dem Baby etwas anzutun
  • Suizidgedanken

Eine postpartale Depression kann auch von körperlichen Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen, Übelkeit und Magenschmerzen, Herzbeschwerden, Verspannungen, Rückenschmerzen etc. begleitet sein.

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Häufig beginnt eine postpartale Depression mit Schlafstörungen. Diese werden zunächst nicht als Symptom einer Depression erkannt, weil Schlafunterbrüche in den ersten Monaten mit einem Baby dazugehören. Die betroffenen Frauen finden nach dem Stillen des Babys nicht mehr in den Schlaf zurück. Sie liegen grübelnd im Bett und erwachen nachts oder frühmorgens häufig ohne äusseren Anlass, gequält von Ängsten und Sorgen.

Die Betroffenen fühlen sich häufig lust- und antriebslos und sind gleichzeitig innerlich angespannt und unruhig. Durch die entstehende emotionale Labilität können scheinbar unbedeutende Ereignisse zu grosser Verzweiflung, Panik oder Wut führen.

In der Folge entwickeln Mütter, die sich den Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlen, starke Schuldgefühle oder teilweise sogar ablehnende Gefühle dem Kind gegenüber.

Die enormen hormonellen Veränderungen nach einer Geburt, die häufigen schlaflosen Nächte und anstrengenden Tage mit einem Baby, die langen Tage alleine mit dem Baby zu Hause ohne die gewohnten Kontakte zu Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen oder Freundinnen und Freunden können zu sozialer Isolation führen.

Wenn Sie Gedanken daran haben, Ihr Kind zu verletzen, kann dies sehr beängstigend sein. Solche Gedanken bedeuten jedoch nicht, dass Sie Ihr Kind tatsächlich verletzen werden. Dies passiert nur in sehr seltenen Fällen (zum Beispiel bei Drogen- oder Alkoholkonsum).

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In ganz seltenen Fällen verlieren Eltern in psychischen Extremsituationen wie grosser Erschöpfung oder Verzweiflung die Fassung und schütteln oder schlagen ihr Baby. Es ist sehr wichtig, ein Baby niemals zu schütteln.

Diagnostik von postpartalen Depressionen

Die postpartale Depression ist eine ernste psychische Erkrankung, die Frauen nach der Geburt ihres Kindes betreffen kann. Um sie zu diagnostizieren, verwenden Fachleute oft die Kriterien des Internationalen Klassifikationssystems für Krankheiten (ICD). Dieses System hilft dabei, einheitliche Standards für die Diagnosestellung und Behandlung von Krankheiten zu gewährleisten.

Die Diagnose für postpartale Depression basiert auf bestimmten Symptomen und ihrem Schweregrad. Dazu gehören die eben beschriebenen Symptome; Gefühle von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Hoffnungslosigkeit, der Verlust von Interesse und Freude an früheren Aktivitäten, Energiemangel, Schwierigkeiten bei der Konzentration, Schlafstörungen, Gefühle von Schuld oder Wertlosigkeit und möglicherweise sogar suizidale Gedanken.

Neben der postpartalen Depression gibt es auch eine weniger schwerwiegende und oft vorübergehende Stimmungsveränderung, die als postpartaler Blues bekannt ist. Diese wird manchmal auch als Baby-Blues bezeichnet.

Um die Diagnose einer postpartalen Depression zu stellen, müssen die Symptome signifikant genug sein, um das alltägliche Funktionieren der Frau zu beeinträchtigen, und sie müssen für mindestens zwei Wochen lang anhalten.

Ursachen der postpartalen Depression

Es gibt in der Regel nicht den einen Grund, der eine postpartale Depression auslöst. Meist spielen verschiedene Einflussfaktoren eine Rolle. Kommen viele belastende Faktoren zusammen, entwickelt sich schneller eine Depression und oftmals ist diese auch tiefer.

Nach der Geburt verändert sich der Hormonhaushalt der Mutter. Der Zusammenhang zwischen Hormonen und einer postpartalen Depression ist noch nicht abschliessend erforscht.

Wenn frischgebackene Mütter bereits vor der Schwangerschaft einmal eine Depression hatten, weisen sie ein grösseres Risiko auf, an einer postpartalen Depression zu erkranken.

Ebenso spielt die genetische Veranlagung eventuell eine grosse Rolle.

Das Leben der Eltern verändert sich nach der Geburt eines Kindes. Bisher eingenommene Rollen verändern sich. So ist zum Beispiel eine berufstätige Frau plötzlich Mutter und Hausfrau. Es dauert etwas, bis sie sich an diese Veränderungen gewöhnt und sich in der neuen Situation zurechtfindet.

Neben Rollen verändern sich auch Beziehungen. Davon betroffen ist nicht nur die Beziehung zwischen den Eltern. Auch das Verhältnis zur eigenen Familie oder zu Freundinnen und Freunden wandelt sich.

Häufig stellt die Mutter hohe Erwartungen an sich selbst und glaubt, der neuen Situation nicht gerecht zu werden.

Auch fehlende Unterstützung aus dem Umfeld kann eine postpartale Depression auslösen: Eine Mutter ist nicht nur auf praktische, sondern auch emotionale Unterstützung angewiesen. Fehlt diese, steigt das Risiko einer Depression.

Gerade in der Anfangszeit sind Eltern plötzlich stark ans Haus gebunden, ihr soziales Netz fällt teilweise weg und sie fühlen sich allein.

Komplikationen während der Schwangerschaft sowie eine ungewollte Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine postpartale Depression.

Traumatische Ereignisse während der Geburt sind ein weiterer Risikofaktor. Hierbei ist der Schweregrad subjektiv. Auch eine sehr schnelle Geburt bringt die Mutter möglicherweise durcheinander. Sie fühlt sich überrumpelt und hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben.

Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wochenbettdepression durch einen Kaiserschnitt.

Übrigens: Wenn Sie abstillen, sinkt der Endorphinspiegel in Ihrem Körper. Diese Hormone wirken stimmungsaufhellend.

Behandlung der postpartalen Depression

Die wichtigste Therapieform bei einer postpartalen Depression ist eine Psychotherapie. Hier gibt es verschiedene Therapieverfahren, z. B. Verhaltenstherapie oder systemische Psychotherapie. Welche davon für Sie die beste ist, hängt einerseits von Ihrer Persönlichkeit ab, andererseits von den Ursachen, die der Erkrankung zugrunde liegen.

Bei einer mittelschweren Depression wird die Psychotherapie meist mit einer medikamentösen Therapie mit Antidepressiva ergänzt, bei einer schweren Depression ist dies in jedem Fall angezeigt. Neben Antidepressiva können von Fall zu Fall auch schlafanstossende oder angstlösende Medikamente verschrieben werden.

Damit es überhaupt gelingt, die Ursachen anzugehen, die der Depression zugrunde liegen, ist medikamentöse Unterstützung jedoch oft nötig. Reden Sie mit Ihrer Psychiaterin oder Ihrem Psychiater über Ihre Bedenken. Fragen Sie ganz genau nach, wenn etwas unklar ist oder wenn Sie etwas gehört oder gelesen haben, was Sie verunsichert.

Sofern Sie Ihr Baby weiterhin stillen möchten, lassen Sie sich ein Präparat verschreiben, das mit dem Stillen verträglich ist.

Die Behandlung der Wochenbettdepression sollte die Beziehung von Mutter und Kind im Fokus haben. Wenn eine stationäre Aufnahme unumgänglich ist, sind Mutter-Kind-Stationen sinnvoll.

Die Unterstützung der Mutter-Kind-Bindung ist dabei sehr wichtig und sollte gestärkt und gefestigt werden. Es unterstützt den Heilungsprozess, wenn sich die betroffene Frau als kompetente Mutter für ihr Kind erleben kann.

Auch bei einer ambulanten Gesprächstherapie ist die Bindung zum Kind mit im Fokus, denn gerade ein vielleicht ausbleibendes Liebesgefühl zum Kind belastet die betroffenen Mütter. Sie leiden unter Schuld- und Versagensgefühlen, was die depressiven Symptome zusätzlich verstärken kann.

Insbesondere, wenn die Geburt schwierig war, Ihr Baby körperliche Probleme hat, Sie früher schon an einer psychischen Erkrankung gelitten haben oder die familiäre Situation instabil ist, ist das Auftreten einer postpartalen psychischen Erkrankung wahrscheinlicher.

Grundsätzlich sind postpartale psychische Erkrankungen mit professioneller Unterstützung sehr gut behandelbar.

Statistiken zur postpartalen Depression

40-80 % aller frischgebackenen Mütter leiden nach der Geburt am Babyblues. Die postpartale Depression trifft 13-19 % aller Frauen nach der Geburt. Insgesamt erkranken jedes Jahr rund 12’000 Frauen in der Schweiz an einer postpartalen Depression.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass ca. 10-15 % aller Frauen (manche Studien sprechen gar von 30 %) und ca. 10 % aller Männer eine postpartale Depression entwickeln.

Hilfsangebote

Sind Sie unsicher, ob Sie an einer Form der peripartalen Depression leiden? Dann vereinbaren Sie einen Termin für eine Untersuchung!

Sie können sich auch Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen oder Ihrer Hebamme anvertrauen.

Die Organisation «Periparto» (ehemals «Postpartale Depression Schweiz») bietet persönliche Beratung und Begleitung an. Sie vermittelt Sie an spezialisierte Fachpersonen.

In sehr schweren Fällen, die mit Selbstmordgefahr und Realitätsverlust einhergehen, ist eine stationäre Therapie unumgänglich, damit betroffene Frauen weder sich noch ihr Kind gefährden.

Weitere Anlaufstellen:

  • Psychosoziale Sprechstunde der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel
  • Stiftung Ita Wegmann - Mutter-Kind-Haus
  • UPK - Mutter und Kind
  • Institut Kinderseele Schweiz
  • Walk-in / Akutambulanz des Gesundheitszentrums Psychiatrie an der Kornhausgasse 7

Es wurde ein Fragebogen entwickelt, um besser einschätzen zu können, ob Sie an einer Depression leiden oder nicht. Ein erster Schritt kann das Ausfüllen des EPDS-Fragebogens sein. Die "Edinburgh Postnatal Depressions Skala" umfasst 10 Fragen, mit denen die Stimmungslage der vorangegangenen 7 Tage abgefragt wird. Liegt die Gesamtpunktzahl höher als 10, sollten Sie Kontakt zu einer Fachperson aufnehmen.

Der Verein "Postpartale Depression Schweiz" empfiehlt Müttern, diesen Fragebogen im ersten Jahr nach der Geburt regelmässig (beispielsweise im Abstand von 14 Tagen) auszufüllen, damit Veränderungen in der Stimmungslage frühzeitig erkannt werden.

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