Psychische Erkrankungen sind ein wichtiges Thema am Arbeitsplatz, das oft unterschätzt wird. Etwa 20 % der Angestellten leiden an einer psychischen Erkrankung. Führungskräfte und Mitarbeitende bemerken in der Regel recht früh, wenn ein Kollege oder eine Kollegin an einer Depression erkrankt ist. Sie verändern u.a. ihr Arbeitsverhalten, lassen in der Arbeitsleistung nach, ziehen sich zurück, fehlen öfter, wirken unausgeglichen und sind niedergeschlagen. Auch Vorgesetzte fühlen sich im Umgang mit betroffenen Mitarbeitenden verunsichert und wagen nicht, diese direkt anzusprechen.
Die Rolle des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist aufgrund der rechtlichen Grundlagen zum Schutz der physischen und psychischen Gesundheit verpflichtet. Psychosoziale Risiken lassen sich ebenso systematisch angehen wie andere Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz. Arbeitgeber sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und Massnahmen ergreifen, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu fördern.
Informationspflichten und Transparenz
Es gibt keine allgemein richtige Antwort auf die Frage, ob man die Erkrankung am Arbeitsplatz thematisieren soll. Überlegen Sie sich den Schritt gut und bereiten Sie sich vor: Wem erzählen Sie davon? Ein Vorteil kann darin bestehen, dass man «sich» nicht mehr verstecken möchte. Oder dass man Leistungs- und / oder Verhaltensprobleme erklären möchte, so dass die Vorgesetzten sie verstehen können. Ein Nachteil besteht in der Ungewissheit über die mögliche Reaktion der Vorgesetzten. Diese hängt von deren Persönlichkeit sowie auch von der Betriebskultur ab: Spricht man in Ihrem Betrieb offen über psychische Belastungen? Wie ist Ihr Verhältnis zu den Personen, mit denen Sie sprechen möchten?
Eine offene Kommunikation ist zwar nicht immer einfach, aber zielführend, um psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz zu enttabuisieren und ein inklusives Arbeitsumfeld zu fördern. Da eine psychische Krankheit nicht sichtbar ist, bleiben die betroffenen Mitarbeitenden alleine mit ihren Bedürfnissen und Herausforderungen und es können keine Anpassungen am Arbeitsplatz vorgenommen werden. Ausserdem hilft es Ihrem Arbeitgeber, das Thema zu enttabuisieren und einen offenen Umgang zu finden.
Früherkennung und Intervention
Je früher Vorgesetzte mögliche Krisen bei Mitarbeitenden ansprechen, desto besser. Das nützt auch dem Betrieb. Kennen Sie die Anzeichen von Krisen und psychischen Belastungen? Die Arbeitsleistungen schwanken, die Konzentration lässt nach, Fehler häufen sich und Absenzen nehmen zu. Betroffene versuchen häufig, ihr Leiden zu verbergen - aus Angst vor Stigmatisierung oder dem Verlust der Arbeitsstelle. Auch Führungspersonen zögern manchmal, die Situation anzusprechen, weil sie der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter nicht zu nahe treten wollen. Je früher Sie als Führungsperson reagieren, umso Erfolg versprechender sind mögliche Interventionen. Integrieren Sie deshalb Früherkennung und Prävention in Ihren Unternehmensalltag.
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Gesprächsführung mit Mitarbeitenden
Suchen Sie als Führungskraft das direkte Gespräch mit den Mitarbeitenden und teilen Sie ihnen Ihre Wahrnehmungen frühzeitig mit. Lassen Sie sich dabei von Fachpersonen unterstützen. Haben Sie das vage Gefühl, dass mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter etwas nicht stimmt? Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter psychisch erkrankt oder in einer Krise ist, können leicht Gerüchte die Runde machen. Vereinbaren Sie deshalb mit der betroffenen Person, wer das Team informiert und was genau kommuniziert wird. Sprechen Sie Ihre Wahrnehmung offen, respektvoll und höflich an. Eine entsprechende Richtlinie kann hier helfen. Seien Sie offen für die Erklärungen und Vorschläge der betroffenen Person. Auch für sie dürfte es nicht einfach sein, darüber zu sprechen. Ziel sollte sein, dass Sie Verständnis und Vertrauen fördern und gleichzeitig konkrete Massnahmen oder Arbeitsplatzanpassungen festlegen.
Arbeitsplatzanpassungen und Unterstützung
Grundsätzlich ist es wichtig, dass die berufliche Tätigkeit mit dem Gesundheitszustand vereinbar ist. Dazu sind offene Gespräche zwischen Ihnen als Betroffene:r, den behandelnden Ärzt:innen und Ihrem Arbeitgeber entscheidend, um eine möglichst gute Lösung zu finden und den Arbeitsplatz Ihren Bedürfnissen anzupassen. Als Arbeitgeber:in kommt es Ihnen zugute, wenn Sie von den krankheitsbedingten Bedürfnissen und Herausforderungen Ihrer Mitarbeitenden wissen. Somit können Sie möglichst informiert vorgehen, passende Massnahmen ergreifen und Arbeitsplätze entsprechend anpassen. Damit stärken Sie Ihre Mitarbeitenden, fördern ihre Loyalität, verringern die Fluktuation und werden als Arbeitgeber attraktiver.
Externe Unterstützung
Holen Sie bei Bedarf frühzeitig externe Unterstützung. Eine Sozialberatung beispielsweise unterstützt Mitarbeitende und Vorgesetzte bei Problemen wie Konflikten am Arbeitsplatz, familiären oder finanziellen persönlichen Schwierigkeiten. Wenn Sie keine interne Stelle in Ihrem Unternehmen haben, gibt es auch die Möglichkeit einer externen betriebliche Sozialberatung. Falls der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bereits in Kontakt mit einer Fachperson ist, können Sie um ein gemeinsames Gespräch oder einen runden Tisch bitten. Mitarbeitende müssen dafür die behandelnde Fachperson von der Schweigepflicht entbinden.
Einige Anlaufstellen für Unterstützung:
- SVA Zürich: Kaderworkshops und Impulsreferate zum Thema «Früherkennung und Umgang mit psychischen Erkrankungen».
- Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich: Begleitung von Betrieben bei der Entwicklung von Konzepten zur Früherkennung und zur Frühintervention.
- Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich: Kostenlose Fortbildungen zum Thema Suizidprävention.
- IV-Arbeitgeberberatung bei der SVA Zürich: Kostenlose Präventions-Hotline für Beratungen in schwierigen Situationen.
- Dargebotene Hand: Telefonische Beratung für Menschen in Krisen (Telefon 143).
- Psychiatrischer Notfalldienst des Aerztefon: Vermittlung von Soforthilfe für Menschen in schweren psychischen Krisen (Telefon 0800 33 66 55).
- Kriseninterventionszentren (KIZ) in Zürich und Winterthur: Rund um die Uhr professionelle Beratung, Entlastung und Behandlungsmöglichkeiten (Telefon: 044 296 73 10 in Zürich).
Rechtliche Aspekte
Eine Kündigung wegen einer Krankheit ist nicht erlaubt, solange die Arbeitsleistung erbracht wird. Man darf aber dann kündigen, wenn wegen einer Krankheit die Arbeitsleistung gar nicht mehr oder nur noch in ungenügender Qualität geleistet werden kann. Dabei macht das Recht keinen Unterschied zwischen psychischer und körperlicher Krankheit. Je nach Dienstjahr muss der Arbeitgeber eine Sperrfrist beachten. Kranke Personen dürfen erst nach einer gewissen Zeit gekündigt werden (zwischen 30 und 180 Tagen). Dazu muss dann noch die ordentliche Kündigungsfrist addiert werden, um das Ende des Arbeitsverhältnisses richtig zu berechnen. Auch diese Frist hängt vom Dienstjahr und natürlich von der Regelung im Arbeitsvertrag ab. Die Einzelheiten finden sich in den Art. 335 c und Art. 336c Abs.
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Prävention und Gesundheitsförderung
Mit dem Ziel, die Prävention psychosozialer Risiken zu verstärken, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) mit Unterstützung von Sozialpartnern und dem interkantonalen Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA) seit dem 1. Januar 2014 einen neuen Vollzugsschwerpunkt lanciert. In Übereinstimmung mit den kantonalen Arbeitsinspektoraten, die schweizweit mit dem Vollzug des Arbeitsgesetzes betraut sind, wird das Augenmerk bei den geplanten Kontrollaktivitäten auf die psychosozialen Risiken gerichtet. Gute Arbeit fördert das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl. Psychosoziale Risiken lassen sich ebenso systematisch angehen wie andere Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz.
Das Projekt VitaLab der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt KMU mit Betriebsanalysen, Coachings, Weiterbildungen, Interventionen und Impulsreferaten bei der Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Zusammenarbeit und Netzwerke
Erfahrung kann auch dadurch gesammelt werden, dass Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten gezielt eingestellt werden und Ausbildungsplätze für Jugendliche mit Behinderungen zur Verfügung stehen. Ausserdem lohnt es sich, mit Fachorganisationen zusammenzuarbeiten, die die Wiedereingliederung fördern. Zudem gibt es Netzwerke, denen Sie sich anschliessen können, um sich mit anderen Unternehmen auszutauschen. Auch interne Netzwerke können einen grossen Mehrwert bieten. Stellen Sie Ressourcen zur Verfügung, damit engagierte Mitarbeitende sich austauschen können, zum Beispiel im Rahmen einer Interessensgruppe.
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