Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein komplexes und oft missverstandenes psychisches Krankheitsbild. Menschen, die davon betroffen sind, kämpfen mit intensiven emotionalen Schwankungen, einem instabilen Selbstbild und Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Was ist eine Borderline-Erkrankung?
Bei der «Borderline-Krankheit» handelt es sich um eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung. Wenn in der frühen Kindheit ungünstige Einflüsse wie Vernachlässigung, Missbrauch oder fehlende emotionale Unterstützung auf einen Menschen einwirken, kann dadurch die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden. Die Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen sowie eigene Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, bildet sich nur ungenügend aus. Betroffene spüren sich selbst und ihren Körper schlecht.
Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entsteht durch traumatische Einflüsse im frühen Kindesalter. Persönlichkeitsstörungen galten lange als rein erworbene Störungen. Heute sieht man es etwas differenzierter und es werden auch genetische oder mindestens familiäre (transgenerationale) Ursachen diskutiert. Die erworbene Komponente bleibt aber die meistgenannte.
Dabei wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass sehr viele «Borderline»-Patientinnen und -patienten traumatische biographische Erlebnisse berichten. Es handelt sich dabei nicht ausschliesslich um Missbrauchserleben, sondern auch um andere sogenannte Adverse Childhood Experiences (ACE), wie beispielsweise emotionale Entbehrung oder mangelndes Sicherheitsempfinden als Kind. Die sogenannte «komplexe Traumafolgestörung», wie sie in der neuen Klassifikation psychischer Erkrankungen beschrieben wird, hat denn eine grosse Überlappung mit der Borderlineerkrankung.
Es gibt Hinweise darauf, dass Veranlagungen in der Familie eine Rolle spielen könnten. Menschen, deren Familienmitglieder BPS oder andere psychische Störungen haben, könnten ein höheres Risiko für die Entwicklung von BPS haben.
Lesen Sie auch: Unterstützung für depressive Partner
- Abnormale Aktivität oder Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen, die Emotionen, Impulskontrolle und die Verarbeitung von Informationen steuern, könnten bei BPS eine Rolle spielen.
 - Ungleichgewichte von Neurotransmittern im Gehirn, wie Serotonin und Noradrenalin, werden mit BPS in Verbindung gebracht. Diese Chemikalien beeinflussen die Stimmung, Emotionen und Impulskontrolle.
 - Traumatische Erfahrungen in der Kindheit, wie Missbrauch, Vernachlässigung oder andere Formen von Trauma, könnten das Risiko für die Entwicklung von BPS erhöhen.
 - Stress, instabile familiäre Beziehungen oder problematische soziale Umstände könnten das Risiko für BPS beeinflussen.
 - Menschen mit BPS können Schwierigkeiten haben, Emotionen zu regulieren und mit intensiven Gefühlen umzugehen. Dies könnte teilweise auf neurobiologische Faktoren zurückzuführen sein.
 
Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Das Symptomspektrum ist sehr breit und umfasst fast alle möglichen psychiatrischen Symptome. Erst das Gesamtbild, die Intensität und das Muster der verschiedenen Symptome ermöglichen eine Diagnose. Sehr oft ist für eine sichere Diagnose ein längerer zeitlicher Überblick nötig. Grund dafür ist, dass nicht die momentane, sondern die längerfristige Funktionsweise eines Menschen auf eine Borderline-Erkrankung hinweist.
Typische Symptome für BPS sind: starke Stimmungsschwankungen und innere Anspannung, impulsives Verhalten, instabile Beziehungen, ein unsicheres Selbstbild, ein anhaltendes Gefühl von Leere, wiederkehrende Selbstverletzungen und suizidale Krisen.
- andauernde Instabilität in Bezug auf Gefühle
 - rasch wechselnde, intensive Gefühlszustände wie Angst, Leeregefühl oder Wut
 - häufig dramatisch verlaufende Beziehungen mit hoher emotionaler Intensität
 - Beziehungsabbrüche
 - wiederholte traumatische Erfahrungen
 - Tendenz zu Selbstverletzungen, Risikoverhalten und Suizidversuchen
 - Suchtmittelkonsum, anderes Suchtverhalten und Essstörungen
 
Weitere Symptome sind:
- Instabile zwischenmenschliche Beziehungen
 - Impulsives Verhalten
 - Instabile Emotionen
 - Angst vor Verlassenwerden
 - Identitätsstörung
 - Selbstverletzendes Verhalten
 - Stimmungsschwankungen
 - Leere oder Langeweile
 
Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.
Behandlungsmethoden der Borderline-Erkrankung
Die Behandlung ist eine Domäne der Psychotherapie. Es gibt keine Medikamente gegen eine Borderlinestörung. Trotzdem werden solche gelegentlich verschrieben, beispielsweise bei Schlafstörungen oder Depressionen, die aufgrund der Persönlichkeitsproblematik zusätzlich auftreten können.
Lesen Sie auch: Selbsttest Psychische Erkrankung
Inzwischen gibt es zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen. In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.
- Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)
 - Psychodynamisch-konfliktorientierte Psychotherapie
 - Familientherapie
 
Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)
Den Durchbruch in der Borderline-Behandlung schaffte die US-amerikanische Therapeutin Marsha M. Linehan. Sie entwickelte die speziell auf Borderliner zugeschnittene Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT). Dabei handelt es sich um eine besondere Form der kognitiven Verhaltenstherapie.
Das grundlegende Ziel der dialektisch-behavioralen Therapie ist, die Betroffenen einer Borderline-Störung in verschiedenen Bereichen zu stärken. Dieses Ziel wird in drei Therapiephasen verfolgt:
- Zu Beginn stehen die schwerwiegenden Probleme der Verhaltenskontrolle im Fokus.
 - In der zweiten Phase der dialektisch-behavioralen Therapie steht das emotionale Erleben im Fokus.
 - In der dritten und letzten Phase der Therapie werden die Probleme der Lebensführung behandelt.
 
Im Rahmen einer Gruppentherapie werden dann verschiedene neue Verhaltens- und Denkweisen trainiert. Ziele sind:
- Die Wahrnehmung der eigenen Person und die anderer Menschen zu verbessern
 - Massnahmen zur Selbstkontrolle und zum Umgang mit Krisen einzuüben
 - Extremes Schwarz-Weiss-Denken abzubauen
 - Den Umgang mit Stress und die Steuerung der eigenen Gefühle zu erlernen
 
Psychodynamisch-konfliktorientierte Psychotherapie
Neben der Verhaltenstherapie sind auch Psychodynamische Therapieverfahren eine Möglichkeit für Borderline-Patienten. Studien bestätigen ihre Wirksamkeit, zumindest für erwachsene Patienten.
Lesen Sie auch: Freundin mit Depressionen helfen
Im Rahmen der Psychodynamisch-konfliktorientierten Psychotherapie werden gezielt:
- Traumata bewältigt
 - Das Selbstbild des Patienten gestärkt oder überhaupt aufgebaut
 - Die Beziehungsfähigkeit verbessert
 - Das typische Schwarz-Weiss-Denken abgebaut
 - Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Impulse zu kontrollieren, gestärkt (Affekt-Regulation)
 
Weitere Therapieformen
Weitere Therapieverfahren, die bei Borderline-Störungen eingesetzt werden, sind:
- Mentalisierungs-basierte Therapie (MBT): Sie hilft dem Patienten, besser mit sich und anderen Menschen zurechtzukommen.
 - Schematherapie/Schema-fokussierte Therapie: Ziel der Schematherapie ist es, negative Gedanken- und Gefühlsmuster zu erkennen und zu bearbeiten.
 - Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (Transference-focused psychotherapy, TFP): Die Übertragungs-fokussierte-Therapie arbeitet mit dem Patienten daran, diese Übertragungen zu erkennen und zu verändern.
 
Medikamentöse Therapie
Es gibt kein Medikament, das die Borderline-Störung vollständig heilen kann. Jedoch werden in einer Psychotherapie Medikamente begleitend verschrieben, um Symptome zu mildern und Begleiterkrankungen zu behandeln. Stimmungs-Stabilisierer wie Lithium helfen einigen Patienten aber dabei, extreme Gefühlszustände in den Griff zu bekommen.
Haben Patienten zusätzlich eine Depression oder/und Angststörung, ergänzt der Arzt die Borderline-Therapie zum Beispiel durch Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI).
Umgang mit der Borderline-Erkrankung
Betroffene brauchen verlässliche, stabile, wohlwollende, aber klare und verlässliche Beziehungen. Dann kann eine Teilhabe an der Gesellschaft gut gelingen. Wie für Betroffene selbst ist es wichtig, einige Dinge über die Besonderheiten der Krankheit zu kennen und «Bescheid zu wissen». Dies hilft, Fehlverhalten vorzubeugen und empathischer auf die Betroffenen eingehen zu können.
Angehörige können dies nutzen und bei den Betroffenen erfragen, was helfen könnte, welche Unterstützung sie anbieten sollen und welche nicht. Dadurch kann die Hilflosigkeit gemindert werden, die gelegentlich entstehen kann im Umgang mit Borderline-Patientinnen und -Patienten in einer Krise. Dabei hilft es möglicherweise auch, sich als Freundin oder Freund selbst psychotherapeutisch beraten zu lassen.
Was können Betroffene selbst tun?
Es gibt verschiedene Selbsthilfe-Strategien, die meist in der Psychotherapie erlernt werden. Es geht vor allem darum, Stress und Anspannung zu reduzieren, ohne sich selber zu schaden.
Folgende Strategien helfen beispielsweise vielen Borderline-Patienten:
- Keine übertriebene Verausgabung in Beruf oder Freizeit, sondern mit den Kräften haushalten (z. B. Pausen fest einplanen)
 - Sich auch mal Fehler eingestehen und die hohen Ansprüche herunterschrauben
 - Gesunde Lebensweise mit genug Schlaf, regelmässiger, gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung
 - Entspannungs-Training: z. B. Achtsamkeitsübungen, Massagen, warmes Bad
 - Mit vertrauten Personen über seine Gefühle reden oder Gedanken niederschreiben (Tagebuch)
 - Negative Gedanken stoppen, indem man sich ablenkt (etwa durch Sport, Musik hören, raus in die Natur)
 - Bei Aggressionen auf ein Kissen einschlagen, Sport machen, laut (in ein Kissen) schreien, etc.
 - "Notfallkoffer" zur Ablenkung und Beruhigung: mit Hilfekarten, Brief an sich selbst, Duftölen, Handgelenk-Gummis (zum Schnipsen), Igelball, Knetgummi, Lieblingsmusik (z. B. auf CD oder MP3-Player), etc.
 
Wo wird die Borderline-Erkrankung behandelt?
In der Regel besteht die Therapie in einer länger dauernden ambulanten Psychotherapie. In Krisensituationen kann eine stationäre Behandlung zum Stabilisieren sinnvoll sein.
Für Patienten, die zu selbstverletzendem Verhalten (Automutilation) neigen oder gar suizidal sind, ist zunächst eine stationäre Behandlung wichtig. Vor allem jüngere Menschen mit Borderline profitieren dabei vom strukturierten Leben in einer Einrichtung.
Vorteil einer ambulanten Borderline-Therapie ist, dass die Patienten lernen, die Konflikte in ihrem gewohnten Umfeld zu bearbeiten. Allerdings ist das Angebot für ambulante Borderline-Therapien sehr begrenzt.
tags: #Borderline #behandlungsmethoden