Arachnophobie: Ursachen, Diagnose und Behandlung der Spinnenphobie

Die Arachnophobie (Spinnenphobie) ist eine der verbreitetsten Tierphobien. Viele Menschen ekeln sich zwar vor den achtbeinigen Tieren, Menschen mit einer krankhaften Spinnenangst ertragen den Anblick von Spinnen jedoch kaum. Erfahren Sie hier mehr zu Behandlung, Ursachen und Diagnose der Spinnenphobie.

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F40

Was ist Arachnophobie?

Die Arachnophobie oder Spinnenangst gehört zu den sogenannten spezifischen Phobien vom Typ Tierphobie. In Europa ist sie weit verbreitet und kommt vor allem bei Frauen vor. Das lässt sich damit erklären, dass Jungen im Gegensatz zu Mädchen von klein auf häufig eher gelernt haben, mit Spinnen umzugehen oder Angst und Ekel zu unterdrücken.

Die Betroffenen regieren unangemessen ängstlich auf Spinnen. Je näher ihnen das Tier kommt, desto grösser sind Furcht und Ekel. Schon eine Abbildung oder die reine Vorstellung einer Spinne löst bei ihnen möglicherweise Furchtreaktionen aus.

Angst ohne reale Bedrohung

Spinnenphobikern ist bewusst, dass ihre Angst vor Spinnen übertrieben ist - zumal keine der hierzulande heimischen Spinnen für Menschen wirklich gefährlich ist. Die heimischen Spinnen in unseren gemässigten Breiten produzieren ein für Menschen recht schwaches Gift.

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So schmerzt der Biss einer Kreuzspinne nicht mehr als ein Mückenstich. Dennoch stehen manche Menschen mit Arachnophobie Todesängste aus, wenn sie sich mit einer Spinne konfrontiert sehen.

Erstaunlicherweise ist die Arachnophobie in manchen Naturvölkern unbekannt, obwohl einige von ihnen in Regionen leben, in denen die Spinnen gefährlicher sind als hierzulande. Die Angst, die Arachnophobiker ausstehen, hängt demnach nicht mit einer realen Bedrohung zusammen.

Wie wird Arachnophobie behandelt?

Viele Betroffene arrangieren sich mit ihrer Spinnenangst, indem sie den Kontakt so gut es geht meiden. Diese Vermeidungsstrategie beeinträchtigt die Betroffenen in ihrem Alltag meist kaum. Daher begeben sich nur wenige in Behandlung.

Dennoch schränkt die Arachnophobie die Betroffenen in ihrer Freiheit ein. Manche trauen sich nicht, auf den Speicher oder in den Keller zu gehen. Die Angst vor einer Begegnung mit Spinnen ist auf Dauer eine starke Belastung.

Zudem nimmt die Gesellschaft Menschen mit einer Phobie vor Spinnen oft nicht ernst. Bei anderen Menschen treffen die Betroffenen mit ihrer Panik häufig auf Unverständnis. Die Aufforderung, sich zusammenzureissen, hilft den Betroffenen nicht.

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Expositionstherapie

Da es sich um eine psychische Störung handelt, ist eine therapeutische Behandlung notwendig. Die Therapie der Spinnenphobie hat gute Erfolgschancen. Ist die Phobie nur leicht ausgeprägt, reichen möglicherweise bereits wenige Stunden aus, um die Angst zu besiegen.

Die von Experten empfohlene Therapie bei Arachnophobie ist die sogenannte Expositionstherapie. Sie ist eine verhaltenstherapeutische Methode, bei der man den Patient mit dem angstauslösenden Objekt oder der furchterregenden Situation konfrontiert.

Für Menschen mit Arachnophobie ist es beispielsweise zunächst unvorstellbar, eine Spinne zu berühren oder auf der Hand zu halten. Durch die Hilfe eines Therapeuten ist es möglich, diese Angst vor Spinnen nach und nach zu überwinden.

Der positive Kontakt mit dem gefürchteten Tier führt dazu, dass Betroffene ihre bisherige Einschätzung überarbeiten. Manchen Menschen mit Arachnophobie gelingt es sogar, die Spinne nach der Therapie nicht mehr als Feind, sondern als Freund und nützlichen Fliegenfänger zu sehen.

Was sind die Ursachen?

Warum manche Menschen eine Arachnophobie entwickeln, ist noch nicht eindeutig geklärt. Eine Rolle spielen dabei womöglich die raschen, huschenden Bewegungen, das Lauern im Verborgenen und das plötzliche Auftauchen, das auf Menschen mit Arachnophobie unberechenbar und damit bedrohlich wirkt.

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Spezifische Phobien sind ausserdem als übertriebene Ausprägungen angeborener Urängste zu verstehen. So stellte die Furcht vor gefährlichen Spinnen entwicklungsgeschichtlich gesehen in früheren Zeiten beispielsweise einen Überlebensvorteil dar.

Hinzu kommt, dass Spinnen in Europa überwiegend mit negativen Assoziationen verknüpft sind. Ihr ungewöhnliches Aussehen mit den sechs Augen und den acht haarigen Beinen macht die Tiere zu einem beliebten Hauptdarsteller für Horrorfilme. Das alleine reicht jedoch nicht aus, um die Entstehung der Arachnophobie zu erklären.

Die Spinnenangst ist häufig erlernt. Sie entwickelt sich meist bereits in der Kindheit. Reagieren die Eltern ängstlich auf Spinnen, übernehmen die Kinder das Verhalten.

Verbindet man mit dem Anblick einer Spinne erst einmal negative Gedanken und Gefühle, reagiert der Körper darauf mit schnellem Herzschlag, Schweissausbrüchen oder Schwindel. Die körperliche Reaktion wirkt wie eine Bestätigung der Gefahr und verstärkt die Angst. Betroffene meiden das gefürchtete Objekt in Zukunft, und die Angst nimmt mit der Zeit immer weiter zu.

Untersuchung und Diagnose

Wer sich nicht sicher ist, ob er an einer Spinnenphobie leidet, hat die Möglichkeit, im Internet Tests für eine grobe Einschätzung durchzuführen. Zur Selbsteinschätzung gibt es zum Beispiel den Spinnenphobiefragebogen (SPF).

Für eine genaue Diagnose ist es jedoch notwendig, einen Arzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen. Der Arzt oder Therapeut stellt die Art und Intensität der Phobie mithilfe bestimmter Fragen fest. Zudem erhält der Betroffene ein passendes Behandlungsangebot.

Angstseminar gegen Spinnenphobie

Luana Fichera ist mit ihren Ängsten nicht allein. Mehr als jeder zehnte Mensch leidet im Laufe des Lebens an irgendeiner Phobie, darunter deutlich mehr Frauen als Männer. Besonders häufig ist die Spinnenphobie, im Fachbegriff «Arachnophobie» genannt. Von einer ausgeprägten Form sind immerhin fast 6 Prozent der Frauen betroffen und 1,2 Prozent der Männer.

Weil die Panik vor Spinnen Luanas Alltag stark prägt, haben ihre Eltern sie für ein Angstseminar angemeldet. Die Kurzbehandlung nach dem Ansatz der sogenannten Expositionstherapie wurde an der Universität Zürich entwickelt.

Bei der Vorstellungsrunde wird aber klar, wie stark Betroffene durch ihre Phobie eingeschränkt sind. Eine junge Frau erzählt: «Ich bin schon zu spät zur Arbeit gekommen, weil im Treppenhaus eine Spinne sass, an der ich mich nicht vorbeiwagte». Eine Kollegin bedauert, dass sie sich wegen ihrer Angst kaum auf den Balkon getraue. Ein Paar ist gekommen, weil es gern in tropische Länder reist, aber die Spinnenangst die Freude immer wieder trübt. Und ein junger Mann ist kürzlich in eine Parterrewohnung gezogen, wo er die gefürchteten Tierchen häufiger antrifft.

Vermeidung verstärkt Angst

«Angst ist etwas Normales und sogar Lebenswichtiges», stellt Psychotherapeut Gianandrea Pallich gleich zu Beginn klar. «Blöd ist nur, wenn sie sich auf etwas so Kleines, Harmloses wie eine Spinne richtet.»

Die Vermeidungsstrategie verstärke die Angst nur noch, erklärt Pallich. Mit der Zeit beginne man, Angst vor der Angst zu haben. Um aus diesem Teufelskreis herauszufinden, müsse man den Zustand aushalten, in der Situation bleiben, genau hinschauen und dabei versuchen, ruhig zu atmen. «Man muss erfahren, dass einen die Angst nicht umbringt. Dann nimmt sie mit der Zeit ab.»

Als Nächstes erfahren die Teilnehmenden Wissenswertes über Spinnen: Es handle sich um äusserst nützliche Tiere, erläutert Biologin Sonja Lötscher. «Sie fressen viele Insekten. Ohne Spinnen wäre die Erde so voll von Insekten, dass wir kaum atmen könnten.» Zudem werde das Gift von Spinnen für Medikamente gebraucht. Die meisten der rund tausend Arten in der Schweiz seien zwar giftig, aber nicht so stark, dass sie für uns Menschen gefährlich sein könnten.

Schon Bilder lösen Schrecken aus

Nach einer kleinen Vorwarnung zeigt die Biologin nun Bilder von Spinnen auf der Leinwand. Die Präsentation beginnt mit einer lustigen Comic-Spinne und geht weiter mit Zitter-, Gartenkreuz- und Hauswinkelspinnen. Die Teilnehmenden schauen interessiert zu, einige wirken bereits beim Anblick der Fotos etwas nervös. Luana starrt vor sich auf den Tisch. Sie zittert, atmet schnell und flüchtet bald darauf an die frische Luft.

Nach einigen Minuten holt der Psychotherapeut sie zurück und setzt sich neben sie. Als nun grosse Fotos von Spinnen zirkulieren, gibt Luana diese schnell weiter. Andere schaffen es mit etwas Überwindung, die Fotos genau anzuschauen, zu berühren und mit den Fingern den Beinen entlangzutasten.

Übung an totem Material

Nach der Pause geht die Annäherung einen Schritt weiter. Auf den Tischen breiten die drei Kursleitenden nun Häute verschiedener Spinnen aus. Sie sehen aus wie richtige Tiere, doch es handelt sich lediglich um totes Material, das bei der Häutung abgestreift wird. Die Teilnehmenden betrachten sie eingehend. Hin und wieder ertönt ein Schreckensschrei, weil sich eine der Häute wegen eines Luftzugs bewegt. Manuel fasst vorsichtig eines der fragilen Beinchen, hebt das Objekt auf und setzt es sich auf die flache Hand. Kurz darauf beginnt er stark zu zittern und wirft es zurück auf den Tisch. Doch er lässt nicht locker: Nach einigen Versuchen schafft er es, die Spinnenhülse ruhig auf seiner Handfläche zu betrachten.

Spinnen fürchten sich vor Menschen

Luana hält noch einen guten Meter Abstand. Sie blickt kurz hin und gleich wieder weg. Das Grauen ist ihr ins Gesicht geschrieben. Doch sie zwingt sich, Zentimeter um Zentimeter näherzurücken. Der Psychotherapeut bleibt in ihrer Nähe und lässt sie das Tempo bestimmen. Nach etwa einer halben Stunde hält die junge Frau plötzlich ein Spinnenbein in der Hand und betrachtet die Tierhaut von allen Seiten. Sie strahlt.

Nun nähert sich der Kurs seinem Höhepunkt: Die Leitenden bringen Behälter mit lebendigen Spinnen verschiedener Grösse in den Raum. Biologin Sonja Lötscher platziert eine davon in eine grosse Plastikbox und legt ihre Hand daneben. Die Spinne krabbelt in eine Ecke. «Spinnen wollen uns ausweichen, denn Menschen sind eine Gefahr für sie», erklärt die Fachfrau. Niemals würden Spinnen auf Menschen springen oder aus dem Abfluss hervorkriechen, versucht sie verbreitete Vorstellungen zu entkräften. «Spinnen verharren meist lange in der gleichen Position, weil Bewegung Energie kostet.»

Sämtliche Teilnehmenden schaffen dies bis zum Schluss des Nachmittags. Monika ist von sich selber überrascht. «Ich habe richtig gespürt, wie die Angst schwindet», erzählt sie in der Schlussrunde. «Ich habe jetzt ein anderes Bild von Spinnen: Es sind eigentlich faszinierende Tiere.»

Psychotherapeut Pallich ermutigt die Gruppe, sich weiterhin mit dem Thema zu beschäftigen: Man solle bewusst in den Keller gehen oder sich Dokumentarfilme über Spinnen anschauen. Phobien hätten nämlich die «blöde Tendenz», zurückzukommen, wenn man nicht dranbleibe. Nach dem Kurzseminar sollten sich die Teilnehmenden jedoch erst einmal eine Belohnung gönnen.

Luana Fichera ist erschöpft und gleichzeitig glücklich, dass sie in nur vier Stunden so viel erreicht hat.

Phobys: Eine App zur Behandlung von Spinnenangst

Mit der App Phobys können Menschen mit Spinnenphobie die Begegnung mit einer virtuellen Spinne trainieren. Forschende der Universität Basel haben eine Augmented-Reality-App für Smartphones entwickelt, um Angst vor Spinnen zu reduzieren.

Die Angst vor Spinnen gehört zu den häufigsten Phobien. Betroffene versuchen, Situationen mit Spinnen zu vermeiden und leben deshalb mit einer Vielzahl von Einschränkungen. Sie verzichten etwa auf soziale Anlässe in der Natur, Zoobesuche oder bestimmte Reiseziele; sie kontrollieren Räume exzessiv auf Spinnen, oder meiden bestimmte Räume wie Keller oder Estrich komplett.

Eine wirksame Behandlung gegen Spinnenangst stellt beispielsweise die Expositionstherapie dar, bei der sich Betroffene therapeutisch angeleitet den gefürchteten Situationen aussetzen. Dabei wird die Angst schrittweise abgebaut.

Das interdisziplinäre Forschungsteam um Prof. Dr. Dominique de Quervain hat Abhilfe geschaffen und die Smartphone-basierte Augmented-Reality-App Phobys entwickelt. Phobys basiert auf der Expositionstherapie und verwendet ein realistisches 3D-Spinnenmodell, welches in die reale Welt projiziert wird.

Zimmer und ihre Kollegen untersuchten die Wirksamkeit von Phobys in einer klinischen Studie mit 66 Probanden. Die an Spinnenangst leidenden Studienteilnehmenden absolvierten während zwei Wochen entweder sechs halbstündige Trainingseinheiten mit Phobys oder bekamen als Kontrollgruppe keine Intervention angeboten.

Vor und nach der Behandlung näherten sich die Studienteilnehmenden einer echten Spinne in einer durchsichtigen Box so weit, wie es ihre Spinnenangst zuliess. Die Gruppe, die mit Phobys trainiert hatte, zeigte deutlich weniger Angst und Ekel in der realen Spinnensituation und war in der Lage, näher an die Spinne zu gelangen als die Kontrollgruppe.

Die App Phobys bietet neun verschiedene Levels, um der virtuellen Spinne näher zu kommen und mit ihr zu interagieren. Mit jedem Level werden die Aufgaben intensiver und damit schwieriger. Jedes Level endet mit einer Bewertung der eigenen Angst und des Ekels, und die App entscheidet, ob das Level wiederholt werden sollte oder zum nächsten fortgeschritten werden kann.

Mithilfe der GeneGuide AG (Division MindGuide), einem Spin-off-Unternehmen der Universität Basel, wurde die App weiterentwickelt und ist nun in den App Stores für iPhones und Android-Smartphones erhältlich.

Betroffene mit leichten Formen der Spinnenangst können die App in Eigenregie benutzen. Bei Menschen mit einer ausgeprägten Spinnenangst empfehlen die Forschenden die Nutzung der App nur in Begleitung einer Fachperson. Ob man Angst vor einer virtuellen Spinne hat, kann in der App gratis getestet werden.

Umgang mit Phobien

Neben anderen Angsterkrankungen können spezifische Phobien wie die Spinnenangst die Betroffenen leiden lassen.

Betroffene von Arachnophobie können ein Spinnenangstseminar besuchen.

Zum Problem wurde ihre Phobie während einer Australienreise. «Wenn ich eine Spinne sah, bekam ich Panikattacken mit starkem Herzklopfen und unregelmässigem Atmen, und auch tags darauf war ich noch sehr angespannt». Es machte ihr immer mehr Mühe, zu verreisen. Zu Hause wurde ihre Phobie irgendwann zur alltäglichen Belastung.

Schliesslich meldete sich Senn beim Inselspital Bern für eine Therapie: In kleinen Schritten näherte sie sich dort den Tieren an - man konfrontierte sie erst mit Bildern von Spinnen, dann stellte man ihr die Tiere in einem Glas auf den Tisch. Und schliesslich gelang es Lydia Senn sogar, ohne Panik Spinnen ihren Arm hinaufkrabbeln zu lassen.

Experten schätzen, dass 20 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben eine Panikattacke haben. Bei jeder siebten Person wird Angst zur Krankheit.

Wer zu lange zuwartet, riskiert, dass sich aus der spezifischen Phobie, also der Angst vor gewissen Tieren oder Situationen, eine Angststörung entwickelt. Diese ist schwieriger zu behandeln, weil der ursprüngliche Auslöser nicht mehr eruierbar ist.

«Phobien müssen möglichst frühzeitig behandelt werden, bevor sich ein Teufelskreis der Angst vor der Angst entwickeln kann», so Schmitt.

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