Debriefing bei posttraumatischer Belastungsstörung

Posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu den Angststörungen und haben als einzige ein bestimmtes Ereignis als Ursprung: das Trauma.

Der Nutzen von Kurzinterventionen zur Verarbeitung eines seelischen Traumas (Debriefing) ist bereits öfters in Frage gestellt worden. Trotzdem wird Debriefing noch häufig angewendet.

Studienziele und Methoden

In dieser Metaanalyse wurde der Nutzen eines Debriefing in Form einer einzelnen Sitzung zur Verhinderung von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen posttraumatischen Psychopathologien untersucht. Für die Metaanalyse wurde eine systematische Suche in verschiedenen Datenbanken und eine Handsuche durchgeführt. 7 Studien genügten den Einschlusskriterien. Insgesamt 5 Interventionen in Sinne eines «Critical Incident Stress Debriefing» (CISD) und 3 andere Debriefing-Methoden wurden in diesen Studien mit 6 Kontrollgruppen (ohne Interventionen) verglichen. Beim CISD werden Menschen, die einer traumatisierenden Belastung ausgesetzt waren, angeleitet, sich möglichst innerhalb von 72 Stunden mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.

Ergebnisse der Metaanalyse

Gegenüber der Untersuchung bei Studienbeginn verbesserten sich die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in den Gruppen mit und ohne Intervention. Die Besserung war tendenziell ausgeprägter in den Gruppen ohne Intervention und mit einer anderen Intervention als nach einem CISD (Unterschied nicht signifikant). Ähnliches galt für die Besserung anderer psychischer Symptome, die Unterschiede waren allerdings noch geringer.

Schlussfolgerungen

Ein Debriefing in einer Einzelsitzung verbessert den spontanen Heilungsverlauf nach psychischem Trauma nicht. Diese Metaanalyse bestätigt, dass ein Debriefing nach Trauma wirkungslos oder eventuell sogar retraumatisierend wirken kann. Leider fehlen zurzeit Studien, die Aufschlüsse darüber geben könnten, welche Interventionen Opfern nach Traumata helfen könnten. Vorderhand gilt als Empfehlung: bei Bedarf kurzes Erklären und Mitgabe von Unterlagen zu posttraumatischen Symptomen (Übererregung, Intrusion, Vermeidung/ Verleugnung) mit der Information, dem Impuls zum (inneren und äusseren) Rückzug nicht nachzugeben und traumaassoziierte Symptome nicht mit Alkohol zu «behandeln». Professionelle Unterstützung sollte angeboten und nicht aufgedrängt werden.

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Zwangsmassnahmen, Nachsorge und Nachbesprechung

Das Erleben und Ausüben von Zwang im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung kann für alle Beteiligten, allen voran für die Patienten, mit schwerwiegenden Folgen verbunden sein.

Die Anwendung und Notwendigkeit freiheitsentziehender Massnahmen in der psychiatrischen Versorgung ist nach wie vor ein prioritäres und immer noch kontroverses Thema. Einigkeit scheint darin zu bestehen, dass die Anwendung von Zwang sowohl von den Psychiatrie-Erfahrenen, den Angehörigen als auch den professionellen Helfern als eines der grössten Probleme in der psychiatrischen Versorgung beschrieben wird (1). Die Diskussionen dazu sind kontrovers (7) und die Entwicklung ist ganz allgemein sehr zu begrüssen. Allerdings steht sie nicht im Zentrum des vorliegenden Artikels.

Als Zwang oder Zwangsmassnahmen werden sämtliche Massnahmen verstanden, welche gegen den Willen oder mit Widerstand der betroffenen Person durchgeführt werden (8). In der stationären psychiatrischen Versorgung sind dies beispielsweise die fürsorgerische Unterbringung in einer Klinik, die Isolierung oder Fixierung und die Zwangsbehandlung (2).

Als Nachsorge können alle Unterstützungen zusammengefasst werden, die betroffenen Personen nach einem schwerwiegenden und potenziell traumatisierenden Ereignis angeboten werden. Dies mit den grob formulierten übergeordneten Zielen der Förderung und Verbesserung von psychischer und physischer Sicherheit, des psychischen Wohlbefindens und der individuellen Fürsorge (9). Nachfolgend bezieht sich der Text im speziellen auf die Nachsorge für Patienten, welche Zwangsmassnahmen erlebt haben. Auf die spezifische Nachsorge für Gesundheitsfachpersonen und Angehörige - auch wenn selbstverständlich ebenfalls von grosser Relevanz - wird hier nicht weiter eingegangen. Das Erleben von Zwangsmassnahmen ist ein schwerwiegendes und potenziell (re-)traumatisierendes Ereignis. Betroffene Patienten berichten von einem Erleben von Wut, Hilf- und Machtlosigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung, Bestrafung oder Demütigung (10). Die physischen und psychischen Auswirkungen können sehr gravierend sein und bis hin zur (Re-)traumatisierung und Stigmatisierung reichen. Die therapeutische Beziehung, das Vertrauen sowie die Genesung können stark beeinträchtigt werden (11-16).

Formen und Ziele von Nachbesprechungen

Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar und notwendig, dass von Zwangsmassnahmen betroffene Patienten eine Nachsorge erhalten sollten und es ist folgerichtig, dass die Verantwortung dafür bei der zwangsausübenden Institution liegt. Aus der Praxis und Literatur sind verschiedene Formen und Arten von Nachbesprechungen bekannt. Sie unterscheiden sich in Zielsetzung, Zeitpunkt, Setting, den Beteiligten und im Inhalt. Nachbesprechungen können direkt nach einem Ereignis, bei Bedarf oder auch in interoder supervisorischen Formaten durchgeführt werden. Sie finden wahlweise mit betroffenen und nicht involvierten Mitarbeitenden, mit dem ganzen Team und zusammen mit Patienten statt. Die Ziele reichen von «Verbesserung der Abläufe» bis hin zu einem tiefgreifenden Verständnis, dem Versuch eines «Nachvollziehbarmachens der Entscheidungen», dem Perspektivenwechsel und -austausch und der emotionalen Entlastung aller Beteiligten. Die Nachbesprechungen können unstrukturiert oder leitfadengestützt beziehungsweise «standardisiert» sein (20, S. 30f.).

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Die leitfadengestützte Nachbesprechung zeichnet sich dadurch aus, dass sie der schwierigen Situation für alle Beteiligten mit klarer Rahmensetzung begegnet und somit einen sicheren Raum schaffen möchte. Das soll ermöglichen, dass Belastungsreaktionen vermieden oder reduziert, dass die therapeutische Beziehung verbessert wird, das Vertrauen wieder hergestellt, das gegenseitige Verständnis gefördert und dass zukünftige Zwangsmassnahmen verhindert werden können (20).

Evidenz für die Wirksamkeit von Nachbesprechungen

Das Thema der Nachbesprechung von Zwangsmassnahmen in der stationären psychiatrischen Versorgung ist nicht neu. Bereits 2004 beschreibt Pieters (21) Nachbesprechungen als wesentliches Qualitätskriterium zur Verbesserung im Umgang mit Zwangsmassnahmen und das «Nachgespräch mit Patienten» (22, S. 159) bzw. die Nachbesprechung (22, S. 165) wird an mehreren Stellen im Buch beschrieben. Für die Praxis findet sich ein Leitfaden zur Nachbesprechung von auto- und fremdaggressivem Verhalten.

Darüber hinaus ist das Thema der Nachbesprechung von Zwangsmassnahmen mittlerweile auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sowie von Leitlinien und Empfehlungen (2, 8). International finden sich für die Nachbesprechung Begriffe wie «post-incident review», «debriefing» oder «post-incident support», die häufig austauschbar verwendet werden (23). Das Buch «The Prevention and Management of Violence» des Royal College of Psychiatrists widmet ein ganzes Kapitel dem Thema «post-incident management» und unterstreicht damit die Bedeutung von Nachbesprechungen. Bereits in seinem Review zu Massnahmen zur Verhinderung von Isolierung und Fixierung in der stationären psychiatrischen Versorgung aus dem Jahr 2010 kommt Scanlan (24) zu dem Ergebnis, dass die externe Überprüfung bzw. die Nachbesprechung eine gute Möglichkeit für eine detaillierte Analyse von Zwangsmassnahmen wie Isolierungen und Fixierungen sind und zur Reduzierung ihrer Anwendung beitragen.

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen auch Goulet et al. gen und Fixierungen. Insgesamt identifizieren die Forscher sechs Bestandteile von solchen Programmen. Diese sind: Leadership, Schulung bzw. Training, Einbezug von Patienten, Präventionsmöglichkeiten, die therapeutische Umgebung und Nachbesprechung nach Isolierung bzw. Fixierung (25). Auch in dem vom National Institute for Health Research im Jahr 2021 veröffentlichten Review «Non-pharmacological interventions to reduce restrictive practices in adult mental health inpatient settings: the COMPARE systematic mapping review» (26) werden Nachbesprechungen als Möglichkeit der Reflexion nach einem Vorfall sowohl für Mitarbeitende als auch Nutzende beschrieben.

Bonner und Wellman (27) beschreiben, dass Mitarbeitende und Patienten das «postincident review» nach der Anwendung von Fixierungsmassnahmen als hilfreich erlebt haben. «Durch die Möglichkeit einer Nachbesprechung nach einem Vorfall kann das Ausmass des psychologischen Traumas für Personal und Patienten nicht vollständig bewertet werden, aber sie bietet die Möglichkeit, die Notlage nach einer Zwangsmassnahme zu ermitteln.» (27, p. 38).

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Goulet und Larue (28) konnten insgesamt 20 Studien in ihrem Scoping-Review zum Thema Nachbesprechung einbeziehen. Sie beschreiben, dass die Wurzeln für das Thema der Nachbesprechung von Zwangsmassnahmen in einem psychotherapeutischen Ansatz liegen. Dort wird Nachbesprechung als eine frühe Interventionsform für Ereignisse mit einem hohen Risiko für psychotraumatische Effekte beschrieben. Die wohl bekannteste Form ist das Critical Incident Stress Debriefing (Nachbesprechung bei kritischen Zwischenfällen).

Im Ergebnis zeigen die eingeschlossenen Studien, dass Nachbesprechungen integraler Bestandteil von Programmen zur Reduktion von Isolierung und Fixierung sind, wie z. B. beim Programm der sechs Kernstrategien (six core strategies). Allerdings werden die Nachbesprechungen nicht systematisch im klinischen Umfeld durchgeführt und Aussagen zur Wirksamkeit sind aufgrund der unzureichenden Studienlage nicht zu treffen (28).

Einen wichtigen Beitrag für das Thema haben die Untersuchungen von Wullschleger et al. (29-32) geleistet. In einer ersten Pilotstudie zur standardisierten Nachbesprechung von Zwangsmassnahmen anhand eines Leitfadens (32) konnte gezeigt werden, dass sowohl die befragten Patienten als auch die Mitarbeitenden die Intervention als hilfreich erlebt haben. Den Aussagen zufolge fördert die standardisierte Nachbesprechung zum einen den Ausdruck des emotionalen Erlebens und unterstützt zum anderen den Aufbau der therapeutischen Beziehung (32). In einer zweiten multizentrischen und randomisiert-kontrollierten Untersuchung wurde der Effekt von Nachbesprechungen auf den wahrgenommenen Zwang untersucht (30). Die Untersuchung konnte keinen signifikanten Effekt von Nachbesprechungen auf die Erfahrung von subjektivem Zwang bei den Teilnehmenden zeigen. Allerdings scheinen sowohl die Nachbesprechung als auch das subjektive Gefühl von Zwang durch unterschiedliche Faktoren wie z. B. die Zeit, den Inhalt oder auch die Haltung, das Milieu und entsprechende Konzepte wesentlich beeinflusst zu sein. Darüber hinaus scheint die Nachbesprechung unterschiedliche Effekte auf Männer und Frauen zu haben.

auf die Auswirkungen von Nachbesprechungen auf Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) (29) konnte eine signifikante Wirkung der Intervention auf die Belastung durch PTSD-Symptome anhand der eingesetzten Skalen nachgewiesen werden. Die Verfasser kommen zu dem Schluss, dass die Nachbesprechung nach Zwangsmassnahmen als Form der traumainformierten Behandlung empfohlen werden kann (29). In einer aktuellen Sekundäranalyse ihrer Daten zur Frage der subjektiven Wahrnehmung von Zwang konnte von den Forschern darüber hinaus gezeigt werden, dass die wahrgenommene subjektive Belastung durch Isolierung und Fixierung massgeblich negativ beeinflusst wurde, wenn die Zwangsmassnahme auf der Grundlage von Faktoren im Zusammenhang mit dem Personal und den Krankenhausstrukturen beschlossen wurde.

Umsetzung in der Praxis

Obwohl Nachbesprechungen von den Leitlinien empfohlen werden, Nachweise für ihre positive Wirkung bestehen und teilweise rechtliche Rahmenbedingungen vorhanden sind, zeigt sich bezüglich der Integration der systematischen Nachbesprechungen als fester Bestandteil in der Praxis immer noch ein sehr heterogenes Bild. Mögliche Erklärungen dafür können das Fehlen oder nur geringe Vorhandensein von Standards zur nachhaltigen Implementierung und Durchführung sein, die Komplexität der gesamten Thematik und der damit verbundenen hohen Anforderungen, die an die Praxis gestellt werden. Auch (fehlende) gesetzliche Rahmenbedingungen können einen Einfluss haben.

Laut Mahler und Kollegen (20) finden Nachbesprechungen unsystematisch statt. Teilweise erhalten Patienten das Angebot einer Nachbesprechung, teilweise müssen sie nachfragen; manchmal werden die Nachbesprechungen «mitten im Stationsalltag», manchmal in einem geschützten Rahmen durchgeführt. Das bedeutet, dass es jedes Mal von der jeweiligen Situation abhängt, wer mit wem und was in welchem Rahmen bespricht (20). Es soll nicht in Frage gestellt werden, dass individuelle Nachbesprechungen und Vorgehensweisen auch unterstützend wirken und ergänzend eingesetzt werden können. Durch die fehlende Systematisierung ist eine nachhaltige Umsetzung in der Praxis aber deutlich erschwert und geht in jeder Einzelsituation mit hohen Ansprüchen an alle Beteiligten einher. Zusätzlich kann gesagt werden, dass die nachgewiesene positive Wirkung von systematischen Nachbesprechungen dann erreicht wird, wenn sie entsprechend der einheitlichen Vorgehensweise und Strukturierung umgesetzt werden (20).

sechs zum leitliniengerechten Handeln auf psychiatrischen Stationen (33). Die Autoren weisen darauf hin, dass eine sorgfältige Vorbereitung für eine nachhaltige Implementierung in mehreren Schritten von grosser Bedeutung ist. Die Aufklärung für alle an der Behandlung involvierten Mitarbeitenden über theoretische Hintergründe und den Nutzen systematischer Nachbesprechungen, wie auch praktische Schulungen für die Ausübung der Moderation mit Leitfaden sind als zentrale Elemente zu nennen. Dabei muss erwähnt werden, dass man für eine erfolgreiche Implementierung viel Durchhaltevermögen benötigt. Erfahrungen aus der Studie «Implementation of the German Clinical Practice Guidelines on Prevention on Violence and Coercion (PreVCo)» zeigen beispielsweise, dass es mehrere Monate dauert, bis systematische Nachbesprechungen «geregelt» abgelaufen sind (33).

Nebst zeitlichen und personellen Ressourcen sind weitere Voraussetzungen zu berücksichtigen. Junghanss und Kollegen (33, S. nahme nach Wegen suchen, um zu einem vertrauensvollen Behandlungsverhältnis zurückzufinden. l Absprachen oder schriftliche Behandlungsvereinbarungen sollten zusammen mit dem Patienten erarbeitet werden, damit Zwangsbehandlungen vermieden werden können. l Teams sollen bereit sein, über Eskalationsprozesse gemeinsam mit dem Patienten zu reflektieren und dabei die eigene Perspektive und das eigene Erleben einzubringen und zu hinterfragen. l Teams sollen bereit sein, sich auf einen Perspektivenwechsel und das Feedback von Patienten einzulassen.

Da es sich bei der Nachbesprechung um eine freiwillige und in der Schweiz nicht gesetzlich vorgeschriebene Aktivität handelt, die zudem wenig extrinsische Motivatoren (z. B. finanzieller Art) mit sich bringt und die vor allem auf die Veränderung der Haltung abzielt, braucht es für eine erfolgreiche Implementierung in Anlehnung an von Achterberg (34) neben einer sorgfältigen Überlegung von förderlichen und hinderlichen Faktoren vor allem praxisentwicklerische Ansätze zur Ermöglichung, Befähigung und Förderung. Es erscheint notwendig und unabdingbar, das Ziel der Haltungsarbeit und -veränderung vor, während und nach der Implementierung anzustossen und zu begleiten. Es erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit der persönlichen (teambezogenen, institutionellen) Haltung in Bezug auf Zwangserleben, Zwangsausübung und deren Auswirkungen, mit der Beziehungsgestaltung, mit einem wertschätzenden Umgang und einer gleichberechtigten Begegnung in Krisen.

Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung leistet z. B. die zweitägige Fortbildung «[zwang]los» von Sebastian Rüegg und Helene Brändli (35). Die Fortbildung richtet sich an Fachpersonen, die in der Psychiatrie mit der Anordnung und Ausübung von Zwang konfrontiert sind. Sie wird von einer Genesungsbegleiterin und einer Fachperson zusammen mod...

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