Unfälle, Verbrechen, Naturkatastrophen oder andere lebensbedrohliche Situationen können psychisch stark belasten. Überlebende können mit anhaltenden Angstgefühlen, Nervosität, Alpträumen, Flashbacks und Vermeidungsverhalten reagieren.
Die psychotraumatologische Forschung belegt immer besser, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit direkten Einfluss auf Selbstwirksamkeit und Aufmerksamkeits-, Beziehungs- und Selbstregulation sowie Selbstwert- und Identitätsentwicklung haben. Die Schwierigkeiten führen dazu, dass Menschen zentrale Entwicklungsaufgaben nicht bewältigen können und über ihre gesamte Lebensspanne in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt sind.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Misshandlung und Vernachlässigung in der Kindheit nicht «nur» mit der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sondern mit einem höheren Risiko für fast alle psychischen Erkrankungen einhergehen. Deshalb ist es für die Erforschung der gesellschaftlichen Folgen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung wichtig, den Blick auf die Entwicklung einer Vielzahl von unterschiedlichen Symptomen und auf das Verständnis von Komorbidität und einer Entwicklungsheterotopie von verschiedenen Symptomen zu richten.
Psychische Langzeitfolgen
Unbehandeltes CPTSD führt häufig zu einer Verschlimmerung der psychischen Symptome und erhöht das Risiko für zusätzliche psychische Erkrankungen. Dazu gehören:
- Depressionen: Chronische Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und ein Mangel an Energie prägen das Leben vieler Betroffener.
 - Angststörungen: Dauerhafte Überängstlichkeit, Panikattacken oder generalisierte Angstzustände sind häufige Begleiterscheinungen.
 - Suchtprobleme: Viele Menschen mit unbehandeltem CPTSD entwickeln eine Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten, um ihre emotionalen Schmerzen zu lindern.
 - Dissoziative Störungen: Unbehandeltes Trauma kann zu einem stärkeren Gefühl der Abspaltung führen, was die Wahrnehmung der Realität und des Selbst zusätzlich beeinträchtigt.
 
Diese psychischen Belastungen verstärken sich oft gegenseitig und führen zu einem Kreislauf, der es Betroffenen erschwert, den Weg aus ihrer Erkrankung zu finden.
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Körperliche Langzeitfolgen
CPTSD hinterlässt auch physische Spuren, da chronischer Stress und Hypervigilanz den Körper dauerhaft belasten. Typische physische Auswirkungen sind:
- Chronische Schmerzen: Dazu gehören Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Muskelschmerzen, die oft keine klare medizinische Ursache haben.
 - Autoimmunerkrankungen: Langanhaltender Stress und eine Überaktivierung des Immunsystems können das Risiko für Erkrankungen wie Rheuma, Lupus oder entzündliche Darmerkrankungen erhöhen.
 - Herz-Kreislauf-Probleme: Menschen mit unbehandeltem CPTSD haben ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Erkrankungen.
 - Stressbedingte Beschwerden: Zu den häufigsten zählen Magen-Darm-Probleme, Migräne und Erschöpfungssyndrome.
 
Diese körperlichen Beschwerden sind oft eng mit den psychischen Belastungen verknüpft und verstärken den Leidensdruck der Betroffenen zusätzlich.
Langfristige Auswirkungen auf die Lebensqualität
Neben den direkten Folgen für Körper und Psyche beeinträchtigt unbehandeltes CPTSD auch die allgemeine Lebensqualität:
- Soziale Isolation: Das Unvermögen, gesunde Beziehungen aufzubauen, führt oft zu Einsamkeit und einem Mangel an unterstützenden Netzwerken.
 - Berufliche Einschränkungen: Chronische Symptome wie Konzentrationsprobleme oder emotionale Dysregulation machen es schwierig, langfristig im Arbeitsleben zu bestehen.
 - Verlust der Lebensfreude: Viele Betroffene berichten, dass sie das Gefühl haben, «nur zu überleben» statt wirklich zu leben.
 
Diese langfristigen Auswirkungen verstärken die Unsichtbarkeit der Erkrankung und erschweren es den Betroffenen, Hilfe zu suchen.
Traumafolgen und soziale Teilhabe
Auch wurden Zusammenhänge mit Schwierigkeiten in der sozialen Teilhabe im Erwachsenenalter nachgewiesen. Dabei wurde zwischen 4 zentralen Domänen differenziert: psychische und gesundheitliche Probleme, delinquentes Verhalten im Erwachsenenalter, Schwierigkeiten in beruflichen und finanziellen Bereichen, schlechte soziale Einbindung und Beziehungsgestaltung.
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Psychische und körperliche Gesundheit
Viele Übersichtsarbeiten und Metaanalysen belegen die Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit. Metaanalysen und systematische Reviews zeigen, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit mit einer hohen Komorbidität der psychopathologischen Belastung einhergehen.
Probleme mit dem Gesetz und Kriminalität
Belastende Kindheitserfahrungen gehen mit mehr Risikoverhalten als Adoleszente im Alltag einher, was die Wahrscheinlichkeit für Polizeikontakte und Delikte erhöht.
Bildung, berufliche Integration und Finanzen
Studien zu Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen zeigen, dass Menschen mit solchen Erlebnissen häufiger niedrigere Bildungsabschlüsse haben, häufiger arbeitslos sind, weniger Lohn bekommen, weniger Ersparnisse und Eigentum haben und häufiger von Armut betroffen sind.
Soziale Einbindung, Unterstützung und Elternschaft
Menschen mit belastenden Kindheitserfahrungen haben wegen des höheren Risikos für psychische Störungen Schwierigkeiten, sichere Bindungen aufzubauen, romantische Beziehungen einzugehen und diese zur Zufriedenheit beider Partner zu gestalten.
Post-ICU-Syndrom (PICS)
Das Post-ICU-Syndrom (PICS) bezieht sich auf eine Reihe von körperlichen, kognitiven und psychischen Gesundheitsproblemen, die Personen betreffen können, die einen Aufenthalt auf der Intensivstation (ICU) überlebt haben. Es kann sich als Folge einer kritischen Erkrankung und intensivmedizinischer Behandlung entwickeln und tritt häufig bei Überlebenden von Sepsis, COVID-19 oder anderen schweren Erkrankungen auf.
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Als typische Symptomatik finden sich bei ehemaligen Intensivpatienten:
- Einschränkungen der psychischen Gesundheit mit Angststörung, posttraumatischer Belastungsstörung und Depressivität.
 - Kognitive Einschränkungen, beispielsweise durch Defizite der exekutiven Funktion, des Gedächtnisses, der Denkprozesse und der räumlichen Wahrnehmung.
 - Körperliche Einschränkungen, etwa pulmonal oder neuromuskulär.
 
Warum frühzeitige Behandlung entscheidend ist
Die langfristigen Auswirkungen von unbehandeltem CPTSD verdeutlichen, wie tiefgreifend diese Erkrankung Körper und Psyche beeinflussen kann. Doch es gibt Hoffnung: Mit einer frühzeitigen Diagnostik und gezielten Therapieansätzen können viele dieser Folgen verhindert oder gelindert werden.
Frühzeitige Interventionen, die sowohl die emotionalen als auch die körperlichen Aspekte von CPTSD adressieren, ermöglichen es Betroffenen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen und langfristige Gesundheit und Lebensfreude zu fördern.
Traumafolgestörungen behandeln
Traumafolgestörungen können mittels Psychotherapie wirksam behandelt werden. Je nach Schweregrad, Komplexität und Ausmass der Beeinträchtigung kommen verschiedene Therapiemethoden in Frage. Um die Symptome zu behandeln, haben sich verhaltenstherapeutische Ansätze bewährt. Bei länger anhaltenden Symptomen, die sich auf die Beziehungsfähigkeit auswirken, eignen sich ergänzend auch tiefenpsychologische und systemische Methoden. In der Regel handelt es sich um ambulante Psychotherapien im Einzelsetting.