Bipolar-II-Störung: Symptome, Diagnose und Therapie

Bipolare Störungen werden oft fehlgedeutet und erst viele Jahre nach Krankheitsbeginn diagnostiziert. Bipolare Störungen beginnen meistens im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Die Lebenszeitprävalenz für das bipolare Spektrum beträgt 3,7 bis elf Prozent.

Typisch für die Krankheit ist das Vorkommen von depressiven und manischen Episoden. Bei der Manie sind drei Schweregradstufen - Hypomanie, klassische Manie und psychotische Manie - zu unterscheiden. Das Spektrum ist breit.

Voneinander abzugrenzen sind die Zustände normale Stimmungsvarianz, Zyklothymie sowie Bipolar I und II. Bipolar I stellt das klassische depressiv-manische Kranksein dar, Bipolar II eine Spezialform mit hypomanischen Zuständen und ähnlichen depressiven Phasen wie bei Bipolar I, erklärt Dr. Eich.

Bipolar-II-Störungen betreffen mehr Frauen als Männer. Bipolar I kommt bei beiden Geschlechtern gleich oft vor. Die Bipolar-II-Störung ist schwer zu erkennen, da die Symptomatik häufig schwächer ausgeprägt ist. Demnach erfragt die behandelnde Fachkraft detailliert das Erleben, die Stimmungen und Gefühle.

Im Allgemeinen sind die depressiven Episoden bei bipolaren Störungen deutlich häufiger als die manischen. Eine Langzeitstudie mit 146 Patienten zeigte, dass diese 53 Prozent der Beobachtungszeit von 12,8 Jahren in einem stabilen gesunden Zustand verbracht haben. 32 Prozent der Untersuchungszeit wurden in depressiven Zuständen und etwa 15 Prozent in manischen Phasen oder in gemischten manisch-depressiven Episoden zugebracht (1).

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Das Risiko für einen Rückfall ist hoch, ebenso die Wahrscheinlichkeit für eine Wiedererkrankung innerhalb von sechs Monaten und für einen Suizid. Residualzustände (z.B. affektive oder kognitive Störungen) und psychotische Symptome sind Risikofaktoren für einen Rückfall.

Die Diagnose einer Bipolaren Störung erfolgt leider meist erst fünf bis zehn Jahre nach Krankheitsbeginn, denn Symptome werden oft fehlgedeutet, zum Beispiel als Adoleszentenkrise, reine Depression oder Schizophrenie.

Psychische und physische Komorbiditäten sind häufig. Die Betroffenen haben etwa ein erhöhtes Risiko für Angststörungen, ADHS, Sucht sowie für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus und Adipositas.

Ausserdem reagieren sie oft empfindlicher (mit Nebenwirkungen) auf Antipsychotika. Warum, ist unklar. Es gibt Hinweise, dass ein Switch in die Hypomanie oder Manie durch medikamentöse Behandlung mit bestimmten Antidepressiva begünstigt werden kann.

Für die Behandlung gibt es Schweizer Empfehlungen (2). Die Therapie besteht wie bei der Depression aus den drei Phasen Akutbehandlung, Fortsetzungstherapie und Rezidivprophylaxe. Bei der Manie steht die medikamentöse Behandlung zuerst im Vordergrund, bei der bipolaren Depression empfiehlt sich von Beginn weg zusätzlich Psychotherapie.

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Behandelt werden beide Pole. Denn zum Einsatz kommen sollten vorzugsweise Medikamente, die nach der Akutbehandlung weitergeführt werden könnten. Monotherapien sind sinnvoll, Kombinationen vor allem mit Standard-Antidepressiva werden empfohlen, erklärte Dr. Eich.

Lithium ist der Goldstandard für die akute Manie und für die Langzeitbehandlung. Atypische Antipsychotika (v.a. Quetiapin) sind für die Manie, die bipolare Depression sowie für die Langzeitbehandlung die Mittel der ersten Wahl. Eine weitere Option sind Antikonvulsiva.

Für die Rezidivprophylaxe sind die Kombinationen Lithium und atypische Antipsychotika wie Aripiprazol, Lurasidon, Risperidon oder Lamotrigin sowie Depotinjektionen mit Risperidon/Paliperidon und Aripiprazol empfohlen.

Eine wichtige Rolle in der Therapie spielt der biopsychosoziale Behandlungsansatz. Er beinhaltet ein umfassendes Massnahmenpaket aus Pharmako- und Psychotherapie sowie Allgemeinmassnahmen.

Dazu zählen u.a. Psychoedukation, Betreuung, Lifestyle-Coaching, Angehörigenberatung sowie der Verzicht auf antriebssteigernde Drogen und ggf. auch Stimulanzien.

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Zentral ist der dringende Appell an die Patienten, die verschriebenen Medikamente nicht von sich aus abzusetzen, sondern sich mit den Behandlern zu besprechen. In der Praxis sehr hilfreich ist meist die Arbeit mit Stimmungstagebüchern, gab Dr.

Manche Menschen erleben allerdings Stimmungsschwankungen, die weit über die üblichen Hochs und Tiefs hinausgehen. Menschen mit einer Bipolaren Störung erleben in manischen Phasen extreme Hochgefühle. Sie sind voller Energie, kreativ und glauben, alles erreichen zu können.

Manische Phasen können auch mit ungewöhnlicher Kontaktfreudigkeit, einer Neigung zu sexuellen Abenteuern und übermässigem Geldausgeben einhergehen. Manche Betroffene schlafen kaum, da sie vor Energie fast platzen. Das andere Extrem ist die depressive Phase, in der Betroffene dauerhaft antriebslos, müde und niedergeschlagen sind.

Sie haben wenig Energie, verlieren das Interesse an ihren Hobbys und ziehen sich sozial zurück. Auch körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme sind während solcher Episoden keine Seltenheit. Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit und Gedanken an den eigenen Tod sind ebenfalls möglich.

Depressive Phasen können länger dauern als manische und treten vielfach öfter auf. Ungefähr 3 von 100 Menschen entwickeln sie im Lauf ihres Lebens, oft beginnt sie bereits im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter.

Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass bei der Bipolaren Störung ein schneller Emotionswechsel stattfinde. Gemäss dem Klassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine Bipolare Störung dann vor, wenn eine Person mindestens zwei Episoden erlebt hat, in denen ihre Stimmung und ihr Aktivitätsniveau deutlich beeinträchtigt waren.

  • Bipolar-I-Störung: Diese Form ist durch klare manische und depressive Phasen gekennzeichnet. In der manischen Phase sind Betroffene energiegeladen, euphorisch und impulsiv. Die depressive Phase zeigt das Gegenteil: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und negative Gedanken.
  • Bipolar-II-Störung: Anstelle von Manie erleben die Betroffenen Hypomanie, eine mildere Form.

Experten vermuten, dass eine Kombination aus biologischen und psychosozialen Faktoren das Risiko erhöht, an einer Bipolaren Störung zu erkranken. Die Erkrankung tritt in einigen Familien häufiger auf. Umwelteinflüsse, insbesondere Stress, können bei der Entstehung einer Bipolaren Störung ebenfalls eine Rolle spielen, erklärt Prof. Gregor Hasler.

Auch deshalb dauert es meist lange, bis die korrekte Diagnose von Bipolaren Störungen gestellt werden kann. Zudem können Menschen mit Bipolarer Störung auch an anderen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Essstörungen oder ADHS leiden.

Bipolare Störungen sind nicht heilbar. Trotzdem sind eine frühe Diagnose und Behandlung wichtig. Während einer manischen Phase läuft das Gehirn gewissermassen heiss, dadurch können schwere neurologische Schäden entstehen, die eine nächste manische Phase verstärken und das Demenzrisiko erhöhen, erklärt Hasler.

Das Akzeptieren ihrer eigenen Krankheit fällt Menschen mit Bipolarer Störung allerdings oft schwer. Besonders in den manischen Phasen ist es nahezu unmöglich, das Problem zu erkennen. Aber auch nach der Diagnose und während der Behandlung bleibt bei vielen Betroffenen die Einsicht aus.

Diese abwehrende Haltung kann auch für das Umfeld belastend sein, weiss Experte Hasler. Angehörige und Freunde wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. In der manischen Phase ist es meistens besser, Konflikte zu meiden und Probleme erst danach anzusprechen. Wichtig ist, Betroffene zu beruhigen, auf ausreichend Schlaf zu achten und gegebenenfalls einen Arzt zu kontaktieren.

In der depressiven Phase bringt Aufmunterung meist wenig. Eine klare Tagesstruktur und praktische Unterstützung können stattdessen helfen. Die Bipolare Störung ist nicht heilbar, aber sie lässt sich behandeln. Die Therapie umfasst in der Regel Medikamente und Psychotherapie, erklärt Hasler.

Die Medikamente zielen darauf ab, Stimmungsschwankungen zu minimieren und das Wiederauftreten extremer Phasen zu verhindern. Sie hilft Betroffenen, mit Symptomen umzugehen und Auslöser zu erkennen. Auch andere psychotherapeutische Ansätze wie die familienfokussierte Therapie oder die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie können die medikamentöse Behandlung der Bipolaren Störung unterstützen.

Viele Menschen mit einer Bipolaren Störung können dank einer Langzeitbehandlung wieder ein normales und erfolgreiches Leben führen, erklärt Prof. Hasler.

Affektive Störungen verlaufen episodisch, in Krankheits-„Phasen“, die vorübergehen. Nach jeder Phase erreicht der Patient typischerweise wieder seine volle Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Manchmal tritt nur eine einzige Phase auf, häufiger jedoch verlaufen affektive Störungen rezidivierend.

Unter Bipolar II versteht man eine affektive Störung, die nur aus hypomanen und depressiven Episoden besteht. Es sind im bisherigen Verlauf also keine manischen oder gemischten Episoden vorgekommen. Bei einer Zyklothymia, auch Zyklothyme Störung genannt, bestehen über Jahre viele Perioden mit leichten hypomanen oder depressiven Symptomen.

Rapid Cycling bezeichnet eine Sonderform der bipolaren affektiven Störung. Man versteht darunter eine Verlaufsform mit raschem Phasenwechsel, die sich spontan, oder im Verlauf einer Behandlung entwickeln kann. Man spricht von „rapid cycling“, wenn innerhalb eines Jahres mindestens 4 depressive, manische oder hypomane Phasen oder mindestens 2 bipolare Krankheitszyklen (Manie und Depression) auftreten.

Bei Patienten mit manisch-depressiven Erkrankungen kommt es sehr viel häufiger zu Selbstmord oder Selbstmordversuchen (Suizidalität) als in der Allgemeinbevölkerung. Dies vor allem in den depressiven Erkrankungsphasen. Eine vorbeugende antisuizidale Therapie ist daher wichtig. Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem durch Lithium neben der depressionsprophylaktischen Wirkung, speziell auch suizidale Handlungen reduziert werden.

Die bipolaren Störungen sind Krankheiten des zentralen Nervensystems. Der Krankheitsverlauf ist durch Rückfälle geprägt mit depressiven und manischen Episoden. Diese Stimmungs­schwankungen können begleitet sein durch psychotische Symptome, wie Denkstörungen, Hal­luzinationen, Wahn, und sind häufig assoziiert mit einem hohen Grad an sozialer Dysfunktion.

Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung zeigen ein erhöhtes Suizidrisiko. Die bipolare Störung ist zudem mit ausseror­dentlichen persönlichen, ökonomischen und pflegerischen Lasten verbunden. Nur der geringste Teil der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung wird überhaupt je korrekt diagnostiziert und adäquat behandelt.

Man schätzt, dass nur bei etwa einem Viertel der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung eine solche überhaupt erkannt wird. Durchschnittlich dauert es vom Auf­treten erster Symptome bis zur Diagnose­stellung 5-10 Jahre. Ein Drittel aller Patientinnen und Pati­enten begeht Suizidversuche, 10-20% sterben durch Suizid.

Depression ist das erste Symptom, welches von der Mehrheit der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung berichtet wird. Deshalb ist es wichtig, ob in der Lebensgeschichte Manien oder Hypomanien bei depressiven Patientinnen und Patienten oder in deren Familie vorkommen.

Die internati­onale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) charakterisiert die Bipo­lar-I-Störung als eine Störung, die durch wiederholte (d.h. wenigstens zwei) Episoden charakterisiert ist, in denen Stimmung und Aktivitätsniveau der Patientin oder des Pati­enten deutlich gestört sind.

Bei dieser Störung treten einmal eine gehobene Stimmung, vermehrter Antrieb und Aktivität (Manie) auf, dann wieder eine Stim­mungssenkung, verminderter Antrieb und Aktivi­tät (Depression). Die Bipolar-II-Stö­rung ist charakterisiert durch das Auftreten einer oder mehrerer Episoden einer Depression zusammen mit mindestens einer hypomanen Episode. Charakteristischer­weise ist die Besserung zwischen den Episoden vollständig.

Rapid cycling wird als besondere Verlaufs­form der bipolaren Störung betrachtet. Definiert wird es als Krankheitsverlauf mit vier oder mehr Epi­soden pro Jahr. Eine multifaktorielle Krankheitsursache der bipolaren Störung wird angenommen. So­wohl ge­netische als auch biologische und psychosoziale Faktoren stehen in Wech­selbeziehung.

In der medikamentösen Therapie der bi­polaren Störung gilt es zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe zu unterscheiden. Zur Behandlung der akuten Manie werden als Mittel der Wahl Monotherapien mit Lithium, Valproat (Depakine®) oder verschiedenen atypischen Antipsychotika empfohlen.

Die Kombination einer stimmungsstabilisierenden Substanz (Lithium, Valproat) mit einem atypischen Antipsychotikum ist besonders wirksam. Bei der bipolaren Depression besteht die beste Wirksamkeit für Quetiapin (Seroquel®) und Lithium als Monotherapie.

Eine Kombination einer stimmungsstabilisierenden bzw. antimanischen Substanz mit einem Antidepressivum, vor allem Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Bupropion (Wellbutrin®) wird ebenfalls empfohlen.

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