Bipolare Störung: Medizinische Definition und Behandlung

Kennen Sie Phasen von himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt? Die bipolare Störung ist eine Sonderform der affektiven Störungen und äussert sich im Wechsel von depressiven zu manischen Phasen. Die bipolaren Störungen sind Krankheiten des zentralen Nervensystems.

Die bipolare Störung (auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet) ist eine psychische Erkrankung, die durch extreme Schwankungen der Stimmung gekennzeichnet ist. Diese Stim­mung­schwankungen können begleitet sein durch psychotische Symptome, wie Denkstörungen, Hal­luzinationen, Wahn, und sind häufig assoziiert mit einem hohen Grad an sozialer Dysfunktion. Solche extremen Gefühlsschwankungen können zu grossen sozialen und zwischenmenschlichen Problemen für die Betroffenen und ihre Familien führen. Menschen, die mit einer bipolaren Störung leben, pendeln oft zwischen Manie und Depression.

Was ist eine bipolare Störung?

Die bipolare Störung ist durch das phasenhafte Auftreten von extrem gegensätzlichen emotionalen Zuständen gekennzeichnet. Diese reichen von schweren Depressionen auf der einen bis zu manischen Phasen mit gesteigertem Antrieb und Euphorie auf der anderen Seite. Dazwischen gibt es auch Phasen von Normalität sowie verschiedene Zwischenstufen wie Hypomanie, subdepressive Zustände oder Mischformen. Die Begriffe manisch-depressive Störung und bipolare Störung haben dieselbe Bedeutung und können gleichwertig gebraucht werden.

Die manisch-depressive Erkrankung oder auch bipolare Störung bewegt sich zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite Euphorie und Grössenwahn, auf der anderen Seite tiefste Traurigkeit und Antriebslosigkeit. Kennzeichnend für die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist jedoch eine durchgehend emotionale Instabilität und die fehlende Kontrolle über die eigenen Gefühle und Emotionen.

Aufgrund des unberechenbaren Verlaufs und der extremen Gefühlsschwankungen ist das berufliche und soziale Leben der Betroffenen oft stark beeinträchtigt. Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung zeigen ein erhöhtes Suizidrisiko. Die bipolare Störung ist zudem mit ausseror­dentlichen persönlichen, ökonomischen und pflegerischen Lasten verbunden.

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Formen der Bipolaren Störung

  • Bipolare I-Störung: Diese Form ist durch mindestens eine manische Episode (die oft auch mit depressiven Episoden wechselt) gekennzeichnet.
  • Bipolare II-Störung: Hierbei gibt es mindestens eine hypomanische Episode (eine mildere Form der Manie) und eine depressive Episode.
  • Bipolar-I-Störung: Diese Form ist durch klare manische und depressive Phasen gekennzeichnet. In der manischen Phase sind Betroffene energiegeladen, euphorisch und impulsiv. Die depressive Phase zeigt das Gegenteil: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und negative Gedanken.
  • Bipolar-II-Störung: Diese Form ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass es sowohl zu depressiven als auch zu manischen Phasen kommt. Anstelle von Manie erleben die Betroffenen Hypomanie, eine mildere Form.

Unter Bipolar II versteht man eine affektive Störung, die nur aus hypomanen und depressiven Episoden besteht. Es sind im bisherigen Verlauf also keine manischen oder gemischten Episoden vorgekommen.

Ursachen und Häufigkeit

Als Ursache nimmt man nach heutigem Wissensstand eine genetische Veranlagung an. Wichtig ist, zu betonen, dass eine bipolare Störung keine Erbkrankheit ist, genetische Prädispositionen können jedoch auftreten.

Die genaue Ursache der bipolaren Störung ist noch nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, biologischen und umweltbedingten Faktoren dazu beiträgt. Experten vermuten, dass eine Kombination aus biologischen und psychosozialen Faktoren das Risiko erhöht, an einer Bipolaren Störung zu erkranken. Die Erkrankung tritt in einigen Familien häufiger auf. Umwelteinflüsse, insbesondere Stress, können bei der Entstehung einer Bipolaren Störung ebenfalls eine Rolle spielen.

Die bipolare Störung zählt zu den schweren psychiatrischen Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko bzw. die Lebenszeitprävalenz der Bipolar-I-Störung wird auf 0.3% bis 1.6% geschätzt. Die Prävalenz des gesamtem bipolaren Spektrums ist deutlich höher (5%). Bei der Bipo­lar-I-Störung ist das Geschlechterverhält­nis etwa gleich verteilt, während bei Bipo­lar-II-Störungen die Frauen überwiegen. Die Ersterkrankung tritt in der späten Ju­gend oder im frühen Erwachsenenalter auf (15-24 Jahre).

Symptome der Bipolaren Störung

Die internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) charakterisiert die Bipo­lar-I-Störung als eine Störung, die durch wiederholte (d.h. wenigstens zwei) Episoden charakterisiert ist, in denen Stimmung und Aktivitätsniveau der Patientin oder des Pati­enten deutlich gestört sind. Bei dieser Störung treten einmal eine gehobene Stimmung, vermehrter Antrieb und Aktivität (Manie) auf, dann wieder eine Stim­mungssenkung, verminderter Antrieb und Aktivi­tät (Depression). Die Bipolar-II-Stö­rung ist charakterisiert durch das Auftreten einer oder mehrerer Episoden einer Depression zusammen mit mindestens einer hypomanen Episode. Charakteristischer­weise ist die Besserung zwischen den Episoden vollständig.

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Die bipolare Störung äussert sich im phasenhaften Wechsel von Depression zu Manie. Ebenso wie eine bipolare Störung kann die Achterbahnfahrt je nach Ausprägung unvorhersehbar und der Übergang abrupt sein. Grundsätzlich können sie sich die Symptome einer bipolaren Störung bei jeder bzw. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: eine bipolare Störung sorgt für extreme Stimmungsumschwünge. Auch Mischzustände, in denen gleichzeitig Merkmale einer Depression und einer Manie auftreten, sind möglich.

«Menschen mit einer Bipolaren Störung erleben in manischen Phasen extreme Hochgefühle. Sie sind voller Energie, kreativ und glauben, alles erreichen zu können. Manische Phasen können auch mit ungewöhnlicher Kontaktfreudigkeit, einer Neigung zu sexuellen Abenteuern und übermässigem Geldausgeben einhergehen. Manche Betroffene schlafen kaum, da sie vor Energie fast platzen. Das andere Extrem ist die depressive Phase, in der Betroffene dauerhaft antriebslos, müde und niedergeschlagen sind. Sie haben wenig Energie, verlieren das Interesse an ihren Hobbys und ziehen sich sozial zurück. Auch körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme sind während solcher Episoden keine Seltenheit. Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit und Gedanken an den eigenen Tod sind ebenfalls möglich. Depressive Phasen können länger dauern als manische und treten vielfach öfter auf.

Rapid cycling wird als besondere Verlaufs­form der bipolaren Störung betrachtet. Man versteht darunter eine Verlaufsform mit raschem Phasenwechsel, die sich spontan, oder im Verlauf einer Behandlung entwickeln kann. Man spricht von „rapid cycling“, wenn innerhalb eines Jahres mindestens 4 depressive, manische oder hypomane Phasen oder mindestens 2 bipolare Krankheitszyklen (Manie und Depression) auftreten.

Depressives und manisches Syndrom sind keine unvereinbaren Gegensätze. Es kann vorkommen, dass bestimmte depressive und manische Symptome gleichzeitig nebeneinander oder in raschem Wechsel bestehen. In einem solchen Fall spricht man von einem affektiven Mischzustand bzw.

Symptome im Überblick

  • phasenhafter Wechsel von Depression zu Manie
  • Phasen von Wochen bis Monaten, auch kürzere Phasen und schnellerer Phasenwechsel möglich (rapid cycling)
  • Mischzustände wie beispielsweise depressive Stimmung mit gesteigertem Antrieb
  • gesicherte manische und depressive Phasen
  • Auftreten von Mischzuständen und subklinischen Phasen
  • unterschiedliche Phasendauer möglich
  • Risiko von zusätzlichen psychischen Krankheiten wie beispielsweise Suchtmittelkonsum deutlich erhöhtes Suizidrisiko

Diagnose

Nur der geringste Teil der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung wird überhaupt je korrekt diagnostiziert und adäquat behandelt. Man schätzt, dass nur bei etwa einem Viertel der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung eine solche überhaupt erkannt wird. Durchschnittlich dauert es vom Auf­treten erster Symptome bis zur Diagnose­stellung 5-10 Jahre.

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Eine bipolare Störung zu diagnostizieren ist nicht einfach und dauert oft mehrere Jahre. Oft wird die manisch-depressive Störung mit einer unipolaren Depression oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung verwechselt, da sich die Merkmale von diesen Erkrankungen häufig ähneln. Zudem können Menschen mit Bipolarer Störung auch an anderen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Essstörungen oder ADHS leiden. «Wir erleben es immer wieder, dass jemand wegen eines Burn-outs therapiert wird, es sich eigentlich aber um eine Bipolare Störung handelt», sagt Prof. Hasler. Auch deshalb dauert es meist lange, bis die korrekte Diagnose von Bipolaren Störungen gestellt werden kann.

Deshalb ist es wichtig, ob in der Lebensgeschichte Manien oder Hypomanien bei depressiven Patientinnen und Patienten oder in deren Familie vorkommen.

Bei der bipolaren Störung handelt es sich um eine ernsthafte und oft folgenschwere Erkrankung, die Betroffene als Veranlagung oft ein Leben lang begleitet. Eine sorgfältige Diagnosestellung ist die Voraussetzung für eine wirksame Behandlung. Diese sollte durch einen erfahrenen Psychiater oder eine erfahrene Psychiaterin aufgrund einer sorgfältigen Untersuchung und Datenerhebung vorgenommen werden. Oft ist es sehr hilfreich, Angehörige miteinzubeziehen - sowohl für die Sicherung der Diagnose als auch, um die Behandlung durchführen zu können.

Behandlung

Die Bipolare Störung ist nicht heilbar, aber sie lässt sich behandeln. Bipolare Störungen sind nicht heilbar. Trotzdem sind eine frühe Diagnose und Behandlung wichtig.

In der Behandlung ist zu unterscheiden zwischen der Behandlung akuter Phasen (Depression oder Manie) und der Vorbeugung und Verhinderung zukünftiger Krankheitsphasen. In jeder Behandlungssituation spielen Medikamente eine wichtige Rolle. Es gibt internationale Leitlinien, nach denen Psychiaterinnen und Psychiater akute Phasen therapieren sowie zukünftige Phasen vorbeugen. Die medikamentöse Einstellung dieser schwerwiegenden Erkrankung setzt grosse Erfahrung voraus.

In der medikamentösen Therapie der bi­polaren Störung gilt es zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe zu unterscheiden. Zur Behandlung der akuten Manie werden als Mittel der Wahl Monotherapien mit Lithium, Valproat (Depakine®) oder verschiedenen atypischen Antipsychotika empfohlen. Die Kombination einer stimmungsstabilisierenden Substanz (Lithium, Valproat) mit einem atypischen Antipsychotikum ist besonders wirksam. Bei der bipolaren Depression besteht die beste Wirksamkeit für Quetiapin (Seroquel®) und Lithium als Monotherapie. Eine Kombination einer stimmungsstabilisierenden bzw. antimanischen Substanz mit einem Antidepressivum, vor allem Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Bupropion (Wellbutrin®) wird ebenfalls empfohlen. In der Erhal­tungstherapie und Rück­fallprophylaxe werden Lithium, Quetiapin, Lamotrigin (Lamictal®) zur Vorbeugung depressiver Episoden, Aripiprazol (Abilify®) zur Vorbeugung manischer Episoden, Olanzapin (Zyprexa®), Valproat, die Kombination aus Lithium und Valproat oder die Kombinationen aus Lithium oder Valproat mit Quetiapin empfohlen.

Einerseits kommen häufig Stimmungsstabilisatoren zum Einsatz, diese werden auch Phasenprophylaktika genannt. Zum anderen werden auch Antidepressive verschrieben. Diese sollen bei einer Bipolaren Störung jedoch nur in Zusammenhang mit Stimmungsstabilisatoren eingesetzt werden und nicht in einer gemischten Episode zur Anwendung kommen. Über Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen bzw.

Ergänzend zur medikamentösen Behandlung kommt auch oft eine Psychotherapie zum Einsatz. Hier geht es in erster Linie um den Austausch über Gedanken, Gefühle, Beschwerden und Probleme im Alltag. Auch die sogenannte Psychoedukation wird häufig angewandt.

«Die Therapie umfasst in der Regel Medikamente und Psychotherapie», erklärt Hasler. Die Medikamente zielen darauf ab, Stimmungsschwankungen zu minimieren und das Wiederauftreten extremer Phasen zu verhindern. Sie hilft Betroffenen, mit Symptomen umzugehen und Auslöser zu erkennen. Auch andere psychotherapeutische Ansätze wie die familienfokussierte Therapie oder die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie können die medikamentöse Behandlung der Bipolaren Störung unterstützen. «Viele Menschen mit einer Bipolaren Störung können dank einer Langzeitbehandlung wieder ein normales und erfolgreiches Leben führen», erklärt Prof. Hasler.

Manchmal strahlen wir vor Freude, weil etwas Schönes passiert. Dann wieder sind wir niedergeschlagen, weil wir ein tragisches Erlebnis verkraften müssen. Und manchmal wissen wir nicht, warum wir uns gut oder schlecht fühlen. Manche Menschen erleben allerdings Stimmungsschwankungen, die weit über die üblichen Hochs und Tiefs hinausgehen.

Die Konfrontation mit einer manisch-depressiven Störung stellt sowohl für Betroffene als auch für Angehörige eine Herausforderung dar. Informieren Sie sich über die Erkrankung bzw. Holen Sie sich professionelle Unterstützung bzw.

Bei Patienten mit manisch-depressiven Erkrankungen kommt es sehr viel häufiger zu Selbstmord oder Selbstmordversuchen (Suizidalität) als in der Allgemeinbevölkerung. Dies vor allem in den depressiven Erkrankungsphasen. Manche Betroffene sehen in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr, als sich das Leben zu nehmen. Ein solcher Schritt wäre fatal und sollte auf jeden Fall verhindert werden, da es mittlerweile sehr gute Behandlungsmöglichkeiten gibt. Eine vorbeugende antisuizidale Therapie ist daher wichtig. Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem durch Lithium neben der depressionsprophylaktischen Wirkung, speziell auch suizidale Handlungen reduziert werden.

Dennoch sollte man nicht vergessen, dass obwohl den bipolaren Störungen heute viel mehr Beachtung ge­schenkt wird als vor 10 Jahren, bestehen noch immer Defizite im Erkennen der Krankheit, in der Diagnosestellung und in der Behandlung.

Wichtig: Wenn Sie oder ein Angehöriger mit starken Stimmungsschwankungen zu kämpfen haben, kann eine erste Anlaufstelle die hausärztliche oder psychiatrische Praxis sein.

Tipps für den Umgang mit Betroffenen

  • In der manischen Phase ist es meistens besser, Konflikte zu meiden und Probleme erst danach anzusprechen. Wichtig ist, Betroffene zu beruhigen, auf ausreichend Schlaf zu achten und gegebenenfalls einen Arzt zu kontaktieren.
  • In der depressiven Phase bringt Aufmunterung meist wenig. Eine klare Tagesstruktur und praktische Unterstützung können stattdessen helfen.

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