Was ist ein Trauma?
Der aus dem Griechischen kommende Begriff Trauma (Verletzung) steht einerseits für ein äusserst bedrohliches oder entsetzlichen Ereignis, das eine schwere psychische Erschütterung auslösen kann. «Trauma» meint aber auch die konkrete Verletzung des Körpers und im übertragenen Sinn der Seele. Situationen mit Todesgefahr wie Unfälle, Überfälle, Vergewaltigungen, Krieg, Folter oder Naturkatastrophen lösen bei allen Menschen starke Angst, Panik, Ekel oder auch Wut aus. Nicht jede schlimme Erfahrung in unserem Leben ist ein Trauma, das mit schweren Folgen nachhallt.
Die Psychologie spricht dann von einem Trauma, wenn uns ein extrem bedrohliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen widerfährt. «Diese Erfahrungen können tiefe Spuren hinterlassen und das psychische Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Besonders wenn Betroffene keine Möglichkeit hatten, das Erlebte zu verarbeiten, können langfristige Folgen auftreten», sagt Rahel Bachem.
Ursachen von Traumata
- Unfälle
 - Verbrechen
 - Naturkatastrophen
 - Gewalt (inner- und außerfamiliäre, sexuelle, körperliche und emotionale)
 - Krieg
 - Folter
 - Missbrauch
 - Tod einer nahestehenden Person
 
Traumas können sehr unterschiedlich sein und ebenso die daraus entstehenden Folgen. Eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung kann vor allem bei mehrfacher Traumatisierung oder schweren Traumas eintreten.
Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)
Bei der PTBS (engl. PTSD von posttraumatic stress disorder) handelt es sich um eine Traumafolgestörung: Betroffene entwickeln aufgrund eines aktuellen Ereignisses Symptome des Wiedererlebens. Die Posttraumatische Belastungsstörung äussert sich unter anderem durch emotionale Abgestumpftheit, Ängste und Schlafstörungen. Da die Störung gut auf therapeutische Behandlung anschlägt, sollten sich Betroffene unbedingt Hilfe suchen.
Die Symptome, welche bei einer Traumafolgestörung auftreten können, dienen grundsätzlich der Verarbeitung oder können als eine Art Schutzfunktion des Gehirns betrachtet werden. Die Symptome einer Traumafolgestörung können vielfältig sein und von Person zu Person variieren.
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Die Hauptsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind:
- Unwillkürliches Erinnern und Wiedererleben des Traumas (Intrusionen und Flashbacks)
 - Vermeidung, Verdrängung und Vergessen des Geschehens
 - Nervosität, Angst und Reizbarkeit
 - Verflachung der Gefühle und Interessen
 
Wiedererleben (Intrusionen, Flashbacks, Alpträume)
Das Wiedererleben des Traumas äussert sich in Form von sich aufdrängenden Erinnerungen (Flashbacks) und Alpträumen. Menschen mit PTBS werden spontan von aufkommenden Erinnerungen an das traumatische Erlebnis überwältigt und sind nicht fähig, dies willkürlich zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Bei manchen Betroffenen kommen nur Bruchteile der Erinnerung hoch, während andere unter sogenannten Flashbacks leiden.
Flashbacks beschreiben das halluzinationsartige Zurückversetzen in das Geschehen. Die Betroffenen haben das Gefühl, die Situation noch einmal zu durchleben. Auslöser sind oftmals sogenannte Schlüsselreize, also wenn beispielsweise ein Kriegsopfer Schreie hört oder ein Brandopfer Rauch riecht. Auch das Wiederkehren der traumatischen Erinnerungen in Form von Albträumen ist typisch für die posttraumatische Belastungsstörung.
Symptome auf körperlicher Ebene wie Atemnot, Zittern, Schwindel, Herzrasen und Schweissausbrüche treten mitunter zusätzlich auf. Bei einem Trauma sind die Momente des Wiedererlebens häufig sehr lebhaft und fühlen sich so an, als würde man das Erlebte erneut durchleben.
Vermeidung
Umstände, die dem erlebten Ereignis ähneln oder mit ihm in Zusammenhang stehen, werden von den Betroffenen vermieden. Zum eigenen Schutz vermeiden viele Menschen mit PTBS jene Gedanken, Situationen und Aktivitäten, welche die Erinnerung an das Geschehen möglicherweise wecken. Wer beispielsweise einen traumatischen Verkehrsunfall miterlebt hat, meidet öffentliche Verkehrsmittel und Autofahren. Brandopfer meiden eventuell das Anzünden von Kerzen oder Kaminfeuer.
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Andere Betroffene sind nicht in der Lage, sich an alle Aspekte des traumatischen Erlebnisses zu erinnern. Experten sprechen von vollständiger oder teilweiser Amnesie. Das bewusste Vermeiden ist auf lange Sicht kontraproduktiv für eine Genesung. Es verstärkt die Angst und die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Meiden Sie Orte oder Menschen, um traumatische Erinnerungen nicht aufzuwecken? Beide Vermeidungsstrategien sind typisch für traumatisierte Menschen. Oft sind sich Betroffene in der Situation jedoch nicht bewusst, wieso sie so handeln.
Übererregung (Hyperarousal)
Viele Traumaopfer sind sehr empfänglich für Reize, und ihre Nerven liegen sprichwörtlich blank. Die Betroffenen sind überaus wachsam (hypervigilant), da sie sich unterbewusst stets in Gefahr wähnen. Zudem sind sie sehr schreckhaft und ängstlich. Auf Dauer ist dieser Zustand sehr anstrengend für den Körper.
Es kommt zu Konzentrationsschwierigkeiten, die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich mit der Zeit immer mehr. Ein Buch zu lesen oder einen Film anzuschauen, wird für die Traumaopfer dann manchmal unmöglich. Diese generalisierte Anspannung führt zu leichter Reizbarkeit und unverhältnismässigen Wutausbrüchen.
Angehörige von Betroffenen berichten oftmals von einer plötzlichen Wesensveränderung von früher ausgeglichenen und entspannten Menschen. Hält die Daueranspannung auch nachts an, entwickeln sich Ein- und Durchschlafstörungen. Zusätzlich leiden einige Betroffene unter Albträumen. Diese fehlende Nachtruhe ist auf Dauer sehr schädlich. Die Betroffenen entspannen sich nicht mehr richtig, und Körper und Geist bekommen keine Möglichkeit, sich zu erholen.
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Folglich sinkt meistens die Belastbarkeit im Alltag. Die anhaltende Angst und Anspannung lassen sich mit Sport und Bewegung häufig ein wenig lösen. Die Überwindung zu körperlicher Aktivität ist für viele Betroffene jedoch sehr gross.
Fällt es Ihnen schwer, zur Ruhe zu kommen? Traumatisierte Menschen verharren häufig ihr Leben lang im Fluchtmodus. In diesem Modus kämpft der Körper ums Überleben.
Emotionale Taubheit (Numbing)
Die Lebensfreude ist eventuell durch eine posttraumatische Belastungsstörung nachhaltig beeinträchtigt. Oft verlieren die Betroffenen jegliche Interessen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Sie verlieren die Lust am Leben und planen ihre Zukunft nicht mehr. Manche sind auch nicht mehr in der Lage, etwas zu fühlen - sei es etwa Freude, Liebe oder Traurigkeit.
Es kommt zu einer Abstumpfung der Gefühle (Numbing = Taubheitsgefühl). Die Traumaopfer fühlen sich häufig entfremdet und haben das Gefühl, das Erlebte trennt sie von ihren Mitmenschen und Angehörigen. Diese Veränderung des Gefühlslebens endet dann oft in einer Depression.
Fühlen Sie oft nichts, weder sich selber noch anderen Menschen gegenüber? Traumatisierte Menschen empfinden Gefühle oft sehr unterschiedlich und wechselhaft. «Manche Betroffene können keine starken Gefühle mehr empfinden», sagt Psychologin Rahel Bachem. Zudem fühlen sich viele traumatisierte Menschen oft so, als wären sie «nicht richtig hier». «Sie erleben sich und ihre Umwelt als unwirklich, fremd oder wie durch einen Schleier betrachtet», beschreibt Bachem.
Weitere Symptome
- Reizbarkeit, Ungeduld, schlechte Laune
 - Misstrauen
 - Scham- und Schuldgefühle, vermindertes Selbstwertgefühl
 - Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, negatives Denken
 - Probleme mit unkontrollierten, starken Gefühlsausbrüchen
 
Diagnose der PTBS
Die Diagnose PTBS wird durch eine klinische psychiatrische Untersuchung gestellt. Hier wird der Patient oder die Patientin behutsam, aber gezielt nach Symptomen und Beschwerden gefragt. Die Diagnose erfolgt durch einen Psychiater, eine Psychiaterin oder eine Psychologin, einen Psychologen aufgrund einer sorgfältigen Untersuchung. Dabei wird abgeklärt, ob eine typische Symptomkonstellation im Anschluss an ein traumatisches Erlebnis besteht. Da der Begriff «Trauma» manchmal auch falsch verwendet wird, muss die Abklärung durch eine erfahrene Fachperson erfolgen. Bei traumatisierten Menschen können auch zusätzliche Erkrankungen das Krankheitsbild überlagern und die korrekte Diagnosestellung erschweren.
Behandlung von Traumafolgestörungen
Eine PTSD wird vor allem psychotherapeutisch behandelt. Dazu werden bestimmte Techniken einer speziellen Traumatherapie verwendet. Nachdem eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung zum Patienten bzw. Nach erfolgreicher Etablierung dieser Techniken beginnt behutsam die Konfrontationsphase, in welcher Patientinnen und Patienten mit dem traumatischen Ereignis konfrontiert werden. Dabei behalten sie immer die Kontrolle über das Geschehen. Unterstützend können manchmal auch medikamentöse Behandlungen zusätzlich durchgeführt werden.
In der Regel besteht die Therapie aus verschiedenen Phasen, mit der Gegenwartsbewältigung, der Vergangenheitsbewältigung und schliesslich mit der sozialen und beruflichen Reintegration. Traumafolgestörungen können mittels Psychotherapie wirksam behandelt werden. Je nach Schweregrad, Komplexität und Ausmass der Beeinträchtigung kommen verschiedene Therapiemethoden in Frage. Um die Symptome zu behandeln, haben sich verhaltenstherapeutische Ansätze bewährt. Bei länger anhaltenden Symptomen, die sich auf die Beziehungsfähigkeit auswirken, eignen sich ergänzend auch tiefenpsychologische und systemische Methoden. In der Regel handelt es sich um ambulante Psychotherapien im Einzelsetting.
Therapiemethoden
Für die Traumaarbeit gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Die, die am häufigsten erfolgreich zur Anwendung kommen, sind in der Psychologie verankert.
- Verlängerte Exposition (Prolonged Exposure): Bei der prolongierten Exposition leitet die Therapeutin den Patienten dazu an, sich die traumatischen Geschehnisse vor seinem inneren Auge zu vergegenwärtigen und darüber so zu berichten, als ob sie gerade geschehen würden. Die prolongierte Exposition ist besonders wirksam bei postraumatischen Störungen, insbesondere wenn das Trauma gut abgrenzbar und spezifisch ist (z. B. Verkehrsunfälle, Überfälle, Naturkatastrophen).
 - Narrative Expositionstherapie: Bei dieser Methode geht es darum, dass Patientinnen und Patienten ihre Biographie von der Geburt bis in die Gegenwart möglichst detailliert erzählen. Mit der exakten Erzählung ordnen die Betroffenen die Geschehnisse räumlich und zeitlich ein. Erfahrenes erhält so einen Kontext. Die behandelnde Person unterstreicht dabei, dass die Ereignisse in der Vergangenheit liegen. «Mit diesem Vorgehen kommt es zu einer Nachverarbeitung im Gedächtnis.
 - Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR): Bei dieser Therapieform vergegenwärtigt sich die betroffene Person das traumatische Ereignis in Gedanken und Gefühlen und erlebt es auf diese Weise nochmals. Das sorgt für eine zusätzliche Stimulierung der Sinne. Man gehe davon aus, dass durch das zusätzliche Stimulieren das Gehirn der betroffenen Person in der Lage sei, die Erinnerung an das traumatische Erlebnis schneller zu verarbeiten, sagt Traumaexpertin Rahel Bachem.
 - Imaginative Verfahren: Die Kraft der Imagination steht bei dieser Methode im Zentrum der Therapie. Die behandelnde Person gibt lediglich den Rahmen der Imagination vor. Die traumatisierte Person erzählt, was sie auf ihrer inneren Bühne wahrnehmen kann.
 - Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapie wird sehr breit zur Behandlung von seelischen Problemen eingesetzt und zählt zu einer der am besten erforschten psychotherapeutischen Methoden. Es geht darum, sich schlechter Gedanken und Vorstellungen im Zusammenhang mit einem Trauma bewusst zu werden. Die Therapie läuft in drei Schritten ab.
 
Wo werden Traumafolgestörungen behandelt?
Für die Beratung und Abklärung von Traumafolgestörungen stehen Ihnen unsere Fachspezialisten an allen Standorten der Psychiatrie St.Gallen gerne zur Verfügung. Traumafolgestörungen behandeln wir ambulant, zum Teil tagesklinisch und in Pfäfers stationär auf der Spezialisierten Psychotherapiestation (zertifizierte DBT-Station).
Prognose
Je früher eine PTSD therapiert wird, desto besser sind die Behandlungsaussichten. Die Chancen auf eine Heilung stehen gut, bei einem einmaligen Trauma sogar sehr gut. Der zeitliche Rahmen der Therapie ist aber sehr unterschiedlich. Bei leichterer Symptomausprägung kann eine ambulante Therapie durchgeführt werden, sodass sich nach acht bis zwölf Monaten eine Abschwächung der Symptome erreichen lässt. Bei rund einem Drittel der Patienten zeigt sich jedoch ein chronischer Verlauf.
Statistik
Es wird geschätzt, dass in der Schweiz jede hundertste Person einmal im Leben eine PBTS entwickelt. Jedes 10. Wie viele Personen aus einem Trauma eine PBTS entwickeln, hängt auch von der Schwere des Traumas ab. Bei Vergewaltigungs- sowie Kriegs- und Folteropfer sind es etwa die Hälfte aller Personen, die später an PBTS leiden.
Zusammenhang zwischen Schmerz und Trauma
Mitunter treten Schmerzen im Zusammenhang mit Traumatisierung auf. Zum einen lösen manchmal traumatische Erfahrungen wie Unfall oder Terror unmittelbar körperliche Schmerzen aus. Zum anderen tragen frühere Traumatisierungen möglicherweise dazu bei, dass Schmerzsyndrome aufrechterhalten bleiben oder sogar chronifizieren.
Ein möglicher Zusammenhang zwischen (chronischen) Schmerzen und PTBS ist bisher aber noch nicht genau geklärt. Das Trauma wird in diesen Fällen so verarbeitet, dass es auch in der Gegenwart eine ernste Bedrohung darstellt. Patienten können das schwere Erlebnis nicht als ein zeitlich abgeschlossenes Ereignis sehen. Unwillentlich werden durch Geräusche oder Gerüche immer wieder Inhalte im Traumagedächtnis abgerufen. Sie treten aber nicht in Form von Gedanken auf, sondern als echte Sinnesempfindungen mit den entsprechenden Symptomen.
PTBS nach Lawinenunfällen
Eine Schweizer Studie zeigt, dass 65% der Schweizer Bergführer mehr als ein traumatisches Ereignis selbst erfahren oder mitangesehen haben. Am häufigsten wurden Lawinenunfälle genannt, oft handelt es sich aber auch um Abstürze oder Steinschlag. All diese Ereignisse treten plötzlich und schnell auf, was das Risiko für eine PTBS steigert. Eine weitere Studie zeigt, dass bei Lawinenunfällen 40% aller Vollverschütteten und 20% aller Teilverschütteten eine PTBS entwickeln. Das sind sehr hohe Werte.
Wichtiger Hinweis
Sind Sie unsicher, ob Sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden? Dann vereinbaren Sie einen Termin für eine Untersuchung!
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