Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich in der Kindheit manifestiert und oft bis ins Erwachsenenalter fortbesteht. Diese Störung betrifft die Aufmerksamkeitsfähigkeit, die Impulskontrolle und das Aktivitätsniveau einer Person.
Die Einordnung von ADHS ist jedoch umstritten - Experten sprechen auch von einer neurologischen Besonderheit. Neurodiversität ist ein neueres Konzept, das die Natürlichkeit von neuronalen Unterschieden betont. Besonderheiten, die klassisch als psychische Störung bezeichnet werden, sehen Vertreter der Neurodiversität als natürlich aufkommende Abweichungen von der Norm.
Wenn über ADHS gesprochen wird, fallen oft unterschiedliche Begriffe: psychische Erkrankung, neurobiologische Störung oder auch Neurodiversität. Vielmehr handelt es sich um eine neurologische Besonderheit, die, ähnlich wie die Autismus-Spektrumsstörung oder die Lese-Rechtschreibstörung dem Oberbegriff Neurodiversität zugeordnet wird.
ADHS ist das Resultat gestörter Botenstoffe (Neurotransmitter) in unserem Gehirn. Dies ist oft genetisch bedingt. ADHS kann folglich vererbt werden. Neben den Genen spielen aber auch Umwelteinflüsse eine Rolle. Bei Menschen mit AD(H)S ist das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn (vorwiegend Dopamin und Noradrenalin) gestört, was für die typischen Symptome verantwortlich ist.
Symptome von ADHS
ADHS-Betroffene leiden an Konzentrationsschwierigkeiten und sind oft hyperaktiv. Doch nicht immer zeigt sich die Störung gleich.
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Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten:
- Ihre Aufmerksamkeit über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten und sich auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren.
 - Sie können leicht abgelenkt werden.
 - Haben oft Organisationsschwierigkeiten und Mühe, Anweisungen zu befolgen.
 - Ihnen kann es auch schwerfallen, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen.
 
Das Ganze führt häufig zu Anspannung und Überforderung.
Neben Aufmerksamkeitsproblemen und Hyperaktivität sind oft Schwierigkeiten in der Impulskontrolle Teil des ADHS-Bildes, was auch Probleme in sozialen Situationen verursachen kann.
Symptome und deren Intensität verändern sich meist mit dem Alter, können also bei Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen und Senior:innen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wie bereits erwähnt, sind Symptome oft von Alter und/oder Geschlecht abhängig (hier lesen Sie mehr über ADHS bei Frauen).
Die Symptome von ADHS unterliegen einer Entwicklung parallel zum Alter der Betroffenen. So sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auch bei Erwachsenen mit ADHS die Hauptsymptome, jedoch kommt es zu gewissen Änderungen ihrer Ausprägung.
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ADHS bei Kindern
ADHS-Kinder sind voller Energie, haben einen hohen Bewegungsdrang und werden nicht selten mit Unterrichtsstörungen in Verbindung gebracht. Dies vor allem, weil es ihnen schwerfällt, lange ruhig zu sitzen, sich auf nur eine Sache zu konzentrieren oder zu warten, bis sie dran sind.
Hyperaktive Kinder zeigen vor allem einen hohen Bewegungsdrang. stehen häufig unerlaubt von ihrem Sitzplatz (z.B. andere unterbrechen, sich vordrängen bzw.
Aufgrund ihrer Schwierigkeiten benötigen Kinder mit AD(H)S in der Schule und bei den Hausaufgaben mehr und gezieltere Unterstützung als andere Kinder. Viele Schwierigkeiten (z.B.
ADHS bei Erwachsenen
Hyperaktivität ist bei Erwachsenen oft weniger ausgeprägt, dafür haben sie Konzentrationsschwierigkeiten und sind impulsiv. Auch hier können Geschlechterunterschiede bestehen, wonach Frauen eher nach innen, Männer nach aussen gerichtete Symptome zeigen.
Die bei Kindern auffällige körperliche Unruhe richtet sich mit zunehmendem Alter oft nach innen. Das heisst, Betroffene zappeln weniger, fühlen sich aber häufig nervös und/oder gestresst. Auch die Impulsivität äussert sich im Erwachsenenalter anders als bei Kindern. So neigen betroffene Frauen und Männer eher zu unüberlegten Geldausgaben oder Suchtproblemen, anstatt, wie vielleicht in jüngeren Jahren, zu Wutanfällen.
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Zusätzlich zu den Hauptsymptomen der ADHS kommen im Erwachsenenalter weitere hinzu wie beispielsweise Desorganisation im Lebensalltag, schnelle Stimmungswechsel, Stressüberempfindlichkeit und Schwierigkeit bei der Temperamentskontrolle.
Erwachsene, die unter ADHS leiden, erleben eine Reihe von Gefühlen und Verhaltensweisen wie Aufschieberitis, geringe Frustrationstoleranz, Langeweile, Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit. Diese Symptome können das Ergebnis der Schwierigkeiten sein, die Erwachsene im Umgang mit ADHS haben.
ADHS bei Mädchen und Jungen
Bei Jungen wird eine ADHS häufiger festgestellt als bei Mädchen. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Mädchen auch tatsächlich seltener betroffen sind. Dieser Geschlechterunterschied entsteht möglicherweise dadurch, dass ADHS als eine «Jungenkrankheit» bekannt ist und die klassischen Symptome einer ADHS vermehrt bei jungen Männern zutreffen.
Wie unterscheidet sich ADHS zwischen Jungen und Mädchen? Die Ausprägung von ADHS ist sehr individuell. Jungen mit einer ADHS fehlt oft eine gewisse Impulskontrolle und sie verhalten sich mehrheitlich hyperaktiv. Sie leiden unter motorischer Unruhe, haben einen starken Bewegungsdrang und es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren. Sie sind eher laut und fallen auf.
Betroffene Mädchen hingegen leiden eher unter Unaufmerksamkeit und innerer Unruhe. Sie bemühen sich aber, nicht aufzufallen, weshalb sie oft eine passive Haltung zeigen. Da ADHS bei Mädchen oft nicht in Betracht gezogen wird, werden viele betroffene Frauen gar nicht oder erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Auch im Erwachsenenalter äussert sich ADHS bei Frauen anders als bei Männern.
Unaufmerksamkeit: ADHS-betroffene Mädchen und Frauen versinken vermehrt in Tagträumerei und ständigem Gedankenkreisen. Dadurch leiden sie unter fehlender Aufmerksamkeit.
Hyperaktivität: Betroffene Frauen leiden seltener an Hyperaktivität als Männer mit ADHS. Die Hyperaktivität schlägt zudem eher nach innen aus. Frauen mit ADHS haben oft Mühe, ihre Gedanken zu sortieren. Besonders wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig anstehen, fällt ihnen das Koordinieren schwer.
Emotionsregulation: Frauen mit einer ADHS haben im Vergleich zu betroffenen Männern oft mehr Mühe, ihre Emotionen zu regulieren. Experten sprechen dabei von emotionaler Dysregulation. Diese Schwierigkeiten können sich durch Hypersensibilität oder leichte Reizbarkeit zeigen.
Hormonelle Schwankungen: Hormonelle Veränderungen durch den Menstruationszyklus oder auch die Wechseljahre verstärken die ADHS-Symptome bei Frauen.
Diagnose von ADHS
Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter beruht auf einer klinischen Untersuchung. Zentral hierfür ist nach DSM-5 (die fünfte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), dem amerikanischen Diagnoseinstrument, der Nachweis von 18 diagnostischen Kriterien.
Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass einzelne Symptome von ADHS bereits vor dem 12. Lebensjahr bei der betreffenden Person vorhanden waren. Weiter sollen in mehr als einem Lebensbereich die mit ADHS verbundene Auffälligkeiten erkennbar sein. Neuropsychologische Testverfahren sind bei speziellen Fragestellungen hilfreich.
Es ist wichtig festzuhalten, dass aus der Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter sich nicht zwangsläufig eine Behandlungsnotwendigkeit ableitet. So wird in diesem Zusammenhang nochmals genau erörtert, ob die funktionellen Einschränkungen im Leben der Betroffenen und die damit verbundenen Problematiken im sozialen Leben eindeutig durch ADHS verursacht sind.
Die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen bleibt eine klinische Diagnose. Es gibt keine neuropsychologischen oder neuropsychiatrischen Testverfahren ober Labortests, die eine ADHS-Diagnose sicher bestätigen oder verwerfen können.
Auch wenn die Diagnose oft aufwändig und zeitintensiv ist, lohnt sich die Abklärung. Denn durch die richtige Behandlung kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich gesteigert werden. Daneben ist es für AD(H)Sler oft eine grosse Erleichterung, wenn sie feststellen, dass sie nicht «seltsam» oder gar «dumm» sind, sondern dass ihr Gehirn einfach anders funktioniert, als das der anderen Menschen.
Diagnostische Verfahren
Um bei Kindern den Verlauf einer ADHS positiv beeinflussen zu können, ist eine Früherkennung wichtig. Wenn ADHS nicht erkannt wird, fällt es dem Kind schwer, sich in seinem Umfeld einzugliedern. Um die Früherkennung von ADHS zu verbessern, ist es zunächst wichtig, auf die unterschiedlichen Symptome bei Jungen und Mädchen aufmerksam zu machen.
Für eine Diagnosestellung reicht er jedoch nicht aus.
Im diagnostischen Prozess können diagnostische, das heisst psychometrische Verfahren neben der umfassenden Anamneseerhebung einen wichtigen Beitrag liefern.
Folgende diagnostische Verfahren werden häufig eingesetzt:
- DIVA-5 (Diagnostic Interview for ADHS in adults, 5th edition)
 - WURS-k (Wender Utah Rating Scale, Kurzform)
 - CAARS-L:FB (Conners‘ Adult ADHS Rating Scales, Long Version: Full Version)
 - CAARS-L:SB (Conners‘ Adult ADHS Rating Scales - Self-Report, Langversion)
 - WR-SB (Wender-Reimherr-Selbstbeurteilungsfragebogen)
 - ADHS-Diagnostische Checkliste (ADHS-DC)
 - BSCL (Brief-Symptom-Checklist)
 - SCID-5-SPQ (Structured Clinical Interview for DSM-5® Disorders - Screening Personality Questionnaire)
 
Behandlung von ADHS
Deshalb zielt die Behandlung von ADHS vor allem darauf ab, die Symptome zu regulieren.
Die Behandlung von ADHS umfasst oft eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie, Medikation und Unterstützung durch Bildungs- und Sozialdienste. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome besser zu kontrollieren und den Betroffenen zu helfen, ihre Fähigkeiten zu verstärken und ihre Stärken zu entdecken sowie Strategien zur Bewältigung ihrer Herausforderungen zu entwickeln.
Hierzu gibt es diverse Therapiemöglichkeiten, welche einzeln oder auch kombiniert angewandt werden können. Die Psychoedukation teilt sich auf in Aufklärung, Beratung und Führung. Dabei werden die Patienten und gegebenenfalls ihr unmittelbares Umfeld über das Störungsbild informiert.
Die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen kann Medikamente, interpersonelle Therapie, Verhaltenstherapie und Coaching umfassen.
Bei der Behandlung von AD(H)S setzen Fachpersonen oft auf eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten. Diese stimulieren die dopaminhaltigen Nervenverbindungen im Gehirn und stellen die Informationsübertragung zwischen ihnen wieder her. Dadurch können sich die Betroffenen besser konzentrieren und werden ruhiger.
Bei der AD(H)S-Behandlung ist es, wie bei der Behandlung anderer Störungen oder Krankheitsbilder, nötig, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren. Denn die Präparate wirken bei Betroffenen unterschiedlich und werden nicht von jedem gut vertragen. Der Weg zur optimalen Therapie kann lang sein, weshalb eine begleitende Psychotherapie empfehlenswert ist. Im Rahmen derer lernen Patient:innen, mit AD(H)S zurechtzukommen und bekommen Strategien zur Linderung ihrer Symptome aufgezeigt.
Die Leitlinien sollte die Behandlung der ADHS immer multimodal erfolgen. Deren Bausteine sind die Pharmakotherapie, ergänzt durch psychotherapeutische Interventionen. Unter einer multimodalen Therapie versteht man allgemein die Kombination verschiedener Therapieelemente mit dem Ziel, die Effektivität der Behandlung gegenüber einer Monotherapie zu verbessern.
Medikamentöse Behandlung
In der medikamentösen Therapie von ADHS werden sogenannte Psychostimulanzien eingesetzt, wie zum Beispiel Concerta.
Zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen sind in der Schweiz Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat, Dexmethylphenidat, Lisdexamfetamin und Atomoxetin zugelassen.
Stimulanzien und dabei vor allem Methylphenidat stellen auch bei Erwachsenen die Therapie erster Wahl dar. Wirksamkeit und Sicherheit von Methylphenidat in Tagesdosierungen um 0,5 bis 1 mg/kg Körpergewicht sind mittlerweile mit einer Reihe von Studien gut belegt.
Bei Nichtansprechen auf Methylphenidat oder bei Vorliegen komorbider Störungen, wie zum Beispiel Sucht oder Depression, haben sich Antidepressiva mit noradrenerger Wirkkomponente im klinischen Alltag bewährt, wobei der Effekt auf ADHS-Symptome weniger stark ist als jener der Stimulanzien. Atomoxetine stellt mittlerweile bei Erwachsenen eine wichtige Alternative dar.
Weitere Therapieansätze
Häufig wird das sogenannte Verhaltensmanagement in Kombination mit Elterntraining zur Behandlung von ADHS angewendet. Sport hilft Betroffenen nicht nur ihre Symptome besser zu kontrollieren, sondern vermittelt auch Selbstwert durch Erfolgserlebnisse und erleichtert den sozialen Umgang.
Auswirkungen von ADHS
ADHS kann das Leben in verschiedenen Bereichen negativ beeinflussen, einschliesslich Bildung, Arbeit, soziale Beziehungen und persönliche Entwicklung. Kinder mit ADHS können in der Schule Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren und ihre Leistung zu verbessern, während Erwachsene mit ADHS möglicherweise Schwierigkeiten haben, strukturierte Arbeitspläne einzuhalten oder effektiv mit anderen zu kommunizieren.
Wenn ADHS nicht erkannt wird, fällt es dem Kind schwer, sich in seinem Umfeld einzugliedern.
Auch wenn jeder Mensch die Störung anders wahrnimmt: AD(H)S beeinflusst den Alltag erheblich. Betroffenen fällt es zum Beispiel schwer, organisiert zu bleiben, Termine zu planen und einzuhalten sowie unbeschwert in soziale Situationen zu gehen.
Die (meist unbehandelte) Störung im Erwachsenenalter hat einen Einfluss auf das Nichterreichen angestrebter persönlicher und beruflicher Ziele trotz vorhandener Fähigkeiten, ruft Probleme hervor, wenn Routine und Disziplin bei der Arbeit gefordert werden, führt oft zu erhöhten Abbruchraten im Bereich beruflicher Tätigkeiten beziehungsweise sogar zur Arbeitslosigkeit. Auch Beziehungsprobleme (u.a. bedingt durch Impulsivität) sind mit der Störung assoziiert.
Begleiterkrankungen
ADHS tritt häufig zusammen mit anderen neurologischen und psychischen Erkrankungen auf, sogenannte Begleiterkrankung. Teilweise sind diese Begleiterkrankungen die Folge einer unbehandelten ADHS.