ADHS: Was ist das?

ADHS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung und ist eine der häufigsten psychischen Störungen in der Kindheit. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist ein Expertenzentrum für die Diagnostik und Behandlung der ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Abklärungen und Behandlungen der ADHS werden in allen Ambulatorien unserer Klinik durchgeführt.

Was ist ADHS?

ADHS ist keine Krankheit im klassischen Sinne, sondern eine neurobiologische Entwicklungsstörung wie Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) und Dyskalkulie (Rechenschwäche) sowie Formen des Autismus. Grund der Störung ist, dass Botenstoffe im Gehirn nicht richtig weitergeleitet werden und es daher zu Fehlern in der Informationsverarbeitung kommt.

ADHS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Das ist eine der häufigsten psychischen Störungen in der Kindheit. Ihre Häufigkeit bei Kindern und Jugendlichen liegt weltweit bei etwa fünf Prozent.

Die ADHS-Definition zufolge geht die Störung mit folgenden Hauptsymptomen einher:

  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche
  • ausgeprägte Impulsivität
  • extreme Unruhe (Hyperaktivität)

Menschen mit ADHS haben anders entwickelte Fähigkeiten als ihre Mitmenschen. Sie haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren (Aufmerksamkeitsdefizit), still zu sitzen (Hyperaktivität) und ihre Impulse zu kontrollieren (Impulsivität). Diese Verhaltensweisen beeinträchtigen sie in allen Lebensbereichen: In der Schule, weil sie nicht aufmerksam zuhören können, im Beruf, weil sie Schwierigkeiten mit Autoritäten haben oder in sozialen Beziehungen, weil ihr impulsives Verhalten als rücksichtslos empfunden wird. Menschen mit ADHS können auch eher in die Schuldenfalle geraten, weil sie Schwierigkeiten im Umgang mit Geld haben, zu Impulskäufen neigen oder vergessen, Rechnungen zu bezahlen.

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Die Symptome von ADHS können unterschiedlich ausgeprägt sein. Sie müssen aber spätestens ab dem 12. Lebensjahr vorhanden sein, damit von ADHS gesprochen werden kann. ADHS kann sich also nicht erst im Erwachsenenalter entwickeln. Trotzdem erfolgen viele Diagnosen erst im Erwachsenenalter - weil die Symptome in der Kindheit nicht erkannt oder nicht abgeklärt wurden. Eine Diagnose ist oft aufwändig und langwierig, aber lohnenswert. Mit der richtigen Behandlung kann die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden. Sie empfinden zudem oft Erleichterung, wenn sie feststellen, dass ihr Gehirn einfach anders funktioniert als das anderer Menschen und sie deshalb nicht 'seltsam', 'faul' oder 'dumm' sind.

Ursachen für ADHS

Warum Menschen ADHS entwickeln, ist nicht abschliessend geklärt. Der wichtigste Faktor ist jedoch die genetische Veranlagung. Wenn bei einer Person in der Familie ADHS diagnostiziert wird, ist es wahrscheinlich, dass auch andere Familienmitglieder betroffen sind.

Hinter den Symptomen verbirgt sich eine Stoffwechsel- und Funktionsstörung im Gehirn. Bei Menschen mit ADHS ist das Gleichgewicht der Botenstoffe gestört - insbesondere das von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin.

Umweltfaktoren können bei der Entwicklung von ADHS ebenfalls eine Rolle spielen. Dazu zählen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Traumata sowie die Exposition gegenüber Schadstoffen in der frühen Kindheit.

Symptome von ADHS

Aufmerksamkeitsdefizit, Impulsivität und Hyperaktivität gelten als die drei Hauptsymptome von ADHS. Diese Symptome sind jedoch sehr komplex und können in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten.

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Die Symptome der ADHS variieren je nach Alter und Entwicklungsstand. Betroffene Vorschulkinder fallen vor allem durch Bewegungsunruhe und Hyperaktivität auf. Im Grundschulalter äussert sich das besonders in Situationen, in denen das betroffene Kind still sitzen soll und fällt deswegen vor allem in der Schule auf. Im Jugendalter manifestiert sich die Hyperaktivität eher als innere Unruhe und bleibt in dieser Form oftmals bis ins Erwachsenenalter bestehen.

Ein ähnlicher Trend zeigt sich auch bei der Aufmerksamkeitsstörung. Im Grundschulalter macht sie sich vorwiegend im Klassenzimmer bemerkbar und die betroffenen Kinder können sich oftmals nicht so lange konzentrieren wie ihre Schulkameraden. Mit zunehmendem Alter und somit auch zunehmender Entwicklung nimmt die Intensität des Symptoms oftmals ab. Dennoch bleibt die Aufmerksamkeitsspanne betroffener Kinder auch mit zunehmendem Alter reduziert im Vergleich zu Gleichaltrigen.

Das dritte Kernsymptom, die Impulsivität, hat eine höhere Stabilität. Zwar kann auch dieses Symptom mit steigendem Alter abnehmen, es zeigt sich aber in vielen Fällen eine hohe Konstanz.

Merkmale von ADHS können sein:

  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • leichte Ablenkbarkeit durch die Umgebung oder eigene Gedanken
  • fehlende Motivation, Prokrastination, Probleme, länger an einer Sache zu bleiben
  • Verträumt, in die eigenen Gedanken versunken, geistig abwesend
  • Vergesslichkeit und/oder Desorganisation
  • Probleme bei der Planung, Priorisierung und Einhaltung von Fristen
  • Fehlendes Zeitgefühl (Time Blindness)
  • erhöhter Bewegungsdrang, Unfähigkeit, länger stillzusitzen oder sich zu entspannen
  • innere Unruhe, Gedankenkarussell oder rasende Gedanken, das Gefühl, nicht abschalten zu können
  • übermässiges Reden
  • Hyperfokus/Tunnelblick, alles um sich herum zu vergessen
  • überstürztes Handeln, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, Wutausbrüche
  • Risikofreudigkeit wie schnelles Fahren, Drogen, Extremsportarten
  • Schneller Stimmungswechsel, Frustration, Wutausbrüche, niedriges Selbstwertgefühl
  • grosse Angst vor Zurückweisung

Kriterien für Unaufmerksamkeit nach ICD-10:

  • Die Kinder sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Sorgfaltsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten.
  • Sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrecht zu erhalten.
  • Hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird.
  • Können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen (nicht wegen oppositionellen Verhaltens oder weil die Erklärungen nicht verstanden werden).
  • Sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren.
  • Vermeiden häufig ungeliebte Arbeiten, wie Hausaufgaben, die geistiges Durchhaltevermögen erfordern.
  • Verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben wichtig sind, z. B. für Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge.
  • Werden häufig von externen Stimuli abgelenkt.
  • Sind im Verlauf der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich.

Kriterien der Hyperaktivität nach ICD-10:

  • Die Kinder fuchteln häufig mit Händen und Füßen oder winden sich auf den Sitzen.
  • Verlassen ihren Platz im Klassenraum oder in anderen Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird.
  • Laufen häufig herum oder klettern exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen und Erwachsenen entspricht dem nur ein Unruhegefühl).
  • Sind häufig unnötig laut beim Spielen oder haben Schwierigkeiten bei leisen Freizeitbeschäftigungen.
  • Zeigen ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivitäten, die durch den sozialen Kontext oder Verbote nicht durchgreifend beeinflussbar sind.

Kriterien der Impulsivität nach ICD-10:

  • Die Kinder platzen häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage beendet ist.
  • Können häufig nicht in einer Reihe warten oder warten, bis sie bei Spielen oder in Gruppensituationen an die Reihe kommen.
  • Unterbrechen und stören andere häufig (z. B. mischen sie sich ins Gespräch oder Spiel anderer ein).
  • Reden häufig exzessiv ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren.

Positive Seiten von ADHS

Obwohl Menschen mit ADHS oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, dürfen wir nicht vergessen, dass ihre Fähigkeiten auch viele positive Seiten haben. Sie sind oft sehr kreativ, finden ungewöhnliche Lösungen, sind begeisterungsfähig und sensibel. Gerade in schwierigen Situationen laufen sie zur Höchstform auf.

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Diagnose von ADHS

Die Diagnosestellung für ADHS ist aufwändig und anspruchsvoll. Die ADHS-Diagnose sollte immer durch Fachpersonen erstellt werden. In unserer Klinik nutzen wir für die Diagnosestellung die internationale Klassifikation der Störungen ICD-11 der WHO, nach der die Kriterien und Symptome definiert werden.

Um die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu stellen, muss ein Kind zumindest moderat beeinträchtigt sein in seiner Funktionsfähigkeit. Die Symptome und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen treten situationsübergreifend auf. Sollte dies nicht der Fall sein, das heisst, die Symptome treten nur in einer spezifischen Situation auf, sind weitere Abklärungen vorzunehmen. Der Beginn der Störung findet vor dem 7. Lebensjahr statt.

Die Diagnose ADHS wird von einer Ärztin oder einem Arzt nach einer umfassenden Untersuchung gestellt. Dabei ist es wichtig, andere medizinische oder psychische Ursachen auszuschliessen. Es ist nicht möglich, ADHS mit einem einzigen Test festzustellen. Die Abklärung erfolgt in mehreren Schritten, einschliesslich Gesprächen über das Verhalten, die Symptome und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Lebensbereiche der Betroffenen.

Für die Diagnose ADHS müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Symptome müssen vor dem 12. Lebensjahr auftreten und länger als 6 Monate andauern.
  • Die Symptome müssen in verschiedenen Lebensbereichen auftreten.
  • Die Symptome müssen mehrere Kriterien eines anerkannten Klassifikationssystems erfüllen. Dazu gehören DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen), ICD-10 und ICD-11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten).

Ablauf der ADHS-Abklärung:

  • Erstgespräch (umfassende Anamnese): Erhebung der Krankengeschichte, der Biographie und aktueller Beschwerden.
  • Neuropsychologische Testung (insgesamt ca. 4-5 Stunden): Durchführung standardisierter Verfahren zur Beurteilung der kognitiven Funktionen.
  • Standardisierte Interviews und Fragebogen
  • Fremdanamnese/ Aktenanamnese: Befragung von Bezugspersonen (z. B. Eltern) zur Einschätzung des Verhaltens in der Kindheit und verschiedenen Lebensbereichen. Durchsicht der Zeugnisse.
  • Abschlussgespräch: Besprechung der Ergebnisse und Empfehlungen für weitere Schritte.

Folgende Methoden werden bei der Diagnosestellung genutzt:

  • Befragung von Familie, Kind, Jugendlichem und anderen Bezugspersonen: Gefragt wird nach den aktuellen Verhaltensproblemen und typischen Situationen, in denen das Problemverhalten auftritt, sowie nach dem Leidensdruck aller Beteiligten. Es werden lebensgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungsschritte in Familie, Kindergarten oder Schule des Kindes erfragt.
  • Ausschluss von anderen Ursachen (Differentialdiagnose): Wir prüfen, ob die ADHS-Symptome durch andere Störungen ausgelöst werden. Es kann dazu z.B. eine Untersuchung des Kindes erforderlich sein (bspw. Hör- und Sehtests), Laboruntersuchungen, selten neurologische Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren. Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen treten bei Kindern mit ADHS häufiger auf.
  • Fragebogenverfahren: Wir setzen ADHS-Fragebogen ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und -je nach Alter - von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden. Dabei wird systematisch nach den für ADHS relevanten Problemen inkl.
  • Testpsychologische Untersuchungen: Mittels Tests erfassen wir Leistungsprobleme oder auch Stärken. Meist wird zunächst ein Test zum allgemeinen Leistungsniveau (Intelligenztest) durchgeführt, der sich aus mehreren Untertests zu unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzt. Weitere Testverfahren, auch am Computer.

Behandlung von ADHS

Bei der Behandlung von ADHS geht es darum, die Symptome zu lindern und Strategien zu entwickeln, um mit ADHS-bedingten Schwierigkeiten im Alltag zurechtzukommen. Eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie, Anpassungen der Umgebung und Unterstützung durch das soziale Umfeld kann dabei helfen.

Primäres Ziel der Behandlung von ADHS ist die Verminderung des subjektiven Leidensdrucks sowie die Erhöhung der Lebensqualität. Hierzu gibt es diverse Therapiemöglichkeiten, welche einzeln oder auch kombiniert angewandt werden können.

Behandlungsoptionen:

  • Aufklärung über die Behandlungsoptionen und Notwendigkeiten sowie gemeinsame Entscheidungsfindung.
  • Wenn eine sehr deutliche Beeinträchtigung vorliegt, besteht die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung.
  • Für Eltern mit einem Kind mit ADHS bis 12 Jahre besteht zudem die Möglichkeit der Teilnahme an einem störungsspezifischen Elterntraining.

Therapiemöglichkeiten:

  • Psychoedukation: Aufklärung, Beratung und Führung. Dabei werden die Patienten und gegebenenfalls ihr unmittelbares Umfeld über das Störungsbild informiert.
  • Medikamentöse Therapie: Methylphenidat ist 1. Wahl.
  • Verhaltenstherapie: Strukturierte Interventionen zur Förderung von Selbstregulierung und sozialen Fähigkeiten.
  • Unterstützung im schulischen Umfeld: Individuelle Lernpläne und Lehreranpassungen können den Schulerfolg fördern.
  • Elterntraining: Eltern werden darin geschult, Techniken zur Bewältigung von ADHS-bezogenen Herausforderungen zu erlernen.

Es werden verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Inhaltlich sind aber einige Gemeinsamkeiten wie der Umgang mit Desorganisiertheit, Verbesserung der Aufmerksamkeit oder auch Impulskontrolle vorhanden. Es geht in erster Linie darum, den Umgang mit der Symptomatik zu erlernen und zu festigen.

Wichtig: ADHS ist nicht heilbar. Die richtige Therapie kann den Betroffenen aber eine normale Entwicklung und ein möglichst normales Leben ermöglichen.

ADHS-Prognose - Folgen ohne Behandlung

Für Menschen mit ADHS sind die richtige Diagnose und eine passende Behandlung essenziell, da sie sonst schwerwiegende Probleme in der Schule oder im Beruf sowie im sozialen Kontakt bekommen können.

Für Menschen mit ADHS besteht zudem ein hohes Risiko, weitere psychische Störungen zu entwickeln. Dazu gehören:

  • Entwicklungsstörungen
  • Lernstörungen
  • Störungen des Sozialverhaltens
  • Tic-Störungen und das Tourette-Syndrom
  • Angststörungen
  • Depressionen

Wichtig ist, dass ADHS rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Eine professionelle Unterstützung ermöglicht es Kindern, die Grundlagen für ihre berufliche Laufbahn zu legen.

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