In unserer Gesellschaft, in der jeder in seiner Blase sitzt und gekränkt ist, weil es auch noch andere Meinungen gibt, ist passiv-aggressives Verhalten weit verbreitet. Auch in der Politik will man gar nicht mehr diskutieren: Der Wähler, der eine andere Meinung hat, gilt als bockiges Kind, das man mit Nichtachtung straft.
Was ist passives Verhalten?
In der Psychologie nennt man eine solche Form demonstrativer Kommunikationsverweigerung passiv aggressives Verhalten. Passiv aggressive Menschen antworten nicht, verlassen schweigend den Raum oder tun so, als hätten sie eine Frage nicht gehört oder nicht verstanden. Beliebt sind auch sarkastische Antworten wie: «Na, das haben Sie aber toll gemacht.» Das Motiv hinter dem passiv aggressiven Verhalten ist im Grunde Feigheit. Die entsprechende Person bringt nicht den Mut auf, offen Kritik zu äussern, und verschanzt sich stattdessen hinter Trotz und destruktivem Verhalten.
Ein bekanntes Zitat des Philosophen Paul Watzlawick (1921-2007) lautet „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das soll heißen, Kommunikation ist mehr als das Aussprechen von Worten. Selbst durch Ihre Körperhaltung, Mimik und sogar Ihr Styling kommunizieren Sie mit Ihrem Gegenüber nonverbal.
Laut Schulz von Thun hat psychologisch gesehen jede Nachricht vier Seiten: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis und Appell. Das gilt sowohl für Sendende einer Nachricht als auch für Empfangende. Für eine erfolgreiche Kommunikation müssen aber alle psychologischen Aspekte berücksichtigt werden.
Verschiedene Kommunikationsstile
Die Kommunikationsart Ihrer Teammitglieder entscheidet, wie sich jedes Mitglied ausdrückt. Nicht nur untereinander, sondern auch im Austausch mit Externen und in Einzelgesprächen mit Führungskräften.
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Selbstbewusster Kommunikationsstil
Eine selbstbewusste Kommunikation ist die Grundlage einer offenen und sich ständig verbessernden Arbeitsumgebung. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit. Teammitglieder arbeiten teamorientiert. Teammitglieder respektieren sich. Teammitglieder können ihre Gefühle ausdrücken. Teammitglieder sind kritikfähig. Teammitglieder haben klare Ziele und Erwartungen.
Passiver Kommunikationsstil
Ein weitverbreiteter Stil ist der passive Kommunikationsstil. Vermutlich fühlen sich Teammitglieder, die einen passiven Kommunikationsstil pflegen, unwohl an ihrem Arbeitsplatz oder auch im Kontakt mit Menschen generell. Sie können erhöhtem Stress ausgesetzt sein, weil sie mit Unklarheiten konfrontiert sind.
Diese Ursache können Sie beheben, indem Sie einen Plan mit klaren Vorgaben erstellen. In diesem sollten Sie für Teammitglieder festlegen, wer welche Kommunikationstools wann und wie verwendet.
Aggressiver Kommunikationsstil
Auch der aggressive Kommunikationsstil ist häufig in Teams zu finden. Häufig fühlen sich Teammitglieder bewusst oder unbewusst von ihrem Umfeld alleingelassen oder sogar angegriffen, wenn sie aggressiv kommunizieren.
Sie können aggressiv kommunizierenden Teammitgliedern helfen, indem Sie Rollen und Verantwortlichkeiten eindeutig zuweisen. Teilen Sie ein, wer zuständig ist, Deadlines im Blick behält, Freigaben erteilt und den Statusbericht erstattet.
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Passiv-aggressiver Kommunikationsstil
Der Umgang mit passiv-aggressiv kommunizierenden Teammitgliedern kann sich komplex gestalten. Meist gehen passiv-aggressive Teammitglieder davon aus, dass ihre Meinung gar nicht erst ausgesprochen werden sollte, weil sie sowieso nicht ernst genommen werden. Vermutlich haben sie bereits des Öfteren negative Erfahrungen gemacht und meiden es darum, überhaupt ihre Anliegen und Bedürfnisse zu äußern. Häufig sind sie sich ihres passiv-aggressiven Kommunikationsstils gar nicht bewusst.
Zunächst sollten Sie passiv-aggressiv kommunizierenden Teammitgliedern keine bösen Absichten unterstellen. Suchen Sie das Gespräch, um Betroffene auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen. Bieten Sie alternative Kommunikationsstile und Konfliktlösungen an und führen Sie Teambuildingmaßnahmen ein. Auch die Motivation, mehr Kaffeegespräche zu führen, kann bei der Vermeidung und Vorbeugung passiv-aggressiver Kommunikation helfen.
Kommunikationsstile nach Schulz von Thun
Unser Kommunikationsstil gibt Aufschluss über unsere Selbstwahrnehmung. Die im Folgenden beschriebenen Stile haben sowohl positive als auch negative Aspekte. Beachten Sie, dass die Kommunikationsstile in der Realität nicht 1:1 zugeordnet werden können. Verwendet werden immer Mischformen aus verschiedenen Stilen, die je nach Situation, Gesprächspartner:in und Beziehungsebene stärker in die eine oder andere Richtung ausgeprägt sein können.
Bedürftig-abhängiger Kommunikationsstil
Ihrem Teammitglied merken Sie den bedürftig-abhängigen Kommunikationsstil an seiner Hilflosigkeit und permanenten Überforderung an. Die Person würde niemals proaktiv das Ruder in die Hand nehmen. Stattdessen verhält sie sich passiv und bittet entweder ganz direkt oder aber durch Jammern und Verteilen von Komplimenten um Hilfe.
Helfender Kommunikationsstil
Mitarbeitende, die einen helfenden Kommunikationsstil pflegen, strahlen pure Kompetenz aus. Sie werden von anderen als unabhängig und verständnisvoll wahrgenommen. Ihr empathisches Auftreten und die Gabe, wunderbar im Zuhören zu sein, macht sie zur ersten Anlaufstelle für andere Mitarbeitende. Es fällt ihnen sichtlich schwer, Nein zu sagen. Häufig entwickeln sie schon in der Kindheit ein Helfersyndrom.
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Selbstloser Kommunikationsstil
Der selbstlose Kommunikationsstil ähnelt dem helfenden Stil. Jedoch ist er sehr viel ausgeprägter. Mitarbeitende möchten nicht nur weiterhelfen, sondern sie möchten es wirklich allen recht machen. Das Verhalten kann sogar an Unterwürfigkeit grenzen, denn solche Mitarbeitende sehen sich selbst als wertlos an. Niemals würden sie einen Konflikt riskieren. Sie bejahen alle Aussagen, um die Gesprächspartner:innen zufriedenzustellen. Zu groß ist die Angst, abgelehnt und verstoßen zu werden.
Aggressiv-entwertender Kommunikationsstil
Mitarbeitende mit einem aggressiv-entwertenden Kommunikationsstil machen sich nicht hinter dem Rücken ihrer Kolleg:innen lustig. Sie stellen diese öffentlich bloß. Indem sie andere klein machen, fühlen sie sich größer. Sie suchen sich gezielt „Schwächere“, die sie unterdrücken und drangsalieren können. Sie agieren nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“.
Sich beweisender Kommunikationsstil
Mitarbeitende mit einem sich beweisenden Kommunikationsstil lassen keine Chance aus, zu betonen, wie fabelhaft sie doch sind. Es geht weniger darum, dies anderen zu beweisen als sich selbst. Die Anforderungen, die sie an sich stellen, sind besonders hoch. Daher packen sie jede Aufgabe ehrgeizig und mit voller Einsatzbereitschaft an. Sie sind perfektionistisch veranlagt und erledigen jedes To-do auf ihrer Liste zuverlässig.
Bestimmend-kontrollierender Kommunikationsstil
Mitarbeitende mit einem bestimmend-kontrollierenden Kommunikationsstil halten sich selbst für allwissend. Im Gespräch werten sie andere automatisch ab. Sie neigen dazu, andere Mitarbeitende permanent zu korrigieren und zu verbessern. Bevor jemand eine Aufgabe (in ihren Augen) falsch erledigt, reißen sie sich das Projekt lieber selbst unter den Nagel. In ihnen herrscht dauerhaft die Angst vor einem Kontrollverlust. Neuen Ansätzen gegenüber sind sie aus Prinzip skeptisch.
Passiv-aggressives Verhalten im Alltag
Die Spielarten sind vielfältig - und oft so subtil, dass man sie erst im Nachhinein bemerkt:
- Verweigerung durch Schweigen: Statt zu sagen, dass etwas nicht passt, wird der Kontakt einfach eingestellt. Funkstille - ohne Erklärung.
- Sabotage in der Zusammenarbeit: Aufgaben werden «vergessen», Termine verpasst oder sabotiert - aus Versehen natürlich. Man stellt sich unwissend.
- Sarkasmus als Waffe: «Das hast du ja wieder mal grossartig gemacht» - klingt wie Lob, ist aber pure Abwertung.
- Pseudo-Zustimmung: «Klar, machen wir so.» Aber danach wird der Plan systematisch untergraben.
Ursachen für passiv-aggressives Verhalten
Psychologen sehen passiv-aggressives Verhalten oft als Selbstschutzstrategie. Viele Menschen haben nie gelernt, Ärger oder Frust gesund zu äussern, und haben starke Angst vor Ablehnung, wenn sie ihre Meinung sagen. Also weichen sie auf indirekte Wege aus.
Die Wurzeln für passiv-aggressives Verhalten liegen oft tief in der Kindheit. Häufig stammen die Personen aus einem Umfeld, in dem offene Emotionen - insbesondere Wut oder Frustration - nicht erwünscht oder sogar bestraft wurden. Sie lernen früh: Direkter Ärger ist gefährlich, unerwünscht oder mit Liebesentzug verbunden. Das Resultat: Die natürliche Fähigkeit, Konflikte gesund auszutragen, verkümmert.
Ein weiterer zentraler Punkt: Viele passiv-aggressive Menschen tragen tief sitzende Scham- oder Minderwertigkeitsgefühle in sich. Sie haben Angst, durch Offenheit abgelehnt oder verletzt zu werden - und versuchen deshalb, auf subtilen Wegen die Kontrolle zu behalten.
Forscher der Mayo Clinic sehen passiv-aggressives Verhalten zudem oft im Zusammenhang mit narzisstischen Persönlichkeitszügen. In solchen Fällen wird es gezielt eingesetzt, um andere zu kontrollieren oder zu bestrafen und sich dabei selbst überlegen zu fühlen.
Umgang mit passiv-aggressiven Personen
Der Umgang mit passiv-aggressiven Personen ist herausfordernd - aber nicht hoffnungslos:
- Verhalten erkennen und benennen: Sage klipp und klar: «Mir fällt auf, dass du oft ignorant reagierst, wenn dich etwas stört. Was ist los?»
- Nicht persönlich nehmen: Passiv-aggressives Verhalten sagt mehr über den anderen aus als über dich.
- Grenzen setzen: Wenn das Verhalten zur Belastung wird: Ziehe eine klare Linie.
- Hilfe vorschlagen: Ermutige diesen Menschen zur Selbstreflexion oder sogar dazu, professionelle Hilfe anzunehmen.
Wenn Sie selbst zu passiv-aggressivem Verhalten neigen, stellen Sie sich folgende Fragen:
- Warum fällt es mir schwer, direkt zu sagen, was ich denke?
- Welche Ängste hindern mich daran, ehrlich zu sein?
- Wie kann ich lernen, Konflikte offen zu führen?
Passive Aggressivität im Arbeitsumfeld
Amy Gallo, Spezialistin für Konflikte am Arbeitsplatz bei der «Harvard Business Review», unterscheidet in ihrem Buch «Getting Along - How to Work with Anyone (Even Difficult People)» acht Gruppen von Arbeitskollegen der anstrengenden Sorte. Auf Platz 1 finden sich die Passiv-Aggressiven. Konflikte nicht offen auszutragen, hat zudem einen verheerenden Effekt. Die Folge, so Gallo, seien Burn-outs, Depressionen, nachlassende Leistungsbereitschaft, ein miserabler Team-Spirit sowie Kündigungen. Sie nennt die passive Aggressivität «toxisch».
Historischer Kontext
Zum ersten Mal benannt hat es 1945 ein Oberst der US-Armee, der damit unkooperative Soldaten beschrieb. William Menninger notierte, seine Leute würden sich Befehlen nicht offenkundig widersetzen, aber Aufträge «vergessen», absichtlich lausig ausführen oder sich dabei dumm anstellen. Sie betrieben «Obstruktion».
Fazit
Passiv-aggressives Verhalten mag harmlos wirken - doch es ist alles andere als das. Es vergiftet Beziehungen, untergräbt Vertrauen und verhindert echte Nähe. Der Schlüssel liegt im Mut zur Offenheit. Denn wer sagt, was ihn oder sie wirklich stört, schafft Klarheit - und damit die Chance auf Veränderung.
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