Narzissmus ist ein Begriff, der heutzutage oft verwendet wird und fast schon ein Trendbegriff ist. Wir gebrauchen das Wort inflationär. Es gibt etliche Bücher, noch mehr Postings auf Social Media, und überhaupt wird seit einigen Jahren der Begriff Narzissmus populärer, überall scheinen Narzissten förmlich zu lauern.
Nicht alle, die so etikettiert werden, sind von einer Persönlichkeitsstörung betroffen, einige haben vielleicht narzisstische Eigenschaften, die wiederum oft als "toxisch" empfunden werden. Menschen mit narzisstischen Zügen neigen dazu, sich selbst für grossartig zu halten, häufig treten sie auch entsprechend auf.
Sie können zunächst charismatisch und attraktiv wirken, zeigen aber mit der Zeit oft negative Verhaltensweisen wie Egozentrismus oder die Tendenz, andere auszunutzen. Neben dieser eher offensichtlichen Form des sogenannten grandiosen Narzissmus gibt es eine weitere, die man nicht so gut erkennt: Den vulnerablen oder verdeckten Narzissmus. Auch die Menschen, die davon betroffen sind, haben ein Bedürfnis nach Bewunderung und fühlen sich ihren Mitmenschen überlegen, lassen das aber nicht sofort erkennen.
Bisweilen wird der vulnerable Narzissmus als die gefährlichere Art bezeichnet. Doch nicht nur andere, vor allem die Betroffenen selbst leiden durchaus darunter.
Was bedeutet "verdeckter" Narzissmus?
Laut Claire Hart, Psychologieprofessorin an der University of Southampton, sind verdeckte Narzissten "zerbrechlicher". Sie leiden unter einem labilen Selbstwertgefühl und brauchen, um ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten, Bestätigung von aussen.
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Wenn dieses Selbstbild angegriffen wird durch Kritik oder auch Konkurrenz, werden sie wütend. Und vulnerable Narzissten verhalten sich öfter passiv-aggressiv als konfrontativ. Sie schikanieren dann etwa andere, "weil sie sich ihrer selbst nicht sicher sind", so Hart im Wissenschaftsmagazin "BBC Science Focus".
In Beziehungen seien sie in der Regel sehr viel bedürftiger, können aber auch auf eine Weise kontrollierend und manipulativ sein, die nicht offensichtlich ist, erklärt Hart. Verdeckt eben. Wie bei der sogenannten grandiosen Form haben auch die vulnerablen Narzissten ein Problem mit Empathie - besser gesagt: zu wenig davon. Das heisst, sie können (oder wollen) die Gefühle und Bedürfnisse anderer nicht erkennen oder sich nicht in sie hineinversetzen.
Anzeichen für vulnerablen Narzissmus
Diese Art des Narzissmus umfasst unter anderem:
- Überlegenheits- und Anspruchsdenken: Sie fühlen sich - intellektuell oder moralisch etwa - überlegen und möchten auch so behandelt werden, zeigen das aber nicht offen, sondern subtil.
 - Bedürfnis nach Bestätigung: Sie prahlen nicht, sondern suchen Anerkennung indirekt, also auf Umwegen. Etwa, indem sie sich selbst herabwerten und dadurch positive Rückmeldungen bekommen. Oder in die andere Richtung: Sie geben sich besonders hilfsbereit, sodass man ihnen dankbar sein muss
 - Überempfindlichkeit gegenüber Kritik: Selbst konstruktive Kritik können sie als persönlichen Angriff empfinden. Sie reagieren oft defensiv, wütend oder ziehen sich beleidigt zurück.
 
Narzissten am Arbeitsplatz
Narzissten begegnet man in der Arbeitswelt in den unterschiedlichen Rollen: Mitarbeiter, Vorgesetzte, Kollegen. Gemäß Sigmund Freud wird Narzissmus bei Kindern ab ca. Ein narzisstisches Kind glaubt, dass es unfehlbar ist. Kindern fällt es manchmal schwer, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Stattdessen sollte ein Kind wissen, dass es Fehler machen darf. Sonst wird es nicht verstehen, dass es normal ist, dass Menschen Dinge ausprobieren und manchmal scheitern. Von anderen kritisiert zu werden, ist für alle unangenehm.
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Natürlich muss es nicht alles hinnehmen. Wichtig ist, dass er ehrlich mit geäußerter Kritik umgeht. Es fühlt sich überlegen. Es ist normal, dass Kinder sich mit anderen vergleichen. Es spricht schlecht über andere. Narzisstische Kinder fühlen sich nicht nur besser, sie wollen diese Tatsache auch ständig kommunizieren. Es will seine Meinung bestätigen.
Ein narzisstisches Kind hat nicht nur ein Problem mit Kritik, es akzeptiert sie schlichtweg nicht. Es wird alles von sich weisen. Wichtig ist, dem Kind mit Wertschätzung und Liebe zu begegnen. Das Kind für die guten Dinge loben und freundlich auf anderes hinweisen. Ein Kind darf Fehler machen dürfen. Es darf Kritik als Geschenk entgegennehmen, weil man daran wachsen kann. Es darf anders sein als Kollegen, aber nicht besser oder schlechter.
Insbesondere die Selbstreflektion der Eltern ist wichtig. Eltern sind Vorbilder. Man muss davon ausgehen, dass das narzisstische Kind ein kompliziertes Leben führen wird.
Umgang mit Narzissten am Arbeitsplatz
Wenn man der Situation nicht entkommen kann, gilt es, achtsam vorzugehen: Das Ego des Narzissten befriedigen, loben, schmeicheln. Das kann schwierig sein. Eine Konfrontation ist kontraproduktiv.
Kritik sollte sorgfältig verpackt und in der Ich-Botschaft so genau wie möglich formuliert werden. Im Gegensatz zur Partnerschaft mit einem Narzissten ist man dem Chef oder Mitarbeiter nicht im gleichen Maße ausgesetzt. Deshalb ist hier eine Entwicklung als Co-Narzisst möglich.
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Was kann man tun, wenn man es mit einem vulnerablen Narzissten zu tun hat?
- Informieren: Je mehr man über vulnerablen Narzissmus weiss, desto besser versteht man das Verhalten und kann damit umgehen und sich schützen.
 - Selbstfürsorge: Der Umgang mit verdeckten Narzissten kann emotional belastend sein und viel Energie kosten. Daher ist es wichtig, sich um sich selbst und seine Bedürfnisse zu kümmern.
 - Keine Schuldgefühle: Die betroffene Person, nicht Sie, ist für ihr Verhalten verantwortlich. Auch wenn Ihnen klar ist, dass das Verhalten Ausdruck einer Selbstwertstörung ist, "kann es bei Ihnen Ärger und Aggression auslösen. Machen Sie sich keine Vorwürfe wegen solcher Gefühle. Sie sind völlig verständlich", rät der Psychologe Prof. Udo Rauchfleisch im Fachmagazin "Psychologie Heute Dossier".
 - Grenzen setzen und kommunizieren: Schwierig, wenn es um einen Kollegen oder die Vorgesetzte geht, im Privaten aber könne man "in taktvoller, aber klarer Weise eine Rückmeldung geben", wie man das Verhalten empfindet. Und notfalls auch - zumindest für einige Zeit - den Kontakt abbrechen, so Rauchfleisch weiter.
 - Hilfe suchen: Wenn der Umgang zu belastend wird, sollte man mit nahestehenden Menschen oder auch professionellen Helfern sprechen, die dabei unterstützen können, die eigene Situation zu klären.
 
Professionelle Hilfe
Nicht zuletzt: Vulnerabler Narzissmus bedeutet, dass vor allem die Betroffenen ein echtes Problem haben und innere Not erleben. In einer Therapie können sie lernen, ihre Symptome zu managen, und das macht ihren Alltag und den Umgang mit ihnen einfacher.
In einer Therapie können sie lernen, ihre Symptome zu managen, und das macht ihren Alltag und den Umgang mit ihnen einfacher. Burnout zeigt sich oft bei Mitarbeitenden, die an ihrem Arbeitsplatz von narzisstischen Kollegen oder Vorgesetzten von der GL meist unbemerkt emotional unter Druck gesetzt werden.
Oft kommt es in der betroffenen Abteilung zudem zu einer hohen Fluktuation von Mitarbeitenden, was das Unternehmen auf die Dauer viel Geld kostet. Auch hier braucht es dringend Abhilfe in Form von entsprechender Information und Weiterbildung der GL und des HR. Wie erkennt man emotionalen Missbrauch? Wie geht man dagegen vor? Wie führt man zielführende Gespräche mit den Betoffenen?
Wenn man den Narzissten verlassen möchte, muss man sich bewusst sein, dass es gefährlich werden kann. Deshalb muss man sich optimal darauf vorbereiten. Zuerst braucht man eine geeignete Wohnung. Bei Freunden unterzukommen ist suboptimal. Das funktioniert meistens zwei bis drei Wochen gut, bevor man beginnt, sich unwohl zu fühlen. Schließlich ist man Gast.
Des Weiteren braucht man Geld. Sei es, dass man sich einen Job organisiert und schaut, ob man Geld zur Seite legen kann. Wichtig ist, dass man Menschen hat, die einen unterstützen. Freunde, eine Selbsthilfegruppe, Therapeuten. Man wird dieses Netz brauchen. Der Narzisst wird versuchen, die Beziehung zu kitten. Wenn der Zugang bestehen bleibt, wird er es schaffen.
Das Wichtigste überhaupt: wenn man sich entschieden hat zu gehen, darf man darüber mit dem Narzissten nicht diskutieren.
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