Angst ist eine angeborene menschliche Reaktion, die schützt und das Überleben sichert. Angst vor etwas zu haben, ist ganz natürlich. Das kennen wir alle. Die Frage ist daher vielmehr, wann ist es eine krankhafte Angststörung, die es zu behandeln gilt? Wird das Gefühl der Angst immer stärker? Eine übertriebene Angst kann zu einer psychischen Erkrankung werden. Ist sie jedoch unbegründet oder übertrieben stark, kann sie zu einer psychischen Erkrankung werden.
Was sind Angststörungen?
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Seit der Pandemie hat die Zahl der Betroffenen zugenommen. Angststörungen sind eine besonders häufig auftretende psychische Krankheit. Rund 15 bis 20 Prozent aller Schweizer/-innen sind davon im Laufe ihres Lebens betroffen. Sie sind mit Erkrankungen der Gefühlsregulation - vor allem der Depression - verwandt. Angststörungen treten dagegen übermässig häufig und intensiv auf, auch ohne konkreten Auslöser. Betroffene können über Wochen oder Monate in einem dauerhaften Angstzustand leben.
Zu den unterschiedlichen Formen der Angststörung gehören spezifische Phobien, Panikattacken oder generalisierte Angststörung. Die Erkrankung ist mittels verschiedener psychotherapeutischer Verfahren gut behandelbar. Unbehandelt neigen Angststörungen dazu chronisch zu werden.
Sind die Ängste situativ und/oder altersentsprechend unangemessen und beeinträchtigen sie den Alltag sowie die Entwicklung des jungen Menschen, spricht man von einer Angststörung. Diese kann sich wie folgt äussern:
- körperliche Beschwerden (z. B. Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit, Tremor, Herzklopfen)
 - Konzentrationsprobleme
 - Nervosität
 - Sorgen über die Zukunft
 - Schreien oder exzessives Weinen
 - Vermeidungsverhalten
 
Bei Kindern kommen Angststörungen eher auf, weil sie eine Trennung der Eltern zu verarbeiten haben.
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Ursachen von Angststörungen
Die Ursachen für eine Angststörung sind vielfältig.
- langanhaltende Belastungen (Stress)
 - innerpsychische Konflikte
 - negative Lebenserfahrungen und biographische Prägungen
 - traumatische Erlebnisse
 - genetische Faktoren
 - gestörtes Gleichgewicht von Botenstoffen (Neurotransmitter)
 
Stärker gefährdet sind Menschen mit schwierigen Kindheitserfahrungen und vielfältigen Belastungen im Leben. Auch genetische Faktoren können eine Rolle spielen. Häufiger betroffen sind Menschen mit wenigen sozialen Beziehungen.
Formen von Angststörungen
In der Diagnostik unterscheidet man zwischen Ängsten mit konkretem Auslöser, den Phobien, und solchen ohne direkten Auslöser wie Panikattacken oder generalisierte Angststörungen.
Besonders verbreitet sind Tierphobien, Höhenangst und Klaustrophobie (Angst in engen Räumen). Menschen können vor unterschiedlichsten Situationen, Dingen oder Tieren Angst entwickeln. Bei einer Angststörung gehen die Ängste über ein Unwohlsein in einer Situation hinaus und sind häufig mit körperlichen Reaktionen verbunden.
- Panikstörung: Geraten Sie plötzlich in Angst?
 - Soziale Phobie: Haben Sie Angst, dass andere Menschen Ihr Verhalten als dumm oder peinlich einschätzen könnten?
 - Spezifische Phobie: Haben Sie Angst vor bestimmten Tieren, etwa Hunden, Spinnen oder Insekten? Oder haben Sie Angst vor einer Situation, etwa einem Gewitter oder grosser Höhe?
 - Generalisierte Angststörung: Kreist Ihr Denken häufig lange Zeit um Probleme, die objektiv betrachtet gar nicht so bedrohlich sind?
 
Manchmal finden sich Mischformen verschiedener Angststörungen.
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Symptome von Angststörungen
Die Symptome einer Angststörung äussern sich auf den Ebenen des Körpers, der Gefühle, der Gedanken und des Verhaltens:
Bei einer Angststörung beherrscht die Furcht die gesamten Gedanken und meist auch den Körper der betroffenen Person. Die Gedanken fokussieren sich nur noch auf das (gefühlte) Problem. Typischerweise tritt diese Angst nur in bestimmten Situationen auf. Mit der Zeit kann aber auch die Erwartung einer Angstreaktion in bestimmten Situationen hinzukommen, die „Angst vor der Angst“.
Um die damit verbundenen negativen Gefühle zu vermeiden, weicht die betroffene Person diesen Situationen immer mehr aus. Damit vermindert sich jedoch auch die Umgangsroutine mit solchen Situationen, und die Angst vor der Angst wird immer grösser. In vielen Fällen sind sich Betroffene sogar bewusst, dass ihre Furcht übertrieben ist.
Starke Angstgefühle gehen häufig mit körperlichen Beschwerden einher. Insbesondere bei einer Panikattacke können diese Symptome so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen zunächst von einer körperlichen Erkrankung, beispielsweise einem Herzinfarkt ausgehen und sich notfallmässig untersuchen lassen. Oft dauert es lange, bis Betroffene uns aufsuchen. Dabei schildern sie eher ihre körperlichen Begleiterscheinungen als den Kern der Krankheit.
Diagnose von Angststörungen
Ängste gehören zum Leben. Doch wo fängt eine Angststörung an? Ob es sich bei Angstsymptomen um eine psychische Erkrankung handelt, hängt vom Ausmass der Angst ab. Gradmesser hierfür sind die Intensität und Häufigkeit, aber auch die resultierende Beeinträchtigung und der Leidensdruck beim Betroffenen. Die Diagnose erfolgt in einer umfassenden klinisch-psychiatrischen Untersuchung durch eine Fachperson (Psychiater, Psychiaterin oder Psychologin, Psychologe). Neben diesen ausführlichen Gesprächen zählen bei Bedarf auch testpsychologische sowie körperliche Untersuchungen (inklusive Routinelabor und EKG) zu den Massnahmen der Diagnose.
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Die Untersuchung besteht in erster Linie in einem gemeinsamen Gespräch, in welchem Sie Ihre Beschwerden schildern und wir uns ein möglichst genaues Bild der Symptome und möglicher Ursachen machen. Zur Einordnung der Erkrankung werden wir beim ersten Treffen eine Reihe von Fragen stellen (Anamnese). Oft bitten wir Sie auch, ein Angsttagebuch zu führen.
Manche körperlichen Erkrankungen können ähnliche Symptome verursachen wie Angststörungen, beispielsweise eine Schilddrüsenüberfunktion oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher wird zu Beginn einer Therapie in gewissen Fällen eine körperliche Untersuchung veranlasst.
Am wichtigsten ist es ärztliche Hilfe zu suchen, sobald Ängste ausser Kontrolle geraten. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung verhindern, dass sich die Erkrankung verselbständigt.
Behandlung von Angststörungen
Mit gezielten Therapien lässt sich das Leiden behandeln. Insgesamt lassen sich Angststörungen gut behandeln.
Therapie der ersten Wahl ist die Psychotherapie. Dabei kommen verschiedene Verfahren in Frage, die individuell auf die konkrete Situation zugeschnitten werden. Besonders gute Erfahrungen wurden mit dem Ansatz der kognitiven Verhaltenstherapie gemacht. Dabei unterstützen Therapeuten und Therapeutinnen ihre Patienten und Patientinnen darin, typische Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu korrigieren. Gemeinsam versuchen sie, diese zu hinterfragen und durch andere, positive Gedanken zu ersetzen. Wichtig ist, dass Betroffene verstehen, was ihre Symptome auslöst. Schrittweise kann sich die erkrankte Person dann in Begleitung eines Therapeuten oder einer Therapeutin den kritischen Situationen aussetzen und lernen, diese wieder zu bewältigen (Expositionsverfahren). Bei starken Ängsten leitet der Therapeut oder die Therapeutin die erkrankte Person erst einmal an, diese Situation in der Vorstellung zu durchleben. Erst wenn sie das gut geschafft hat, geht es in die reale Situation.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Angststörung in den Griff zu bekommen:
- Psychotherapeutische Behandlung: gut untersucht ist die kognitive Verhaltenstherapie.
 - Entspannungsmethoden wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sowie Atemübungen.
 
Inzwischen gibt es wissenschaftlich gut belegte, differenzierte Behandlungsmethoden. Eine schnelle und einfache «Heilung» ist bei Angststörungen kaum zu erwarten. Doch die verschiedenen Verfahren helfen, die Symptome zu mildern und einen besseren Umgang mit der Angst zu finden. Fortschritte sind oft schon nach einigen Wochen spürbar.
Bei schwerer und länger andauernder Symptomatik ist eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung sinnvoll. Bei stark ausgeprägten Angststörungen kann in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin auch eine medikamentöse Behandlung zusätzlich zur Psychotherapie vorgenommen werden. Insbesondere bei Panikstörungen, aber auch bei Agoraphobie oder sozialer Phobie werden Antidepressiva eingesetzt. Allerdings benötigen Sie dabei etwas Geduld: Die Wirkung dieser Medikamente setzt meist erst nach zwei, manchmal auch erst nach vier Wochen ein. Am häufigsten werden so genannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) eingesetzt. Psychopharmaka können wie alle Medikamente manchmal auch Nebenwirkungen haben.
Medikamente werden vor allem dann empfohlen, wenn die Angst sehr stark ausgeprägt ist und eine Psychotherapie allein nicht ausreicht oder nicht möglich ist. Behandlungspläne werden individuell erstellt - abhängig von Schweregrad, Begleiterkrankungen und bisherigen Erfahrungen. Oft ist eine längerfristige Behandlung nötig: In der Regel mindestens 6-12 Monate, bei Panikstörungen auch bis zu 2 Jahre.
Was tun bei Angststörungen?
Ständig Angst zu haben, ist anstrengend und schränkt im Alltag ein. Auf jeden Fall ist es wichtig, hinzusehen und die Ängste ernst zu nehmen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Wir empfehlen den multimodalen Ansatz mit Psychoedukation, Elternarbeit und der kognitiven Verhaltenstherapie mit Exposition.
Auch der eigene Lebensstil kann einen grossen Unterschied machen. Hilfreich sind regelmässige Bewegung, ein stabiler Schlafrhythmus, weniger Alkohol und Koffein sowie Atem- oder Entspannungsübungen. Achtsamkeitstraining oder Yoga können zusätzlich unterstützen.
Da sich meist keine einzelne Ursache für eine Angststörung identifizieren lässt, bestehen wenig Möglichkeiten der Vorsorge. Wie bei allen psychischen Krankheiten ist es jedoch wichtig, ein Gleichgewicht zwischen belastenden und entlastenden Lebensaspekten zu finden. Dabei helfen ein stabiles Netzwerk an sozialen Beziehungen, Hobbys oder auch regelmässige Bewegung - sowohl durch Sport als auch durch Spaziergänge.
Wer Symptome einer Angststörung bei sich feststellt und sich dadurch im Alltag beeinträchtigt fühlt, ist willkommen: Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
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