Liebe ist etwas Wunderschönes: Zwei Menschen finden zueinander und erleben die aufregende Anfangsphase ihrer Beziehung. In dieser Zeit scheint alles perfekt, und das Leben wirkt durch die sprichwörtliche "rosa Brille" besonders schön. Doch was passiert, wenn die anfängliche Euphorie nachlässt und der Alltag einkehrt? Wie entwickelt sich Verliebtheit zu einer echten, stabilen Beziehung?
In den ersten Wochen und Monaten einer neuen Beziehung erleben Paare oft eine Zeit intensiver Gefühle. Verliebte schweben auf Wolke sieben und geniessen jede Minute miteinander. Die Unsicherheiten, die am Anfang vielleicht noch vorhanden sind, weichen schnell einer immer grösser werdenden Nähe und einem wachsenden Vertrauen. Doch irgendwann kommt oft ein kritischer Punkt.
Die anfängliche Aufregung lässt nach, und die rosa Brille verschwindet. Man kennt die andere Person inzwischen recht gut und beginnt, sich Fragen zu stellen: "Wie steht es wirklich um meine Gefühle?". In dieser Phase tauchen manchmal die ersten Probleme auf. Vielleicht merkt man, dass man sich vom Partner * von der Partnerin genervt oder dass man sich unverstanden fühlt. Die Nähe, die anfangs so angenehm war, kann plötzlich unangenehm wirken.
Die Biochemie des Verliebtseins
Unromantisch aber wahr - sich in jemanden zu verlieben, ist zunächst ein biochemischer Vorgang. Unsere Sinne verarbeiten die Eindrücke rasend schnell. Genau genommen reichen uns drei Sekunden, um unser Gegenüber zu mustern. Wenn das Objekt der Begierde in unser unterbewusstes Beuteschema passt, beginnen die Hormone zu rauschen und das grösste Sexualorgan des Menschen auf Hochtouren zu arbeiten. Mit 100 Millionen Nervenzellen ist das Gehirn eben dieses und bildet die Ausgangsbasis eines jeden Liebesglücks.
Einer dieser Stoffe ist Dopamin. Erhält ein Mensch überraschend eine Belohnung, so wird dieser chemische Botenstoff freigesetzt. Das natürliche Aufputschmittel macht euphorisch und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf angenehme und erfreuliche Dinge. Umgekehrt führt ein geringer Dopaminspiegel zu Lust- und Antriebslosigkeit. Der Dopamingehalt von Verliebten ist stark erhöht. Kein Wunder also, dass Verliebte mit einem Dauergrinsen durch die Gegend rennen und ständig gut drauf sind. Eine weitere Folge dieses Glückshormons ist der "Tunnelblick". Alles um einen herum wird nebensächlich, und man hat nur noch Augen für den Partner.
Lesen Sie auch: Symptome von ADHS bei Erwachsenen
Serotonin: Frischverliebte leiden an einem Serotoninmangel. Normalerweise sorgt ein ausgeglichener Serotoninspiegel für Ausgeglichenheit und innere Ruhe. Seltsamerweise fehlt frisch Verliebten dieses Hormon fast völlig. Genauer gesagt ist ihr Serotoningehalt so niedrig wie bei psychisch Kranken. Macht Liebe also krank? Aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls sind Verliebte suchtkrank und auch etwas "verrückt". Überraschend ist auch, dass Serotonin als Glückshormon bekannt ist. Wie aber kann es dann sein, dass es gerade Verliebten daran mangelt? Wissenschaftler sind der Ansicht, dass Liebende sich ähnlich wie Zwangsneurotiker verhalten. Auch Verliebte können sich oft stundenlang ein und der selben Sache widmen. Erst wenn das Verliebtsein zu Liebe übergeht, normalisiert sich der Serotoninspiegel wieder.
Adrenalin: Als ob das Gefühlschaos nicht schon perfekt wäre, kommt noch ein weiteres "Rauschhormon" hinzu. Steht einem die/der Auserwählte gegenüber, bedeutet das zunächst Stress pur. Die Knie werden weich und fangen zu zittern an. Uns bleibt förmlich die Luft weg, das Herz rast, und wir fühlen uns wie kurz vor dem Kollaps. Schuld daran ist das in der Nebenniere produzierte Adrenalin. Die Reaktionen sind ähnlich wie in einer Angriffs- oder Fluchtsituation, nur, dass es sich in diesem Fall um positiven Stress handelt.
Oxytocin: Oxytocin wird auch als Schmuse- oder Kuschelhormon bezeichnet. Es soll die Bindung an den Partner herbeiführen. Dabei gilt: je mehr Oxytocin in der Phase des Verliebtseins ausgeschüttet wird, desto höher sind die Chancen, dass die emotionale Bindung an den Partner auf lange Sicht erhalten bleibt. Oxytocin scheint also auf tiefgreifende Gefühle wie Liebe und Treue einen Einfluss zu haben.
Limerenz: Wenn Verliebtheit zur Obsession wird
Die Verliebtheit, in der Fachsprache auch «Limerenz» genannt, bedeutet ein sehr starkes Gefühl der Hingezogenheit zu einer anderen Person. Der Zustand der Limerenz ist gekennzeichnet durch ein stetiges, geradezu besessenes Denken an die geliebte Person, die sehnsüchtige Hoffnung auf Erwiderung der Gefühle, die ständige Furcht vor Zurückweisung, das Ausblenden negativer Attribute der geliebten Person.
Es ist ein passiver Prozess. Das bedeutet: Man kann sich nicht einfach verlieben wollen. Man kann es sich zwar wünschen, aber man kann es niemals erzwingen. Es geschieht einfach.
Lesen Sie auch: Psychologie in Münster studieren
Wer an Limerenz leidet, macht sich und den Selbstwert von der anderen Person abhängig. Dabei kann man nicht auswählen, wer zu einem limerenten Objekt wird. Es können Bekannte sein, aber auch Fremde, die gar nicht von der Existenz der limerenten Person wissen. Besonders schlimm wird es dann, wenn das limerente Objekt die limerente Person «am Haken» behält. So kann es sein, dass die Betroffenen jahrelang abhängig sind.
Merkmale von Limerenz
- Zwanghafte Gedanken: Die Gedanken drehen sich unkontrolliert um das limerente Objekt. Es entsteht eine Fixierung und die Gedanken können zwanghaft werden. Meist fühlen sich Betroffene dabei, als wären sie verrückt. Gerade, wenn sie das limerente Objekt gar nicht (richtig) kennen.
 - Sehnsucht, Hoffnung und Angst: Die Betroffenen sehnen sich ständig nach «ihrer» Person. Sie hoffen, dass die «Gefühle» erwidert werden, und haben grosse Angst vor Zurückweisung.
 - Ignorieren von Red Flags: Das limerente Objekt ist im Kopf der Betroffenen perfekt. Man redet sich ein, die andere Person würde einem vollkommen machen. Auch wenn die Person sich etwa respektlos verhält, werden diese Warnsignale ignoriert.
 - Ignorieren der eigenen Bedürfnisse: Das limerente Objekt hat fast die vollkommene Kontrolle über die Gefühle der Betroffenen. Es entsteht eine Abhängigkeit. Man beginnt, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu ignorieren, und gibt sich selbst auf.
 
Die drei Phasen der Limerenz
- Verliebtheit: Die erste Phase ist durch die typischen Symptome von Limerenz gekennzeichnet. Dazu gehören körperliche Symptome wie Erröten oder Herzklopfen. Dazu kommt Aufregung, zwanghaftes Denken, Besessenheit, sexuelle Erregung und die Angst vor Ablehnung. Hier kann die Unerreichbarkeit des limerenten Objekts zur Verstärkung dieser Symptome führen.
 - Kristallisation: In der zweiten Phase beginnt die Idealisierung des limerenten Objekts. Betroffene sind total begeistert und der Crush scheint ohne Fehler zu sein.
 - Verfall: In der dritten Phase kommt dann die Ernüchterung. Meist begreift man hier, dass die eigene Obsession nicht gesund ist. Hier kann ein Gefühl von Verlust oder grosser Trauer eintreten.
 
Limerenz und ADHS
Besonders oft sind Menschen mit ADHS von Limerenz betroffen. ADHSler entwickeln oft einen Hyperfokus auf ein besonderes Thema. Dieser Hyperfokus kann auch auf Menschen gerichtet werden und wird dadurch zu Limerenz. Wie das ADHS-Fachmagazin Additudemag schreibt, schüttet ein ADHS-Hirn weniger Dopamin aus. Durch ein limerentes Objekt wird der Ausschuss jedoch angekurbelt. So können Menschen mit ADHS regelrecht süchtig nach ihrem limerenten Objekt werden.
Limerenz vs. Liebe
Zwischen echter Verliebtheit und Limerenz gibt es einen bedeutenden Unterschied. Während es bei richtiger Verliebtheit darum geht, eine Person kennenzulernen und eine Verbindung einzugehen, ist Limerenz primär durch die Jagd und das Verlangen nach jemandem geprägt. Limerenz schleicht sich zudem nach einiger Zeit aus. Hier kommt es oft vor, dass die betroffene Person das Interesse verliert, sobald das limerente Objekt anfängt, Interesse zu zeigen.
Emophilie: Sucht nach dem Verliebtsein
Nun gibt es aber Menschen, die geradezu süchtig sind nach den euphorischen Anfangsemotionen. Der amerikanische Psychologe Daniel Jones von der University of Nevada hat diese Charaktereigenschaft untersucht und benannt: Emophilie, zusammengesetzt aus den Worten "emotion" für Gemütsbewegung und dem altgriechischen "philia" für Neigung. Er hat festgestellt, dass Personen mit hoher Emophilie sich in einem viel schnelleren Zyklus als andere verlieben - und auch wieder entlieben.
"Emophile brauchen die hohe Intensität der Gefühle", so Jones. Partner:innen werden mit Liebesbekundungen überschüttet (Love Bombing), ein symbiotisches Verlangen nach Nähe wie auch das umgehende Entwerfen romantischer Zukunftspläne sind typische Merkmale.
Lesen Sie auch: Was steckt hinter Missgunst?
Die Neurobiologie der Limerenz: Ein Interview mit Tom Bellamy
Tom Bellamy, ein Neurowissenschaftler, beschäftigt sich mit der neurobiologischen Grundlage von Limerenz. Er beschreibt Limerenz als einen veränderten Geisteszustand, der mit euphorischen Hochgefühlen einhergeht, die jedoch zu zwanghaften Gedanken werden können. Aus der Verliebtheit wird eine Art Obsession.
Bellamy erklärt, dass Dopamin eine zentrale Rolle im Belohnungssystem des Gehirns spielt. Bei Limerenz werden Dopamin-Neuronen aktiviert, was zu einem Hochgefühl führt. Gleichzeitig wird das Feedback aus dem präfrontalen Kortex, der für die Kontrolle zuständig ist, abgeschwächt, was zu einem suchtartigen Verhalten führen kann.
Bellamy betont, dass Limerenz wie eine Verhaltenssucht behandelt werden kann, beispielsweise mit kognitiver Verhaltenstherapie. Er weist auch darauf hin, dass Ungewissheit die Entwicklung von Limerenz zu einer Sucht begünstigen kann.
Kann man sich verlieben erzwingen?
Dipl.-Psych. Nicole Engel erklärt, dass man das Gefühl der Liebe nicht aktiv erzwingen kann. Man kann aber Verhalten und Denken beeinflussen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, sich zu verlieben. Dazu gehört, sich auf neue Menschen einzulassen, Erwartungen abzubauen und unvoreingenommen zu sein.
Engel betont, dass Partnerschaft immer ein Kompromiss ist. Es ist wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was in einer Beziehung vorhanden ist, anstatt sich auf das zu fixieren, was fehlt.
Von der Verliebtheit zur echten Beziehung
Wenn die anfängliche Verliebtheit nachlässt und man beginnt, den Partner * die Partnerin realistisch zu sehen, stellt sich die Frage, ob die Verbindung stark genug ist, um auch schwierige Phasen zu überstehen.
Offene und ehrliche Kommunikation ist das A und O jeder Beziehung. Sprecht über eure Gefühle, Wünsche und Sorgen. Gebt euch Zeit, euch an die Veränderungen in eurer Beziehung zu gewöhnen. Jede Beziehung entwickelt sich in ihrem eigenen Tempo. Findet gemeinsame Interessen und Ziele, die euch als Paar verbinden. Achtet darauf, den anderen zu respektieren und seine * ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Vertrauen ist die Basis jeder stabilen Beziehung. Arbeitet daran, einander zu vertrauen und vertraut einander.
Der Weg von der Verliebtheit zur echten Beziehung ist oft mit Herausforderungen verbunden, doch diese können gemeistert werden. Wichtig ist, dass beide Partner bereit sind, an der Beziehung zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen.
Sehnsucht in Beziehungen
Die Sehnsucht hat eine Funktion, um mit dem nicht-perfekten Leben umzugehen. Sie kann eine Richtung geben und die Lebensbereiche der Sehnsüchte zu leiten. Sie hilft, sich den Herausforderungen des Lebens nicht ausgeliefert zu fühlen.
Sehnsucht ist das gesamte Erwachsenenalter vorhanden. Sie kann Erwachsene im Bereich der Selbst- und Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
Die 36 Fragen, um sich zu verlieben
Ein Experiment des US-amerikanischen Psychologen Arthur Arons aus den 1980er-Jahren besagt, dass sich fremde Menschen innerhalb von 45 Minuten verlieben können, wenn sie einander 36 intime Fragen beantworten und sich anschließend vier Minuten lang in die Augen schauen. Diese Fragen zielen darauf ab, Intimität und Nähe zu schaffen und Gefühle von Verliebtheit hervorzurufen.
Beispiele für die 36 Fragen
- Wenn du dir eine Person auf der Welt aussuchen könntest: Wen hättest du gerne als Gast zum Abendessen?
 - Wärst du gerne berühmt? Auf welche Art?
 - Hast du jemals einstudiert, was du am Telefon sagen willst, bevor du jemanden angerufen hast? Warum?
 - Wie würdest du einen perfekten Tag beschreiben?
 - Wann hast du das letze Mal für dich gesungen? Für jemand anderen?
 
Die vollständige Liste der 36 Fragen finden Sie im Originaltext.
tags: #schnell #verlieben #psychologie