Antipsychotische Medikamente (Neuroleptika) werden für die Behandlung von Patientinnen oder Patienten mit Schizophrenie und anderen psychotischen Erkrankungen, schizoaffektiven sowie bipolaren Störungen verwendet. Antipsychotika gibt es als orale, sublinguale, intramuskuläre Formen.
Langwirksamen Depot-Antipsychotika bieten eine zusätzliche Option für das Management chronischer Erkrankungen. Es wird zwischen Antipsychotika der ersten Generation («klassische Neuroleptika») und der zweiten Generation («atypische Antipsychotika») unterschieden.
Die Antipsychotika der ersten Generation sollten heute nicht mehr angewendet werden, da sie gegenüber den neuen atypischen Antipsychotika keine Vorteile bez. Wirksamkeit haben und meistens nicht gut verträglich sind. Wegen ihres niedrigeren Risikos für extrapyramidale Symptome wie Akathisie (innere Unruhe), Parkinsonsyndrom (verlangsamte Bewegungen bis zur Bewegungslosigkeit, erhöhte Muskelspannung bis Muskelstarre und manchmal Muskelzittern), Dystonie (Verkrampfungen und Fehlhaltungen), Früh- und Spätdyskinesien (Störung eines Bewegungsablaufs), sind die Antipsychotika der zweiten Generation gemäss der aktuellen Behandlungsrichtlinien erste Wahl für die Akutbehandlung und Rückfallprophylaxe bei Psychosen bzw.
Das Wirkungsprofil der unterschiedlichen Antipsychotika, deren Art und Weise, wie sie in der Leber abgebaut werden, sind zum Teil unterschiedlich. Auch die unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind verschieden.
Der Wirkstoff Quetiapin gehört zu den atypischen Antipsychotika - einer Wirkstoffgruppe zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen. Der Wirkstoff wird zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen eingesetzt. Bei letzteren dient Quetiapin besonders der Behandlung von manischen und depressiven Episoden im Krankheitsverlauf. Erweist es sich dabei als wirksam, kann es auch zur Vorbeugung von Rückfällen in solche Episoden genutzt werden.
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Quetiapin ist des Weiteren als Zusatztherapie von Depressionen zugelassen.
Anwendung von Quetiapin
Der Wirkstoff Quetiapin wird hauptsächlich in Form von Tabletten angewendet. Um bei höheren Dosierungen eine Mehrfachgabe, die wichtig für gleichbleibende Blutspiegel ist, zu vermeiden, sind Tabletten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retard-Tabletten) auf dem Markt.
Je nach Anwendungsgebiet existieren unterschiedliche Dosierungsschemata. Alle haben gemeinsam, dass für die erstmalige Behandlung akuter psychischer Beschwerden der Wirkstoff über einige Tage "eingeschlichen" wird - die Behandlung wird also mit einer kleinen Dosis begonnen, die man dann im Laufe mehrerer Tage so lange steigert, bis die gewünschte Quetiapin-Wirkung erreicht ist.
Zur Erhaltungstherapie wird die Wirkstoffmenge dann auf die niedrigste wirksame Dosierung reduziert.
Die Einnahme des Wirkstoffes erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten einmal oder zweimal täglich, entsprechend der Vorgabe des Arztes.
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Dosierung von Quetiapin
Hier sind die üblichen Dosierungsempfehlungen für Quetiapin bei verschiedenen Erkrankungen:
- Schizophrenie:
- Erwachsene (>18 J.): In 2 Gaben: 1. Tag 50 mg, 2. Tag 100 mg, 3. Tag 200 mg, 4. Tag 300 mg, dann (150-)300-450(-750) mg täglich.
 - Jugendliche (13-18 J.): In 2-3 Gaben: 1. Tag 50 mg, 2. Tag 100 mg, 3. Tag 200 mg, 4. Tag 300 mg, 5. Tag 400 mg, dann evtl. um 100 mg täglich steigern, Erhalt: 400-800 mg täglich.
 
 - Bipolare Störungen (Manie):
- Erwachsene (>18 J.): In 2 Gaben: 1. Tag 100 mg, 2. Tag 200 mg, 3. Tag 300 mg, 4. Tag 400 mg, dann evtl. um max. 200 mg täglich steigern bis 800 mg täglich am 6. Tag; Erhalt: 400-800 mg; Therapiedauer: 12 Wochen als Monotherapie oder 3-6 Wochen mit Lithium oder Valproat.
 - Jugendliche (10-18 J.): In 2-3 Gaben: 1. Tag 50 mg, 2. Tag 100 mg, 3. Tag 200 mg, 4. Tag 300 mg, 5. Tag 400 mg, dann evtl. um 100 mg täglich steigern, Erhalt: 400-600 mg täglich; Therapiedauer: 3 Wochen als Monotherapie.
 
 - Bipolare Störungen (Depression):
- Erwachsene (>18 J.): 1× täglich.
 
 
Wichtige Hinweise zur Einnahme von Quetiapin
Was ist bei der Einnahme von Quetiapin zu beachten? Quetiapin wirkt vorrangig im zentralen Nervensystem, weshalb die Einnahme anderer zentral wirksamer Wirkstoffe zuvor abgeklärt und nur mit Vorsicht erfolgen sollte. Gleiches gilt für den Konsum von Alkohol.
Bei älteren Patienten ist die Ausscheidung aus dem Körper verlangsamt. Deshalb wird die Quetiapin-Dosis oft verringert - das soll verhindern, dass sich der Wirkstoff im Körper ansammelt. Gleiches gilt für Patienten mit einer eingeschränkten Leberfunktion.
Gegenanzeigen
Quetiapin ist kontraindiziert bei:
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
 - Gleichzeitiger Anwendung von starken Hemmstoffen des Enzyms CYP3A4 (wichtig für den Abbau von Quetiapin)
 
Wechselwirkungen
Der Wirkstoff wird hauptsächlich über das sogenannte CYP-Enzymsystem in der Leber abgebaut, das auch viele weitere Medikamente im Körper abbaut. Speziell das Enzym CYP3A4, das Quetiapin verstoffwechselt, baut auch viele andere Wirkstoffe ab.
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Bei gleichzeitiger Einnahme kann es demnach zu Wechselwirkungen kommen:
- Manches Medikament wird dann vorrangig von CYP3A4 abgebaut, sodass sich Quetiapin ansammelt - seine Wirkung und Nebenwirkungen verstärken sich. Beispielse für solche sogenannten CYP3A4-Hemmstoffe sind Clarithromycin (Antibiotikum), Ketoconazol (Pilzmittel) und Indinavir (HIV-Medikament).
 - Umgekehrt gibt es auch Medikamente, welche den Abbau von Quetiapin über CYP3A4 beschleunigen (induzieren) und damit seine Wirksamkeit verringern. Zu diesen CYP3A4-Induktoren zählen etwa Rifampicin (Antibiotikum) und einige Antiepileptika wie Carbamazepin und Phenytoin.
 - Auch manche Lebensmittel wie zum Beispiel Grapefruitsaft können mit CYP3A4 interagieren.
 
Schwangerschaft und Stillzeit
Verschiedene Studien mit mehr als 4500 ausgewerteten Schwangerschaftsverläufen haben keinen Hinweis auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko durch die mütterliche Einnahme von Quetiapin erbracht. Ist also die Einnahme dieses Wirkstoffes notwendig, ist eine Schwangerschaft dafür kein Hinderungsgrund.
In der Stillzeit ist Quetiapin bei Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes akzeptabel.
Die Anwendung von Quetiapin bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird nicht empfohlen, da hierzu keine Daten vorhanden sind.
Nebenwirkungen von Antipsychotika
Die älteren Medikamente erster Generation (auch typische Antipsychotika genannt), wie etwa Haloperidol, wirken zwar sehr gut, können jedoch Bewegungsstörungen (EPMS; extrapyramidal-motorische Störungen) auslösen, da sie nicht nur die gewünschten Dopaminrezeptoren, sondern auch unerwünschte Rezeptoren blockieren.
Die neueren Medikamente zweiter Generation (atypische Antipsychotika) wie Risperidon, Olanzapin, Aripiprazol, Quetiapin oder Clozapin, blockieren die Rezeptoren spezifischer und führen üblicherweise seltener zu oben genannten Bewegungsstörungen. Stattdessen können eher unerwünschte Wirkungen wie Sedierung oder Gewichtszunahme im Vordergrund stehen.
Die einzelnen Präparate haben ähnliche Wirkungen, unterscheiden sich aber in ihrem Nebenwirkungsspektrum. Folglich muss individuell ausprobiert werden, welches Medikament eine zuverlässige Wirkung bei tolerierbaren Nebenwirkungen bietet.
Regelmässige Blutentnahmen und EKG-Kontrollen sind hilfreich, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Nebenwirkungen umfassen beispielsweise eine Verlängerung der Herzerregung (QT-Zeit), die im ungünstigsten Fall zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Durch regelmässige EKGs kann eine solche Veränderung der Herzaktivität festgestellt werden, bevor sie unerwünschte Symptome bereitet.
Ebenso können Blutkontrollen bei Behandlung mit Clozapin die sehr seltene Verringerung von bestimmten weissen Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten) entdecken. Diese sogenannte Agranulozytose führt unentdeckt zu einer starken Einschränkung des Immunsystems und macht es anfällig für Infekte.
Mittels Blutentnahme lässt sich auch die Höhe des Hormons Prolaktin bestimmen. Das Hormon ist unter anderem für Milchfluss verantwortlich und kann unter Antipsychotika ansteigen.
Auch regelmässige Kontrollen des Gewichts, des Langzeitzuckers HbA1c sowie der Blutfette sind zentral, um einem metabolischen Syndrom vorzubeugen.
Treten unter einem Antipsychotikum starke Nebenwirkungen auf, so lohnt es sich, gemeinsam mit dem betreuenden medizinischen Team zu evaluieren, ob ein Wechsel auf ein anderes Medikament sinnvoll sein könnte.
Weitere Therapieansätze bei Psychosen
Neben der medikamentösen Behandlung spielen auch andere Therapieansätze eine wichtige Rolle:
- Psychotherapie: In einer Psychotherapie kann gelernt werden, die eigenen Frühsymptome zu erkennen. Gemeinsam kann ein Notfallplan ausgearbeitet werden, wie bei ersten Symptomen vorgegangen werden soll, um die Episode möglichst früh abzufangen. Falls zwischen den Episoden Restsymptome bleiben, kann die Psychotherapie helfen, den Umgang damit zu lernen.
 - Psychoedukation: Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, dass Betroffene zu Expertinnen und Experten für die eigene Erkrankung werden.
 - Supportive Therapien: Insbesondere supportive Therapien wie Musik-, Kunst- oder Bewegungstherapie können hilfreich sein, um in Momenten, in denen ein verbaler Austausch nur eingeschränkt möglich ist, therapeutisch zu arbeiten.
 
Es existieren wirksame Medikamente, zudem können Psychotherapie, Psychoedukation, der Einbezug von Angehörigen sowie das Erkennen von Frühsymptomen helfen, die Erkrankung erfolgreich zu behandeln. Laut aktueller Studienlage korreliert die Dauer der unbehandelten Psychose mit schlechterem Behandlungs-Outcome. Die Bemühungen sind deshalb gross, die Früherkennung der Erkrankung voranzutreiben und Betroffenen möglichst frühzeitig eine geeignete Behandlung zukommen zu lassen.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Positivsymptome (wie Wahn oder Halluzinationen) oftmals gut durch antipsychotische Medikamente behandelt werden können, Negativsymptome (wie Beeinträchtigung des Affekts, Antriebs etc.) hingegen verbessern sich durch Antipsychotika meist weniger stark.