Eine Trennung ist oft ein schmerzhafter Prozess, der viele Fragen aufwirft. Wie verhält man sich, wenn man dem Ex-Partner zufällig begegnet? Wie kann man obsessive Gedanken überwinden? Und wann ist es sinnvoll, der alten Liebe noch eine Chance zu geben? Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte des Umgangs mit dem Ex-Partner.
Psychologie der Trennung
Nach einer Trennung ist es normal, dass Verlustängste und Einsamkeit vorherrschen. Es ist wichtig, die eigenen Gefühle zu reflektieren und zu hinterfragen, ob der Wunsch nach einer Wiedervereinigung wirklich auf Liebe basiert oder eher auf der Angst vor dem Alleinsein. Eine klare Analyse der Trennungsgründe ist essenziell, um zu verstehen, was sich seitdem geändert hat und ob ein Neuanfang realistisch ist.
Jakob war mehr als ein Jahr lang davon getrieben zu wissen, was seine Ex-Freundin Anna macht. Er verfolgte sie im Internet, ohne dass sie etwas ahnte. «Wenn neue Bilder zu sehen waren, hat mich das immer in ein Gefühlschaos gestürzt», erzählt Jakob. Doch aufhören konnte der Informatikstudent trotzdem nicht.
Die Trennung hatte Jakob schwer mitgenommen. Seine Freundin hatte an einem Sonntagmorgen mit ihm Schluss gemacht, als er ihr gerade Frühstück ans Bett gebracht hatte. Er erfuhr erst Monate später, dass sie bereits eine Affäre mit dem Neuen hatte, als sie eigentlich noch zusammen waren. Selbst als er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, fiel es Jakob schwer, loszulassen und zu akzeptieren, dass die Beziehung beendet war. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Anna. Bei der psychologischen Beratungsstelle seiner Hochschule holte er sich schliesslich Hilfe.
Wenn man den Ex-Partner nicht loslassen kann
Der Wunsch, dem Ex-Partner noch nahe zu sein, ist nicht neu. Doch während man früher Stunden investieren musste, um den oder die Verflossene zu beobachten, reichen heute ein paar Klicks im Internet. Eine Studie ergab, dass ein Drittel aller Befragten ihren Ex-Partner oder ihre Ex-Partnerin auf sozialen Netzwerken überwacht. Die Hamburger Psychoanalytikerin Vivian Jückstock erklärt: «Wenn ich immer neue Bilder sehe, dann wird mir ständig schmerzlich bewusst, dass ich ausgeschlossen werde aus dem Leben dieser Person, die ich doch ganz toll finde. Und das hört auch nicht mehr auf. Das kann einen suchtähnlichen Charakter entwickeln.»
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Auch Alice war jahrelang süchtig nach Lebenszeichen ihrer Ex-Freundin. Sie stalkte ihre Social-Media-Profile und meldete sich bei der Video-App Vtube mit fünf verschiedenen Accounts an, weil Yume dort manchmal streamte. «Eine Freundin, die das mitbekommen hat, hat mir gesagt: ‹Du spinnst doch›», erinnert sich Alice. «Irgendwann habe ich selbst gemerkt, wie ungesund das war.
Ende 2022 beschlossen die beiden schliesslich eine «Beziehungspause». Für Yume war die Beziehung damit wohl beendet, für Alice nicht. Sie begann, ihrer Ex-Freundin online hinterherzuspionieren. Und manchmal meldete sich Yume auch bei ihr. Meistens nur mit kryptischen Nachrichten, dann schwieg sie wieder für längere Zeit, aber Alice behielt so die Hoffnung, dass sie die Beziehung retten kann.
«Diese Schwebezustände sind extrem quälend und ein schrecklicher innerer Zustand», erklärt Vivian Jückstock. Dagegen helfe nur eines: «Den Kontakt komplett abbrechen. Das kann sehr heftig sein wie kalter Entzug bei Suchtkranken.»
Wirklich zu akzeptieren, dass die Beziehung zu Yume beendet war, schaffte Alice erst, als sie beim Sprachenlernen ihren neuen Freund kennen lernte. Er ist sechs Jahre älter als sie und ganz anders als Yume. Ausgerechnet die Ex-Freundin von Annas neuem Partner half Jakob dabei. Von ihr erfuhr Jakob, wie sehr es ihr geholfen hatte, den Kontakt zu ihrem Ex-Freund komplett abzubrechen. Endlich gelang es auch ihm, die Accounts von Anna zu blocken, damit er sicher sein konnte, nicht mehr zu sehen, was sie gerade macht.
Obsessives Verhalten in Beziehungen
Eine italienische Studie hat eine wesentliche Ursache für obsessives Verhalten in Partnerschaften gefunden: Wer sich sozial unbedeutend fühlt, sieht in seinem Partner weniger eine Chance für neue Erlebnisse als vielmehr ein Eigentum, das er unter Kontrolle halten muss. Der römische Psychologe vermutet dahinter den Versuch, «das Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit zu kompensieren, indem man sich obsessiv auf den Partner fokussiert».
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Laut Contu haben 50 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 22 Jahren schon Erfahrungen mit obsessiven Beziehungen gemacht. Das digitale Stalking im Internet und die Handy-Ortung haben die Möglichkeiten zu solchem Verhalten erweitert.
Thomas Stompe sagt, vor allem zwei Persönlichkeitstypen seien für ein obsessives Verhalten in der Partnerschaft prädestiniert: der Narzisst und die dependente Persönlichkeit. Eine Trennung ist oft die einzige Lösung, wenn der Partner obsessiv-übergriffig ist.
Verhalten bei zufälligen Begegnungen
Anfangs versucht man dem/der Ex ja ab und zu noch "rein zufällig" über den Weg zu laufen. Wirklich zufälligen Begegnungen kann man natürlich nicht aus dem Weg gehen. Also ganz normal mit ihm/ihr reden, aber nicht aufdringlich werden oder ihn/sie bedrängen. Naja, und wenn man den/die Ex-Partner mit seiner/ihrem Neuen sieht, gäbe es für mich nur eines - Rückzug und irgendwo abreagieren.
Es ist wichtig, Situationen, in denen man dem Ex-Partner begegnen könnte, nicht absichtlich heraufzubeschwören. Sollte es dennoch zu einer zufälligen Begegnung kommen, ist es ratsam, sich normal zu verhalten, ohne aufdringlich zu werden. Wenn der Ex-Partner mit einem neuen Partner zusammen ist, ist es am besten, sich zurückzuziehen.
Retrograde Eifersucht
Retrograde Eifersucht ist die Eifersucht auf die früheren Beziehungen des eigenen Partners oder der eigenen Partnerin. Social Media verstärken das Problem, da sie es einfacher machen, in der Vergangenheit des anderen zu stöbern. Laut einer Studie der Universität Pisa kann dieses Gefühl mit dem Bindungssystem zusammenhängen. Menschen mit einem unsicheren Bindungsstil neigen eher dazu, sich mit vergangenen Beziehungen ihres Partners zu beschäftigen.
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Paartherapeutin Salome Roesch erklärt, dass intensive retrograde Eifersucht mit zwanghafter Auseinandersetzung und ständigem Vergleichen einhergeht. Sie empfiehlt, das Gespräch zu suchen und das Leiden der eifersüchtigen Person anzuerkennen. Betroffene können versuchen, ihre Eifersucht zu überwinden, indem sie das Gefühl anerkennen und offen darüber sprechen.
Neustart einer Beziehung
Manche Paare finden nach einer Trennung wieder zusammen. Damit die Beziehung beim zweiten Versuch allerdings besser läuft, gilt es einiges zu beachten. Die Paartherapeuten Micaela Peter und Holger Kuntze erklären, worauf es ankommt, damit der Neustart funktioniert und die Partnerschaft im zweiten Anlauf erfolgreich ist.
Bevor ein Paar es aber noch einmal miteinander versucht, sollten beide einen persönlichen Entwicklungsschritt gemacht haben, sagt die Expertin. Nicht jede Beziehung sollte aufgewärmt werden, macht Peter klar: "Es lohnt sich nicht, wenn die Beziehung toxisch, das Miteinander schädigend war. Es kommt vor, dass Partner sich gegenseitig nicht guttun und das Selbstbewusstsein unter der Beziehung leidet."
Entscheidet sich ein Paar dazu, seiner Liebe eine zweite Chance zu geben, sollte es dabei die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Es geht darum, Fehler einzusehen und an ihnen zu arbeiten. Laut Peter ist das Entscheidende dabei ein Vertrauensvorschuss in die Person und in den Prozess. "Wer mit seinen Verletzungen, Kränkungen oder seinem Misstrauen weitermacht, wird wahrscheinlich eine selbsterfüllende Prophezeiung erleben und denken, alles sei beim Alten", gibt sie zu bedenken.
Besondere Vorsicht bei einem Neustart gilt bei Paaren, die bereits Kinder haben. Die Eltern könnten sich heimlich treffen und die Kinder nicht gleich wieder mit ins Boot holen. Die beiden sollten sich "erst einmal wieder annähern und darüber sprechen, was sie seit der Trennung gelernt haben und weshalb es doch nochmal funktionieren könnte und was man nun anders machen möchte".
Beide Paartherapeuten sehen eine grosse Chance für die Liebe - vorausgesetzt, Paare gehen den Neustart richtig an. Studien haben ergeben, dass die Stabilität und Zufriedenheit in einer zweiten Ehe in der Regel grösser seien als in der ersten.
Mitgefühl für den Ex-Partner
Mitgefühl für den Ex-Partner aufzubringen, fühlt sich nach einer schmerzhaften Trennung oft unmöglich an. Es ist jedoch wichtig, Empathie aufzubringen, besonders wenn Kinder im Spiel sind. Reflektieren Sie eigene Fehler und erinnern Sie sich an die positiven Gefühle und Eigenschaften, die Sie in Ihrem Partner gesehen haben. Selbst wenn Ihr Ex-Partner schwerwiegende Fehler begangen hat, versuchen Sie sich vorzustellen, was er wirklich gefühlt haben muss, um solch fatale Entscheidungen zu treffen.
Nach Trennungen ist es nicht selten, den Ex-Partner für alle Probleme verantwortlich zu machen und das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Im Rückblick erkennt man jedoch oft, dass die damalige Abwehrhaltung nur ein Überlebensmechanismus gegenüber dem enormen Schmerz und Schock war.
Insbesondere, wenn Kinder involviert sind, bleiben Sie auch nach der Trennung ein Team. Es ist wichtig, die erlittenen Verletzungen hinter sich zu lassen, um ein Leben in Schmerz und Negativität zu vermeiden.
Hier ist eine Tabelle, die die wichtigsten Punkte aus dem Artikel zusammenfasst:
| Thema | Wichtige Aspekte | 
|---|---|
| Psychologie der Trennung | Reflexion der eigenen Gefühle, Analyse der Trennungsgründe | 
| Obsessives Verhalten | Vermeidung von Social-Media-Stalking, Kontaktabbruch | 
| Zufällige Begegnungen | Normales Verhalten, Vermeidung von Aufdringlichkeit | 
| Retrograde Eifersucht | Gespräch suchen, Anerkennung des Leidens | 
| Neustart einer Beziehung | Persönliche Entwicklung, Vertrauensvorschuss, Fehleranalyse | 
| Mitgefühl für den Ex-Partner | Reflexion eigener Fehler, Empathie, Teamwork (besonders bei Kindern) |