Als ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) oder ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) werden neuronale Entwicklungsstörungen bezeichnet. Diese zeigen sich typischerweise bereits im Kindesalter. Sie können die schulischen Leistungen, das Verhalten und somit die soziale Interaktion beeinflussen.
Ursachen und Häufigkeit von ADHS
Die genaue Ursache ist noch nicht vollständig bekannt. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, darunter:
- Genetische Veranlagung
 - Neurologische Unterschiede im Gehirn
 - Ungleichgewichte im Bereich der Neurotransmitter
 - Umweltfaktoren
 
Je nach Quelle wird die Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen auf ca. 3-5% geschätzt. Es ist eine der häufigsten neurologischen Entwicklungsstörungen im Kindesalter und betrifft Jungen etwa dreimal häufiger als Mädchen.
Symptome und Beschwerden
Mögliche Symptome oder Begleiterscheinungen sind Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität und Probleme eigene Aufgaben zu organisieren, Schwierigkeiten in sozialen Situationen. Die Kinder können Mühe haben, sich zu konzentrieren, sind unruhig, impulsiv, haben Probleme mit der Selbstkontrolle und sozialen Interaktion. Ihre Symptome können sich im Laufe der Zeit verändern und nicht alle Kinder haben alle Auffälligkeiten.
Symptome wie Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität sind jedoch nicht beweisend für eine ADHS, sondern können auch in Folge vieler anderer Belastungen oder Entwicklungsstörungen auftreten. ADHS sollte unbedingt unterschieden werden von einer sekundären Aufmerksamkeitsproblematik, die zu ähnlichen Symptomen führt, aber die Folge von anderen entwicklungsspezifischen oder psychologischen Faktoren ist. Zur Unterscheidung können vorausgehende Abklärungen und Befunde hilfreich sein.
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Bei einer primären ADHS sind neben den definierten Symptomen häufig auch emotionale Symptome wie z.B. rasche Stimmungswechsel und verminderte Frustrationstoleranz zu beobachten, aber auch oft ein grosser Gerechtigkeitssinn und Kreativität.
ADHS-Diagnosekriterien
Für die Diagnose ADHS müssen bestimmte Kriterien nach dem Klassifikationssystem ICD-10 erfüllt sein. ADHS-typisch ist ein ungewöhnliches Mass an Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.
Bei einer ADS-Diagnose sind die Kinder lediglich unaufmerksam, aber weder hyperaktiv noch impulsiv.
Kriterium Unaufmerksamkeit
Bei ADHS lassen sich mindestens sechs der folgenden ADHS-typischen Symptome von Unaufmerksamkeit erkennen. Sie treten seit wenigstens sechs Monaten auf und sind nicht auf eine altersgemässe Entwicklungsphase zurückzuführen. Die Betroffenen:
- beachten Einzelheiten nicht genau oder machen Flüchtigkeitsfehler
 - haben Mühe, sich längerfristig zu konzentrieren
 - scheinen oft nicht zuzuhören, wenn sie direkt angesprochen werden
 - führen oft Anweisungen nicht vollständig aus oder beenden Aufgaben nicht
 - haben Mühe, Aufgaben und Tätigkeiten planvoll abzuwickeln
 - vermeiden oder verweigern oft Aufgaben, die anhaltende Konzentration erfordern
 - verlieren häufig Dinge wie Spielzeug oder Hausaufgabenhefte
 - werden leicht durch unwesentliche Reize abgelenkt
 - sind oft vergesslich bei Alltagstätigkeiten
 
Kriterium Hyperaktivität, Impulsivität
Ausserdem äussert sich ADHS in mindestens sechs der folgenden ADHS-typischen Hyperaktivitäts-Impulsivitäts-Symptome. Auch diese treten seit mindestens sechs Monaten auf und sind nicht auf eine altersgemässe Entwicklungsphase zurückzuführen. Die Betroffenen:
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- zappeln oder winden sich auf dem Stuhl
 - sitzen ungern und verlassen oft den Sitzplatz, auch dann, wenn Sitzen erwartet wird
 - rennen oft herum oder klettern überall hoch, auch in unpassenden Situationen
 - sind ruhelos, umtriebig oder benehmen sich oft wie von einem Motor angetrieben
 - sind beim Spielen meist sehr laut
 - reden oft übermässig viel
 - platzen häufig mit der Antwort heraus, bevor Fragen komplett gestellt sind
 - haben oft Mühe zu warten, bis sie an der Reihe sind
 - unterbrechen oder stören häufig andere bei Unterhaltungen oder Spielen
 
Bei Kindern mit ADHS beobachtet man diese Symptome typischerweise bereits vor dem siebten Lebensjahr. Die Anzeichen treten nicht nur daheim oder nur in der Schule auf, sondern in mindestens zwei verschiedenen Umfeldern.
Für die Diagnose ADHS müssen zudem deutliches Leiden oder Schwierigkeiten bei sozialen Kontakten, beim Lernen oder im beruflichen Bereich bestehen.
Vorbereitung auf den Arztbesuch
Eltern können sich auf den Arztbesuch, bei dem eine mögliche ADHS bei ihrem Kind abgeklärt werden soll, auf folgende Weise vorbereiten:
Beobachten und beschreiben Sie das Verhalten Ihres Kindes: Gibt es aktuelle kritische Ereignisse, die Ursache des ruhelosen Verhaltens sein könnten? Wann treten die Aufmerksamkeitsstörungen auf (Tageszeit, Schultage etc.)?
Sprechen Sie mit den Betreuern Ihres Kindes (z.B. Grosseltern, Betreuer in Kindergarten, Schule oder Hort) über dessen Verhalten.
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Abklärung von ADHS in Essen
In der Kinder-Jugendpsychiatrie und Psychosomatik und Entwicklungspädiatrie am Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) werden Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf ADHS resp. ADS abgeklärt.
Ablauf einer Abklärung
- Kennenlernen von Kind und Familie im Erstgespräch
 - Erfassen von Vorbefunden/erfolgten Massnahmen
 - Aufnahme der Fragen, Schwierigkeiten, Symptome und Anamnese
 - Je nach Fragestellungen werden weitere Termine angesetzt, an denen wir mit dem Kind arbeiten, Tests durchführen - das Kind sich spielerisch betätigen lassen oder eine körperliche Untersuchung durchführen (z.B. betreffend Motorik oder neurologischer Auffälligkeiten).
 - Berichte von Kindergarten, Schule oder Lehrstelle sind hilfreich für die Einschätzung
 - Beurteilung von Testergebnissen, Verhaltensmerkmalen und Entwicklungsmustern auf der Basis von Anamnese und Beobachtungen sowie externen Berichten usw. durch die Fachpersonen
 - Besprechung der Ergebnisse und Befunde mit den Eltern, wenn immer möglich auch mit dem Kind und dem/der Jugendlichen
 
Ärztliche Untersuchung
ADHS kann sich unterschiedlich äussern. Das erschwert die Diagnose. Nicht immer sind alle Anzeichen der Störung vorhanden. Auch lassen sich die ADHS-Symptome oft nur schwer von altersgemässen Verhaltensweisen abgrenzen.
Deshalb können nur erfahrene Spezialisten die Diagnose ADHS stellen, beispielsweise Fachärzte und -ärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin oder Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Befragung der Eltern, Bezugspersonen und Lehrer
Für eine ADHS-Diagnostik bei Kindern befragt der Spezialist oder die Spezialistin Eltern und andere Bezugspersonen zu Sozial-, Lern-, Leistungsverhalten und der Persönlichkeitsstruktur des Kindes. Folgende Fragen könnte Inhalt des Erstgesprächs sein:
- Kann sich Ihr Kind längere Zeit auf eine Tätigkeit konzentrieren?
 - Ist Ihr Kind zappelig, wenn es stillsitzen soll?
 - Redet Ihr Kind häufig dazwischen oder auch besonders viel?
 - Ist Ihr Kind leicht ablenkbar?
 
Die Lehrer können wertvolle Auskunft zur intellektuellen Leistungsfähigkeit und zum Aufmerksamkeitsverhalten des kleinen Patienten geben. Schulhefte geben anhand von Ordnung, Führung, Schrift und Einteilung ebenfalls Hinweise auf eine mögliche Störung. Zeugnisse dokumentieren die schulischen Leistungen.
Gespräch mit dem Kind
Für die Abklärung einer möglichen ADHS sind auch Angaben des Kindes selbst hilfreich. Man kann es zum Beispiel fragen, ob es sich gut konzentrieren kann, sich von sozialen Gruppen ausgeschlossen oder generell nicht zugehörig fühlen.
Da dies sehr heikle Fragen sind, kann es sinnvoll sein, dass Eltern solche Themen bereits vor dem Arztbesuch mit ihrem Kind besprechen.
Körperliche Untersuchungen
Der Arzt oder die Ärztin untersucht die motorische Koordinationsfähigkeit des Kindes und beurteilt sein Verhalten bei der Untersuchung. Dazu beobachtet er oder sie die Kooperationsfähigkeit, Gestik, Mimik, Sprache und Lautäusserungen des Kindes.
Eine Messung der Hinströme im EEG ist nur erforderlich, wenn zum Beispiel der Verdacht auf Epilepsie besteht.
Verhaltensbeobachtung
Während des Gesprächs und der Untersuchungen beobachtet der Arzt oder die Ärztin das Kind und achtet auf Verhaltensauffälligkeiten.
Manchmal helfen Videoaufnahmen, die Diagnose eines ADHS zu sichern. Anhand solcher Aufzeichnungen können Mediziner hinterher den Eltern die Auffälligkeiten ihres Kindes in Mimik, Gestik und Körpersprache oder die Aufmerksamkeitsabbrüche demonstrieren.
Ausserdem zeigen die Aufzeichnungen die Reaktion der Eltern im Umgang mit dem Kind.
Wiederholte Aufnahmen während einzelner Termine dokumentieren den Therapieverlauf.
Fragebögen
Um ADHS festzustellen, verwenden Spezialisten spezielle Fragebögen, mit denen sich verschiedene ADHS-typische Verhaltensweisen strukturiert erfassen lassen.
Wichtig sind dabei Verhaltensauffälligkeiten und Besonderheiten, die Lernen, Leistung oder später den Beruf betreffen. Weitere Themen sind die Familiensituation und Erkrankungen in der Familie.
Auch fragt der Spezialist oder die Spezialistin im Gespräch mit den Eltern beziehungsweise Betroffenen nach Besonderheiten während der Schwangerschaft, der Geburt und in der Entwicklung sowie nach Vorerkrankungen und derzeitigen sonstigen Beschwerden.
Besonders bei erwachsenen Patienten sind auch Fragen zu Nikotin-, Alkohol-, Drogenkonsum und psychiatrischen Erkrankungen relevant.
Abgrenzung der ADHS von anderen Störungen
Wichtig ist es, ADHS von anderen Problemen mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Auf psychologischer Ebene kann das beispielsweise eine verringerte Intelligenz oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) sein. Auch eine Zwangsstörung kann eine ADHS-ähnliche Hyperaktivität verursachen.
Nach Möglichkeit vergleichen ADHS-Spezialisten ihre Untersuchungsergebnisse mit Vorbefunden des Kindes, zum Beispiel der Einschulungsuntersuchung. In manchen Fällen gründet die Hyperaktivität aber auch auf körperlichen Ursachen. In Betracht kommen zum Beispiel Stoffwechselstörungen, Epilepsie, Ticstörungen, das Tourette-Syndrom, krankhafter Juckreiz, Seh- oder Hörproblemen.
Experten gehen davon aus, dass ADHS bei Kindern oft vorschnell diagnostiziert wird. Nicht jedes besonders aktive oder quirlige Kind hat ADHS. Manche Kinder bekommen vielleicht einfach nicht genug Bewegung, um ihre Energie auszuleben.
Andere brauchen mehr Rückzugs- und Erholungsmomente als andere Kinder und sind deshalb überdreht. Dann reichen Änderungen im Lebensstil oft schon aus, um die Lage zu entspannen.
Wichtig ist deshalb eine genaue Diagnostik von einem erfahrenen Kinderarzt beziehungsweise einer Kinder- und Jugendpsychiaterin.
ADHS und Hochbegabung
Wenn Kinder in der Schule scheitern, liegt das nicht zwangsläufig an mangelnder Intelligenz. Einige Kinder mit ADHS sind überdurchschnittlich intelligent und haben dennoch grosse Schwierigkeiten im Unterricht. Die Kombination „ADHS + Hochbegabung“ ist jedoch eher selten.
Vielmehr diagnostizieren Mediziner bei hochbegabten Kindern manchmal fälschlicherweise ADHS. Denn die Sprösslinge sind aufgrund ihrer hohen Intelligenz in der Schule oft unterfordert und verhalten sich darum unruhig und störend.
Als hochbegabt gelten Kinder, wenn sie in einem Intelligenztest einen Wert von über 130 Punkten erreichen. Solche Kinder zeichnen sich in der Regel durch eine besonders gute Konzentrationsfähigkeit aus, die bei ADHS nicht besteht.
Behandlung von ADHS
Nicht immer ist es nötig oder möglich, zeitnah eine vertiefte Abklärung durchzuführen. Der Kinderarzt / die Kinderärztin und/oder die Schule resp. der SPD können bereits frühzeitig unterstützende, fördernde, entlastende, therapeutische oder beratende Massnahmen in die Wege leiten.
Ambulante Behandlung
Wir überlegen gemeinsam mit den Eltern und dem Kind resp. dem/der Jugendlichen, welche Hilfe und Massnahmen unterstützen können. Zusätzlich sind wir - soweit angezeigt - bei der Suche nach Therapieplätzen behilflich. Aus Kapazitätsgründen bieten wir am Sozialpädiatrischen Zentrum SPZ derzeit keine ambulanten Therapien an.
Stationäre Behandlung
In der Therapiestation für Kinder und Jugendliche (Psychosomatik, Psychotherapie, Psychiatrie) am Sozialpädiatrischen Zentrum SPZ erhalten Kinder und Jugendliche mit ADHS/ADS eine bedarfsorientierte stationäre Behandlung, wenn die Folgen starke Auswirkungen auf ihren Alltag in der Familie, Schule oder Freizeit haben.
Häufige Fragen zu ADHS/ADS
Welche nicht-medikamentösen Therapien gibt es für Kinder mit ADHS/ADS?
Neben medikamentösen Behandlungen gibt es verschiedene nicht-medikamentöse Therapien wie Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Sozialkompetenztraining und Elterntraining. Diese Ansätze können helfen, die Selbstregulation zu verbessern, soziale Fähigkeiten zu entwickeln und das Verhalten zu managen. Eine Kombination von Therapien ist oft am effektivsten.
Wie können Eltern den Alltag ihres Kindes mit ADHS/ADS strukturieren, um besser mit den Symptomen umzugehen?
Eine strukturierte Tagesroutine mit klaren Zeitplänen und festen Regeln kann Kindern mit ADHS/ADS helfen, besser zu funktionieren. Es ist wichtig, Aufgaben in kleinere, überschaubare Schritte zu unterteilen und regelmässig Pausen einzuplanen. Visuelle Hilfsmittel wie Kalender und To-Do-Listen können ebenfalls hilfreich sein, um den Überblick zu behalten und den Tagesablauf zu organisieren.
Wie wirkt sich ADHS/ADS auf das soziale Leben und die Freundschaften eines Kindes aus?
Kinder mit ADHS/ADS können Schwierigkeiten haben, Freundschaften zu schliessen und aufrechtzuerhalten, da sie oft impulsiv sind und Probleme haben, soziale Signale zu erkennen und angemessen zu reagieren. Soziale Kompetenztrainings und gezielte Unterstützung durch Eltern und Lehrer können helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln und das soziale Leben des Kindes zu verbessern.
Zusätzliche Angebote
Neuropsychologie
Wir untersuchen Kinder und Jugendliche mit neurologischen Grunderkrankungen bezüglich ihrer Hirnfunktion und ihrer Befindlichkeit.
Ambulante Kinder- /Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
Ambulante Abklärungen und Behandlungen für Kinder und Jugendliche mit psychosomatischen und psychischen Krankheitsbildern.
Entwicklungspädiatrie
Wir beschäftigen uns mit Auffälligkeiten und Störungen der verschiedenen Entwicklungsbereiche von Kindern.
Sozialpädiatrisches Zentrum SPZ
Wir stehen Eltern und ihren Kindern mit einem Angebot an multiprofessionellen Abklärungen, Beratungen und Therapien zur Seite.
Emotionales Essverhalten bei ADHS
Viele Menschen mit ADHS erleben, dass ihre Essgewohnheiten stark mit ihren Emotionen verknüpft sind. Essen wird dann nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern erfüllt auch eine emotionale Funktion - als Trostspender, Stressregulator oder einfach als kurzfristige Ablenkung. Dabei handelt es sich keineswegs um «Schwäche» oder mangelnde Disziplin. Wichtig zu wissen: Emotionales Essen erfüllt kurzfristig einen Zweck - nämlich, sich besser zu fühlen. Doch langfristig kann es zu einem Teufelskreis führen, wenn keine alternativen Strategien zur Verfügung stehen.