Psychose nach Trennung vom Partner: Ursachen und Hintergründe

Psychische Erkrankungen können jede und jeden treffen und haben viele Gesichter. Am bekanntesten sind Depressionen und Burnouts. Etwa jede zweite Person in der Schweiz ist im Laufe des Lebens einmal von einer psychischen Krise betroffen.

Leider erkennen Betroffene oft viel zu spät, dass sie psychisch angeschlagen sind. Entweder werden erste Anzeichen ignoriert, verdrängt oder fehlinterpretiert.

Kontaktabbruch als Auslöser psychischer Probleme

Kontaktabbrüche zwischen Eltern und Kindern sind heute keine Seltenheit mehr. Offizielle Zahlen gibt es keine, Schätzungen zufolge nehmen sie aber zu. Der Kontaktabbruch mit den Eltern gehört in meiner therapeutischen Arbeit zur Tagesordnung. Früher hat man sich das nicht getraut.

Ein Mensch, der den Kontakt zu seinen Eltern abbricht, empfindet eine tiefe Not. Er fühlt sich in seiner Person, in seinem Kern nicht wahrgenommen. Er hat lange versucht, seinen Eltern deutlich zu machen, was ihn bewegt, ist dabei aber nie auf Verständnis gestossen.

Ursachen und Dynamiken

Ein Kontaktabbruch bahnt sich viel länger an, als es für die Eltern den Anschein hat. Die Konflikte haben eine Geschichte. Es brodelte schon lange, aber nie wurde darüber in der Familie gesprochen. Auslöser sind häufig die Lebensumbrüche: wenn junge Menschen ins Berufsleben einsteigen oder von zu Hause ausziehen.

Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei drogeninduzierter Psychose

Was auffällt: Häufig brechen Kinder den Kontakt nur zu ihrer Mutter ab, nicht aber zu ihrem Vater. Durch die Schwangerschaft besteht zwischen Mutter und Kind eine symbiotische Verbindung. Das hat auch hormonelle Gründe.

Wenn ich als Kind auf die Welt komme, ist es für mich existenziell, dass meine Mutter froh ist, dass ich da bin, dass sie in der Lage ist, auf meine Bedürfnisse einzugehen. Wenn die Mutter das nicht kann, sei es wegen einer Depression, Arbeitslosigkeit, einer schwierigen Beziehung zum Vater oder aus anderen Gründen, spürt dies das Kind. Diese Mütter sind zwar physisch präsent, aber für das Kind in Wirklichkeit emotional abwesend.

Gerade Töchter sind mit dem Vater oft milder und viel wohlwollender. Ich kenne viele Fälle, wo noch mit dem Vater gesprochen wird, aber mit der Mutter nicht mehr.

Meiner Erfahrung nach sind das Eltern, die es nicht aushalten, wenn das Kind nicht so «funktioniert», wie sie es für richtig halten. Dann gibt es Eltern, die sagen: Wenn du so bist, dann möchte ich keinen Kontakt zu dir. Diese Mütter und Väter haben innerlich ein Gerüst aus Konzepten und Vorstellungen gebaut, das ihnen Sicherheit gibt und definiert, was richtig und falsch ist. Da gibt es wenig Flexibilität. Letztlich geht es diesen Eltern darum, dass sich das Kind ihren Vorstellungen beugt.

Meist ist es das Kind, das anfängt, über ungesunde Muster nachzudenken. Die Eltern sind, wenn sie nicht total zurückweisend sind, richtig verzweifelt. Das Kind war ja ihr Lebensglück. Sie haben viel für ihr Kind getan. Sie haben ihren Bub, ihr Mädchen grossgezogen, geliebt … und dann geht das Kind auf einmal. Damit bricht für die betroffenen Eltern ihr Lebensplan zusammen.

Lesen Sie auch: Quetiapin bei Psychosen

Viele verlassene Eltern haben von ihren eigenen Eltern nicht gelernt, Liebe auszudrücken und emotionale Nähe zu schaffen. Und das ist dann das Schwierige: Eltern tun dies ja nicht absichtlich, es passiert einfach. Eltern wollen immer das aus ihrer Sicht Beste für ihr Kind.

Mutterkomplex und seine Auswirkungen

Der Begriff «Mutterkomplex» ist sowohl ein Schlagwort, das von jedermann meist abwertend gebraucht wird, als auch ein Fachbegriff aus der Jungschen Psychologie. Entgegen der Volksmeinung, ein Komplex sei immer etwas Krankes, bedeutet der Begriff bei C. G. Jung erst einmal ganz neutral «ein Bündel von zusammengehörigen Gefühlen». Beim Mutterkomplex sind es eben Gefühle, die sich auf die eigene Mutter beziehen. Dass dieser Komplex eine grosse Rolle spielt, liegt auf der Hand, hängt doch in der Regel das Überleben des Säuglings in erster Linie von der Mutter ab. Es besteht eine grosse körperliche Nähe, die Mutter wird zum ersten Liebesobjekt.

Jungsche Psychologen unterscheiden zwischen einem positiven und einem negativen Mutterkomplex. Beim positiven Mutterkomplex liebt man seine Mutter - auch mütterliche Frauen - und fühlt sich von allem angezogen, was von Weitem an Mütterliches erinnert. Beim negativen Mutterkomplex lehnt man die eigene Mutter und alles Mütterliche ab.

Wer im Erwachsenenalter seine Mutter zu sehr liebt, wird unfähig, Beziehungen mit gleichaltrigen Frauen einzugehen. Er bleibt ein Muttersöhnchen, wohnt vielleicht noch zu Hause und hat nicht selten sexuelle Probleme. Das geht oft einher mit einer allgemeinen Aggressionsschwäche, denn Aggression würde gebraucht, um sich abzulösen und entschlossen eine Partnerin zu umwerben.

Wer wie Ihr Mann ein eher problematisches Verhältnis zur Mutter hat oder sie gar hasst, hat dagegen oft Probleme mit allem Weiblichen und muss Frauen entwerten. Weil die ersten Beziehungserfahrungen schlecht waren, dominieren in allen Lebensbereichen negative Gefühle wie Pessimismus, Neid, Angst, Hass und Schuld.

Lesen Sie auch: Nach der Psychose: Was nun?

Narzissmus als verstärkender Faktor

Es gibt grundsätzlich drei Abstufungen bei Narzissten: Der normale Narzissmus ist die am meisten verbreitete Ausprägung. Sie gilt nicht als Persönlichkeitsstörung, sondern als Persönlichkeitseigenschaft. «Die Menschen haben in der Regel ein gutes Selbstwertgefühl und sind mit sich zufrieden, was positiv ist», erklärt Walter.

Als zweite Stufe gilt die akzentuierte narzisstische Persönlichkeit. «Die Personen drängen sich häufig in den Vordergrund und fühlen sich anderen überlegen», so Walter. Gleichzeitig merke man mit der Zeit, dass sie innerlich sehr verunsichert sind. «Diese Menschen sind stark angewiesen auf positive Rückmeldung und Bewunderung von anderen.» Genau da beginnt laut dem 50-Jährigen das Problem. Die Person müsse immer das Gefühl haben, überlegen zu sein, um sich sicher zu fühlen.

Die dritte Stufe, die narzisstische Persönlichkeitsstörung, sei - anders als die anderen beiden Abstufungen - klar definiert. «Für diesen Fall gibt es Klassifikationen und ein Interview, das wir Psychiater durchführen.» Die Persönlichkeitsstörung kann also nach klar vorgegebenem Schema diagnostiziert werden. Die drei Hauptmerkmale sind hier Selbstüberschätzung, ein extremes Bedürfnis nach Bewunderung sowie Empathielosigkeit. Das Letztere sei dabei das wichtigste Kriterium, um einen pathologischen Narzissten zu erkennen. «Die Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung manipulieren andere und interessieren sich nur für sich selbst», erklärt Walter. Ein bis fünf Prozent der Bevölkerung ist von dieser Störung betroffen. Männer doppelt so häufig wie Frauen.

Narzisstische Personen gehen kaum wegen Verdacht auf Narzissmus zur Therapie. «Meistens gehen sie wegen anderer Beschwerden in Behandlung», sagt Walter. Häufig seien beispielsweise Depression, Suchtkrankheiten oder ein Burn-out. Diese Probleme verdecken dann den Narzissmus.

Wahnhafte Störungen

Menschen nehmen ihre Umgebung in unterschiedlicher Art und Weise wahr. Was echt ist und was nicht, erscheint beliebig zu sein. Die Realität wird als das definiert, worüber sich die Menschen in ihrer soziokulturell und situativ beeinflussten Wahrnehmung der gemeinsamen Welt einigen können. Es gibt jedoch Menschen, die an ihrer Überzeugung festhalten, auch wenn diese für ihre Mitmenschen nicht nachvollziehbar ist. Eine sehr starke, langandauernde und für andere nicht nachvollziehbare Überzeugung ist das Kernsymptom einer wahnhaften Störung.

Der Wahn kann gemäss der amerikanischen Klassifikation DSM-5 verschiedene Inhalte haben. Eine erkrankte Person kann das Gefühl haben, dass andere Menschen über sie spotten (Beziehungswahn). Betroffene eines Verfolgungswahns haben das Gefühl, dass sie ständig bedroht und verfolgt werden. Oder die Person ist von der Untreue des Partners überzeugt (Eifersuchtswahn). Die betroffene Person kann der festen Überzeugung sein, dass ein Doppelgänger existiert, durch den sie verdrängt wird (Doppelgängerwahn). Andere Wahninhalte sind zum Beispiel Schuld an einem Verbrechen oder einer sonstigen Verfehlung zu haben, von einer anderen Person geliebt zu werden oder ständige Rechtskränkungen zu erleiden (Querulantenwahn).

Vier Kriterien des Wahns müssen erfüllt sein:

  • Eine private Wirklichkeitsauffassung
  • Persönlich gültige Überzeugung
  • Starre Überzeugung
  • Lebensbestimmende Wirklichkeit

Eine wahnhafte Störung zu diagnostizieren, ist oftmals schwierig, besonders wenn der Wahn isoliert auftritt. Der Übergang zwischen Überzeugungen, welche die Menschen miteinander teilen, und Wahnüberzeugungen kann fliessend sein. Darum wird zu Beginn eine ausführliche Befragung zur Vorgeschichte der Störung durchgeführt. Dies hat zum Zweck, mögliche organische Ursachen des Wahns (z.B. Demenz) ausschliessen zu können. Des Weiteren sollten die diagnostischen Kriterien einer Schizophrenie nicht erfüllt werden und der Wahn nicht durch eine andere psychische Störung wie beispielsweise Depression erklärbar sein.

Symptome und Anzeichen psychischer Belastung

Die aktive Ansprache der oder des Betroffenen durch Angehörige kann helfen, psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen. Die meisten Menschen machen ein oder mehrere Male in ihrem Leben psychische Krisen durch. Nicht immer handelt es sich dabei um eine Depression oder eine andere psychische Krankheit im medizinischen Sinn.

Wenn das psychische Befinden erheblich beeinträchtigt ist, äussert sich dies häufig auch körperlich. So klagen viele gestresste oder psychisch beeinträchtigte Menschen zuallererst über Kopfschmerzen, Schmerzen und ein Engegefühl in der Brust oder über Verdauungsbeschwerden. Es ist sogar möglich, dass körperliche Beschwerden tatsächlich vorhanden sind, sämtliche Untersuchungen jedoch keine organische Ursache für diese Schmerzen zu Tage bringen. Umgekehrt können auch körperliche Ursachen für psychische Beeinträchtigungen verantwortlich sein.

Umgang und Behandlung

Unabhängig von der Art und der Stärke der Symptome sollte man sich deshalb frühzeitig an eine Ärztin oder einen Arzt wenden. Reflektieren Sie Ihre Gefühle, nehmen Sie Ihre depressiven Symptome ernst und warten Sie mit der Behandlung nicht zu lange. Nehmen Sie vertrauensvoll Hilfe von Fachpersonen in Anspruch. Es tut gut, jemandem seine Sorgen anzuvertrauen. Über Schwächen zu sprechen, zeugt von Stärke und Mut.

Sobald die eigenen Ressourcen nicht mehr funktionieren oder abrufbar sind, sollten Sie eine Fachperson konsultieren. Suchen Sie zudem professionelle Hilfe auf, wenn sich Ihr depressiver Zustand über mehrere Wochen nicht verändert, sich vielleicht sogar verschlechtert. Mit Depressionen verhält es sich ähnlich wie bei körperlichen Beschwerden, die erst sehr spät oder gar nicht behandelt werden. Die Symptome können sich zunehmend verschlimmern. Es wird immer schwerer, sich zu überwinden und helfen zu lassen. Je früher man sich beraten bzw.

Finanzielle Aspekte

Schliesslich können psychische Probleme durch Therapiekosten und Arbeitsausfall teuer werden. Aber keine Angst: Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind Sie so versichert, dass der Grossteil der Kosten übernommen wird. Je nach Art der Behandlung werden die Kosten von der Grundversicherung oder von der Zusatzversicherung der Krankenkasse gedeckt oder müssen selber getragen werden.

Ärztliche Psychotherapien - also Therapien durch eine Psychiaterin oder einen Psychiater - werden von der Grundversicherung übernommen. Dasselbe gilt seit dem 01.07.2022 auch für psychologische Psychotherapien (durchgeführt von Psychologinnen und Psychologen), sofern diese durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet werden. Wenn psychologische Psychotherapien nicht durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet sind, werden die Kosten je nach Versicherung durch die freiwillige Zusatzversicherung gedeckt. Informieren Sie sich über die Leistungen bei Ihrer Versicherung.

Prävention und Selbsthilfe

Es ist wichtig, die eigene psychische Gesundheit zu pflegen. Stärken Sie deshalb Ihre Abwehrkräfte, achten Sie auf Ihre Work-Life-Balance und setzen Sie Ihre Ressourcen optimal ein. Dadurch beugen Sie Krankheiten und Depressionen vor. Bleiben Sie sozial aktiv und pflegen Sie Kontakte zu Menschen, die Ihnen guttun. Die Neugierde und das Dazulernen von Neuem halten Sie geistig frisch. Leben Sie Ihre Kreativität aus und bewegen Sie sich regelmässig. Genauso nötig ist die Entspannung: Lassen Sie zwischendurch einfach einmal die Seele baumeln.

Ignorieren Sie die Anzeichen einer psychischen Belastung nicht. Reden Sie darüber und lassen Sie sich rasch helfen.

tags: #Psychose #nach #Trennung #vom #Partner #Ursachen