Die Depression ist nicht nur die häufigste psychische Erkrankung, sondern eine der häufigsten Krankheiten überhaupt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass Depression im Jahr 2030 die weltweit häufigste Erkrankung sein wird. Alle Menschen können depressiv werden.
Entstehung, Symptome und Beschwerdebild einer Depression sind jedoch individuell unterschiedlich. Die Art und Ausprägung einer Depression ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, das Spektrum reicht von depressiven Phasen über leichte Depressionen bis zu schweren Depressionen.
Das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) zählt Depressionen zu den affektiven Störungen. Unter dem Code F31 im ICD-10 sind bipolare affektive Störungen vermerkt, die vor allem durch den Wechsel von gehobener Stimmung und Stimmungssenkung gekennzeichnet sind. Der Code F32 beinhaltet depressiven Episoden, wobei leichte (F32.0), mittelgradige (F32.1) und schwere (F32.2 und F32.3) Episoden unterschieden werden. Der Code F33 bezeichnet rezidivierende depressive Störungen, also Störungen, die von wiederholten depressiven Episoden geprägt sind.
Zwar ist diese Katalogisierung ein hilfreiches Instrument, um den Schweregrad einer Depression definieren zu können. Wie viele andere psychische Krankheiten ist auch die Depression nach wie vor mit einer starken Stigmatisierung verbunden. Wer depressiv ist, redet nicht gern darüber, zudem gehen psychische Probleme dieser Art häufig mit einem sozialen Rückzug einher.
Ursachen von Depressionen
In der Medizin wird von multifaktoriellen Ursachen gesprochen, das heisst, sowohl biologische Komponenten (wie beispielsweise Veränderungen im Hormonhaushalt), genetische Faktoren (bereits ein Verwandter leidet oder litt an Depressionen), als auch Umwelteinwirkungen (Verlust der Arbeit oder eine Trennung) können alleine oder in Kombination zu einer depressiven Episode führen. Manchmal findet sich ein Auslöser für die Beschwerden, in anderen Fällen lässt sich der Symptombeginn keinem bestimmten Ereignis zuordnen. Bei chronischen Depressionen zeigt sich oft ein Zusammenhang mit belastenden Lebenserfahrungen in Kindheit und Jugend.
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Genetische Faktoren: Es gibt familiäre Häufungen von depressiven Erkrankungen, die auf eine erbliche Belastung mit erhöhtem Erkrankungsrisiko schliessen lassen. Dieses Risiko steigt mit dem Verwandtschaftsgrad: Geschwister und Kinder (Verwandte ersten Grades) werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-20% selbst krank. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass trotz dieser Belastung die Wahrscheinlichkeit gesund zu bleiben deutlich höher ist (80-90%). Somit wird nicht die Erkrankung selbst vererbt, sondern das erhöhte Risiko, auf Belastungen mit einer Depression zu reagieren.
Das erhöhte Risiko besteht vermutlich darin, in einer erhöhten Anfälligkeit mit einer Depression auf (langandauernden) Stress oder belastende Lebensereignisse zu reagieren. Es ist anzunehmen, dass die vielen verschiedenen Ausprägungen und Unterformen von Depressionen möglicherweise mit individuellen Mustern solcher Genvarianten zu tun haben könnten. Derartige Genvarianten spielen nicht nur für die Anfälligkeit und individuelle Ausprägung von Depressionen, sondern auch für medikamentöse Therapien aller Art eine Rolle.
Für die Pharmakotherapie der Depression beispielsweise spielen Genvarianten eine Rolle, die die Schnelligkeit des Abbaus von Medikamenten in der Leber steuern, oder ihre Möglichkeit, überhaupt ins Gehirn zu gelangen, um ihren Wirkungsort zu erreichen. Die verbesserte Kenntnis solcher genetischer Konstellationen können dem behandelnden Arzt in Zukunft helfen, z.B. Medikamente zu vermeiden, die von einer bestimmten Person zu schnell abgebaut werden, oder gar nicht ins Gehirn gelangen können, oder solche zu wählen, die gezielt für eine bestimmte Depressionsausprägung geeignet sind. Es ist zu hoffen, dass die Forschung bald weitere derartige Kenntnisse liefern kann, die individuell massgeschneiderte Therapien ermöglichen - im Sinne der «personalisierten Medizin».
Stress und Stresshormone: Schon seit einiger Zeit ist durch die Forschung bekannt, dass depressive Patienten veränderte Kortisolwerte im Blut aufweisen. Kortisol ist ein typisches Stresshormon, das vor allem bei Überforderung und Gefühlen von Kontrollverlust ausgeschüttet wird. Unser Körper reagiert auf jede äussere und innere Anforderung mit psychischen und körperlichen Reaktionen, sei dies eine kurzfristige sportliche Herausforderung, eine kurze Lärmbelastung oder längerfristige Stresssituationen wie eine hohe Arbeitsbelastung oder andauernde soziale Konfliktsituationen.
Herausforderungen, die eine aktive und erfolgreiche Bewältigung erlauben, können positive Gefühlen auslösen und Spass machen, obwohl (oder weil) Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet werden und positive Energie mobilisiert wird. Langandauernde Stresssituationen hingegen, die zu Überforderung und Verlust der eigenen Kontrolle führen, verursachen und etablieren negative Gefühle und Denkmuster mit hohen Werten des Stresshormons Kortisol.
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In bestimmten Gehirnregionen (dem sogenannten limbischen System, das für die Regulation unserer Gefühle zuständig ist) kommt es hierbei zu einer Überaktivität des für die Emotionsregulation wichtigen Mandelkerns (Amygdala). Auf der hormonellen Ebene kommt es hierdurch zusätzlich zu einer krankmachenden, dauerhaften Aktivierung des Stresshormonsystems (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System = HPA-System).
Neurotransmitter: Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass der Stoffwechsel der Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter) Serotonin, Noradrenalin und Dopamin bei Depressionen verändert ist. An den Kontaktstellen der Neurone im Gehirn, den Synapsen, sind die Bestände dieser Transmitter erschöpft, sodass die Informationsübermittlung von Neuron zu Neuron gestört ist.
Weitere Faktoren: Neben einer familiären Vorbelastung hat sich gezeigt, dass Stresserlebnisse, insbesondere im frühkindlichen Alter, das Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen und Angststörungen, erhöhen. Hier spielt die genannte Epigenetik eine Rolle. Hierunter versteht man eine den eigentlichen Genen übergeordnete Regulationsebene. So bestimmen Veränderungen an der DNA - beispielsweise kleine chemische Anhängsel -, ob ein bestimmtes Gen aktiv ist, also häufig abgelesen wird, oder ob es «stumm» geschaltet ist.
Das Risiko, an einer neuen Depression zu erkranken, steigt mit jeder neu durchlebten depressiven Episode weiter an. Wie bereits erwähnt, steigt das Risiko insbesondere dann an, wenn noch Restsymptome einer früheren Phase bestehen. Dies sind häufig Schlafstörungen, Konzentrationsmängel, mangelnde Energie und Initiative. Es ist deshalb zu betonen, dass depressive Episoden konsequent und genügend lang behandelt werden sollen, bis alle Restsymptome überwunden sind und der Patient seine vollständige Funktionalität wiedererlangt hat.
Neuere Befunde bei Depressionen lassen erkennen, dass die Neubildung von Neuronen im limbischen System vermindert oder gar unterbunden wird. Damit wird die natürliche Regenerationsfähigkeit dieser Hirnareale, die für Gefühle, Stressverarbeitung und Lernfähigkeit zentral wichtig sind, gehemmt. Wird die Depression lange nicht behandelt, konnte sogar gezeigt werden, dass diese Hirngebiete an Volumen abnehmen und kleiner werden. Dafür dürften vor allem die chronisch hohen Kortisolwerte verantwortlich sein, die negativ auf das Gehirn einwirken.
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Behandlung von Depressionen
Die Depression kann sowohl von der körperlichen, biologischen Seite als auch von der psychischen und psychosozialen Seite her entstehen und behandelt werden. Alle diese Ursachen, seien sie nun angeboren oder durch die Umwelt (z.B. Belastungen in Beruf und Familie) bedingt, können zu chronischem Stress und zur pathologischen Überaktivität des Stresshormonsystems führen.
Die aktuellen Antidepressiva unterstützen die erschöpften Transmittersysteme und verbessern den Informationsfluss zwischen den Neuronen. Gleichzeitig korrigieren sie das aus der Balance geratene HPA-Stresssystem und vermindern die hohen Kortisolwerte. Psychotherapien arbeiten mit den ins Negative verschobenen Denkmustern und Interpretationen von Stresssituationen und können dadurch beim HPA-System korrigierend eingreifen. Durch die Normalisierung der Kortisolwerte steigt die Neubildung (Neurogenese) von Neuronen im limbischen System wieder an. Es scheint, dass Antidepressiva die Neurogenese fördern, wie dies sportliche Aktivität und rege geistige Tätigkeit auch tun.
Die neuesten Erkenntnisse verlangen umso mehr, dass die komplexe Krankheit Depression ganzheitlich angegangen und therapiert wird. Dies geschieht durch eine individuell optimierte Kombination von medikamentöser Therapie und Psychotherapie sowie entsprechenden Begleitmassnahmen (Sport, Gruppentherapien, Selbsthilfe etc.).
Psychotherapie: Mit einer gezielten Psychotherapie kann einer Depression wirkungsvoll und nachhaltig begegnet werden. Die Behandlung in der Privatklinik Aadorf erfolgt nach integrativem, methodenübergreifendem Ansatz. Die Therapie wird individuell auf jeden Patienten abgestimmt, mit ihm geplant und interdisziplinär bearbeitet. Mögliche Behandlungen im Rahmen einer Psychotherapie sind die klassische Einzelpsychotherapie oder anderen Formen der Gesprächstherapie wie Paar-, Familien- oder Gruppenpsychotherapie. Auch Spezialtherapien wie Ergotherapie, Ausdrucksmediation oder Kreativtherapie können Teil des Therapiekonzeptes bei einer Depression sein.
Medikamentöse Behandlung: Bei schweren Depressionen unterstützen häufig Psychopharmaka die Therapie, meist Antidepressiva. Sie wirken nicht sofort, sondern oft erst nach zwei, manchmal auch erst nach drei, vier oder fünf Wochen. Antidepressiva beeinflussen die Neurotransmitter, die Botenstoffe im Gehirn. Das sind vor allem Serotonin und Noradrenalin. Sie dienen dazu, bei der Übermittlung von Gefühlen im Gehirn winzige Spalten zwischen den Nervenzellen zu überbrücken. Bei depressiven Menschen ist diese Gefühlsübermittlung häufig gestört. Antidepressiva sorgen dafür, dass die Botenstoffe wieder besser funktionieren.
- Tri- und tetrazyklische Antidepressiva: Sie hemmen den Abbau der Botenstoffe in den Nervenzellen. Dadurch stehen mehr Botenstoffe zur Weiterleitung von Reizen zur Verfügung.
- SSRI/SSNRI: Diese Antidepressiva sorgen ebenfalls dafür, dass Nervenzellen die Botenstoffe langsamer abbauen.
- MAO-Hemmer: Sie unterdrücken die Wirkung des Enzyms Monoaminoxidase (MAO), das die Botenstoffe im Gehirn abbaut.
- Lithium: Nur, wenn andere Medikamente nicht helfen, setzen wir Lithium ein. Es verstärkt oft die Wirkung anderer Antidepressiva.
- Johanniskraut: Bei einer leichten Depression hilft oft Johanniskraut. Vor einer Verordnung klären wir Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ab.
Wenn sich die erkrankte Person deutlich besser fühlt, sollte sie das Antidepressivum noch einige Monate lang weiter nehmen.
Stationäre Behandlung
Die stationäre Behandlung einer Depression ist angezeigt, wenn die ambulante Therapien nicht das gewünschte Ziel erreicht oder wenn die betroffene Person besonderer Unterstützung im Alltag bedarf. Neben der Behandlung mit biologischen und psychotherapeutischen Verfahren sind Entlastung im Alltag, ressourcenorientierte Aktivierung und Unterstützung in Krisen wichtige Therapiebestandteile der stationären Behandlung. Diese können ergänzt werden durch komplementäre Methoden (z.B. Aromatherapie, Massagen, Ohrakupunktur).
Die antidepressive und stressregulierende Wirkung von Bewegung wird in der Bewegungs- und Physiotherapie genutzt. Bei chronischen Depressionen (definiert über eine Dauer von mindestens zwei Jahren) hat sich die Schematherapie im Einzel- und Gruppensetting gegenüber herkömmlichen Verfahren als effektiver erwiesen.
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