Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden in der modernen Gesellschaft. Fast jeder Mensch erlebt mindestens einmal im Leben Schmerzen im oberen, mittleren oder unteren Rücken. Diese Schmerzen können vielfältig sein und verschiedene Bezeichnungen haben, wie Verheben, Kreuzschmerzen, Hexenschuss oder einfach "es im Rücken haben".
Die Beschwerden können sich als Drücken im Kreuz oder Ziehen im Nacken äussern und manchmal in den seitlichen Rücken, die Arme oder Beine ausstrahlen. Sie können anhaltend oder nur zeitweise auftreten und in einigen Fällen so stark sein, dass Bewegungen kaum noch möglich sind. Rückenschmerzen treten in fast jedem Alter auf und zählen zu den häufigsten Schmerzproblemen überhaupt.
Frauen sind in allen Altersgruppen häufiger von Rückenschmerzen betroffen als Männer, ein Phänomen, das sich auch bei anderen Schmerzarten zeigt. Chronische Rückenschmerzen sind in der Regel mehr als nur Schmerzen im Rücken. Oft treten zusätzliche Erkrankungen (Komorbiditäten) auf, wie verschleissbedingte (degenerative) und entzündliche Gelenk-Erkrankungen, Osteoporose, Schlaganfall, Herzschwäche, Schmerzmittel-Missbrauch, starkes Übergewicht oder chronische Bronchitis.
Risikofaktoren für Rückenschmerzen
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko für Rückenschmerzen erhöhen:
- Arbeitsbezogene Faktoren: Das Tragen und Heben schwerer Lasten, Vibrationen sowie Arbeiten in ungünstigen Körperhaltungen belasten Wirbelsäule, Gelenke und Muskeln.
- Arbeitsbezogene psychosoziale Bedingungen: Unzufriedenheit mit der Arbeit, monotone Tätigkeiten, soziale Konflikte am Arbeitsplatz und hoher Arbeitseinsatz ohne angemessene Belohnung begünstigen Rückenschmerzen.
- Sozialstatus: Menschen mit niedrigem Sozialstatus in Bezug auf Schulbildung, Beruf und Einkommen sind häufiger betroffen.
Auch der Verlauf bestehender Rückenschmerzen ist durch ungünstige Bedingungen beeinflussbar, etwa durch psychische Faktoren wie unrealistische Befürchtungen, Depressivität sowie passive oder überaktive Verhaltensweisen.
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Wann zum Arzt?
Es ist wichtig, einen Arzt aufzusuchen, wenn:
- Die Rückenschmerzen untypisch sind und nicht auf eine falsche Bewegung oder schweres Heben zurückzuführen sind.
- Die Rückenschmerzen nicht weggehen und anhalten.
- Die Schmerzintensität der Rückenschmerzen zunimmt.
Erwachsene mit Rückenschmerzen wenden sich am besten zuerst an ihren Hausarzt, der sie dann gegebenenfalls an Fachärzte wie Orthopäden, Radiologen oder Neurologen sowie an Therapeuten für Physiotherapie, Schmerztherapie oder Psychotherapie weiterleitet. Bei Kindern und Jugendlichen sind Kinderärzte die ersten Ansprechpartner.
Diagnose von Rückenschmerzen
Zur Abklärung von Rückenschmerzen führt der Arzt zunächst ein ausführliches Gespräch (Anamnese), um die Krankengeschichte zu erheben. Mögliche Fragen dabei sind:
- Wo treten die Rückenschmerzen auf?
- Strahlen die Rückenschmerzen in andere Körperregionen aus?
- Wie lange dauert die aktuelle Schmerzepisode bereits an?
- Gab es frühere Episoden von Rückenschmerzen? Wie war der Verlauf der Schmerzen?
- Gibt es Faktoren, welche die Rückenschmerzen auslösen, verstärken oder lindern?
- Wie wurden die Rückenschmerzen bisher behandelt? Waren die Massnahmen erfolgreich? Traten Nebenwirkungen auf?
- Wie sieht der (tages-)zeitliche Verlauf der Rückenschmerzen aus? Sind sie morgens am stärksten?
- Wie stark sind Ihre Rückenschmerzen? Beeinträchtigen sie Alltagsaktivitäten?
- Haben Sie Begleitbeschwerden oder Begleiterkrankungen seelischer oder körperlicher Natur?
Ausserdem fragt der Arzt, welche Einstellung Sie zu Ihren Schmerzen haben und wie Ihr Schmerzverhalten ist. Zudem erkundigt sich der Mediziner nach eventuellen psychosozialen Risikofaktoren wie Stress, Konflikten am Arbeitsplatz oder Neigung zu Depressionen. Anhand all dieser Informationen lässt sich einschätzen, wie gross das Risiko ist, dass Ihre Rückenschmerzen in einen chronischen Verlauf übergehen.
Untersuchungen beim Arzt
Nach dem Anamnese-Gespräch führt der Arzt gegebenenfalls verschiedene Untersuchungen durch, um den Ursachen der Rückenschmerzen auf den Grund zu gehen:
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- Körperliche Untersuchung: Der Arzt achtet dabei zum Beispiel auf Fehl- oder Schonhaltungen.
- Orthopädische Untersuchung: Sie ist vor allem zur näheren Abklärung von Kreuzschmerzen (Hexenschuss, Lumbago) angezeigt.
- Blut-Untersuchung: Die Messung verschiedener Blutwerte gibt zum Beispiel Hinweise auf eine Wirbelsäulen-Abnutzung, Entzündungen oder auf Herz-Erkrankungen als Auslöser von Rückenschmerzen.
- Harn-Untersuchung: Die Analyse einer Urinprobe bestätigt oder schliesst den Verdacht auf eine Erkrankung der Nieren oder eine akute Prostata-Entzündung aus.
- Gynäkologische Untersuchung: Bei Schwangeren lässt sich so überprüfen, ob die Rückenschmerzen eventuell Anzeichen für Wehen sind.
- Neurologische Untersuchung: Hier untersucht der Arzt den Funktions- und Leitungszustand von Nervenbahnen, falls die Ursache der Rückenschmerzen auf eine Einengung von Rückenmark oder Nervenwurzeln (etwa beim Bandscheibenvorfall) zurückzuführen wäre.
Weitere mögliche Untersuchungen sind Elektroneurografie (ENG), Elektromyografie (EMG), Ultraschall-Untersuchung, Ausscheidungs-Urografie, Magenspiegelung, Röntgen, Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT), Szintigrafie, Elektrokardiografie (EKG), Herz-Ultraschall und Herzkatheter-Untersuchung.
Wann welche Untersuchungen nötig sind
Die körperliche Untersuchung und die meisten Laboruntersuchungen (Blut, Urin) gehören zum Routineprogramm bei der Diagnose von Rückenschmerzen. Radiologische Untersuchungen - also Röntgen, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) - sind dagegen nur bei Verdacht auf spezifische Rückenschmerzen empfohlen.
Bei der Erstabklärung von akuten und chronischen Rückenschmerzen verzichten Ärzte meist auf radiologische Untersuchungen, um beim Patienten keine Angst zu schüren, dass vielleicht doch eine ernste Ursache hinter den Rückenschmerzen steckt. Denn die psychische Belastung um die Sorge einer ernsten Erkrankung führt in manchen Fällen dazu, dass akute Rückenschmerzen chronisch werden (Chronifizierung). Bleiben die Rückenschmerzen über einen längeren Zeitraum bestehen, prüfen Ärzte bei der Wiedervorstellung nochmals, ob sich die Schmerzen verändert haben und eventuell bildgebende Verfahren zur Anwendung kommen.
Psychosomatische Aspekte von Rückenschmerzen
Die Psyche spielt bei der Wahrnehmung von Schmerzen eine grosse Rolle. Ungünstige Verhaltensmuster können Schmerzen aufrechterhalten. In der psychologischen Schmerztherapie werden diese Verhaltensmuster analysiert und eine Veränderung angestrebt. Ziel jeder Psychotherapie ist es, die negativen und einschränkenden Folgen der chronischen Schmerzen so zu verringern, dass die Lebensqualität steigt. Dazu entwickeln wir das Verständnis der Patientinnen / Patienten für die eigenen körperlichen und psychischen Prozesse mit Schmerzbeteiligung weiter.
Auch psychische Faktoren wie Stress oder Sorgen können auf den Rücken schlagen oder vorhandene Rückenschmerzen noch verstärken. Orthopäden und Schmerzmediziner wissen längst, dass chronische Unzufriedenheit im Beruf oder private Belastungen die Wahrscheinlichkeit für Rückenschmerzen stärker erhöhen als knöcherne oder muskuläre Dysbalancen.
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Was hilft dagegen?
Zuversicht, Vertrauen in den eigenen Körper und die Gewissheit, dass die Schmerzphasen bald vorübergehen. Diese Faktoren sind meist stärker ausgeprägt bei Menschen, die sich regelmässig bewegen.
Behandlung von Rückenschmerzen
Die beste Möglichkeit zur Behandlung von Rückenschmerzen ist die Entlastung der überreizten Muskulatur. Dazu dient ein ganzheitlicher Ansatz: Einerseits wird die Haltung der Betroffenen im Alltag und bei Hobbys optimiert. Dazu kommt eine lokale passive Therapie der Lendenwirbelsäule (manuelle Therapie). Auch die dazugehörige Muskulatur wird behandelt. Anschliessend sollte die Rekonditionierung (Kräftigung der geschwächten Muskulatur) nicht fehlen. Auch die Optimierung der Körperwahrnehmung und Stabilisationsfähigkeit ist ein Schwerpunkt der Therapie. Wie immer bei einer Physiotherapie für den Rücken werden Patientinnen und Patienten instruiert, die Übungen auch zu Hause auszuführen und in ihren Alltag zu integrieren.
Bewegung generell, aber auch Stretching und allgemeine Kräftigung der Muskulatur sind sehr gute Möglichkeiten, Verspannungen vorzubeugen. Wärme fördert die Durchblutung der Muskulatur und somit die Entspannung.
Bei anhaltenden oder sich verschlimmernden Symptomen ist die fachliche Abklärung der Beschwerden sinnvoll. Nach der medizinischen Abklärung erhalten Sie meistens eine Verordnung (Rezept) für Physiotherapie. Werden weitere Sitzungen für die Linderung der Rückenschmerzen benötigt, kann Ihr Physiotherapeut oder Ihre Physiotherapeutin weitere Behandlungen bei Ihrem Hausarzt bzw. Ihrer Hausärztin beantragen.
Weitere Therapieansätze
- Osteopathie: Eine ganzheitliche Therapieform, die Tradition und moderne Wissenschaft miteinander verbindet.
- GLA:D® Rücken Programm: Ein in Dänemark entwickeltes Programm für Menschen mit langanhaltenden und wiederkehrenden Rückenschmerzen, das Übungen und Edukation zur Verbesserung des Selbstmanagements kombiniert.
- Verhaltenstherapeutische Anwendungen und gemischte Behandlungsprogramme: Chiropraktor/manuelle Eingriffe, wie Rolfing oder Triggerpunkttherapien in Kombination mit Rückenschulung/Haltungs- und Bewegungsverbessernde Massnahmen.
Mythen über Rückenschmerzen
- Schlechte Körperhaltung verursacht Rückenschmerzen: Rückenschmerzen haben wenig mit falscher Haltung zu tun. Monotone Stellungen sind Gift für den Rücken.
- Ein Schmerzschub bedeutet, dass ich mir einen Rückenschaden zugefügt habe: Auch sehr starke Rückenschmerzen sind sehr selten das Resultat einer ernsten Verletzung oder Erkrankung.
- Ist Bettruhe bei Beschwerden im Kreuz wirklich die beste Therapie? Das Schlimmste für einen Rücken ist es, zu lange im Bett zu liegen.
- Und sind Röntgenaufnahmen und bildgebende Verfahren/Scan die Ultima ratio aller Diagnostik? Patienten sollten nur ein bildgebendes Verfahren durchführen, wenn beispielsweise Hinweise auf eine Fraktur oder einen Tumor bestehen.
Die Rolle von Entzündungen
Eine vorübergehende Entzündung kann akute Rückenschmerzen chronisch werden. Die Einnahme von Entzündungshemmern (NSAR & Kortison) bei akuten Rückenschmerzen ist möglicherweise nicht so gut. Denn was das akute Leiden kurzfristig erträglicher macht, könnte auf längere Sicht ein Auslöser für chronische Schmerzen sein.
Faszien und Rückenschmerzen
Tatsächlich stehen die Faszien im Verdacht, chronische Schmerzen zu verursachen. Der Grund: Versteift sich das Bindegewebe, drückt es offenbar auf darin liegende Nerven und löst so mitunter qualvolle Pein aus. Die Rückenfaszie von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen ist steifer als bei Gesunden.
Wie „trainiere“ ich die Faszien am effektivsten?
Vor allem federnde und schwingende Bewegungen halten Faszien elastisch. Dazu braucht es keine eigentlichen „Übungen“ - die Alltagsbewegung und -haltung sollte federnd und schwingend sein. Helfen kann auch Dehnen. Dabei senden die Faszienzellen offenbar Signale aus, die das umliegende Gewebe entspannen. Jede Partie sollte mindestens dreissig Sekunden gedehnt werden.
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