Gewalt ist in vielen Familien immer noch Alltagsrealität und Teil der Erziehungskultur.
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung.
Die Definition von häuslicher Gewalt umfasst auch Kinder (Definition des Runden Tischs, Berner Interventionsprojekt bip 2001). Liegt der Fokus bei den Kindern, wird von Gewalt in der Familie gesprochen.
Formen von Gewalt
Es gibt verschiedene Formen von Gewalt:
- Körperliche Gewalt
 - Psychische Gewalt
 - Sexualisierte Gewalt
 - Vernachlässigung
 
Körperliche Gewalt
Als körperliche oder physische Gewalt gilt gemäss der von Kinderschutz Schweiz in Auftrag gegebenen Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz 2020 ein Angriff oder Übergriff auf Leib und Seele bzw. das Einwirken auf die körperliche Unversehrtheit eines Kindes.
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Beispiele für körperliche Gewalt sind:
- Gegenstände nachwerfen
 - Stossen, packen, schütteln, beissen
 - Ohrfeigen, Fusstritte, Faustschläge
 - Verprügeln
 - Waffen ziehen
 - Mit Werkzeugen zuschlagen, mit Messer zustossen, schiessen
 - Verbrennen
 
Schwere körperliche Misshandlungen haben oft sichtbare Zeichen wie Brüche, Verbrennungen, Schnitte, Stiche, Quetschungen oder innere Blutungen zur Folge.
Bedauerlicherweise werden in der Schweiz einige Formen körperlicher Gewalt gesellschaftlich toleriert und als «normale Erziehungsinstrumente» akzeptiert.
Psychische Gewalt
Psychische Gewalt bezeichnet Angriffe auf die Gefühle, Gedanken, das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit eines Menschen. Das Ausüben von Kontrolle und Macht spielt dabei eine grosse Rolle.
Psychische oder seelische Gewalt ist gemäss der Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz 2020 schwieriger zu definieren als physische Gewalt, weil sie weniger gut sichtbar ist.
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Psychische Gewalt bezieht sich auf nicht körperliche Angriffe, stellt aber eine ebenso ernsthafte Gefährdung dar.
Psychische Gewalt wird definiert als vorsätzliche Anwendung von Einfluss und Macht sowie wiederholte nicht situations- oder verhaltensbezogene Verhaltensmuster einer Betreuungsperson. Das Kind kann die elterliche Reaktion nicht mit der konkreten Situation in Bezug bringen, sondern empfindet diese als direkte, persönliche Aggression auf seine Person.
Beispiele für psychische Gewalt sind:
- Schwere Drohungen
 - Nötigung
 - Freiheitsberaubung
 - Stalking (belästigen, verfolgen, nachstellen, beobachten, bedrohen)
 - Diskriminierende Gewalt (konsequent missachten, andauernd beschimpfen, verleumden, vernachlässigen)
 - Soziale Gewalt (bevormunden, öffentlich demütigen, isolieren)
 - Ökonomische Gewalt (kein Haushaltsgeld geben, nicht arbeiten lassen, Verdienst in Beschlag nehmen)
 
Im Rahmen der «Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz», welche die Universität Freiburg im Auftrag von Kinderschutz Schweiz durchführte, zeigen sich Unterschiede in den Sprachregionen, was psychische Gewalt betrifft: So drohten Mütter und Väter in der Romandie und im Tessin ihren Kindern etwa dreimal so häufig mit Schlägen, dagegen praktizierten sie in der Deutschschweiz doppelt so oft Liebesentzug.
Für diese Studie befragten Forscherinnen und Forscher Eltern nicht nur zu ihrem Bestrafungsverhalten, sondern auch danach, ob sie dieses als Gewalt einstuften.
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Sexualisierte Gewalt
Um sexualisierte Gewalt handelt es sich, wenn an einer Person gegen ihren Willen eine sexuelle Handlung vorgenommen wird, welche sie unmittelbar in ihrer sexuellen, körperlichen und/oder psychischen Integrität beeinträchtigt (Opferhilfegesetz Art. 2 Abs. 1).
Sexuelle Gewalt an Kindern beginnt oft mit sexualisierten Gesten, die über kurz oder lang in sexuellen Handlungen münden. Sie kann bis ins Erwachsenenalter andauern.
Sexuelle Gewalt an Kindern ist eine strafbare Misshandlung!
Vernachlässigung
Eine Vernachlässigung liegt zum Beispiel dann vor, wenn Kinder nur unzureichend oder gar nicht ernährt, gepflegt, gefördert, gesundheitlich versorgt, beaufsichtigt oder vor Gefahren geschützt werden.
Vernachlässigung kommt in sämtlichen Gesellschaftsschichten vor. Sie hat ihren Ursprung häufig in finanziellen Sorgen, Beziehungsproblemen oder selbst erlebten Misshandlungen in der eigenen Kindheit. Die sich daraus entwickelnde Überforderung und Erschöpfung kann schnell in teilnahmsloses Verhalten überschwappen, wodurch die Vernachlässigung des Kindes entsteht.
Auswirkungen von psychischer Gewalt
Und gleichwohl kann auch sie - vor allem, wenn sie regelmässig angewendet wird - starke und möglicherweise lebenslange Auswirkungen für die betroffenen Kinder haben.
Wenn solche elementaren Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum nicht befriedigt werden, kann das gravierende Folgen für die seelische, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes haben.
Das Risiko für bleibende körperliche und seelische Schäden ist umso grösser, je jünger die Kinder sind.
Kinder, die häusliche Gewalt erleben, sind erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt und fühlen Angst, Mitleid, Erstarrung und Hilflosigkeit.
Massive und regelmässige Konflikte in der Familie über eine längere Dauer hinweg bedrohen die emotionale Sicherheit der Kinder und können Niedergeschlagenheit, Depressionen, Ängstlichkeit, Unruhe oder Aggressivität auslösen.
Langfristig kann ein chronischer Zustand der emotionalen Verunsicherung die psychische Gesundheit des Kindes nachhaltig beeinträchtigen und zu stressbedingten körperlichen Problemen führen.
Viele Kinder zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die sich in Unruhe oder Aggressivität, aber auch Niedergeschlagenheit oder Ängstlichkeit äussern; einige Kinder zeigen Anzeichen einer Traumatisierung.
In familiären Konfliktsituationen fehlen Eltern zudem häufig die Ressourcen, um in angemessener Weise auf die Bedürfnisse der Kinder zu reagieren.
Wenn das Verhalten der Sorgeberechtigten dazu führt, dass die Grundbedürfnisse des Kindes nicht erfüllt sind und es sich nicht seinen Potentialen entsprechend entfalten kann, ist davon auszugehen, dass eine gesunde Entwicklung des Kindes erschwert, beeinträchtigt oder verhindert wird.
Die Folgen von psychischer Gewalt in der Erziehung können die Entwicklung des Kindes massiv beeinträchtigen und negative Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben.
Manche Kinder haben die Fähigkeit, Gewalterlebnisse zu bewältigen und sich trotz widriger Umstände gesund zu entwickeln (Resilienz).
Betroffene können unter sozialem Rückzug, einem verringerten Selbstwertgefühl sowie psychischen Beeinträchtigungen wie etwa Schlaf- und Essstörungen, Konzentrations- und Leistungsschwierigkeiten, Angstgefühlen und/oder Depressionen leiden.
Psychische Gewalt beginnt oftmals schleichend und steigert sich langsam und stetig. Betroffene und deren Umfeld erkennen sie meist während langer Zeit nicht als solche. Häufig nehmen der Druck auf die Betroffenen, die ausgeübte Kontrolle sowie die Drohungen zu. Vielfach wird dabei auch von der Gewaltspirale gesprochen.
Rechtliche Aspekte
Da psychische Gewalt keine sichtbaren Wunden hinterlässt, ist sie zwar strafrechtlich schwerer fassbar als körperliche Gewalt, aber auch psychische Gewalt ist strafbar.
Erpressung, Drohung und Nötigung (Art. Ehrverletzungen (Art. Freiheitsberaubung (Art. Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art.
Für eine genaue Einschätzung Ihrer rechtlichen Situation können Sie sich an eine Opferberatungsstelle wenden. Diese bietet kostenlose Beratungen an und kann Ihnen allenfalls eine:n Anwält:in vermitteln.
Was tun bei Verdacht auf Kindswohlgefährdung?
Was können Sie tun, wenn eine Kindswohlgefährdung vermutet wird? Wie und wo eine entsprechende Meldung zu machen ist, erfahren Sie hier.
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