In der Schweiz herrscht oft Unklarheit über die Begriffe Genugtuung und Schmerzensgeld. Beide Begriffe bezeichnen im Wesentlichen dasselbe, werden aber in verschiedenen deutschsprachigen Ländern verwendet. Der Begriff Schmerzensgeld ist vor allem in Deutschland gebräuchlich. Im schweizerischen Recht wird dieser Begriff nicht offiziell verwendet, obwohl er umgangssprachlich auch zu hören ist.
Wer einen Schaden erleidet, hat eventuell Anrecht auf eine Entschädigung. Meist ist sie aber kleiner als erwartet.
Grundlagen des Schmerzensgeldes in der Schweiz
Die Genugtuung nach Art. 47 und Art. 49 OR dient dazu, einen finanziellen Ausgleich für erlittenes seelisches oder körperliches Leid zu gewähren. Dabei geht es nicht nur um körperliche Schmerzen, sondern insbesondere auch um das seelische Leid, das durch eine schwere Verletzung oder den Verlust einer nahestehenden Person verursacht wurde.
Schmerzensgeld oder Genugtuung versteht man als Schadenersatz und finanziellen Ausgleich für Schmerzen, bleibende psychische und körperliche Schäden sowie Beeinträchtigungen des Sozial- und Familienlebens nach einem Unfall. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist abhängig von mehreren Faktoren.
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schmerzensgeld
Ein Anspruch auf Genugtuung besteht, wenn das Opfer durch die Straftat eine schwere Beeinträchtigung erlitten hat. Diese muss zu einer dauernden Schädigung oder zu einem lange dauernden Heilungsprozess (z.B. Spitalaufenthalt) geführt haben. Schwere psychische Beeinträchtigungen oder posttraumatische Störungen können ebenfalls einen Anspruch auf Genugtuung begründen.
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Damit das Opfer Schmerzensgeld fordern kann, muss es nachweisen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Demnach muss der Schädiger, Unfallverursacher bzw. Schuldige entweder absichtlich widerrechtlich gehandelt haben oder fahrlässige Körperverletzung begangen haben. Der Personenschaden muss also durch ein schuldhaftes und widerrechtliches Verhalten verursacht worden sein. Dabei gilt auch der sogenannte Eventualvorsatz als vorsätzliche Körperverletzung.
Kein Anspruch besteht bei nur leichten Verletzungen. Bei psychischen Schmerzen wird auf das «Empfinden eines Durchschnittsmenschen» abgestellt, also keine messbare Grösse.
Um Schmerzensgeld fordern zu können, muss der Verletzte dazu im Stande sein, nachzuweisen, dass der Unfallverursacher entweder absichtlich oder fahrlässig einen widerrechtlichen Schaden bzw. die Körperverletzung verursacht hat.
Von fahrlässiger Körperverletzung ist auszugehen, wenn dem Verursacher vorgeworfen werden kann, dass er nicht das erforderliche Mass an Sorgfalt angewendet hat, welches ein durchschnittlich sorgfältiger Mensch in der gleichen Situation es getan hätte. Dieses Mass an Sorgfalt ist individuell zu beurteilen und kann nicht allgemein definiert werden.
Psychische Folgen eines Unfalls
Nicht immer sofort zeigen sich psychische Auswirkungen. Sie sind demnach auch wesentlich schwieriger zu beurteilen. Während sichtbare Unfallfolgen umgehend behandelt werden, ist seelisches Leiden oft nicht sofort sichtbar und werden daher auch nicht sofort behandelt. Verkehrsunfälle können jedoch durchaus schwerwiegende psychische Folgen für die Betroffenen haben.
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Oft werden die Unfallopfer selbst sowie ihr persönliches Umfeld mit Einschränkungen konfrontiert, die sie überfordern und zur Verzweiflung führen. Auch die Belastungen der physischen Verletzungen und damit verbundene ungewisse berufliche/soziale Zukunft sowie finanziellen Einbussen können grossen Einfluss auf die menschliche Psyche haben.
Häufige Folgen eines Unfalls sind:
- Ängste
 - Depressionen
 - psychische Entwicklungsstörungen
 - posttraumatische Belastungsstörung
 - Panikattacken
 - Erhöhte Reizbarkeit
 - Akute Todesangst
 - Selbstmordgedanken
 - Schockzustände
 
Zudem können sich je nach Schweregrad der Verletzung oder aber aufgrund einer psychischen Nachwirkung des Unfalls weitere langfristige Folgen ergeben. Dazu gehören beispielsweise Verdienstausfälle, Rentenausfallschäden, Haushaltsschäden und Ähnliches, die aufgrund des Krankenstandes entstehen. Auch dauerhafte Gesundheitskosten, wie das Bezahlen einer Pflegekraft, können das Unfallopfer, aber auch dessen Umfeld finanziell belasten. Und neben diesen materiellen Kosten, kann die Psyche wiederum unter den Umständen leiden.
Höhe des Schmerzensgeldes
Für die Zahlung der Genugtuung ist grundsätzlich der Schädiger bzw. die Schädigerin verantwortlich.
Die konkrete Höhe Schmerzensgeld wird in den Gesetzestexten der Schweiz nicht benannt. Das OR besagt im Artikel 49, dass diese das Ergebnis der richterlichen Entscheidung ist. Dabei legt das Gericht unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls fest, wie viel Geld dem Geschädigten zugesprochen wird.
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Um für die erlittenen Verletzungen nach einem Unfall Schmerzensgeld zu erhalten, müssen die Schmerzen eine gewisse Intensität aufweisen. Demnach hat das Opfer bei unwesentlicheren bzw. geringeren Schäden nach einem Verkehrsunfall oder Ähnlichem meist keine Ansprüche auf Schmerzensgeld gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung. So ist zum Beispiel Schmerzensgeld für ein Schleudertrauma nur in bestimmten Fällen möglich. Die Erstattung der materiellen Kosten über den dafür vorgesehenen Schadensersatz ist aber dennoch möglich.
Neben den „direkten“ körperlichen Schäden kann auch für weitere, damit in Verbindung stehende Folgen durch den Fahrradunfall ein Anspruch auf Entschädigung bestehen. So kann es beispielsweise zu einem Erwerbs- bzw. Verdienstausfall kommen. Dazu zählen Lohneinbussen wegen gänzlicher oder Teilarbeitsunfähigkeit wie Lohneinbussen wegen fehlender Karrieremöglichkeiten. Auch die Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens bei bestehendem Risiko, einen Anteil oder das ganze Erwerbseinkommen in Zukunft gesundheitsbedingt zu verlieren, ist dabei einzurechnen. Daher können auch Folgen wie ein Verdienstausfall die Höhe Schmerzensgeld bzw. des gesamtem Schadenersatzes beeinflussen und steigern.
Wie aber will man Leid oder einen Verlust an Lebensqualität in bare Münze umrechnen? Eine konkrete Berechnungsmethode fehlt. Einzige rechtliche Vorgabe: Die Genugtuung muss angemessen sein, soll also weder lächerlich tief sein noch reich machen. Bei der Berechnung orientieren sich Richter an alten Fällen oder an den Suva-Tabellen.
Für die Genugtuung ermitteln Richter eine Basissumme, je nach konkreter Beeinträchtigung. Dann passen sie diesen Betrag den besonderen Umständen und dem individuellen Leid an - sie reduzieren ihn eventuell, wenn der Geschädigte mitschuldig ist.
Schwindelerregend hohe Schmerzensgelder, wie man sie in den USA kennt, gibt es in der Schweiz nicht. Auch im Vergleich mit 13 EU-Staaten landet die Schweiz auf dem zweitletzten Platz. Mehr als 150'000 Franken Genugtuung sind selten - selbst für schwerste Verletzungen wie Para- oder Tetraplegie.
In der Schweiz ist man mit einer Summe von 250'000 Franken derzeit am Limit. So viel erhielt ein Mädchen, das von seinem Vater mehrfach angeschossen wurde, dabei schwere Verletzungen erlitt und seither seitlich gelähmt ist.
Die in der Schweiz zugesprochenen Summen seien zu tief, sagt Spezialist Silvio Riesen. AXA-Winterthur-Sprecherin Eberhard hält dagegen: Die Genugtuungssummen seien zwar niedriger als im Ausland, dafür seien hier die Schadenersatzzahlungen höher. Dabei geht es um Entschädigungen für den Erwerbsausfall sowie für den Haushalts- und Betreuungsschaden. Letzteres betrifft die Kosten, die bei einer Pflege zu Hause oder für eine Haushaltshilfe entstehen. Doch davon hat der Geschädigte nichts, sie widerspiegeln nur das hohe Preisniveau.
Beispielswerte für Schmerzensgeld
Anhand der Genugtuungs- bzw. Schmerzensgeldtabelle der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) lässt sich die Höhe des Schadenersatzanspruches ableiten. Die SUVA unterteilt in ihren Tabellen die Schäden nach verschiedenen Abstufungen. Dabei lässt sich herauslesen, welchen Prozentsatz des im Bundesgesetz über Unfallversicherung (UVG) maximal versicherten Lohnes der Geschädigte je nach Schweregrad des Schadens erhält.
Die angeführten Werte dieser Versicherung zum prozentuellen Anteil des Schmerzensgeldes sind allerdings nicht binden, sondern dienen zur ersten Orientierung:
| Verletzung | Prozentsatz des maximal versicherten Lohnes (SUVA) | 
|---|---|
| Rückenmarksverletzung | 100% | 
| Beidseitige Versteifung des Hüftgelenks | 80% | 
| Schwer entstelltes Gesicht | 50% | 
| Gebrauchsunfähige Schulter | 50% | 
| Verlust des Zeigefingers | 6% | 
| Gehörverlust auf einem Ohr | 0 bis 15% | 
Der Höchstbetrag des versicherten Verdienstes in der Unfallversicherung lag 2016 bei 148.200 Schweizer Franken. Die Prozentsätze werden am Höchstbetrag des des versicherten Verdienstes in der Unfallversicherung angewandt.
Anwaltliche Unterstützung
Wenn Sie Schmerzensgeld fordern möchten oder dies von Ihnen gefordert wird, kann es daher sinnvoll sein, sich an einen Anwalt zu wenden. In vielen Fällen ist das Schmerzensgeld von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zu bezahlen. Dies kann ein Anwalt für Sie übernehmen.
Ein Rechtsanwalt mit der Spezialisierung auf Verkehrsrecht kann in einem solchen Fall beurteilen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Er weiss über die Kalkulation der Höhe Schmerzensgeld und weiteren Faktoren wie im Falle eines Verdienstausfalls Bescheid. Zudem hat er Erfahrung, wie der Anspruch auf Schmerzensgeld am besten umgesetzt wird.
Die Vertretung durch einen Anwalt für Schmerzensgeld kann daher sinnvoll sein, um die Situation und den Unfallhergang näher zu betrachten und diese besser beurteilen zu können.
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