Die Anforderungen in Schule und Ausbildung nehmen stetig zu und der Leistungsdruck steigt. Fühlen sich Schülerinnen und Schüler langfristig überfordert, entsteht Stress. Der Alltag verlangt uns mehr und mehr ab. In der heutigen Gesellschaft scheint vor allem Leistung zu zählen. Diese Erwartungshaltung können auch Kinder spüren. Sie setzen sich unter Druck und haben gleichzeitig Angst, ihre Eltern mit schlechter Leistung zu enttäuschen.
Stress ist ein komplexes Phänomen, und es gibt keine einheitliche Definition dafür. In allen Ansätzen und Modellen wird Stress jedoch als Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen einer Person und ihrer Umwelt betrachtet. Eines der einflussreichsten und am häufigsten zitierten Stressmodelle der letzten 20 bis 30 Jahre ist das Transaktionale Stressmodell [Lazarus u. Launier 1981].
Ursachen von Stress bei Schülern
Mit zunehmendem Alter nimmt die Belastung durch schulische Faktoren zu. Jüngeren Kindern kann beispielsweise Schreiben und Lesen lernen Mühe bereiten und Stress auslösen. Von älteren Kindern wird mit Hausaufgaben, Schulprojekten oder schwierigen Prüfungen viel abverlangt. Viele Jugendliche berichten, dass sie Angst haben, ohne gute Noten keine beruflichen Perspektiven zu haben. Kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten, führt dies zu Stress.
Zu den Hauptbelastungen zählen schulischer Leistungsdruck, Prüfungen, Notenstress, die Berufswahl sowie Zukunftsängste. Mobbing ist für Betroffene ein grosser Stressfaktor. Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, lässt das Kind beispielsweise mit Bauchschmerzen aufwachen. Aus Angst, erneut geärgert zu werden, möchte es lieber nicht mehr zur Schule gehen.
Das Transaktionale Stressmodell
Das Transaktionale Stressmodell beinhaltet folgende Aspekte:
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- Primäre Bewertung: Bei der primären Bewertung wird ein Ereignis oder eine Situation als positiv, irrelevant oder potenziell bedrohlich für das eigene Wohlbefinden oder die eigenen Ziele betrachtet.
 - Sekundäre Bewertung: An diese Situationseinschätzung gekoppelt ist die sekundäre Bewertung, bei der die Person die Situationsanforderung mit den vorhandenen Ressourcen abgleicht.
 
Folgen von Stress bei Schülern
Schulstress kann sich unterschiedlich äussern. Mögliche Symptome sind:
- Verhaltensauffälligkeiten
 - Probleme in der Schule
 - Konzentrationsschwierigkeiten
 - Innere Unruhe
 - Lernschwierigkeiten
 - Prüfungsangst
 
Auswirkungen von Stress äussern sich aber nicht nur in der Schule. Dauert Schulstress an, sind die Energiereserven irgendwann aufgebraucht und der tägliche Schulbesuch wird zum Kampf. Stress ist individuell und entsprechend unterschiedlich reagieren wir auf Stress. Die Stresssymptome äussern sich einerseits in unseren Gedanken und Gefühlen wie Angst, Ärger oder Selbstmitleid.
Stress-Studien und ihre Ergebnisse
Gemäss der Pro Juventute Jugendstudie fühlt sich ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz gestresst. Daten aus verschiedenen Studien zeigen, dass sich etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen, je nach Alter und Geschlecht, regelmässig gestresst fühlt. Besonders betroffen sind Mädchen: Laut der HBSC-Studie berichten 62% der 15-jährigen Mädchen von starkem Schulstress - im Vergleich zu 43% der Jungen [Balsiger et al. 2025]. Auch die Pro Juventute Jugendstudie [Albrecht et al., 2024] bestätigt die Belastung: 36 % der Mädchen (vs. 21 % der Jungen) fühlen sich häufig müde oder erschöpft. Diese Befunde werden durch die HBSC-Studie [Balsiger et al. 2025] oder die Befragung der Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich [Hunold u. Papandreou 2023] bestätigt.
Stress wird häufig anhand des subjektiven Belastungserlebens und der wahrgenommenen Überforderung erfasst.
Lösungsansätze und Bewältigungsstrategien
Zur Bewältigung von Stresssituationen greifen Menschen auf subjektive Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien) zurück. Es wird zwischen problem- und emotionsorientierten Strategien unterschieden. «Problemorientiertes Coping» setzt bei der Situation an, das heisst, das Problem wird aktiv angegangen und im Idealfall gelöst. Beim «emotionsorientierten Coping» wird versucht, die durch die Situation entstandene emotionale Erregung zu regulieren oder abzubauen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die soziale Unterstützung von anderen Menschen. Falls die Stressbewältigung nicht gelingt, bedeutet dies für die betroffenen Personen ein Verlust an Wohlbefinden und Lebensqualität.
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In der Schule wie auch später im Beruf gibt es immer wieder intensive Phasen, in denen besonders viel gefordert wird. Doch sind Prüfungen, schwierige Gespräche oder eine sehr strenge Schulwoche intensive Zeiten, auf die sich Schülerinnen und Schüler meist vorbereiten können.
Individuelle Massnahmen zur Stressbewältigung
Im Vorfeld kann man sich folgende Gedanken machen: Was kann ich selber dazu beitragen, dass ich mit dem Druck besser umgehen kann? Beispielsweise einen Lernplan erstellen, um besser organisiert und vorbereitet zu sein. Vorhaben zeitlich zu planen und selber einzuteilen ist eine komplexe Aufgabe. Das Kind muss wissen, was verlangt wird, und abschätzen, wie viel Zeit und welches Material es zum Lernen braucht. Es gehört Übung dazu, sich so zu organisieren, dass das Erledigen von Aufgaben nicht in Stress endet. Eltern können hierbei unterstützen. Je älter das Kind ist, desto mehr Selbstverantwortung kann und soll es in diesem Prozess jedoch übernehmen. Wichtig ist auch, Pausen einzuplanen.
Verhaltens- und Verhältnisprävention
Massnahmen auf der Ebene der Verhaltensprävention verfolgen das Ziel, Schüler:innen dabei zu unterstützen, mit Stress konstruktiv umzugehen. Auf der Ebene der Verhältnisprävention steht die Schule als Lern- und Lebensraum im Fokus. Schüler:innen haben hier zwar nur begrenzte Möglichkeiten, stressauslösende Situationen zu beeinflussen.
Umgang mit Hausaufgabenstress
Oftmals bezeichnen gestresste Schülerinnen und Schüler die Hausaufgaben als Stressfaktor Nummer eins. Und spätestens im täglichen Kampf um die Ufzgi fühlen sich Eltern ebenfalls gestresst. Doch gibt es keinen allgemein gültigen Ausweg aus dem Hausaufgabenkampf. Je nach Kind und Art der Probleme bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an, die Hausaufgabensituation neu zu gestalten:
- Gehen Sie den Ursachen auf den Grund, wenn Hausaufgaben zu Hause ständig Konflikte auslösen. Versuchen Sie herauszufinden, weshalb Ihr Kind nicht motiviert ist.
 - Vielleicht ist das Kind durchaus in der Lage, seine Aufgaben selbstständig zu lösen, möchte aber nicht alleine dasitzen. Als Abmachung könnte gelten, dass Eltern ebenfalls etwas erledigen, jedoch nicht gestört werden möchten. Oder das Kind braucht zwischendurch ein bisschen Aufmunterung, um dranzubleiben.
 - Benötigt das Kind sehr viel Zeit für Ufzgi oder ist oft überfordert, sollte dies der Lehrerin oder dem Lehrer kommuniziert werden. Gemeinsam kann nach Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten gesucht werden. Vielleicht geht es anderen Kindern ähnlich. Gespräche mit anderen Eltern können helfen, die Situation einzuschätzen und gegebenenfalls eine Änderung der Hausaufgabenpraxis anzustossen.
 
Die Rolle der Eltern und Lehrer
Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Kind permanent unter Schulstress steht, ist es wichtig, das Thema anzugehen. Sie können fragen, wie es in der Schule läuft: Geht es gerne zur Schule? Wie fühlt es sich in der Klasse? Wie findet es die Lehrperson und den Unterricht? Bei älteren Kindern können Eltern ihre Beobachtungen spiegeln, etwa wenn sie feststellen, dass Jugendliche Aufgaben oder das Lernen auf eine Prüfung immer weiter aufschieben. Reflektieren Sie Ihre eigenen Ansprüche und bringen Sie Ihrem Kind bei, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen. Auf diese Weise wird Druck abgebaut. Anerkennen Sie, wenn Ihr Kind sich angestrengt hat, auch wenn die Leistung noch nicht top ist. Legen Sie den Fokus auf den individuellen Fortschritt. Vermeiden Sie Vergleiche mit anderen Kindern. Ihr Kind sollte spüren, dass Sie es auch lieb haben, wenn es eine schlechte Note schreibt. Beachten Sie den Stresspegel zu Hause. Auch wenn Eltern bemerken, dass sich das Kind durch die Schule sehr gestresst fühlt, lohnt es sich, das Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer zu suchen.
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Burnout bei Schülern
Wie bei Erwachsenen können auch bei Kindern und Jugendlichen chronischer Stress, übermässige Anforderungen und mangelnde Erholung zu einem Burnout führen. Ein solcher Zustand von chronischer Erschöpfung äussert sich durch Symptome wie Müdigkeit, Gereiztheit, Rückzug, Leistungsabfall und körperliche Beschwerden.
Ursachen für Burnout
Ein Burnout entsteht meist, wenn mehrere Belastungen gleichzeitig vorliegen, wie hoher Leistungsdruck in der Schule und/oder in der Freizeit, übermäßige Erwartungen an sich selber, mangelnde Zeit für Entspannung und Freispiel, soziale Probleme, Perfektionismus und unzureichende Unterstützung durch das Umfeld.
Symptome von Burnout
Folgende Symptome können Bestandteil eines Burnouts bei Kindern sein:
- Anhaltende Erschöpfung
 - Reizbarkeit
 - Rückzug von sozialen Aktivitäten
 - Schlafstörungen
 - Leistungsabfall in Schule oder bei Freizeitaktivitäten
 - Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen
 - Ein vermindertes Interesse an früheren Interessen und Aktivitäten
 
Diagnose und Behandlung von Burnout
Es ist wichtig, frühzeitig auf Warnsignale zu achten und für angemessene Unterstützung oder Entlastung zu sorgen, um Burnout vorzubeugen. Falls die Beeinträchtigung länger anhält und schwerwiegend ist, sollte das Kind Unterstützung durch eine Fachperson bekommen. In der Kinder-/Jugendpsychiatrie und Psychosomatik werden Kinder und Jugendliche mit Symptomen von Burnout und psychischer Belastung ambulant abgeklärt.
Prävention von Burnout
Um Ihr Kind vor einem Burnout zu schützen, sollten Sie auf eine ausgewogene Balance zwischen Schule, Freizeit und Erholung achten. Fördern Sie regelmässige Pausen, eine ausgewogene Ernährung, gesunden Schlaf und sportliche Aktivitäten. Ein Austausch im Alltag über Stress und Belastungen, das heisst «Was beschäftigt dich - wie geht es dir?» ist ebenfalls wichtig, um frühzeitig Anzeichen von Überforderung zu erkennen.
Die Rolle der Schule bei der Prävention von Burnout
Schulleitungen und Lehrpersonen können eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung von einem Burnout spielen, indem sie auf ein ausgewogenes Verhältnis von Leistungsanforderungen und Erholungsphasen achten. Sie können ihren Schülerinnen / ihren Schülern Strategien zum Stressmanagement vermitteln und ein unterstützendes Umfeld schaffen, in dem diese sich wohl und sicher fühlen. Eine offene Kommunikation zwischen Eltern, Lehrperson und Schülerin / Schüler ist entscheidend, um gemeinsam Lösungen zu finden.
Mehr zum Thema Stress finden Sie im Extrabrief «Druck und Stress» von Pro Juventute. Darin erhalten Sie Hintergrundwissen zu alltäglichen Stressfaktoren und Tipps, um Stress zu reduzieren.
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