Agoraphobie: Ursachen in der Kindheit

Die Agoraphobie, umgangssprachlich auch als Platzangst bezeichnet, ist eine weit verbreitete Angsterkrankung. Sie kann die Lebensqualität erheblich einschränken, da Betroffene Situationen meiden, in denen eine Flucht schwierig erscheint oder Hilfe nicht sofort verfügbar ist. Doch wie entsteht diese Angststörung, und welche Rolle spielen dabei Erlebnisse aus der Kindheit?

Was ist Agoraphobie?

Agoraphobie ist eine Angststörung, bei der Betroffene Angst vor Situationen haben, aus denen sie notfalls nur schwer entkommen können. Es geht dabei um die Angst, in eine Situation oder an einen Ort zu kommen, aus dem man im Notfall nicht mehr entkommen kann, beziehungsweise keine Hilfe von anderen Menschen erhält. Sie tritt an ganz verschiedenen Orten auf, wie zum Beispiel im Kino, im Bus oder auf Brücken.

Die Agoraphobie bezeichnet man daher auch als "Platzangst" und sie wird häufig mit der Raumangst (Klaustrophobie) verwechselt. Die Klaustrophobie beschreibt nämlich die Angst vor engen und geschlossenen Räumen und gehört zu den sogenannten spezifischen Phobien.

So offen die Definition einer Agoraphobie, so unterschiedlich kann sie sich auch zeigen. Sie können aber auch Menschenansammlungen, das Verlassen ihres Zuhauses oder das Verreisen an einen fremden Ort fürchten. In besonders schweren Fällen kann die Angst bereits auftreten, sobald ein als sicher empfundener Ort verlassen wird. Auch der blosse Gedanke an einen Ort oder eine Situation, in der häufig Angst auftritt, kann bereits zu Symptomen führen.

Ein zentrales Merkmal der Agoraphobie ist die Angst vor möglichen Angstzuständen oder Panikattacken in der Öffentlichkeit. Dieses Phänomen bezeichnen Fachpersonen auch als «Phobophobie» beziehungsweise «Angst vor der Angst». Die Befürchtung bestätigt sich auch meistens, da diese Angst vor Angst körperliche Anspannung auslöst.

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Die Agoraphobie tritt sehr häufig in Kombination mit Panikattacken auf. In rund 35 bis 56 Prozent der Patienten leiden an einer Agoraphobie mit Panikstörung. Die Betroffenen erleben sie als äusserst bedrohlich, weil neben den psychischen Symptomen auch starke körperliche Beschwerden auftreten.

Symptome der Agoraphobie

Eine Agoraphobie zeigt sich durch sowohl psychische als auch körperliche Symptome. Zentral ist jedoch immer die Angst vor Angstzuständen oder Panikattacken in bestimmten Situationen. Auch die Angst vor Menschenmassen ist ein zentrales Kriterium. Die Gründe für die Angst sind jedoch unterschiedlich.

Als Hauptkriterium gilt, dass sie mindestens zwei der folgenden Situationen meiden oder diese stark und anhaltend fürchten:

  • Menschenmengen
  • Öffentliche Plätze
  • Alleine Reisen
  • Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause

Zudem sind mindestens zwei der folgenden physischen oder psychischen Angstsymptome vorhanden, die auch zusammen auftreten.

Physische Symptome:

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Menschen mit Platzangst leiden immer unter einem oder mehreren der folgenden Symptome:

  • Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz
  • Schweissausbrüche
  • Zittern
  • Mundtrockenheit

Häufige Beschwerden aus dem Brustkorb- und Bauch-Bereich sind:

  • Atem-Beschwerden
  • Beklemmungsgefühl
  • Schmerzen oder Missempfindungen im Brustkorb
  • Übelkeit oder Unwohlgefühl im Bauch
  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
  • Gefühl, man selbst oder die Umwelt seien nicht real (Depersonalisation oder Derealisation)
  • Angst vor Kontrollverlust
  • Angst, verrückt zu werden
  • Angst zu sterben

Häufige psychische Symptome:

Menschen mit Agoraphobie fürchten sich vor allem vor Panik-Attacken oder Ohnmachts-Anfällen in der Öffentlichkeit.

Den meisten Betroffenen ist klar, dass es keine ersichtlichen Gründe für ihre Angst gibt. Dennoch sind sie stark emotional und körperlich belastet. Betroffene werden deshalb stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Sie können oftmals ihrem Alltag nicht mehr nachgehen und isolieren sich zunehmend. Agoraphobie kann, wie die meisten Angststörungen, neben den jeweiligen akuten Symptomen längerfristig zu Depressionen und völliger Isolation führen, aber auch zu einem gesteigerten Suchtverhalten.

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Ursachen der Agoraphobie

Wie bei vielen psychischen Erkrankungen ist auch bei der Platzangst die Ursache noch nicht abschliessend geklärt. Es sind jedoch mehrere Gründe möglich. Was jedoch klar ist, ist, dass es nicht nur eine einzige Ursache gibt. Vielmehr scheint ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren die Entstehung einer Agoraphobie zu begünstigen. Hierbei spielen auch Erfahrungen in der Kindheit eine entscheidende Rolle.

Genetische Veranlagung: Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, deren Eltern bereits an Agoraphobie (oder einer anderen Angststörung) erkrankt sind, ein höheres Risiko haben, im Laufe ihres Lebens selbst eine Platzangst zu entwickeln. Aber auch Verhaltenshemmungen können vererbt werden und eine Erkrankung begünstigen.

Neurochemische Faktoren: Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine Fehlfunktion der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin eine Rolle spielt. Serotonin ist an der Regulierung von Stimmung, Appetit und Schlaf beteiligt. Noradrenalin wiederum wirkt unter anderem auf Herz und Gefässe.

Trauma und Belastung: Belastende und traumatisierende Erlebnisse können die Wahrscheinlichkeit einer Agoraphobie, insbesondere bei ängstlichen Menschen, erhöhen. Viele Betroffene haben bereits in ihrer Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht. Der Verlust eines Elternteils durch Tod oder Scheidung aber auch Krankheit oder sexueller Missbrauch tragen später zu einer Angst-Erkrankung bei.

Persönlichkeit: Manche Menschen sind von Natur aus ängstlicher als andere und haben damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Agoraphobie zu erkranken als andere. Das liegt unter anderem daran, dass sie Ängste und damit verbundene körperliche Symptome stärker wahrnehmen.

Psychologische Faktoren: Ein wichtiger Faktor, der zur Angst beiträgt, ist das Gefühl, keine Kontrolle über die körperlichen Reaktionen während des Angst-Zustands zu haben. Daher vermeiden die Betroffenen auch unbekannte Orte. Sie befürchten, der Situation und den fremden Menschen hilflos ausgeliefert zu sein.

Diagnose der Agoraphobie

Können Sie die meisten Fragen mit Ja beantworten? Dann sollten Sie sich an geschultes Fachpersonal wenden. Auch wenn Sie diese Fragen verneinen und dennoch das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich an jemanden, um Ihre Situation abzuklären.

Grundsätzlich werden bei der Diagnose zunächst körperliche Untersuchungen durchgeführt, um auszuschliessen, dass die Symptome eine physische Ursache haben. Dazu können beispielsweise Herzprobleme, Gleichgewichtsstörungen oder Schilddrüsen- und Lungenerkrankungen zählen.

Um festzustellen, ob Ihre Ängste eine psychische Ursache haben, stellt der Arzt Ihnen möglicherweise folgende Fragen:

  • Erleben Sie manchmal starke Angst im Zusammenhang mit körperlichen Symptomen, wie zum Beispiel Herzklopfen, Schweissausbrüche oder Atemnot?
  • Gibt es Orte oder Situationen, die Sie aus Angst vor Angstanfällen vermeiden?
  • Wie fühlen Sie sich in grossen Menschenmengen oder an öffentlichen Plätzen?

Passen Ihre Beschreibungen auf das Störungsbild der Agoraphobie, überweist Sie der Arzt an einen ambulanten Psychotherapeuten oder eine psychosomatische Klinik. Ein Psychotherapeut oder Psychologe ist in der Lage, eine genaue Diagnose zu stellen. Anhand eines Fragebogens bringt der Spezialist in Erfahrung, ob noch andere psychische Störungen vorliegen, die eine Behandlung erfordern.

Damit eine Agoraphobie diagnostiziert werden kann, muss die Angst und Vermeidung bestimmter Situationen mindestens sechs Monate andauern. Diese Ängste müssen ausserdem die Sorge beinhalten, dass in Notsituationen keine Flucht möglich ist oder keine ausreichende Hilfe bereitsteht.

Behandlung der Agoraphobie

Die gute Nachricht für Betroffene ist, dass Angststörungen generell gut behandelbar sind. Dafür ist eine frühestmögliche Diagnose besonders entscheidend.

Die Behandlung beruht meist auf einer individuell zugeschnittenen Psychotherapie, die bei starken Symptomen von einer medikamentösen Therapie begleitet wird. Eingesetzt werden dabei oft Antidepressiva. Sie bewirken, dass die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin länger wirken. Aber auch trizyklische Antidepressiva können verabreicht werden, die einerseits die Ängste reduzieren und gleichzeitig eine mögliche Depression lindern.

Bei der Psychotherapie lernen Betroffene zu verstehen, dass die Beschwerden nach einer gewissen Zeit wieder abklingen und die befürchteten Konsequenzen ausbleiben. Dazu kommt häufig die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Auch psychodynamische Therapien können unter Umständen hilfreich sein. Sie gehen davon aus, dass ungelöste Konflikte für die Beschwerden verantwortlich sind. Um also Ängste zu bewältigen, müssen zunächst diese Konflikte bearbeitet werden.

Weitere hilfreiche Massnahmen:

  • Atemübungen und Entspannungstechniken
  • Gedankencheck und Akzeptanz
  • Sich der Angst stellen
  • Körperliche Aktivitäten
  • Um Hilfe bitten

Es ist wichtig zu beachten, dass die Behandlung individuell auf die Betroffenen und deren spezifische Bedürfnisse zugeschnitten ist. Mit der richtigen Unterstützung können Betroffene lernen, ihre Ängste zu bewältigen und ein erfüllteres Leben zu führen.

Wo finden Sie Hilfe?

  • Ambulatorien für Kinder und Jugendliche
  • Stationärer Aufenthalt für Kinder und Jugendliche
  • Ambulatorien für Erwachsene
  • Stationärer Aufenthalt für Erwachsene

Haben Sie das Gefühl, von einer psychischen Erkrankung betroffen zu sein? Zögern Sie nicht und fordern Sie Hilfe bei Ihrem Hausarzt an. Er wird Sie bei Bedarf an das lups überweisen.

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