Agoraphobie mit Panikstörung: Behandlungsmöglichkeiten

Angsterkrankungen oder Angststörungen sind nach neueren epidemiologischen Studien ein häufiges und weit verbreitetes Phänomen in der Allgemeinbevölkerung. Bei einer Agoraphobie handelt es sich jedoch um eine Form der Angststörung. Sie ist somit eine psychische Erkrankung und geht mit einem unverhältnismässigen Gefühl der Angst einher.

Eine Agoraphobie ist eine Angststörung, bei der Betroffene Angst vor Situationen haben, aus denen sie notfalls nur schwer entkommen können. Weil die Betroffenen Orte und Situationen, in denen sie Panik bekommen könnten, meiden, beeinträchtigt die Agoraphobie die Lebensqualität erheblich. Doch wie entsteht die umgangssprachlich auch als Platzangst bezeichnete Krankheit und wie kann sie behandelt werden?

Der Begriff «Agoraphobie» kommt ursprünglich aus dem Griechischen. «Agora» bedeutet Marktplatz, «Phobie» Furcht. Deshalb wird Agoraphobie auch häufig als Platzangst bezeichnet. Jedoch geht es dabei eigentlich nicht um die Angst vor bestimmten Plätzen oder Orten an sich. Daher sollte sie nicht mit der Klaustrophobie verwechselt werden, die die Angst vor geschlossenen oder engen Räumen bezeichnet.

Bei einer Agoraphobie geht es um die Angst, in eine Situation oder an einen Ort zu kommen, aus dem man im Notfall nicht mehr entkommen kann, beziehungsweise keine Hilfe von anderen Menschen erhält. So offen die Definition einer Agoraphobie, so unterschiedlich kann sie sich auch zeigen. Sie können aber auch Menschenansammlungen, das Verlassen ihres Zuhauses oder das Verreisen an einen fremden Ort fürchten. In besonders schweren Fällen kann die Angst bereits auftreten, sobald ein als sicher empfundener Ort verlassen wird. Auch der blosse Gedanke an einen Ort oder eine Situation, in der häufig Angst auftritt, kann bereits zu Symptomen führen.

Ein zentrales Merkmal der Agoraphobie ist die Angst vor möglichen Angstzuständen oder Panikattacken in der Öffentlichkeit. Dieses Phänomen bezeichnen Fachpersonen auch als «Phobophobie» beziehungsweise «Angst vor der Angst». Betroffene haben also bereits im Vorfeld Angst vor gewissen Situationen und verfallen in Sorgen und Grübeleien. Dies führt zu inneren sowie zu körperlichen Anspannungen, was die Angst oftmals noch zusätzlich verstärkt.

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Eine Agoraphobie tritt häufig in Kombination mit einer Panikstörung auf. In rund 35 bis 56 Prozent aller Fälle trifft dies zu. Das Hauptmerkmal der Panikstörung sind immer wieder auftretende, nicht durch äussere Umstände ausgelöste Panikattacken. Diese Panikattacken stellen eine extreme körperliche Angstreaktion aus scheinbar heiterem Himmel dar, die die Betroffenen als extreme Bedrohung ihrer Gesundheit erleben.

Der Körper bereitet sich mit erhöhter Adrenalin-Ausschüttung blitzschnell auf eine Kampf-/Fluchtreaktion vor. Es kommt zu Symptomen wie Atemnot, Engegefühl in der Brust, Herzrasen oder -schmerzen, Zittern, Schweissausbrüchen, Übelkeit oder anderen Beschwerden. Betroffene glauben oftmals, sie würden einen Herzinfarkt erleiden. Das Gefühl der Angst verstärkt sich dadurch zusätzlich.

Eine Agoraphobie zeigt sich durch sowohl psychische als auch körperliche Symptome. Zentral ist jedoch immer die Angst vor Angstzuständen oder Panikattacken in bestimmten Situationen. Auch die Angst vor Menschenmassen ist ein zentrales Kriterium. Die Gründe für die Angst sind jedoch unterschiedlich. Betroffene ohne Panikstörung haben meist mehr Angst vor peinlichen Situationen. Den meisten Betroffenen ist klar, dass es keine ersichtlichen Gründe für ihre Angst gibt. Dennoch sind sie stark emotional und körperlich belastet. Dieses Belastungsgefühl wird mit der Zeit immer stärker, sodass die Angst irgendwann so stark ist, dass sie alleine durch die Vorstellung einer bestimmten Situation ausgelöst werden kann.

Betroffene werden deshalb stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Sie können oftmals ihrem Alltag nicht mehr nachgehen und isolieren sich zunehmend. Agoraphobie kann, wie die meisten Angststörungen, neben den jeweiligen akuten Symptomen längerfristig zu Depressionen und völliger Isolation führen, aber auch zu einem gesteigerten Suchtverhalten. Andauernde Ängste, Phobien und Panikattacken nehmen den Betroffenen alle Lebensenergie. Betroffene kapseln sich immer mehr auch von ihrem privaten Umfeld ab und isolieren sich.

Der Unterschied zwischen Agoraphobie und sozialer Phobie: Menschen mit Agoraphobie haben Angst davor, nicht aus einer Situation flüchten zu können. Betroffene einer sozialen Phobie fürchten sich vor Situationen, in denen sie bewertet werden.

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Ursachen und Risikofaktoren

Wie bei vielen psychischen Erkrankungen ist auch bei der Platzangst die Ursache noch nicht abschliessend geklärt. Es sind jedoch mehrere Gründe möglich. Manche Forschende gehen davon aus, dass zuerst Panikattacken auftreten. Diese führen dann langfristig dazu, dass Betroffene anfangen, bestimmte Orte zu meiden, an denen die Panikattacken häufiger vorkommen. Andere gehen von einem entgegengesetzten Zusammenhang aus. Was jedoch klar ist, ist, dass es nicht nur eine einzige Ursache gibt. Vielmehr scheint ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren die Entstehung einer Agoraphobie zu begünstigen.

Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, deren Eltern bereits an Agoraphobie (oder einer anderen Angststörung) erkrankt sind, ein höheres Risiko haben, im Laufe ihres Lebens selbst eine Platzangst zu entwickeln. Aber auch Verhaltenshemmungen können vererbt werden und eine Erkrankung begünstigen. Dabei handelt es sich um die allgemeine Neigung, in neuen und unbekannten Orten zurückhaltend zu sein. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine Fehlfunktion der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin eine Rolle spielt. Serotonin ist an der Regulierung von Stimmung, Appetit und Schlaf beteiligt. Noradrenalin wiederum wirkt unter anderem auf Herz und Gefässe.

Trauma und Belastung spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Belastende und traumatisierende Erlebnisse können die Wahrscheinlichkeit einer Agoraphobie, insbesondere bei ängstlichen Menschen, erhöhen. Viele Betroffene haben bereits in ihrer Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht. Manche Menschen sind von Natur aus ängstlicher als andere und haben damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Agoraphobie zu erkranken als andere. Das liegt unter anderem daran, dass sie Ängste und damit verbundene körperliche Symptome stärker wahrnehmen. Angst und Panikattacken werden daher als bedrohlich empfunden. Zudem kommt es bei Betroffenen oft zu Denkverzerrungen, die die Angst und somit die Symptome weiter verstärken.

Diagnose

Die gute Nachricht für Betroffene ist, dass Angststörungen generell gut behandelbar sind. Dafür ist eine frühestmögliche Diagnose besonders entscheidend. Können Sie die meisten Fragen mit Ja beantworten? Dann sollten Sie sich an geschultes Fachpersonal wenden. Auch wenn Sie diese Fragen verneinen und dennoch das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich an jemanden, um Ihre Situation abzuklären.

Grundsätzlich werden bei der Diagnose zunächst körperliche Untersuchungen durchgeführt, um auszuschliessen, dass die Symptome eine physische Ursache haben. Dazu können beispielsweise Herzprobleme, Gleichgewichtsstörungen oder Schilddrüsen- und Lungenerkrankungen zählen. Damit eine Agoraphobie diagnostiziert werden kann, muss die Angst und Vermeidung bestimmter Situationen mindestens sechs Monate andauern. Diese Ängste müssen ausserdem die Sorge beinhalten, dass in Notsituationen keine Flucht möglich ist oder keine ausreichende Hilfe bereitsteht.

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Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung beruht meist auf einer individuell zugeschnittenen Psychotherapie, die bei starken Symptomen von einer medikamentösen Therapie begleitet wird. Eingesetzt werden dabei oft Antidepressiva. Sie bewirken, dass die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin länger wirken. Aber auch trizyklische Antidepressiva können verabreicht werden, die einerseits die Ängste reduzieren und gleichzeitig eine mögliche Depression lindern. Bei der Psychotherapie lernen Betroffene zu verstehen, dass die Beschwerden nach einer gewissen Zeit wieder abklingen und die befürchteten Konsequenzen ausbleiben. Dazu kommt häufig die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Auch psychodynamische Therapien können unter Umständen hilfreich sein. Sie gehen davon aus, dass ungelöste Konflikte für die Beschwerden verantwortlich sind. Um also Ängste zu bewältigen, müssen zunächst diese Konflikte bearbeitet werden.

Besonders gute Erfahrungen wurden mit dem Ansatz der kognitiven Verhaltenstherapie gemacht. Dabei unterstützen Therapeuten und Therapeutinnen ihre Patienten und Patientinnen darin, typische Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu korrigieren. Gemeinsam versuchen sie, diese zu hinterfragen und durch andere, positive Gedanken zu ersetzen. Wichtig ist, dass Betroffene verstehen, was ihre Symptome auslöst. Schrittweise kann sich die erkrankte Person dann in Begleitung eines Therapeuten oder einer Therapeutin den kritischen Situationen aussetzen und lernen, diese wieder zu bewältigen (Expositionsverfahren). Bei starken Ängsten leitet der Therapeut oder die Therapeutin die erkrankte Person erst einmal an, diese Situation in der Vorstellung zu durchleben. Erst wenn sie das gut geschafft hat, geht es in die reale Situation.

Bei stark ausgeprägten Angststörungen kann in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin auch eine medikamentöse Behandlung zusätzlich zur Psychotherapie vorgenommen werden. Insbesondere bei Panikstörungen, aber auch bei Agoraphobie oder sozialer Phobie werden Antidepressiva eingesetzt. Allerdings benötigen Sie dabei etwas Geduld: Die Wirkung dieser Medikamente setzt meist erst nach zwei, manchmal auch erst nach vier Wochen ein. Am häufigsten werden so genannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) eingesetzt. Psychopharmaka können wie alle Medikamente manchmal auch Nebenwirkungen haben.

Weitere Hilfreiche Tipps

  • Atemübungen und Entspannungstechniken: Bei Angststörungen, insbesondere in Verbindung mit Panikattacken, können Atemübungen Ihnen dabei helfen, die Herzfrequenz zu senken. Besonders in akuten Momenten kann dadurch eine Hyperventilation vermieden werden.
  • Gedankencheck und Akzeptanz: Versuchen Sie, daran zu denken, dass Angst ein normales Gefühl ist. Es ist nicht gefährlich, auch wenn es sich so anfühlt.
  • Stellen Sie sich Ihrer Angst: Halten Sie die Vermeidung von Situationen und Orten, die Ihnen Angst bereiten, möglichst gering, da Sie sonst in einem Teufelskreis der Angst bleiben.
  • Körperliche Aktivitäten: Sport und Bewegung haben einen positiven Einfluss auf die Psyche. Bei Agoraphobie helfen insbesondere Ausdauersportarten, wie Laufen oder Fahrradfahren.
  • Um Hilfe bitten: Bleiben Sie mit Ihrer Angst nicht alleine!

Insgesamt lassen sich Angststörungen gut behandeln. Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Auch eine Panikstörung besteht in der Regel mit Höhen und Tiefen über Jahre hinweg und wird chronisch. In schweren Fällen hat die Angststörung Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen. Manche verlassen kaum noch das Haus und können keiner Arbeit mehr nachgehen. Auch soziale Kontakte leiden. Aus dieser Situation können im Sinne einer Selbstbehandlung auch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch resultieren.

Familiäre Belastung mit einer psychischen Störung gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Angststörung. Angststörungen sind gekennzeichnet durch verschiedene Veränderungen im Bereich des neurochemischen Systems. Bei der Panikstörung sind die Hirnbotenstoffe Serotonin (5-HT), Noradrenalin, γ-Aminobuttersäure (GABA) und Cholecystokinin (CCK) beteiligt. Einige Bild gebende Studien deuten auf eine serotonerge Fehlfunktion in der vorderen Hirnregion hin, die bei der Krankheitsentstehung der generalisierten Angststörung (GAD) eine neurobiologische Rolle spielt. Mehrere Medikamente, die auf das serotonerge System einwirken, sind bei Angststörungen wirksam. In der Psychopharmakotherapie der Angststörungen sind die Serotonin Wiederaufnahme hemmenden Antidepressiva die Medikamente der ersten Wahl. Ihre Wirksamkeit bei Panikstörung, GAD, posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD), sozialer Angststörung und Zwangsstörung wurde in mehreren kontrollierten Studien belegt. Diese Substanzen sind gut dokumentiert, sowohl für die Akutbehandlung, als auch zur Prophylaxe. Nicht Serotonin wirksame Medikamente wie Buspiron sind nur bei der Generalisierten Angststörung wirksam. Antiepileptische Medikamente (Pregabalin, Gabapentin) und atypische Antipsychotika (Olanzapin, Quetiapin) sind wirksam bei Angststörungen. Benzodiazepine werden sehr häufig verwendet und sind vor allem bei Panikstörungen und bei sozialer Angststörung effektiv.

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