Agoraphobie: Definition und umfassende Informationen

Agoraphobie, umgangssprachlich auch als Platzangst bekannt, ist eine Angststörung, die das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Menschen mit Agoraphobie haben Angst vor Situationen, aus denen sie im Notfall nur schwer entkommen oder nur schwer Hilfe erhalten können.

Was ist Agoraphobie?

Der Begriff «Agoraphobie» leitet sich aus dem Griechischen ab, wobei «Agora» Marktplatz und «Phobie» Furcht bedeutet. Diese Bezeichnung deutet darauf hin, dass Menschen mit Agoraphobie Angst vor öffentlichen Plätzen haben.

Die Agoraphobie wird häufig mit der Klaustrophobie (Raumangst) verwechselt, es besteht jedoch ein deutlicher Unterschied: Die Klaustrophobie beschreibt die Angst vor engen und geschlossenen Räumen, während die Agoraphobie sich auf Situationen bezieht, in denen ein Entkommen schwierig erscheint oder keine Hilfe verfügbar ist.

Merkmale der Agoraphobie:

  • Angst vor Situationen, in denen ein Rückzug schwierig oder peinlich wäre (z.B. Theater-Vorstellung)
  • Vermeidung von Menschenmengen, öffentlichen Plätzen oder Reisen
  • Gefühl, sich in der Nähe eines Ausgangs aufhalten zu müssen
  • Angst vor Panikattacken oder Ohnmachtsanfällen in der Öffentlichkeit

Ohne therapeutische Hilfe kann die Agoraphobie zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität führen. Manche Betroffene trauen sich überhaupt nicht mehr aus dem Haus oder benötigen eine Begleitung.

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Agoraphobie und Panikstörung

Die Agoraphobie tritt sehr häufig in Kombination mit Panikattacken auf. Rund 35 bis 56 Prozent der Patienten leiden an einer Agoraphobie mit Panikstörung.

Panikattacken sind heftige Angstanfälle, die in der Regel wenige Minuten andauern. Die Betroffenen erleben sie als äusserst bedrohlich, weil neben den psychischen Symptomen auch starke körperliche Beschwerden auftreten.

Symptome einer Panikattacke:

  • Schnelles Herzklopfen
  • Schwitzen
  • Schwindel

Die Angst verstärkt sich dabei zunehmend, was die Patienten als lebensbedrohlich bewerten.

"Angst vor der Angst"

Ein zentrales Merkmal der Agoraphobie ist, dass die Betroffenen Angst vor möglichen Panikattacken oder Angstzuständen in der Öffentlichkeit haben. Dieses Phänomen bezeichnet man als "Angst vor der Angst" oder auch als "Phobophobie".

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Die Befürchtung bestätigt sich auch meistens, da diese Angst vor Angst körperliche Anspannung auslöst. Die Betroffenen achten penibel auf kleinste körperliche Veränderungen, die auf eine Panik-Attacke hinweisen, und reagieren darauf übermässig ängstlich. Im Zusammenspiel von Psyche und Körper entsteht so unter Umständen starke Angst oder sogar eine Panik-Attacke.

Aus Furcht vor ungewissen Situationen planen die Betroffenen Verabredungen oder Ereignisse bis ins kleinste Detail. Das viele Grübeln und sich Sorgen im Voraus ist für sie mindestens so qualvoll, wenn nicht sogar schlimmer, als die tatsächliche Situation.

Symptome der Agoraphobie

Für die Diagnose der Agoraphobie ist es notwendig, dass die Betroffenen nach der ICD-10 Klassifikation psychischer Störungen bestimmte Symptome zeigen.

Hauptkriterium: Mindestens zwei der folgenden Situationen werden gemieden oder stark gefürchtet:

  • Menschenmengen
  • Öffentliche Plätze
  • Alleine Reisen
  • Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause

Zudem sind mindestens zwei der folgenden physischen oder psychischen Angstsymptome vorhanden, die auch zusammen auftreten.

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Physische Symptome:

  • Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz
  • Schweissausbrüche
  • Zittern
  • Mundtrockenheit
  • Atem-Beschwerden
  • Beklemmungsgefühl
  • Schmerzen oder Missempfindungen im Brustkorb
  • Übelkeit oder Unwohlgefühl im Bauch
  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit

Psychische Symptome:

  • Gefühl, man selbst oder die Umwelt seien nicht real (Depersonalisation oder Derealisation)
  • Angst vor Kontrollverlust
  • Angst, verrückt zu werden
  • Angst zu sterben

Die Betroffenen leiden sehr stark unter ihren Ängsten. Ihnen ist jedoch bewusst, dass diese überzogen sind. Durch dieses Wissen allein lässt sich die Angst jedoch nicht bezähmen. Sie nimmt mit der Zeit zu und tritt bereits auf, wenn sich die Patienten die gefürchtete Situation lediglich vorstellen.

Anfangs meiden sie nur einige Plätze, später scheint ihnen kaum noch ein Ort sicher. Sie schränken ihre Freizeit-Aktivitäten stark ein, auch ihrer Arbeit nachzugehen wird zu einer Herausforderung. Die Agoraphobie hat daher schwerwiegende Auswirkungen, sowohl beruflich und finanziell, als auch im privaten und sozialen Leben.

Behandlung der Agoraphobie

Zur Agoraphobie-Therapie setzt man Psychotherapie und/oder Medikamente ein. Experten empfehlen zur Behandlung der Agoraphobie vor allem die kognitive Verhaltenstherapie. Als Alternative bietet sich die psychodynamische Psychotherapie an.

Kognitive Verhaltenstherapie:

Die Kognitive Verhaltenstherapie setzt bei den übersteigerten Angstgedanken an und arbeitet an den Vermeidungsstrategien, welche die Patienten im Laufe der Zeit entwickelt haben. Für eine erfolgreiche Therapie ist es notwendig, dass sich der Betroffene intensiv mit seinen Ängsten auseinandersetzt.

Berichten des Dichters Johann Wolfgang von Goethe und des Psychoanalytikers Sigmund Freud zufolge haben auch diese grossen Persönlichkeiten unter Agoraphobie gelitten. Beide haben aus Angst bestimmte Orte gemieden. Sie haben die Angst vor der Angst besiegt, indem sie schon damals intuitiv die Konfrontation mit ihren Ängsten zur Therapie nutzten.

Die Konfrontation mit angstbesetzten Orten und Situationen bezeichnen Therapeuten heutzutage als Exposition. Sie ermutigen die Patienten dazu, sich Situationen auszusetzen, in denen Angst-Symptome oder Panik-Attacken auftreten.

Psychodynamische Psychotherapie:

Im Rahmen psychodynamischer Psychotherapien geht der Therapeut davon aus, dass hinter den Angst-Symptomen ein ungelöster Konflikt liegt. Diesen Konflikt gilt es zu erkennen und zu bearbeiten, damit sich die Angst bewältigen lässt.

Medikamentöse Behandlung:

Zur medikamentösen Behandlung der Agoraphobie kommen hauptsächlich selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs) wie Citalopram oder Paroxetin zum Einsatz. Ein weiteres mögliches Medikament ist Venlafaxin, ein Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI).

Seltener verordnen Mediziner trizyklische Antidepressiva, da diese stärkere Nebenwirkungen haben. SSRIs und SNRIs führen nicht zur Abhängigkeit. Häufige Nebenwirkungen sind allerdings unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Schlafstörungen und sexuelle Funktionsstörungen.

Zusätzliche Behandlungsmassnahmen:

Neben der Therapie empfehlen Experten auch sportliche Betätigung. Ausdauertraining soll zu einer Verbesserung der Symptome beitragen. Auch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen ist für Personen mit Agoraphobie oft eine hilfreiche Unterstützung.

Ursachen und Risikofaktoren

Es gibt Hinweise auf eine erbliche Komponente der Agoraphobie. Kinder, deren Eltern unter Agoraphobie leiden, haben ein erhöhtes Risiko, diese psychische Störung ebenfalls zu entwickeln.

Auch die Botenstoffe im Gehirn haben einen Einfluss auf die Entstehung. Mögliche Ursachen sind Fehlfunktionen des Systems, das Serotonin und Noradrenalin ausschüttet.

Weitere Risikofaktoren:

  • Belastende Lebensereignisse
  • Traumatische Erfahrungen in der Kindheit
  • Angst-Sensibilität
  • Psychologische Faktoren (z.B. Gefühl, keine Kontrolle zu haben)

Belastende Lebensereignisse erhöhen bei angstanfälligen Menschen die Wahrscheinlichkeit einer Agoraphobie. Menschen mit Agoraphobie haben oft bereits in der Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht.

Untersuchung und Diagnose

Zu Beginn der Behandlung führt der Arzt eine medizinische Untersuchung durch, um körperliche Erkrankungen als Ursache der Beschwerden auszuschliessen. Es gibt eine Reihe von körperlichen Problemen, die manchmal starke Angstzustände auslösen.

Neben einem ausführlichen Gespräch gehören zur Untersuchung ein Blutbild sowie ein Elektrokardiogramm (EKG) zur Überprüfung des Herzens. Bei Bedarf nimmt der Arzt noch weitere Untersuchungen vor.

Passen Ihre Beschreibungen auf das Störungsbild der Agoraphobie, überweist Sie der Arzt an einen ambulanten Psychotherapeuten oder eine psychosomatische Klinik.

Krankheitsverlauf und Prognose

Die Agoraphobie beginnt oft plötzlich mit einem ersten Angst-Anfall an einem öffentlichen Ort. Nur in wenigen Fällen vergeht die psychische Störung von alleine. Ohne Behandlung verläuft eine Agoraphobie meist chronisch.

Je länger die psychische Störung besteht, desto wahrscheinlicher kommen noch andere Probleme, wie Alkohol-Missbrauch oder depressive Symptome hinzu.

Eine Agoraphobie verläuft oft in Phasen. Die Verfassung der Betroffenen schwankt.

Zusammenfassung

Agoraphobie ist eine komplexe Angststörung, die das Leben der Betroffenen stark einschränken kann. Durch eine frühzeitige Diagnose und eine geeignete Behandlung, wie z.B. kognitive Verhaltenstherapie oder Medikamente, können die Symptome jedoch gelindert und die Lebensqualität verbessert werden.

Überblick über Agoraphobie
Aspekt Beschreibung
Definition Angst vor Situationen, aus denen ein Entkommen schwierig erscheint oder keine Hilfe verfügbar ist.
Symptome Herzrasen, Schweissausbrüche, Zittern, Angst vor Panikattacken, Vermeidungsverhalten.
Ursachen Erbliche Veranlagung, Fehlfunktionen der Botenstoffe im Gehirn, belastende Lebensereignisse, traumatische Erfahrungen.
Behandlung Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie, psychodynamische Therapie), Medikamente (SSRIs, SNRIs).
Prognose Ohne Behandlung meist chronisch, mit Therapie gute Erfolgschancen.

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