Definitionen und Historischer Hintergrund
Der Begriff Depression geht auf das lateinische «deprimere» zurück und bedeutet «niederdrücken». Schon Hippokrates beschrieb die depressive Symptomatik recht genau und nannte die Krankheit «Melancholie». Von Depression spricht die Medizin seit dem 19. Jahrhundert. Das moderne Verständnis der depressiven Störung geht auf den Arzt Emil Kraeplin zurück, der 1917 in München die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie gründete.Depression
Als Depression wird eine krankhafte psychische Störung bezeichnet, zu deren Hauptsymptomen gedrückte Stimmung, Interesseverlust an Alltagsaktivitäten, tiefe Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit zählen. Dazu kommen Nebensymptome wie Schuldgefühle, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. Laut Schätzungen der WHO sind weltweit 350 Millionen Menschen von depressiven Störungen betroffen. Das Risiko, im Lauf eines Lebens mindestens einmal daran zu erkranken, liegt bei 15 bis 20 Prozent; Frauen erkranken zweimal häufiger an einer Depression als Männer.Demenz
Eine demenzielle Erkrankung ist eine Schädigung des Gehirns mit einem breiten Spektrum an Beeinträchtigungen. Neben den kognitiven Fähigkeiten betrifft diese auch Bereiche wie die Wahrnehmung und Affektivität (Gesamtheit der Gefühle), Persönlichkeitsmerkmale und den Willen. Die beiden wichtigsten international gebräuchlichen Klassifikationssysteme sind die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems - 10. Revision) und das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders).In der ICD-10 heisst es zur Demenz: «Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen (Funktionen, die von der Grosshirnrinde gesteuert sind), einschliesslich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimerkrankheit, bei zerebrovaskulären Störungen (Durchblutungsstörungen des Gehirns) und bei andern Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.» Für die Diagnose einer Demenz müssen die Symptome nach ICD (Stand Oktober 2017) über mindestens sechs Monate bestanden haben.Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen für Depressionen sind komplex und noch nicht endgültig erforscht. Als gesichert gilt, dass eine Depression aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren entsteht. Dazu gehören genetische Veranlagungen ebenso wie neurobiologische Störungen und psychische sowie psychosoziale Anfälligkeiten. Ausgelöst werden depressive Episoden oft durch belastende Ereignisse wie den Verlust des Partners oder Veränderungen der gewohnten Lebensweise. Menschen mit Demenz haben ein höheres Risiko, eine Depression zu bekommen.Als zweithäufigste Form (ca. 20 Prozent) tritt die vaskuläre (also gefäss- und durchblutungsbedingte) Demenz auf. Oft liegen Mischformen vor, besonders im hohen Alter. Mit steigendem Alter erhöht sich das Risiko, an einer Demenz zu erkranken.Symptome und Diagnose
Im Alter äussern sich Depressionen oft mit Symptomen, die für eine Demenz typisch sind. Delir und Demenz sind häufige Störungsbilder, die in der Altersmedizin sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen eine bedeutende Rolle in der Versorgung älterer Menschen spielen. Kognitive Störungen kennzeichnen sowohl das Delir als auch die Demenz und behaviorale und psychische Symptome der Demenz können die Differenzialdiagnose zusätzlich wesentlich erschweren.Während depressive Menschen über ihre Beschwerden klagen, verleugnen Menschen mit Demenz sie eher. Ausserdem entwickeln sich Demenzen schleichend, Depressionen dagegen treten innerhalb von Wochen auf oder verschlimmern sich in ähnlich kurzer Zeit.Ältere Menschen sind laut Statistik nahezu ebenso oft von Depressionen betroffen, wie Menschen mittleren Alters - allerdings ist bei ihnen das Risiko eines Rückfalls oder gar eines Suizids viel höher. Vermutlich ist auch die Dunkelziffer der älteren Erkrankten höher, bei ihnen bleiben depressive Störungen häufiger unentdeckt. Die Diagnose ist nicht einfach, weil sich das Krankheitsbild von Altersdepressionen und demenziellen Erkrankungen oft überlappt.Differenzialdiagnostik: Delir versus BPSD
Zur Differenzialdiagnose Delir versus Demenz bedarf es zunächst einer präzisen Anamnese, einschliesslich einer Fremdanamnese, bestenfalls durch eine nahestehende Bezugsperson als Informanten. Im Zentrum steht die Frage nach Akuität, Verlauf und möglichen auslösenden Faktoren der aktuellen Symptomatik (vor allem Änderungen der Aufmerksamkeit, Bewusstseinslage, anderer kognitiver Funktionen und Verhaltensänderungen). In der klinischen Untersuchung sollte eine Beurteilung der Aufmerksamkeit durchgeführt werden (z. B. die Monate des Jahres in umgekehrter Reihenfolge aufsagen lassen, ein 5-Buchstaben-Wort rückwärts buchstabieren lassen). Zusätzlich zur klinischen Untersuchung helfen Screeninginstrumente zur Beurteilung der Aufmerksamkeit, Bewusstseinslage und weiterer kognitiver Funktionen.Sollte der Verdacht auf ein Delir nicht ausgeräumt werden können, so ist eine umfassende medizinisch-somatische Ursachenabklärung für die aktuelle Symptomatik unerlässlich. Bislang existieren keine Biomarker zur Diagnose des Delirs, auch nicht zur Differenzialdiagnose BPSD versus Delir. In der Differenzialdiagnose Delir versus BPSD spielt auch die zugrundeliegende Demenzform eine wichtige Rolle. Aktuelle Studien zeigen, dass Menschen mit Alzheimer-Demenz, vaskulärer Demenz und gemischter Demenz am häufigsten unter psychomotorischen Auffälligkeiten, Agitation und Aggression sowie Irritabilität leiden, während bei Patienten mit Demenz mit Lewy-Körperchen Wahn, Halluzinationen und Ängste häufiger vorkommen.Insbesondere für die Demenz mit Lewy-Körperchen mit den klinischen Symptomen von fluktuierender Wachheit und Aufmerksamkeit, optischen Halluzinationen und Schlafstörungen kann die Unterscheidung BPSD versus Delir erschwert sein. Hinzukommen Unaufmerksamkeit und Exekutivfunktionsstörungen bei der Demenz mit Lewy-Körperchen, was auch im Delir auftreten kann.Trotz der signifikanten Überschneidungen der Symptome von Delir und BPSD, zeigen sich doch Unterschiede im Verlauf.Diagnostische Herausforderungen im Alter
Gerade im Anfangsstadium ist es oft schwierig, eine Depression von einer Demenz zu unterscheiden, denn kognitive Symptome sind bei der Depression häufig. Dr. Linnemann hat die Erfahrung gemacht, dass Patienten, die sich ständig über kognitive Einschränkungen beklagen, eher eine Depression haben, dagegen Patienten, die ihre kognitiven Einschränkungen eher bagatellisieren und die Fassade gut wahren können, eher eine Alzheimer-Demenz.Es gibt einen grossen Überlappungsbereich mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, einer gedrückten Stimmung, Interessenverlust, vermindertem Antrieb und sozialem Rückzug. Oft ist unklar, ob es sich eher um eine affektive Störung oder kognitive Beeinträchtigungen handelt. Über den Zusammenhang gibt es mittlerweile einige Hypothesen über gemeinsame Pathways, die aber nur einen kleinen Teil der Assoziation erklären.Eine frühzeitige Differenzialdiagnostik ist essenziell, um therapeutische Massnahmen gezielt einzuleiten. Viele Messinstrumente, die in der Klinik zum Einsatz kommen wie die Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale und auch die Hamilton Depression Rating Scale, sind für schwere Demenzen nicht validiert.Biomarker in der Diagnostik
In den letzten Jahren untersuchte man vermehrt fluide Biomarker zur differenzialdiagnostischen Unterstützung. Neurofilament light chain (NfL), ein unspezifischer Marker für axonale Schädigung, konnte in mehreren Studien als potenzieller Prädiktor für neurodegenerative Prozesse und klinischen Progress bei präsymptomatischer Alzheimer-Demenz validiert werden. Niedrige NfL-Werte sprechen eher für eine primäre Depression, während erhöhte Werte auf eine neurodegenerative Pathologie hinweisen können.Therapie
In der Therapie von BPSD und Delir existieren Überschneidungen und ähnliche Strategien. Während eine Delirbehandlung die Behebung des auslösenden (medizinisch-somatischen) Faktors zum Ziel hat (z. B. eine suffiziente Schmerztherapie, Rehydrierung oder antibiotische Behandlung etc.), ist dies auch bei der BPSD zu berücksichtigen. Auch hier können medizinisch-somatische Ursachen vorliegen beziehungsweise auslösend sein für BPSD (z. B. Schmerzen, Obstipation etc.). Darüber hinaus sind für beide Syndrome nicht-pharmakologische Ansätze in der Behandlung essenziell.Medikamentöse Behandlung
Laut Schweizer Behandlungsempfehlung sind bei der Behandlung der Depression im Alter anticholinerg wirksame Präparate zu meiden. Allerdings gibt es dort keine direkte Aussage zur Depression bei Demenz. Die internationalen Leitlinien formulieren sehr vorsichtig, dass antidepressive Medikamente zur Behandlung von Depressionen bei Demenz in Betracht gezogen werden können, obwohl die Erkenntnisse uneinheitlich sind. Aus den Empfehlungen lässt sich ableiten, auf jeden Fall einen Therapieversuch zu starten. Dabei sollten eher neuere Präparate zum Einsatz kommen, weil sie den Trizyklika überlegen sind.Nicht-medikamentöse Behandlungen
Nicht-medikamentöse Behandlungen (z.B. Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Tanztherapie, usw.) werden allein oder kombiniert mit der medikamentösen Behandlung eingesetzt, um die bestehenden Fähigkeiten zu unterstützen, die Umgebung anzupassen und die psychologischen Symptome zu lindern.Wichtige Aspekte in der Behandlung
Bei älteren Menschen ist es besonders wichtig, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, da es sonst oftmals zu einer frühzeitigen Institutionalisierung sowie zu womöglich vermeidbaren Abklärungen und Fehlbehandlungen kommt. Eine Schwierigkeit der Diagnostik psychischer Störungen im Alter stellt die Unterscheidung zwischen psychischen und körperlichen Symptomen dar. So kommt es zum Beispiel häufig dazu, dass Symptome einer Depression als alterstypische Erscheinungen fehlinterpretiert werden. Zu denken ist in diesem Zusammenhang auch an Herzerkrankungen, Atemaussetzer während der Nachtruhe, Hör- und Sehbeeinträchtigungen, Trauer, Schmerz, Depression oder Reaktionen auf strukturelle Veränderungen wie z.B. Umzüge oder Krankenhausaufenthalte.Tabelle: Unterschiede zwischen Delir und Demenz
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zwischen Delir und Demenz zusammen:
| Merkmal | Delir | Demenz | 
|---|---|---|
| Beginn | Akut, plötzlich | Schleichend, progressiv | 
| Bewusstsein | Fluktuierend, beeinträchtigt | Klar (anfangs) | 
| Aufmerksamkeit | Gestört | Relativ erhalten (anfangs) | 
| Verlauf | Variierend über den Tag | Relativ stabil | 
| Ursachen | Medizinisch-somatisch | Neurodegenerativ, vaskulär | 
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