Prosoziales Verhalten umfasst all jene Handlungen, die bewusst und freiwillig ausgeführt werden und darauf abzielen, einer anderen Person etwas Gutes zu tun. Solche Handlungen werden oft als bedeutungsvolle Handlungen genannt, die das Zugehörigkeitsgefühl verstärken.
Der Einfluss von Langeweile auf prosoziales Verhalten
Die Forschenden Wijnand van Tilburg vom King’s College in London und Eric Igou von der Limerick Castletroy Universität in Irland sind der Ansicht, dass Langeweile durchaus auch wünschenswerte Verhaltensweisen hervorrufen kann. Sie argumentieren, dass Langeweile eine wichtige regulatorische Funktion erfüllt: Wenn uns langweilig ist, signalisiert uns das, dass die momentane Tätigkeit an Bedeutung verloren hat.
Dies wiederum motiviert uns, nach alternativen Beschäftigungen und Zielen zu suchen, die wir für bedeutungsvoller halten. Bedeutungsvolle Ziele sind beispielsweise solche, die unser Streben nach Zugehörigkeit unterstützen.
Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, baten die Forschenden 31 Studierende, entweder eine langweilige Aufgabe am Computer zu lösen (Langeweile-Gruppe) oder während derselben Zeitspanne nichts zu tun (Kontrollgruppe). Anschliessend wurden alle Teilnehmenden gebeten, einen fiktiven Geldbetrag an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden.
Es stellte sich heraus, dass diejenigen Personen, die zuvor die langweilige Aufgabe gemacht hatten, signifikant höhere Geldbeträge spendeten (im Mittel 13 Euro), während die Personen aus der Kontrollgruppe deutlich weniger spendabel waren (im Mittel 6 Euro).
Lesen Sie auch: Die Bedeutung prosozialen Verhaltens
Wenn Langeweile also nur deshalb zu einer grösseren Spendebereitschaft führt, weil Personen nach einer bedeutungsvollen Tätigkeit suchen, dann sollte Langeweile nur bei bedeutungsvollen Wohltätigkeitsorganisationen zu mehr Spenden führen. Genau dies wollten die Autoren in einer zweiten Studie untersuchen.
Dafür baten sie 88 Studierende, wieder eine langweilige Aufgabe am Computer zu lösen. Dieses Mal mussten alle Personen die Aufgabe bearbeiten. Die eine Hälfte der Teilnehmenden musste jedoch doppelt so lange an der Aufgabe arbeiten als die andere Hälfte. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass die erste Gruppe deutlich mehr Langeweile verspürt als die letztere.
Anschliessend wurden alle Personen erneut gebeten, einen fiktiven Geldbetrag an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden. Zusätzlich wurde nun allerdings variiert, wie effizient die Hilfsorganisation war: Der einen Hälfte der Probanden wurde gesagt, dass die Hilfsorganisation sehr effizient in der Weiterleitung der Spendengelder sei, während der anderen Hälfte gesagt wurde, dass die Organisation hierin eher ineffizient sei.
Es stellte sich heraus, dass diejenigen Personen, die länger an der langweiligen Aufgabe arbeiten mussten, in beiden Szenarien spendabler waren als die anderen Personen. Den mit Abstand grössten Geldbetrag (im Mittel 14 Euro) spendeten diese Personen allerdings an die Organisation, die als sehr effizient beschrieben worden war.
Dieselben Personen spendeten im Mittel nur 8 Euro an die eher ineffiziente Hilfsorganisation. Im Vergleich dazu spendeten diejenigen Personen, die nur halb so lange an der langweiligen Aufgabe gearbeitet hatten, im Mittel nur 4 Euro an die effiziente und 5 Euro an die ineffiziente Hilfsorganisation.
Lesen Sie auch: Leitfaden: Nymphensittich Verhalten und Haltung
Tilburg und Igou schlussfolgern, dass Langeweile tatsächlich prosoziales Verhalten fördern kann, und zwar insbesondere dann, wenn das Verhalten als bedeutsam wahrgenommen wird.
Die Autoren erwähnen allerdings, dass die beiden Studien mit einer relativ kleinen Stichprobe durchgeführt wurden. Auch untersuchten diese Studien keine direkten Verhaltenseffekte, sondern beschränkten sich auf fiktive Szenarien.
Ebenfalls wäre es interessant gewesen, zu untersuchen, inwiefern die gelangweilten Teilnehmer ihre vergleichsweise grosse Spende nachträglich bereuen, und wie sich das Spenden kurz- als auch langfristig auf die Stimmung auswirkt.
Tabelle: Ergebnisse der Studien von van Tilburg und Igou (2017)
| Studie | Gruppe | Spende an effiziente Organisation (Mittelwert in Euro) | Spende an ineffiziente Organisation (Mittelwert in Euro) | 
|---|---|---|---|
| Studie 1 | Langeweile-Gruppe | 13 | - | 
| Studie 1 | Kontrollgruppe | 6 | - | 
| Studie 2 | Lange Aufgabe | 14 | 8 | 
| Studie 2 | Kurze Aufgabe | 4 | 5 | 
Scham und Schuld als soziale Emotionen
Scham- und Schulderleben gehören zu den sozialen Emotionen. Sie formen sich etwa im Alter von 2 bis 3 Jahren mit beginnender Reifung einer eigenen Identität. Mit zunehmendem Alter zeigen sich moralische Aspekte, die individuelle Bedeutung und Wertung von Ereignissen in Bezug auf die eigene Person.
Lesen Sie auch: Zebrastreifen: Fussgänger und Fahrzeugführer
Das gesellschaftliche und kulturelle System, das eine Person umgibt, ist massgeblich beteiligt an der Ausprägung des individuellen und moralischen Empfindens. Internalisierte Werte, Normen und Regeln sowie familiäre Besonderheiten bilden einen festen Bestandteil für das Entstehen individuellen Scham- und Schulderlebens.
Zu viel Schamerleben kann hingegen verhindern, dass sich ein verantwortungsvoller Blick auf reale Schuldanteile entwickelt. Selbstverantwortung und Selbstfürsorge sind wichtige Bestandteile der Persönlichkeitsentwicklung.
Insbesondere bei körperlichen und psychischen Erkrankungen stellen Scham- und Schulderleben einen wesentlichen Teil des inneren Leidensdrucks dar.
Scham bezieht sich auf die gesamte Person (‚Ich bin Scham‘) und entsteht, wenn Misserfolge oder Fehlverhalten in Bezug auf soziale Personen der eigenen Person als Gesamtes zugeschrieben wird. Folge ist wenig Wohlwollen und Mitgefühl der eigenen Person gegenüber, führt zu Rückzug und ist assoziiert mit Einsamkeitserleben und Trauer.
Schuld hingegen ist ein Resultat der Bewertung des eigenen Verhaltens und Handelns (‚ich habe Schuld‘).
Schuld und Scham haben einen ‚ansteckenden‘ Charakter, Scham scheint für viele Menschen das grössere Ansteckungspotential zu haben. Eine Person, die einem nahesteht und Scham erlebt, fördert bei einer positiven Beziehung selbst Scham, Mitgefühl, Zuwendung und Mitleid. Bei negativen Beziehungen können Schadenfreude und Rachefantasien entstehen.
Menschen mit maladaptivem Scham- und Schulderleben erfahren häufig, dass das Sich-Sorgen um die eigenen Bedürfnisse von einem unangenehmen emotionalen Erleben begleitet wird. Sie vermeiden daher solche Erfahrungen, indem die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt werden. Selbstwertschutz und -erhalt ist jedoch ein Grundbedürfnis von Menschen!
Der Einfluss des Serotoninsystems auf prosoziales Verhalten
Eine Studie untersucht, ob eine Stimulation des Serotoninsystems das prosoziale Verhalten langfristig steigern kann. Dies wird durch die Einnahme von unterschiedlichen, zum Teil psychedelischen Substanzen erforscht.
Unter Sozialverhalten verstehen wir in diesem Zusammenhang Aspekte wie Einfühlsamkeit, Moral, Vertrauen, Selbstlosigkeit, Mitgefühl oder auch die Grösse und Qualität eines sozialen Umfelds.
Als Intervention erhalten die Studienteilnehmer*innen einmalig eine von drei Substanzen oral in Kapselform: MDMA (100mg), Psilocybin (15mg) oder Methylphenidat (60mg).
- MDMA ("Ecstasy") hat eine serotonerge, noradrenerge und dopaminerge Wirkung.
 - Psilocybin ("Magic Mushrooms") ist ein klassisches Psychedelikum und hat eine serotonerge Wirkung.
 
Insgesamt werden 120 gesunde Studienteilnehmer*innen eingeschlossen. Diese werden zufällig auf drei Gruppen aufgeteilt (MDMA, Psilocybin und Methylphenidat).
Am zweiten Termin erhalten die Studienteilnehmer*innen entweder MDMA, Psilocybin oder Methylphenidat, ohne zu wissen, um welche Substanz es sich handelt (Verblindung). Die Prüfperson weiss ebenfalls nicht, wer welche Substanz verabreicht bekommt (Doppel-Verblindung).
Vier Wochen später folgt der dritte Termin, an welchem erneute Testungen des Sozialverhaltens mittels Aufgaben und Fragebögen am Computer gemacht werden.
tags: #prosoziales #verhalten #definition