Die Schizophrenie ist eine der komplexesten psychischen Krankheiten. Wenn jemand widersprüchlich redet oder handelt, dann ist heute rasch das Etikett «schizophren» zur Hand. Der Begriff scheint aus der Sphäre der Wissenschaft ins Allgemeingut übergegangen zu sein.
Schizophrenie ist eine schwere Krankheit, die bei Betroffenen zu massiven Beeinträchtigungen führen kann. Während Jahrzehnten habe ich mich gründlich mit verschiedenen Facetten dieses Leidens befasst. Deshalb ärgert mich die unbesonnene Verwendung des Begriffs.
Landläufig wird Schizophrenie immer wieder mit einer Spaltung des Bewusstseins gleichgesetzt. Es verhält sich jedoch anders. Bei Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, ist das Bewusstsein intakt und ungeteilt. Aus psychiatrischer Sicht liegt bei ihnen vielmehr eine Spaltung der Assoziationsfäden vor.
Symptome und Diagnose
Schizophrenie ist eine sehr vielschichtige Krankheit mit mannigfaltiger Symptomatik. Für einen gesunden Menschen sind die Erscheinungsbilder, denen die Betroffenen ausgesetzt sind, überaus fremdartig und sozusagen weit entfernt. Schizophrene Psychosen sind keine seltenen Erkrankungen. Etwa jeder hundertste Mensch erlebt im Laufe seines Lebens mindestens eine schizophrene Episode. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen. Typischerweise bricht die Krankheit zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr aus und beginnt entweder schleichend oder akut.
Schizophrenie ist eine phasenweise verlaufende Erkrankung, wobei der Verlauf von Patient zu Patientin sehr unterschiedlich ist. Die Schizophrenie kommt in allen Ländern und Kulturen etwa gleich häufig vor. Die Erkrankung kann jeden treffen, unabhängig von Geschlecht, Bildung und Herkunft.
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Alle aufgeführten Symptome treten je nach Patient oder Patientin allein oder in Kombination und unterschiedlich stark ausgeprägt auf. Schizophrenie wird sehr zurückhaltend diagnostiziert und bedarf einer eingehenden fachärztlichen Beurteilung und Beobachtung der erkrankten Person. Die Symptome müssen über einen Zeitraum von mindestens einem Monat beobachtbar sein. Dabei kommt den Positivsymptomen eine besondere Bedeutung zu.
Wahnerleben, Gedankenausbreitung oder -eingebung und Stimmenhören (akustische Halluzinationen) haben einen besonders hohen Stellenwert bei der Diagnosestellung. Die Diagnose Schizophrenie hat für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen. Wir klären deshalb eingehend über die Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten auf. Dabei beziehen wir frühzeitig die Angehörigen ein und bauen ein vertrauensvolles Verhältnis zur erkrankten Person auf.
Medikamentöse Behandlung
Heute stehen uns verschiedene Medikamente zur Verfügung, mit denen sich akute Störungen, die im Rahmen des schizophrenen Krankheitsbilds auftreten, gut behandeln lassen. Die Grenzen der Medikation zeigen sich bei chronischer Schizophrenie; dort rücken sogenannte Negativsymptome in den Vordergrund - das Mangeln oder Fehlen von Antriebskraft, emotionalen Regungen, Kontaktfähigkeit, Genussempfinden etc.
Die Behandlung einer Schizophrenie-Erkrankung besteht primär aus medikamentöser Therapie. Insbesondere in einer so genannten floriden (akuten) Phase kommt der Medikation eine grosse Bedeutung zu. Dabei hat sich die Medikamentengruppe der Antipsychotika (früher: Neuroleptika) als primäres Behandlungsprinzip bewährt und etabliert. Die Wirkung der Antipsychotika knüpft beim neurobiologischen Mechanismus (Signalübertragung) an. Die Medikamente wirken auf eine gewisse Art und Weise auf die Übertragung durch Neurotransmitter (z.B. Dopamin), so dass akute psychotische Symptome stark reduziert werden können.
Diese Effekte können erzielt werden ohne dass dabei eine stoffgebundene Abhängigkeit entsteht. In einer geringen Dosierung können gewisse Neuroleptika (z.B. Quetiapin) daher auch als Schlafmittel eingesetzt werden, weil sie auch Gedankenkreisen etwas verringern können und damit beruhigend wirken. Obwohl weitere Möglichkeiten an ergänzenden Therapiemethoden bestehen, ist bei der Schizophrenie im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen der Fokus auf die Pharmakotherapie sehr ausgeprägt.
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Typische Antipsychotika
Als typische oder auch klassische Antipsychotika werden jene Medikamente bezeichnet, die als erste ihrer Art auf eine anti-psychotische Wirkung abzielten. Als Erstes wurde das Neuroleptikum Chlorpromazin im Jahre 1955 in den Vereinigten Staaten vermarktet. Dieses und auch weitere Präparate dieser so genannten ersten Generation zielten auf eine Verminderung der Dopamintransmission und somit vor allem auf die Positivsymptomatik (siehe Teil 1) wie zum Beispiel Halluzinationen ab.
Da Dopamin auch bei der Ansteuerung von gewissen Bewegungen eine Rolle spielt, können im Zusammenhang mit typischen Antipsychotika unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, die den Bewegungsapparat betreffen. Diese möglichen Beeinträchtigungen manifestieren sich vor allem im extrapyramidal-motorischen System und können sich in unwillkürlichen, ungesteuerten Bewegungen äussern.
Atypische Neuroleptika
Aufgrund der Nebenwirkungen von typischen Antipsychotika wurde entsprechende Forschung betrieben, die dazu führte, dass in den 1970er-Jahren mit dem Clozapin das erste atypische Neuroleptikum auf den Markt kam. Im Gegensatz zu den typischen wirken atypische Neuroleptika nicht nur gegen die Positiv- sondern auch gegen die Negativsymptomatik der Schizophrenie-Erkrankung. Weiter sind Nebenwirkungen im extrapyramidalen System stark reduziert. Weitere stark verbreitete Medikamente aus dieser Gruppe sind Risperidon und Olanzapin.
Nicht-medikamentöse Behandlung
Im Vergleich zu anderen psychiatrischen Erkrankungen liegt der Behandlungsfokus bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis primär auf der Medikation und sekundär auf psychosozialen Interventionen. Eine anzustrebende moderne und leitliniengerechte Behandlung sollte beides umfassen. Als wichtige Basis der nicht-medikamentösen Therapie sollte die Psychoedukation betrachtet werden, die ein Verständnis beim Patienten für die eigene Erkrankung schafft und idealerweise den Patienten zum Experten seiner Erkrankung schult.
Ausserdem empfehlen sich sämtliche Massnahmen, die einerseits das Stresslevel tief halten und andererseits ein gewisses Aktivitätsniveau (insbesondere körperlich) fördern. Von grosser Bedeutung ist auch die Einrichtung einer geeigneten Tagesstruktur, zum Beispiel mittels Arbeitstherapie oder einer Arbeitstätigkeit mit reduziertem Leistungsanspruch. Die psychotherapeutische Intervention soll es dem Patienten ermöglichen, einen besseren Umgang mit seiner Positiv- und Negativsymptomatik zu lernen. Hier haben sich vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze bewährt.
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Von der Akutphase an sind generell stützende und motivierende Gespräche indiziert, die Sicherheit geben und zur Limitierung des vorangehend erwähnten erhöhten Stresslevels beitragen sollen.
Es gibt im Wesentlichen zwei Säulen, die in der modernen Psychiatrie ohnehin bedeutend sind. Einerseits wird versucht, mittels spezifisch auf Schizophrenie abgestimmter Psychotherapie die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Phasen der Behandlung
In der Regel beginnt die Therapie mit der akuten Phase einer Schizophrenie. Auffälliges, von Wahnerleben und Halluzinationen geprägtes Verhalten führt oft zu einer Hospitalisierung. In dieser von Ängsten der betroffenen Personen geprägten Phase ist es wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Erst dies ermöglicht es, dass die Betroffenen Medikamente akzeptieren. Nach Abklingen der Akutphase beginnt die Stabilisierungsphase. In dieser ist es vermehrt möglich, realitätsbezogene Themen zu besprechen. Wichtig ist es, die erkrankte Person und die Angehörigen über die Schizophrenie aufzuklären.
Von grosser Bedeutung sind aber auch die Lebensumstände der Betroffenen, da es häufig zu Schwierigkeiten in Beruf, Familie oder Wohnen gekommen ist. Wie schon erwähnt ist der frühzeitige Einbezug der Angehörigen in die Behandlung sehr wichtig. Dies geschieht in erster Linie durch die Behandlerinnen und Behandler.
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