Für manche Frauen kann die Zeit nach der Geburt eines Kindes unerwartete Herausforderungen mit sich bringen. Die sogenannte postpartale Depression (post partum = nach der Geburt) stellt eine ernsthafte Erkrankung dar, die die Stimmung und das Wohlbefinden einer Frau nach der Geburt stark beeinträchtigen kann.
Symptome einer Postpartalen Depression
Die Symptome einer postpartalen Depression können sich von Frau zu Frau unterscheiden und variieren in ihrer Intensität. Einige Frauen empfinden eine tiefe, anhaltende Traurigkeit, während andere unter starken Stimmungsschwankungen leiden. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Persistente Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit: Frauen mit einer postpartalen Depression fühlen sich oft über einen längeren Zeitraum hinweg traurig oder hoffnungslos, ohne erkennbaren Grund. Diese Traurigkeit kann so stark sein, dass sie den Alltag der betroffenen Person erheblich beeinträchtigt.
 - Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen: Ein weiteres häufiges Symptom einer postpartalen Depression ist eine übermässige Reizbarkeit und das Gefühl, schnell und meist ohne ersichtlichen Grund, wütend zu werden. Diese Stimmungsschwankungen können sich auf zwischenmenschlichen Beziehungen auswirken und zu Konflikten führen.
 - Übermässige Ängstlichkeit: Frauen, die von einer postpartalen Depression betroffen sind, können sich übermässig ängstlich oder besorgt fühlen, insbesondere in Bezug auf das Wohlergehen ihres neugeborenen Kindes. Diese Ängste können irrational erscheinen, aber für die betroffene Person fühlen sie sich real und sehr belastend an.
 - Schlafstörungen: Probleme mit dem Schlaf sind ein häufiges Symptom. Einige Frauen haben Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen, während andere unter exzessiver Müdigkeit leiden, selbst wenn sie ausreichend Schlaf bekommen. Diese Symptome können durch die Schlafmuster eines Neugeborenen zusätzlich belastet werden. Die betroffenen Frauen finden nach dem Stillen des Babys oft nicht mehr in den Schlaf zurück, liegen grübelnd im Bett und erwachen nachts oder frühmorgens häufig ohne äusseren Anlass, gequält von Ängsten und Sorgen.
 - Appetitveränderungen: Veränderungen im Essverhalten, wie ein gesteigerter oder verringerte Appetit, können ebenfalls auf eine postpartale Depression hinweisen. Einige Frauen essen möglicherweise weniger als gewöhnlich, während andere Trost in Nahrung suchen und übermässig viel essen.
 - Erschöpfung und Energiemangel: Eine postpartale Depression kann zu anhaltender Erschöpfung und einem Gefühl der Energielosigkeit führen, unabhängig davon, wie viel Ruhe die betroffene Person bekommt. Selbst alltägliche Aufgaben können sich überwältigend anfühlen. Dies in einer Zeit, in der die Versorgung eines neugeborenen Kindes als Herausforderungen ansteht.
 - Suizidalität: Manchmal treten auch Gedanken an Tod oder Selbstmord auf, wobei die betroffene Person möglicherweise das Gefühl hat, der Situation nicht gewachsen zu sein.
 - Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder Wertlosigkeit: Frauen mit einer postpartalen Depression können das Gefühl haben, dass sich die Situation nie verbessern wird, und Zweifel an ihren Fähigkeiten als Mutter haben. Sie können sich selbst als unfähig oder wertlos betrachten.
 
Diese Symptome können das Muttersein erschweren und das tägliche Funktionieren beeinträchtigen. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Frauen alle diese Symptome haben müssen, und dass die Schwere der Symptome variieren kann.
Diagnostik von Postpartalen Depressionen
Die postpartale Depression ist eine ernste psychische Erkrankung, die Frauen nach der Geburt ihres Kindes betreffen kann. Um sie zu diagnostizieren, verwenden Fachleute oft die Kriterien des Internationalen Klassifikationssystems für Krankheiten (ICD). Dieses System hilft dabei, einheitliche Standards für die Diagnosestellung und Behandlung von Krankheiten zu gewährleisten.Die Diagnose für postpartale Depression basiert auf bestimmten Symptomen und ihrem Schweregrad. Dazu gehören die eben beschriebenen Symptome; Gefühle von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Hoffnungslosigkeit, der Verlust von Interesse und Freude an früheren Aktivitäten, Energiemangel, Schwierigkeiten bei der Konzentration, Schlafstörungen, Gefühle von Schuld oder Wertlosigkeit und möglicherweise sogar suizidale Gedanken.
Postpartaler Blues vs. Postpartale Depression
Neben der postpartalen Depression gibt es auch eine weniger schwerwiegende und oft vorübergehende Stimmungsveränderung, die als postpartaler Blues bekannt ist. Diese wird manchmal auch als Baby-Blues bezeichnet. Der postpartale Blues tritt häufig in den ersten Tagen oder Wochen nach der Geburt auf und ist durch vorübergehende Gefühle von Traurigkeit, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme und Weinen gekennzeichnet. Diese Symptome können auf hormonelle Veränderungen, Schlafmangel und die Anpassung an die neue Elternschaft zurückzuführen sein. Im Gegensatz zur postpartalen Depression sind die Symptome des postpartalen Blues in der Regel weniger intensiv und klingen oft von selbst innerhalb weniger Tage bis Wochen ab.
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Um die Diagnose einer postpartalen Depression zu stellen, müssen die Symptome signifikant genug sein, um das alltägliche Funktionieren der Frau zu beeinträchtigen, und sie müssen für mindestens zwei Wochen lang anhalten. Eine professionelle Bewertung durch eine Fachperson ist unerlässlich, um die richtige Diagnose zu stellen und die angemessene Behandlung zu empfehlen. Teilweise ist es schwierig, zwischen Ursachen und Symptomen einer postpartalen Depression zu unterscheiden.
Ursachen und Risikofaktoren
Es gibt in der Regel nicht den einen Grund, der eine postpartale Depression auslöst. Meist spielen verschiedene Einflussfaktoren eine Rolle. Kommen viele belastende Faktoren zusammen, entwickelt sich schneller eine Depression und oftmals ist diese auch tiefer.
- Hormonelle Veränderungen: Nach der Geburt verändert sich der Hormonhaushalt der Mutter. Der Zusammenhang zwischen Hormonen und einer postpartalen Depression ist noch nicht abschliessend erforscht.
 - Psychische Vorerkrankungen: Wenn frischgebackene Mütter bereits vor der Schwangerschaft einmal eine Depression hatten, weisen sie ein grösseres Risiko auf, an einer postpartalen Depression zu erkranken. Nach der Geburt kommen gegebenenfalls unverarbeitete psychische Belastungen aus der Vergangenheit wieder an die Oberfläche.
 - Genetische Veranlagung: Ebenso spielt die genetische Veranlagung eventuell eine grosse Rolle.
 - Veränderungen im Lebensstil: Das Leben der Eltern verändert sich nach der Geburt eines Kindes. Bisher eingenommene Rollen verändern sich. So ist zum Beispiel eine berufstätige Frau plötzlich Mutter und Hausfrau. Es dauert etwas, bis sie sich an diese Veränderungen gewöhnt und sich in der neuen Situation zurechtfindet.
 - Beziehungsveränderungen: Neben Rollen verändern sich auch Beziehungen. Davon betroffen ist nicht nur die Beziehung zwischen den Eltern. Auch das Verhältnis zur eigenen Familie oder zu Freundinnen und Freunden wandelt sich.
 - Hohe Erwartungen: Häufig stellt die Mutter hohe Erwartungen an sich selbst und glaubt, der neuen Situation nicht gerecht zu werden.
 - Fehlende Unterstützung: Auch fehlende Unterstützung aus dem Umfeld kann eine postpartale Depression auslösen: Eine Mutter ist nicht nur auf praktische, sondern auch emotionale Unterstützung angewiesen. Fehlt diese, steigt das Risiko einer Depression.
 - Soziale Isolation: Gerade in der Anfangszeit sind Eltern plötzlich stark ans Haus gebunden, ihr soziales Netz fällt teilweise weg und sie fühlen sich allein.
 - Komplikationen in der Schwangerschaft: Komplikationen während der Schwangerschaft sowie eine ungewollte Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine postpartale Depression.
 - Traumatische Geburtserlebnisse: Traumatische Ereignisse während der Geburt sind ein weiterer Risikofaktor. Hierbei ist der Schweregrad subjektiv. Auch eine sehr schnelle Geburt bringt die Mutter möglicherweise durcheinander. Sie fühlt sich überrumpelt und hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben.
 - Kaiserschnitt: Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wochenbettdepression durch einen Kaiserschnitt.
 - Abstillen: Wenn Sie abstillen, sinkt der Endorphinspiegel in Ihrem Körper. Diese Hormone wirken stimmungsaufhellend.
 - Grosser Schlafmangel: Schlafmangel zieht Erschöpfung, Reizbarkeit und in schweren Fällen auch Verwirrung und Ängste nach sich.
 - Probleme mit körperlichen Veränderungen: Probleme, körperliche Veränderungen durch Schwangerschaft und Geburt anzunehmen, insbesondere, wenn sie bleibende Spuren wie Übergewicht und Schwangerschaftsstreifen hinterlassen.
 - Vitamin- und Nährstoffmangel: Vitamin- und Nährstoffmangel, unregelmässige oder unausgewogene Ernährung.
 
Behandlungsmöglichkeiten
Die wichtigste Therapieform bei einer postpartalen Depression ist eine Psychotherapie. Hier gibt es verschiedene Therapieverfahren, z. B. Verhaltenstherapie oder systemische Psychotherapie. Welche davon für Sie die beste ist, hängt einerseits von Ihrer Persönlichkeit ab, andererseits von den Ursachen, die der Erkrankung zugrunde liegen. In der Regel finden die Sitzungen als Einzeltherapie statt, oftmals ist es jedoch ratsam, den Partner oder weitere Familienmitglieder mit einzubeziehen. Ergänzend ist der Besuch einer Gruppentherapie mit anderen betroffenen Frauen möglich.
Bei einer mittelschweren Depression wird die Psychotherapie meist mit einer medikamentösen Therapie mit Antidepressiva ergänzt, bei einer schweren Depression ist dies in jedem Fall angezeigt. Neben Antidepressiva können von Fall zu Fall auch schlafanstossende oder angstlösende Medikamente verschrieben werden.
Der Vorschlag, die Therapie mit Medikamenten zu unterstützen, löst bei vielen Frauen erst einmal Bedenken aus. Zuweilen reden auch nahestehende Menschen der Mutter ein, die Medikamente würden ihr schaden. Damit es überhaupt gelingt, die Ursachen anzugehen, die der Depression zugrunde liegen, ist medikamentöse Unterstützung jedoch oft nötig. Reden Sie mit Ihrer Psychiaterin oder Ihrem Psychiater über Ihre Bedenken. Fragen Sie ganz genau nach, wenn etwas unklar ist oder wenn Sie etwas gehört oder gelesen haben, was Sie verunsichert. Sofern Sie Ihr Baby weiterhin stillen möchten, lassen Sie sich ein Präparat verschreiben, das mit dem Stillen verträglich ist. Wichtig ist zudem eine psychotherapeutische Betreuung über die ganze Dauer der Behandlung.
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Hilfreiche Tipps und Unterstützung für Betroffene
- Akzeptanz: Nehmen Sie die Erkrankung ernst, das ist die Grundlage für Besserung.
 - Geduld: Setzen Sie sich kleine, realistische Ziele und reduzieren Sie den Druck auf sich selbst.
 - Erholung: Planen Sie bewusst Pausen ein, schlafen Sie so oft wie möglich und schaffen Sie Momente der Entspannung, etwa mit Atemübungen, Yoga oder Meditation.
 - Gesunde Ernährung: Essen Sie ausgewogen und regelmäßig, um Körper und Geist zu stärken.
 - Bewegung: Sanfte Aktivität wie Walking oder Training auf dem Standfahrrad wirkt stimmungsaufhellend. Nach etwa sechs bis acht Wochen ist meist auch Rückbildungsgymnastik möglich. Sprechen Sie vorher mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
 - Organisation: Strukturieren Sie Ihren Tag und holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel im Haushalt oder beim Einkaufen.
 - Austausch: Reden Sie offen mit Partner, Freunden oder anderen Betroffenen über Ihre Gefühle.
 
Sollten sich die Symptome verschlimmern, suchen Sie unbedingt ärztliche oder hebammengeleitete Unterstützung. Je nach Bedarf können eine Psychotherapie oder auch Medikamente wie Antidepressiva sinnvoll sein.
Unterstützung durch Angehörige
Wenn Ihre Partnerin oder Ihr Partner an einer postpartalen Depression leidet, können Sie auf verschiedene Weise helfen:
- Begegnen Sie der Situation mit Geduld und Verständnis.
 - Hören Sie aufmerksam zu und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.
 - Lenken Sie den Blick auf positive Entwicklungen, loben Sie und zeigen Sie Ihre Wertschätzung.
 - Übernehmen Sie Aufgaben oder organisieren Sie zusätzliche Hilfe.
 - Verzichten Sie darauf, in einer Überforderungssituation wichtige Entscheidungen zu erzwingen.
 - Begleiten Sie zu Arztterminen und sprechen Sie gemeinsam über den Behandlungsverlauf sowie Fortschritte.
 
Die Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS)
Die "Edinburgh Postnatal Depressions Skala" umfasst 10 Fragen, mit denen die Stimmungslage der vorangegangenen 7 Tage abgefragt wird. Liegt die Gesamtpunktzahl höher als 10, sollten Sie Kontakt zu einer Fachperson aufnehmen. Zwar kann anhand des Testergebnisses keine postpartale Depression festgestellt werden, es ist jedoch wichtig, genauer hinzuschauen. Liegt die Gesamtpunktzahl tiefer als 10, sollten Sie sich dennoch weiterhin gut beobachten. Sie haben diesen Fragebogen ja ausgefüllt, weil Sie Anlass hatten, sich über Ihren Gesundheitszustand Gedanken zu machen.
Der Verein "Postpartale Depression Schweiz" empfiehlt Müttern, diesen Fragebogen im ersten Jahr nach der Geburt regelmässig (beispielsweise im Abstand von 14 Tagen) auszufüllen, damit Veränderungen in der Stimmungslage frühzeitig erkannt werden. Der Fragebogen kann ganz einfach und anonym online ausgefüllt und ausgewertet werden und ist zudem in verschiedenen Sprachen als Download verfügbar.
Weitere Informationen und Anlaufstellen
Es gibt zahlreiche Organisationen und Fachpersonen, die Unterstützung und Beratung anbieten. Dazu gehören:
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- Verein Postnatale Depression Schweiz
 - Mütter- und Väterberatungsstellen
 - Familienberatungsstellen
 - Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
 - Ärzte (Hausärzte, Gynäkologen)
 - Hebammen
 
Es ist wichtig, sich nicht zu scheuen, Hilfe zu suchen und offen über die eigenen Gefühle zu sprechen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität von Mutter und Kind verbessern.
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