Die Musik Johann Sebastian Bachs ist so reichhaltig, dass sich Fachleute noch über Jahrzehnte mit ihr auseinandersetzen werden und auch weiterhin Gewinn davontragen. Dabei ist allgemein bekannt, dass die Kunst der Fuge ein unvollendetes Stück: Contrapunctus 14 enthält, welches unvermittelt abbricht. Seitdem wird viel über die "musikalische Signatur" des Stückes gerätselt, sowie darüber, wie das Ende der Ausführung wohl gedacht war.
Valerius Herbergers Buch über Jesus Sirach von 1739 brachte den Verfasser auf die Spur, da er schieb. „Wie der Name klingt, so soll auch das Leben seyn.“ - und bei Bach klingt der Name ja tatsächlich. Ferner übersetzt Herberger das Sprichwort „Esto quod audis“ mit den Worten „Wie man dich tituliert, so sollst du dich auch halten. Der zugehörige Kontext findet sich im Lukasevangelium 10,20, wo es heisst: „Freuet Euch, dass Eure Namen im Himmel angeschrieben sind“.
Davon hören wir auch in einem Kirchenlied Salomo Francks, den Johann Sebastian Bach persönlich kannte und der in der Weimarer Zeit zahlreiche Texte für dessen Kantaten lieferte. Gesagt-getan: Kurz nach dem Hörbarwerden des Namens B-A-C-H bricht Contrapunctus 14 ab. Der Lauf der Töne wird abgeschlossen, als sei der Komponist am Ende seiner musikalischen Fährte angekommen.
Von einer Signatur kann nicht die Rede sein. Was hätte diese auch für einen Sinn, da der Name des Komponisten üblicherweise schon auf der Titelseite steht? Grund für ein solches Vorgehen ist die hohe Wertschätzung der Musik als Geschenk Gottes: MUSICA DONUM DEI. Bei Gott im Himmel - nicht auf dem Notenblatt - steht sein Name angeschrieben, so Bachs fester Glaube.
Kein Zweifel, dass er sich mit dem in Ich-Form verfassten Text zu identifizieren vermochte, der nunmehr in die lange Reihe der von ihm vertonten Arbeiten Salomo Francks übernommen werden kann, wenn auch die Art der Vertonung eine andere ist: Die Musik handelt nach dem Text, benötigt ihn jedoch nicht mehr und evoziert dennoch die angestrebten Affekte, wie es Lorenz Mizler im sechsten Teil seiner neu eröffneten Musikbibliothek 1739 beschrieb, wo er von "redenden Klängen" spricht, deren Botschaft empfunden würde, "auch wenn gar keine Worte dabey wären, bloss durch Zuthun der Instrumente."
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Handelte es sich um eine herkömmliche Vertonung, würde dem Hörer Gelegenheit gegeben, sich selbst mit der Ich-Form des Lied-Textes identifizieren zu können. Den kulturgeschichtlichen Hintergrund bildet die christliche Symbolik der abendländischen Harmonielehre seit dem 3. Jhdt., die zu Bachs Zeiten noch lebendiges Kulturgut war und erst vor wenigen Jahren vom Verfasser wiederentdeckt wurde. Einige der nachfolgenden Blog-Beiträge und Präsentationen handeln davon.
Johann Heinrich Buttstett (*1666-†1727) gibt einen Eindruck von der damaligen Sichtweise wenn er schreibt: „Caput. VI. Wie erwähnt, vernehmen wir zwar von Carl Philipp Emanuel, dass der Vater über Contrapunctus 14 verstorben sei - und die unvollendet anmutende Arbeit scheint dies auch zu bestätigen - doch trägt das Ganze, wie der Würzburger Hochschulprofessor für Orgel und KMD Christoph Bossert wiederholt betonte, eher den Charakter einer kompositorischen Inszenierung, zumal Bach, wie wir nun sehen können, seinen Todeszeitpunkt recht präzise hätte vorher sehen müssen, um das Gesagte denn auch unmittelbar - und nicht nur rein musikalisch - wahr werden zu lassen.
Zur Verdeutlichung noch einmal: Wenn der Gedanke jener ist, dass der Name im Himmel aufgerufen wird und es sich um eine Abberufung handelt, muss das den irdischen Tod unmittelbar nach sich ziehen. Somit kann die Kunst der Fuge als zu Lebzeiten beendet gelten und schliesst mit diesem berührenden Credo, noch überhöht durch den Kommentar des Sohnes über den verstorbenen Vater - als habe Gott diesen erhört und aufgrund des Glaubensbekenntnisses unmittelbar zu sich befohlen.
Nun ergeben sich aus der Lektüre Valerius Herbergers weitere Bezugspunkte zur Sozietät, zu Johann Sebastian Bach und speziell zur Kunst der Fuge - zur Sozietät insofern, als auf der geprägten Medaille ein Bienenschwarm zu sehen ist, welcher Lorenz Mizler zufolge den Fleiss der Sozietätsmitglieder verkörpert.
„Das Bienlein wohnet am liebsten und besten bey grünen Wiesen, Wäldern und fliessenden Wassern: Also ein Gottseliger Hauss-With soll gerne wohnen und sich finden lassen in der Kirche, wo Gottes Wort gepredigt wird. Die heilige Bibel ist der schöne luftige Wald voll luftiger Blumen, sagt der Herr Lutherus, und die grüne Aue ist das Evangelium, wie es David rühmet: Er weidet mich auf einer grünen Auen und führet mich zum frischen Wasser, Ps. 23,1. Da sind die rechte Heyl-Brunnen, von welchem Esaias redet cap.12,3. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heyl-Brunnen.
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Betrachten wir daraufhin den floralen Dekor der Partitur, so fällt auf, dass dieser am Schluss des 5. Und bereits zuvor, am Ende des 4. Stückes, fallen Heilpflanzen an markanten Positionen auf, wie z.B. der Weissdorn auf den Notenlinien oder die Kornblume im Zentrum. Die Kornblume hatte für Bach besondere Bedeutung, da sie in der Lage war, seinen ständig überanstrengten Augen Linderung zu verschaffen.
So empfahl Pietro Andrea Mattioli in seinem Kräuterbuch von 1690: "Das deſtillierte Kornblumenwaſſer iſt ſehr gut/ zu den rothen fluͤſſigen Augen/ und anderen derſelbigen hitzigen Gebrechen/ des tags etlich mal ein paar Tropffen in die Augen gethan." Gleichwohl war sein Leidensdruck am Ende so gross, dass er bereit war, sich einer riskanten und schmerzhaften Augenoperation zu unterziehen, welche den gewünschten Erfolg jedoch nicht brachte.
In Analogie zum Erscheinen seines Namens in der Musik des Himmels finden wir auch im floralen Dekor seines Werks einen Hinweis darauf, dass er sich seinem Schöpfer anvertraute, denn im grossen finalen Schwung wird eine Pflanze vorgeführt, welche aus Teilen verschiedener Arten besteht, darunter entdecken wir auch noch einmal die Kornblume. Die grosse Blüte dieses Gewächses ist dem Betrachter direkt zugewandt und trotz Stilisierung zweifelsfrei als Passionsblume identifizierbar.
Doch während die passiflora incarnata üblicherweise 10 Blütenblätter aufweist - was in traditioneller Lesart auf die 12 Jünger minus Judas und Petrus infolge des Verrats und der dreimaligen Verleugnung hindeutet - zählen wir hier 14, der Symbolik des Namens Bach entsprechend: A=1, B=2, C=3, H=8; 1+2+3+8=14. Es ist kompositorische Absicht, dass dieser optische Ausklang mit dem akustischen zusammenfällt und die grüne Aue eine Vorausschau darauf ermöglicht, was nach dem Ende kommt.
Gemäss christlicher Lehre ist dies allein der Passion Christi zu verdanken - doch die Symbolzahlen verraten, dass sich Bach auch hier mit seinem persönlichen Ende befasste. Sein Name wie sein Schicksal sind mit dem Leiden des Erlösers verbunden. Bildlich ist hier dasselbe gesagt wie im oben zitierten Liedtext des Salomo Franck: "... dass ich aus Gnaden durch den Glauben an Christi Blut erlöset bin. Desweiteren kann kaum übersehen werden, dass er seinen Namen direkt mit dem oben erwähnten frischen Wasser und den Wasser-Bächen der grünen Aue in Verbindung brachte.
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Auch bei den Pflanzen finden wir das Stilmittel der Wiederholung, wie am Beispiel der Kornblume gesehen, aber auch die Glockenblume, das Vergissmeinnicht, die Steinnelke und verschiedene Beeren sind mehrfach zu finden. Solch ein komplexer Entwurf mit persönlichem Gehalt lässt keinen anderen Schluss zu als den, dass Bach die Vorlage hierfür eigenhändig anfertigte, welche er zum Teil auch auf separaten Blättern vorgelegt haben kann.
Hätte sich ein Notenstecher die Freiheit nehmen dürfen, floralen Dekor in die Partitur zu setzen? Der hierfür verwendete heckenbildende Weissdorn, darum auch Hagedorn genannt, deutet noch auf Noten-Ebene an, dass nun etwas anderes kommt. Er trennt den musikalischen- vom visuellen Bereich als handele es sich um die Umfriedung eines Gartens. Musikalisch gesprochen kommt ihm die Funktion eines Notenschlüssels zu als wolle er uns mitteilen: "Was nun folgt, steht in der Tonart des Sichtbaren und braucht darum keine Linien mehr."
Ausserhalb der Notenlinien wäre der geschwungene Zweig nicht mit der charakteristischen Silhouette des Altschlüssels in Verbindung zu bringen. Die Position an dieser Stelle ist demnach nicht die Folge eines horror vacui, sondern kompositorische Absicht. Dazu gehört die Fortführung der Leserichtung von links nach rechts, Symmetrien, die in der Musik als Spiegelungen wahrgenommen werden, mit eingeschlossen.
Es handelt sich um ein Werk, das im Spirituellen weiterlebt wenn der letzte Akkord verklungen ist. Die Notenlinien auf diesem Blatt bleiben diesmal leer. Es ist ein ausgesprochener Sonderfall, dass uns ein Komponist in der Grössenordnung J.S.Bachs seine assoziativen Bildverknüpfungen und Gedanken zusammen mit der Musik mitteilt und hierfür plötzlich von der Tonkunst in den abbildenden Modus überwechselt.
Dabei bezieht er Biographisches mit ein, weil er sich bedingungslos mit der Sache identifiziert und es ist nicht auszuschliessen, dass er auf diese Weise auf einen besonderen symbolischen Gehalt in seinem Werk aufmerksam machen möchte. Dieser Gehalt kann nur theologischer Natur sein und wird das Anliegen der Sozietät, die Majestät der alten Musik wiederherzustellen, in besonderer Weise aufgreifen.
Bleiben wir im Bilde, so handelt es sich um die Spiegelung der grünen Aue sowohl in seiner Musik als auch in seinem Namen - Bach: "Im Spiegel des Wassers erkennst du dein Gesicht und im Spiegel deiner Gedanken erkennst du dich selbst." Spr. 27,19; "Jetzt sehen wir nur ein unklares Bild wie in einem trüben Spiegel; dann aber schauen wir Gott von Angesicht." 1. Kor. Es lag buchstäblich nahe, dass er Passionsblumen und Pelargonien im Botanischen Garten der Universität Leipzig - damals zwischen Paulinerkirche und Fürstenhaus gelegen - kennen lernte und der Eindruck ihn dazu veranlasste, sie in seinem Werk als besondere Wunder der Schöpfung wiederzugeben.
Ein Beispiel mehr für die unabdingbare Notwendigkeit, Kulturgüter im Kontext und aus der spirituellen Perspektive ihrer Entstehungszeit zu betrachten. Mit Symbolik sollte nichts versteckt- sondern vielmehr deutlich gemacht- und aufgezeigt werden, auch wenn wir uns heute in die Sichtweise der Zeit einzuarbeiten haben. Insofern ist die Kunst der Fuge nicht mit dem Rätselkanon der beiden Haussmann'schen Bach-Portraits vergleichbar.
Ein solcher Eindruck - ebenso die Vorstellung einer musikalischen Signatur - kann nur entstehen in einer Gesellschaft, die den Zugang zur Kulturgeschichte ihres eigenen Tonsystems, welches ohne Einbeziehung christlicher Symbolik gar nicht erklärt werden kann, gänzlich verloren hat. Anzumerken sei hier noch in Bezug auf die Medaille, dass die Begegnung eines Bienenvolkes mit dem Heiland einen bedeutenden Vorläufer hat.
Sowohl auf einem Altarblatt (Privatbesitz, Deutschland) als auch in Josef Meglingers "Cistercineser-Jahr", erschienen 1700 in Druck, sehen wir Bernhard von Clairvaux - der aufgrund seiner honigfliessenden Predigten den Beinamen doctor mellifluus erhielt - mit einem Bienenkorb vor einem Altar mit dem Gekreuzigten. Die Bienen steigen zur Seitenwunde Jesu empor und auf einem Spruchband finden wir den Text. "Nil cogitatur dulcius quam JESUS Dei Filius", es lässt sich nichts süsseres denken als Jesus, der Sohn Gottes.
Die von Bach ausgesuchten Pflanzen lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen: Da sind zum einen die medizinischen Heilpflanzen bzw. Bei anderen wiederum besitzt allein der Name eine Aussagekraft, die sich selbst genügt, wie z.B. Daneben finden sich auch eine Reihe von Pflanzen, die nicht näher bestimmbar sind, da sie unterschiedliche Blüten, Blätter und Früchte aufweisen. Sie haben rein dekorative Funktion und stehen für das Blühen an sich- und für eine überquellende Vegetation.
Doch speziell der Ritterstern verdient besondere Beachtung, da ihn Bach zumindest andeutungsweise mit seinem eigenen Monogramm in Verbindung bringt und sich von daher sogleich eine Parallele zur Lutherrose ergibt. Speziell aus der 4. Ekloge, die aus kirchlicher Sicht als Ankündigung des Heilands interpretiert wurde, ergibt sich ein Impuls des Neuanfangs und des Aufbruchs in eine neue Zeit, wie es auf der Sozietätsmedaille mit dem leuchtenden Morgenstern zum Ausdruck kommt. Lorenz Mizler spricht deshalb vom Tagesanbruch in der Musik.
Ein weiterer Bezug zu Vergil ist durch Friedrich Wilhelm Marpurg gegeben, dem die Formulierung zugeschrieben wird, dass Griechenland nur einen Homer, Rom nur einen Vergil und Deutschland nur einen Bach gehabt haben wird. Marpurg hatte die Gelegenheit, Bach persönlich kennenzulernen und schrieb nach dessen Tod den Vorbericht zur Kunst der Fuge.
Auf der Suche nach einer Pflanze seiner Wahl - die Rose war durch Luther schon vergeben - hat die Passiflora offenbar den Gewinn davongetragen, denn sie steht der Passion von sich aus nahe, während Luther mit den Attributen des Herzens und des Kreuzes gewissermassen nachhelfen musste, ebenso mit seinen Initialen. Allein über die Anzahl der Blütenblätter wird Bach zu ihrem stillen Bestandteil - ohne Siegel und ohne Eitelkeit.
Einmal mehr mag Herberger der Bezugspunkt gewesen sein, da er die Lutherrose beschreibt und an anderer Stelle vom Laster der Hoffart handelt. Was allein zählt ist die stille Aufrichtigkeit im Glauben und die Verbundenheit mit dem Leid Christi.
Greifen wir den Gedanken auf, dass die Partituren und Dekorentwürfe auf separaten Blättern vorlagen, so konnte es leicht geschehen, dass diese nach Bachs Tod durcheinander gerieten, wie es ja tatsächlich auch der Fall war. Der florale Schluss mit der Passiflora wäre eine passgenaue Ergänzung zum eingangs vorgestellten Autographen von Contrapunctus 14 - und zwar als grosses- und zum Nachdenken Anlass gebendes Finale des Gesamtwerkes, welches auf zweierlei Weise mit der Bachzahl endet und mit dem im Himmel angeschriebenen Namen.
Für das allerletzte Blatt war wohl lediglich die nachfolgend vorgestellte Kartusche von Contrapunctus 8 vorgesehen, in welcher die Thematik noch einmal zusammenfassend dargestellt ist. Darin finden wir ein kaum mehr leserliches Monogramm, woraus wir schliessen, dass Bachs Sehvermögen zu diesem Zeitpunkt bereits extrem geschwächt war.
Betrachten wir die Arbeit in ihrem dynamischen Prozess, so wurde genau dieses Finale von langer Hand vorbereitet und die Zahl der floralen Attribute sukzessive gesteigert. Dabei können angefangene Zeichnungen eine Weile liegen geblieben sein. Speziell beim Monogramm des letzten Blattes drängt sich der Eindruck auf, dass es seiner Todesstunde am nächsten stand. Alles Übrige war zu diesem Zeitpunkt gewiss vollendet.
Demzufolge hat der nachträgliche Eintrag des Sohnes die Forschung ungewollt in die Irre geleitet, wie natürlich auch der Umstand, dass die beabsichtigte Reihenfolge nicht bekannt war. Überblicken wir den Erstdruck noch einmal vor diesem Hintergrund, wird die Verlegenheit Schüblers deutlich, den Dek...
Von Johann Sebastian Bachs Johannespassion ist keine endgültige Fassung überliefert. Bach selbst hat sie immer wieder den jeweiligen Bedürfnissen angepasst.
Johann Sebastian Bachs Motetten gehören zum Kernrepertoire der Chormusik - und das völlig zu recht. Die Musik zieht uns von den ersten Tönen an in ihren Bann, und auch ihre Texte sprechen uns heute noch unmittelbar an. «Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst ... »,« ... dennoch bleibst du auch im Leide, Jesu, meine Freude»: Wen liesse das kalt?
Kompositorisch sind die beiden Motetten sehr verschieden. «Fürchte dich nicht» beginnt als Zwiesprache zweier Chöre, die einander diesen tröstenden Text geradewegs zurufen. Daran schliesst sich eine kunstvolle Fuge an, in die der Choral «Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden» als Cantus firmus eingearbeitet ist. «Jesu, meine Freude» hingegen besteht aus vielen kürzeren Sätzen. Variantenreiche Strophen des titelgebenden Kirchenliedes und unterschiedlich besetzte Einschübe wechseln sich ab. Inhaltliche und musikalische Kontraste stellen einzelne Gedanken einander gegenüber, die symmetrische Anordnung der Sätze sorgt wiederum für Struktur und Zusammenhang.
Gemeinsam ist beiden Motetten, dass es über ihre Entstehung einiges Rätselraten gab. Erst in jüngster Zeit sind von der Forschung schlüssige Erklärungen vorgelegt worden: Es gilt heute als sicher, dass die Anlässe zu ihrer Komposition sehr persönlicher Natur waren, der Tod von Bachs erster Frau Maria Barbara bei «Fürchte dich nicht», der Tod des Thomas-Schülers Gottfried Grosse bei «Jesu, meine Freude».
Eine aufwendige Forschungsgeschichte gibt es auch für die Kantate «Nach dir, Herr, verlanget mich». Sie stammt wohl von 1708 und gilt als die früheste Bachkantate überhaupt. Affektbetont und rhetorisch noch ganz in der musikalischen Sprache Dietrich Buxtehudes gehalten, von dem sich Bach als Zwanzigjähriger wichtige Anregungen holte, bestanden lange Zeit grosse Zweifel, ob dieses Werk überhaupt von Bach stammt.
Den entscheidenden Hinweis brachte vor einigen Jahren die Analyse des Textes, vielmehr der Zeilenanfänge: Die Anfangsbuchstaben der Sätze 3, 5 und 7 ergeben «Doctor Conrad Meckbach» aus Mühlhausen, der Johann Sebastian Bach mit Erfolg für die Neubesetzung der Organistenstelle St.
Es gibt Ohrwürmer, die einen ein ganzes Leben lang begleiten. Ein solcher Hit ist der Bach-Choral «Jesus bleibet meine Freude», hier in einer Aufnahme des Pianisten Dinu Lipatti. Die Kantate «Herz, Mund und Tat» von Johann Sebastian Bach endet mit dem überaus melodiösen und bewegten Choral «Jesus bleibet meine Freude».
Das weltberühmte Stück für Orchester und Chor wurde von der Pianistin Myra Hess 1926 für Klavier bearbeitet. Diese Bearbeitung ist nicht einfach zu spielen; die rechte Hand übernimmt die knifflige Begleitung, die konstant und leise vor sich hinfliesst, während die Melodiestimmen mit den frei verfügbaren Fingern der rechten und linken Hand deutlich lauter als die Begleitung - und doch nicht zu laut - herausgearbeitet werden müssen.
Eine besonders schöne und innige Interpretation dieses Kabinettstücks lieferte der rumänische Meisterpianist Dinu Lipatti (1917 - 1950). Seine Aufnahme bleibt unvergessen, auch wenn die tontechnische Qualität mit dem heutigen Standard in keiner Weise gleichziehen kann. Lipatti spielte den Choral auch an seinem letzten Konzert.
Der Pianist litt jung an einer Krebsform des Lymphsystems. Geschwächt musste er ein Konzert in Besançon abbrechen. Nach einer kurzen Erholungspause kehrte er an den Flügel zurück und verabschiedete sich vom wartenden Publikum mit dem Bach-Choral. Es war ein endgültiger Abschied. Dinu Lipatti verstarb zweieinhalb Monate später.
Sein Förderer und Produzent Walter Legge sagte von ihm: «Gott lieh der Welt Sein erwähltes Instrument, das wir für einen viel zu kurzen Zeitraum Dinu Lipatti nannten.»