Essstörung Folgen: Ein umfassender Überblick

Essstörungen gelten aus medizinischer Sicht als Störungen des Verhaltens. Im Rahmen dieser steht die gedankliche Auseinandersetzung mit Essen in ständigem Zusammenhang mit dem Körpergewicht. Die Problematik kann einerseits in die Richtung der Unterernährung, als auch in diejenige der übermässigen Nahrungszufuhr gehen.

Eine starke Ausprägung von diesem dysfunktionalem Essverhalten führt in der Regel zu Problemen, die verschiedene Lebensbereiche erheblich beeinträchtigen. Neben körperlichen und mentalen Problemen ist oft auch das Sozialleben der betroffenen Person stark von der entsprechenden Störung des Essverhaltens geprägt.

Arten von Essstörungen und ihre Merkmale

Zu den bekanntesten Essstörungen gehören die sogenannte Anorexia nervosa, umgangssprachlich bekannt als Magersucht, als auch die Bulimia nervosa (Bulimie, Ess-Brechsucht). Auf der anderen Seite des Spektrums steht auch die Binge-Eating-Störung (Esssucht) oft im Fokus der psychosomatischen Medizin.

Anorexia nervosa (Magersucht)

Die Magersucht (auch Anorexie oder Anorexia nervosa genannt) ist eine Essstörung. Zu den wichtigsten Merkmalen der Magersucht gehört das absichtliche Herbeiführen und Aufrechterhalten von Gewichtsverlust.

Dabei steht die Angst vor einem dicken, unförmigen Körper im Vordergrund, welche einerseits durch eine sehr eingeschränkte Aufnahme von Nahrung, erzwungenes Erbrechen und Abführen, als auch durch übertriebene körperliche Betätigung erreicht werden soll. Zu häufigen Symptomen zählt auch die Störung des Stoffwechsels, welche durch die Unterernährung entsteht.

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In der Schweiz erkranken etwa 1.2% der Frauen und 0.2% der Männer an Magersucht. In den meisten Fällen entwickelt sich eine Magersucht in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter.

Die Ursachen der Magersucht zu entdecken sind auch Gegenstand der Forschung. Man spricht von „multifaktoriellen Ursachen“. Man geht davon aus, dass diese Krankheit aus einer Wechselwirkung genetischen Faktoren und Umweltfaktoren entsteht.

Wissenschaftliche Untersuchungen mit Zwillingen deuten darauf hin, dass erbliche Veranlagung bei der Entwicklung der Magersucht eine wichtige Rolle spielt. Leidet ein Zwilling an Magersucht, erkrankt meist auch der andere Zwilling daran.

Die Magersucht beginnt oft in der Pubertät, eine Zeit, die durch viele Veränderungen im Leben eines Menschen, wie Ablösung aus der Familie, Aufbau von Beziehungen, Ausbildungs- und Berufswahl, Eintritt in die Arbeitswelt, gezeichnet wird.

Trotz des psychischen Leidensdruckes sind Erkrankte oft nicht in der Lage, das eigenen Verhalten als krankhaft zu erkennen. Nicht selten versuchen sie, die Erkrankung vor Freunden oder Familienmitgliedern zu verbergen.

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Die Betroffenen essen sehr wenig (restriktives Essverhalten). Es kommt auch vor, dass sie normal essen und danach erbrechen oder andere Massnahmen zur Gewichtsreduktion anwenden.

Allerdings kann dies auch ein Begleitsymptom einer anderen Erkrankung sein. Dies ist zum Beispiel bei Depressionen oder schweren körperlichen Erkrankungen der Fall.

Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht, Bulimie)

Der Zentrale Mechanismus der Bulimie ist derselbe wie der der Magersucht, nämlich die ständige Beschäftigung mit dem eigenen Körpergewicht und der Körperform. Im Gegensatz zur Magersucht haben Personen, die an Bulimie leiden aber möglicherweise ein Körpergewicht, das durchaus im Normbereich liegt.

Neben selbst herbeigeführtem Erbrechen treten bei Bulimie nämlich auch häufig extremer Heisshunger und daraus folgende Essanfälle auf. Das häufige Erbrechen kann ebenfalls zu Störungen des Stoffwechsels, genauer des Elektrolythaushaltes führen.

Binge-Eating-Störung (Esssucht)

Die zuvor erwähnten Essanfälle prägen die Symptomatik bei der Esssucht. Im Unterschied zu der Bulimie, wird die übermässige Nahrungsaufnahme durch diese unkontrollierten Attacken nicht durch Erbrechen, Abführen oder Sport ausgeglichen, sondern führt in der Regel zu Übergewicht der betroffenen Person.

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Ursachen von Essstörungen

Magersucht kann verschiedene körperliche und psychische Ursachen haben, die sich bei jedem unterschiedlich zeigen. Die Ursachen der Krankheit sind noch nicht geklärt, oft spielen psychische Probleme eine wichtige Rolle.

Man geht von mehreren, gleichzeitig bestehenden Auslösern aus (multifaktorielle Ursachen): Manche Essstörungen beginnen mit einer Diät, die ausser Kontrolle gerät, mit einer grossen Aufmerksamkeit auf das Essen (z.B. bei Nahrungsunverträglichkeiten) oder auf das Körpergewicht (z.B. bei bestimmten Sportarten und Berufen oder bei Übergewicht).

Kulturelle Einflüsse bestimmen eventuell die Art der Störung. Die Forschung weist auf Risikofaktoren für die Entwicklung von Essstörungen in unserer Gesellschaft hin. Wirken sich der Social-Media-Konsum und die ständigen Vergleiche negativ auf das eigene Selbstbild aus?

Die Forschung bestätigt eindeutig die negative Wirkung von Social Media auf Heranwachsende. «Peers» sind Personen im gleichen Alter, Geschlecht und mit ähnlichen Interessen.

Peer-Gruppen werden vor allem im Jugendalter als Vergleichsgruppe genutzt, um die eigene Persönlichkeit frei entfalten zu können und Halt in einer Gruppe zu finden. Die Peer-Group bestimmt über Freizeitgestaltung, Essverhalten, Kleidungsstile und Musikvorlieben.

Körperliche und psychische Folgen von Essstörungen

Die körperlichen und psychischen Folgen von Fehlernährung sind vielfältig: Auf körperlicher Ebene wird das zentrale Nervensystem beeinflusst, der Stoffwechsel, die Hormone sowie das Herz-Kreislauf-System.

Dies zeigt sich unter anderem mit Haarausfall, Muskelschwund, Osteoporose, Schilddrüsendysfunktionen oder Verdauungsproblemen. Auf der psychischen Ebene kann es zu depressiven Verstimmungen kommen, zur Leistungsminderung in der Schule, zu sozialem Rückzug.

Bei schwerem Untergewicht werden viele Organe und Organsystemen in Mitleidenschaft gezogen. Herzrhythmusstörungen, ausbleibende Monatsblutungen, ein niedriger Blutdruck, beeinträchtigtes Temperaturempfinden sowie Verdauungsbeschwerden sind häufige Folgen.

Je länger die Magersucht besteht und je ausgeprägter das Untergewicht ist, umso grösser zeigt sich ein Risiko für körperliche Folgeschäden. Bei der Magersucht liegt das Körpergewicht mindestens 15 % unter dem minimalen Normalgewicht. Betroffene nehmen ihr Gewicht und ihren Körper verzerrt war.

Sie haben panische Angst davor, dick zu werden - trotz Untergewicht. Physische Folgeschäden sind das Absinken des Stoffwechsels, des Pulses, des Blutdrucks und der Körpertemperatur. Dies kann zu ständigem Frieren, Müdigkeit und chronischer Verstopfung führen.

Bulimie tritt häufig im Zusammenhang mit Magersucht auf. Die Betroffenen leiden unter Heisshungeranfällen. In kürzester Zeit essen sie sehr grosse Mengen.

Um nicht zuzunehmen, erbrechen sie sich meist nach diesen Essattacken. Mögliche körperliche Folgeschäden sind Herzrythmusstörungen, Kreislaufprobleme, Zahnschmelzschäden, Elektrolytentgleisungen, Nierenschäden, Schlafstörungen, Haarausfall und Konzentrationsstörungen.

Bei der Binge-Eating-Störung leiden die Erkrankten an regelmässigen Heisshungerattacken. Anders als bei der Bulimie ergreifen die Betroffenen aber nach Essanfällen keine Gegenmassnahmen.

Diese Störung ist meist mit Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) verbunden. Körperliche Folgeschäden sind Herz-Kreislauferkrankungen, Gelenkleiden, Wirbelsäulenschäden und Diabetes mellitus.

Komorbiditäten

Wie bereits erwähnt, können psychische Krankheitsbilder eine wichtige Rolle spielen bei der Manifestierung von Essstörungen. Personen, die an Essstörungen leiden, haben oft einen eher niedrigen Selbstwert und ein gewisses Gefühl von Kontrollverlust.

Dies sind auch die Charakteristiken, welche eine Depression auszeichnen und prägen. Der wahrgenommene Verlust der Kontrolle über das eigene Handeln und die eigenen Gefühle wird durch die Symptomatiken sämtlicher Essstörungen in der Regel verstärkt, so dass oftmals nicht klar bestimmt werden kann, ob die depressiven Gefühle eher als Ursache oder Folge des dysfunktionalen Essverhaltens zu betrachten sind.

Dieser Teufelskreis illustriert die Komplexität rund um die Problematik von Essstörungen.

Statistiken und Prävalenz

Im Jahre 2012 veröffentlichte das Schweizer Bundesamt für Gesundheit Zahlen zu der Verbreitung von Essstörungen. Diese zeigten auf, dass 3.5% der Schweizer Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer Form der vorher aufgeführten Essstörungen leiden.

Dabei sind Frauen generell deutlich häufiger betroffen als Männer. Der Grund dafür könnte in der Tatsache liegen, dass Essstörungen eine Ausdrucksform von zugrundeliegenden psychischen Problem sind und sich diese bei Frauen eher in problematischem Essverhalten äussern, wobei Männer eher an anderen problematischen Verhaltensmustern leiden.

Die Lebenszeitprävalenz für eine Essstörung in westlichen Ländern beträgt für Frauen 8.4% (3.3-18.6%) und 2.2% (0.8-6.5%) für Männer. Prävalenzzahlen variieren dabei nach Ländern und Kontinenten (USA führend mit 4.6%, gefolgt von Asien bei 3.5% und Europa bei 2.2%).

Global leiden bis zu 4% Frauen und 0.3 % Männer im Laufe ihres Lebens an einer Anorexia nervosa und bis zu 3% Frauen und 1% Männer entwickeln eine Bulimia nervosa. Die Zahlen zeigen damit Unterschiede mit Blick auf Geschlecht mit einer höheren Prävalenz für Mädchen und Frauen.

Tabelle 1: Beurteilungskriterien für das somatische Risiko bei Essstörungen

Behandlung von Essstörungen

Je eher die Essstörung erkannt und behandelt wird, desto höher sind die Heilungsaussichten. Um körperliche Folgeerscheinungen und eine Chronifizierung zu verhindern, ist das Gewicht und die Nahrungsaufnahme zu normalisieren. Genauso wichtig für eine Heilung sind eine individuelle «Ursachenforschung» und eine langfristige Veränderung dieser Schwierigkeiten.

Eltern können dazu beitragen, dass Kinder ein positives Körpergefühl und ein gesundes Essverhalten entwickelt. Vermeiden Sie es, kritisch oder abwertend über Essverhalten, Figur und Gewichtes der Familienmitglieder zu sprechen. Stärken Sie das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen des Kindes.

In der Regel mit Psychotherapie. Begleitend kann eine Ernährungsberatung helfen, den Mahlzeitenrhythmus besser zu strukturieren. Eltern sind oft ein wenig ratlos, wissen nicht genau, wie und ob sie das Problem ansprechen sollen.

Sprechen Sie das Thema einfühlsam, interessiert und besorgt an. Zeigen Sie Interesse, gehen Sie den Sorgen nach, die das Kind berichtet. Fragen Sie Ihr Kind, wie Sie es unterstützen können. Zum Beispiel, ob sie sich gemeinsam beraten lassen sollen.

Wichtiger Hinweis

Essstörungen verlaufen in bis zu 10% der Fälle tödlich. Essstörungen sind deshalb ernst zu nehmende Krankheiten, die umso gefährlicher werden, je länger sie nicht behandelt werden.

Viele Betroffene werden durch die Krankheit unfruchtbar. Bei jungen Frauen zwischen 15 bis 24 Jahren ist Anorexie die häufigste Todesursache. Von den Menschen mit Bulimie sterben etwa 0.5% an ihrer Krankheit bzw.

Zu bedenken ist weiter, dass eine Essstörung immer das gesamte persönliche Umfeld stark belastet.

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