Psychotherapie bei Angststörungen in Karlsruhe: Methoden und Ansätze

Immer wieder erleben Kinder und Jugendliche Unfassbares. Sie erfahren den Verlust von Bezugspersonen, werden in schwere Unfälle verwickelt oder müssen sich krankheitsbedingt medizinischen Eingriffen unterziehen. Sie werden Opfer von Naturkatastrophen, Kriegen, Folter, Flucht und Vertreibung. Millionen von Kindern werden von ihren Bezugspersonen vernachlässigt, sexuell missbraucht und misshandelt.

Wenn das Unbegreifliche eintritt, wird das Leben dieser Kinder und Jugendlichen nachhaltig verändert. Dabei sind die Folgen der Erlebnisse umso gravierender, je jünger das Kind und „je enger die Beziehung zur verursachenden Person ist“.

Nicht immer müssen bei Kindern belastende Erlebnisse in so extremer Form auftreten, um anhaltende leidvolle Symptome hervorzurufen. Kinder erleben und bewerten Erlebnisse anders als Erwachsene. So können auch der Tod eines Haustieres, Trennungserfahrungen oder ein Umzug traumatisch wirken. Auch Medienkonsum kann Kinder traumatisieren.

Psychotraumatisierungen: Wenn seelische Wunden entstehen

Traumatische Erlebnisse sind Extremerfahrungen, bei denen sich die Betroffenen subjektiv existentiell bedroht fühlen und ihre Widerstandskraft nicht ausreicht, das Erlebnis zu verarbeiten. Unter dem Begriff „Trauma“ ist „die Verletzung und nachhaltige Schädigung einer bestehenden Struktur“ zu verstehen. Psychotraumata sind von außen verursachte seelische Verletzungen.

Wie die meisten körperliche Wunden nach einer Zeit heilen, können auch durch belastende Erlebnisse entstandene seelische Wunden verheilen. Oft bleiben aber Narben zurück, die bei späteren Belastungen wieder aufbrechen können. In seltenen Fällen können sich die Folgen eines Traumas auch erst viele Jahre später zeigen.

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Ähnlich wie bei körperlichen Wunden, kann es in Folge unzureichender Wundversorgung zu schweren Infektionen kommen, die zum Tod führen können. Nach einer schweren Traumatisierung ist nichts mehr wie es war. Traumata verändern das Leben.

Neben vielfältigen psychosomatischen Reaktionen, wie Kopf- und Bauchschmerzen oder Verdauungs- und Essstörungen, leiden die betroffenen Kinder und Jugendlichen an ihren furchtbaren Erinnerungen, die sie zwangsartig überfallen und Todesängste durch sogenannte Flashbacks auslösen.

Flashbacks sind keine normalen Erinnerungen, bei denen man sich im Hier und Jetzt sicher fühlen kann und auf abgeschlossene Ereignisse zurückblickt. Die Opfer fühlen sich wieder mitten in die Katastrophe zurückversetzt und zeigen entsprechende Symptome und Reaktionen.

Für andere waren die Erlebnisse so unerträglich, dass sie die Geschehnisse ins Unbewusste verdrängen und sich überhaupt nicht mehr an sie erinnern können, was in der Fachsprache Amnesie genannt wird. Konzentrations- und Schlafstörungen sind ebenso Zeichen traumatischer Übererregung wie Unruhezustände, Ängste und Panikattacken. Auch Rhythmusstörungen jeder Art können nach Traumatisierungen auftreten.

Viele Kinder und Jugendliche sind nach traumatischen Erfahrungen traurig, depressiv und scheinen wie gelähmt. Der Schock steckt ihnen förmlich in den Gliedern. Andere zeigen Symptome wie Hyperaktivität und aggressive Impulsdurchbrüche.

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Bei frühkindlichen Beziehungstraumata kommt es meist zu dissoziativen Symptomen. Die Kinder entziehen sich seelisch ihrem Körper und dem, was mit ihm geschieht. Mitten in der Katastrophe herrscht dann in ihnen Gefühllosigkeit und innere Friedhofsruhe. Später zeigen diese Kinder und Jugendlichen oft selbstschädigendes Verhalten. Sie ritzen sich, um im körperlichen Schmerz zu erfahren, dass sie überhaupt noch leben.

Bei Kindern tritt auch häufig regressives Verhalten auf. Sie versuchen sich zu retten, indem sie sich auf „sichere Inseln früherer Erfahrungen“ zurückziehen, was sich durch Bettnässen, Daumenlutschen, Babysprache oder Trennungsängste zeigt.

Man kann verstehen, dass Kinder die Auslöser, oder Trigger, zu vermeiden suchen, was Flashbacks an das Trauma auslösen könnte. Auslöserreize können Bilder, Gerüche, Geräusche, Farben, Bewegungen usw. sein. Auch Vermeidungsstrategien können zur emotionalen Taubheit, dem Numbing, führen und zusammen mit irrationalen Scham- und Schuldgefühle das Alltagsleben und die Beziehungen belasten.

Bei all den genannten Symptomen, die nach einem Extremstress auftreten, handelt es sich um normale Reaktionen auf eine unnormale Situation. Die Symptome sind sinnvoll. Angst kann vor Gefahr bewahren und Übererregung kann warnen.

Bei der Wahrnehmung einer Gefahr wird der menschliche Körper in einen erhöhten Wachzustand versetzt. Wenn aber Extremstress längere Zeit andauert oder immer wieder auftritt, wird das Gehirn in einen dauerhaften Alarmzustand versetzt. Durch diese übererregte Wachheit werden schließlich auch Gefahren wahrgenommen, die objektiv gar nicht existieren.

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Es werden körpereigene Stoffe ausgeschüttet, um den Körper auf eine Auseinandersetzung vorzubereiten, die es gar nicht gibt. „Akuter Stress ist eine biologisch sinnvolle Anpassung auf eine Gefahrensituation. Chronischer Stress hingegen ist eine wesentliche Ursache von Zivilisationskrankheiten“.

Innerhalb der ersten drei Jahre ist das kindliche Gehirn durch extreme Stresserfahrung besonders verletzlich. „Die Psyche kann durch Extremstress, der bei Misshandlungen auftaucht, Verletzungen erleiden, die körperlichen `Mikro-Verletzungen` entsprechen und bei Kindern nachhaltig die Gehirn- und gesamte körperliche Entwicklung beeinflussen können“.

Meist fehlt den Kindern eine bewusste Erinnerung an das Trauma. Dennoch existiert sie als Erinnerung des Körpers weiter und kann z.B. „als überwältigende Emotion oder diffuse Vermeidungsregung ständig präsent“ sein.

Psychotrauma-Folgestörungen: Wenn seelische Wunden infizieren

In der akuten Schockphase nach Extremstresserfahrung sind die Kinder und Jugendlichen meist „schockgefroren“. Sie reagieren häufig mit seelischer Betäubung und chaotischem Aktionismus. Diese Phase hält nur einige Stunden an und geht dann in der Regel in die Phase der Posttraumatischen Belastungsreaktion mit vielfältigen Möglichkeiten von Symptombildungen über.

Bei etwa 85% der Unfallopfer und 75% der Erdbebenopfer lassen die Traumasymptome innerhalb dieser Phase immer mehr nach und verlieren sich nach sechs bis acht Wochen meist ganz. Bei Vergewaltigungen und Kriegserlebnissen sinkt die Bewältigungsrate auf 50%. Beziehungstraumata in der frühen Kindheit können überhaupt nicht mehr eigenständig verarbeitet werden.

Halten traumatisch bedingte Symptome auch nach Wochen und Monaten noch an, spricht man von einer Trauma-Folgestörung. Am häufigsten wird dann eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert.

Man unterscheidet dabei die einfache PTBS mit einer einmaligen Traumatisierung (Typ I-Traumata), von der komplexen PTBS mit Mehrfach- und Multitraumatisierungen sowie sequentiellen Traumatisierungen und Entwicklungstraumata (Typ II-Traumata). Komplexe Traumatisierungen gehen bei Kindern oft mit einem hohen Anteil an Begleiterkrankungen einher.

Es können sich aber auch alle Symptome, die als Reaktion auf traumatischen Stress auftreten, zu eigenständigen Störungen entwickeln: Angststörungen, Zwänge, Depressionen usw.

Bei Kindern werden nach einer Traumatisierung oft Trennungsängste (59%), oppositionelles Verhalten (36%), Phobien (36%) und ADHS (29%) diagnostiziert. Alle diese Störungsbilder gehören zur Symptomatik einer PTBS.

Chronifizierte Trauma-Folgestörungen können zu anhaltenden Identitäts- und Persönlichkeitsstörungen nach Extremstress führen. Die Betroffenen werden meist sozial unverträglich und in Folge isoliert. Sie scheitern in ihrem Beruf und ihren Beziehungen, werden suchtgefährdet, delinquent und suizidal.

Notfallpädagogik: Erste Hilfe für die Seele

„Die Traumapädagogik versteht sich als (heil-)pädagogischer Ansatz zur Stabilisierung und Förderung traumatisierter Kinder und Jugendlicher und ist eine notwendige Voraussetzung, Begleitung und Ergänzung eines entsprechenden Therapieprozesses“.

Notfallpädagogik ist ein Teilaspekt der Traumapädagogik. Sie setzt in jener Zeit ein, wo es sich entscheidet, ob das Trauma selbst bewältigt werden kann oder ob sich eine Psychotrauma-Folgestörung entwickeln wird. Es geht dabei nicht um Traumatherapie.

Die Selbstheilungskräfte des traumatisch belasteten Kindes sollen mittels waldorfpädagogisch orientierter Interventionen stimuliert werden. Notfallpädagogische Interventionen können traumatisierte Kinder stabilisieren. Sie helfen, das Trauma zu verarbeiten und in die eigene Biografie zu integrieren.

Waldorfpädagogische Methoden dienen in der Notfallpädagogik der psychosozialen Stabilisierung. Notfallpädagogik ist Erste Hilfe für die Seele. Durch gezielte Rhythmuspflege soll der traumatisierte kindliche Organismus wieder harmonisiert und seine Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Dabei geht es u.a. um strukturierte und rhythmisierte Tagesabläufe, geregelte Essens- und Schlafzeiten.

Ritualisierungen wie Tischgebete, Morgen- und Einschlafrituale geben Sicherheit, Halt und neue Orientierung. Bewegungstherapeutische Ansätze der Eurythmie und Bothmergymnastik sowie Massagen und rhythmische Einreibungen können dazu beitragen, traumabedingte Verkrampfungen (Kontraktion) zu lösen.

Künstlerische Aktivitäten wie Malen, Zeichnen, Kneten, Tanzen oder Musizieren können helfen, dem eigentlich Unbeschreiblichen, verbal nicht Mitteilbaren kreativen Ausdruck zu verleihen und so einer Bearbeitung zuzuführen.

Erlebnispädagogische Ansätze können z.B. durch Kletterübungen das durch das Trauma verlorengegangene Vertrauen in sich und Andere wieder aufbauen, die oft stark beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit z.B. durch Fadenspiele, Memory oder Mikado üben und den traumabedingten Verlust sozialer Kompetenz spielerisch auszugleichen und neue Sozialfähigkeiten zu erschließen.

Auch das Erzählen von Märchen und Geschichten sowie Puppenspiele haben sich in der notfallpädagogischen Intervention als hilfreich erwiesen. Traumata fixieren Opfer an die Vergangenheit und verbauen die Zukunft. Zukunftsperspektiven müssen erst neu erobert werden.

Dies kann durch eine gemeinsame Planung und Umsetzung von Projekten wie z. B. einem gemeinsamen Essen oder einem Ausflug geschehen. So werden auch traumabedingte Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle überwunden, neue Handlungskompetenzen erworben und Selbstwirksamkeitserfahrungen eröffnet.

Kinder und Jugendliche brauchen nach einer Psychotraumatisierung kompetente menschliche Soforthilfe sowie Sicherheit. Sie müssen nicht nur real in Sicherheit sein sondern sich auch sicher fühlen, weil ohne dieses Sicherheitserleben die seelische Wunde nicht verheilen kann.

“Der erfahrene Verlust von Sicherheit in der äußeren Welt als einem `sicheren Ort` zerstört die Wahrnehmung eines inneren Sicherheitsgefühls des individuellen Selbst nachhaltig“. “Sichere Orte“ können pädagogische Einrichtungen, aber auch Notzelte in Flüchtlingslagern oder einfach markierte offene Räume in Trümmerlandschaften sein.

In diesen strukturierten, sicheren Kinderschutzzentren sollen Kinder und Jugendliche pädagogisch begleitet werden. „Der pädagogische Ort als äußerer sicherer Ort bietet klare Strukturen und stellt für (…) Kinder Regeln und Konsequenzen auf“. Dies dämmt die traumabedingte innere Chaotisierung ein. Die Begrenzung gibt neuen Halt.

Der wichtigste Faktor zur Heilung von Traumatisierungen ist die Beziehungsgestaltung. Sie kann zu einer Persönlichkeitsstärkung des Traumatisierten führen. Neurobiologische Forschungen zeigen, dass die Korrektur der „Verletzung des Urvertrauens“ durch neue, verlässliche Beziehungsangebote als der wichtigste Ansatz zur Traumaverarbeitung gelten kann.

Waldorfpädagogik als notfallpädagogische Krisenintervention

Die schädigenden Folgen von Traumatisierungen sind in den verschiedenen Phasen kindlicher Entwicklung unterschiedlich. Auch die Ressourcen zur Bewältigung von Traumata sind altersabhängig. Die folgenden Ausführungen basieren auf Skizzen des israelischen Arztes Meron Barak:

  • In den ersten sieben Jahren wirken sich Traumata vor allem schädigend auf die Verbindung zwischen der Vitalorganisation (Ätherleib) und dem Körper (physischen Leib) aus. Besonders das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System ist betroffen. Rhythmen müssen gepflegt und die Basalsinne gestärkt werden. Die Kinder sollten zum nachahmenden Tun angeleitet werden.
  • Im zweiten Jahrsiebt schädigen Traumata hauptsächlich die Beziehung zwischen Vitalorganisation (Ätherleib) und Psyche (Astralleib) sowie das Rhythmische System. Bildhafter, künstlerischer Unterricht sowie Eurythmie, Malen und Musik sind heilsam.
  • Im dritten Jahrsiebt, in der Zeit von Pubertät, Adoleszenz und Mündigwerdung wird durch Psychotraumatisierung vor allem die Beziehung zwischen psychischer Organisation (Astralleib) und individuell-personaler Organisation (Ich) sowie das Nerven-Sinnes-System gestört. Es besteht dann die Gefahr, dass sich der Astralleib entweder zu tief oder nicht tief genug mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System verbindet. Deshalb ist heilsam, soziale Aktivitäten anzuregen, auf klares Denken zu achten und dem Jugendlichen mittels Biografien eine Auseinandersetzung mit Idealen zu ermöglichen.

Waldorfpädagogik versteht sich als eine Pädagogik, die auf einem spirituell erweiterten, ganzheitlichen Menschenbild aufbaut. Der Mensch wird als ein Wesen verstanden, das bereits vor der Geburt existiert und nach dem Tode weiterleben wird.

Es gehört mit zu den spezifischen Aufgaben der Waldorfpädagogik, den Inkarnationsvorgang des Kindes, d.h. die phasenspezifische Verbindung der seelisch-geistigen Dimension mit seinen Leibesgrundlagen, mittels pädagogischer Interventionen zu unterstützen und zu fördern. Ein Psychotrauma kann vor dem Hintergrund anthroposophischer Betrachtungsaspekte als Schockzustand verstanden werden.

Häufigkeit von Diagnosen bei Kindern nach Traumatisierung
Diagnose Häufigkeit
Trennungsängste 59%
Oppositionelles Verhalten 36%
Phobien 36%
ADHS 29%

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