Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird oft als eine Erkrankung des Kindesalters betrachtet, doch sie betrifft auch viele Erwachsene und kann den Alltag erheblich beeinflussen. Unbehandelt können die Symptome zu beruflichen, sozialen und persönlichen Herausforderungen führen. Da ADHS bei Erwachsenen weniger offensichtlich ausgeprägt sein kann als bei Kindern, ist eine genaue Kenntnis der Symptome entscheidend für eine frühe Erkennung und geeignete Behandlung.
Symptome von ADHS bei Erwachsenen
Eines der auffälligsten Symptome ist die eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit. Erwachsene mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu fokussieren, da sie leicht durch Umweltreize oder eigene Gedanken abgelenkt werden. Dies kann dazu führen, dass alltägliche Aufgaben nur schwer zu Ende gebracht oder wichtige Termine vergessen werden. Auch die Organisation des Alltags stellt für viele Betroffene eine Herausforderung dar. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist Impulsivität, die sich in spontanen Entscheidungen, unüberlegten Ausgaben oder plötzlichen Planänderungen äussern kann. Diese Verhaltensweisen können zu finanziellen Schwierigkeiten oder zwischenmenschlichen Konflikten führen. Auch eine innere Unruhe ist bei vielen Erwachsenen mit ADHS zu beobachten. Neben diesen kognitiven und motorischen Symptomen leiden viele Erwachsene mit ADHS unter emotionalen Schwierigkeiten.
Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter
Die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter erfordert eine detaillierte Untersuchung. Ein erster Schritt ist die eigene Beobachtung von Verhaltensweisen und Schwierigkeiten im Alltag. Online-Screening-Tests können dabei erste Hinweise liefern, ersetzen aber keine professionelle Abklärung. Ein entscheidender Faktor ist die fachärztliche Beratung durch einen Psychiater oder Psychologen, der durch gezielte Gespräche und standardisierte Tests eine fundierte Einschätzung vornimmt. Dabei kann es hilfreich sein, Informationen zur eigenen Kindheit zusammenzutragen, da ADHS bereits in frühen Jahren beginnt. Auch die Einschätzungen nahestehender Personen, die das Verhalten des Betroffenen über längere Zeit beobachtet haben, können wertvolle Hinweise liefern. ADHS ist eine Störung, die in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedliche Auswirkungen haben kann, weshalb eine umfassende Beurteilung notwendig ist.
Schlafstörungen und ADHS
Schlafprobleme sind bei ADHS keine Nebensache, sondern ein zentrales Thema, das den Alltag stark beeinflusst. Wusstest du, dass über 70 % aller Kinder mit ADHS auch unter Schlafproblemen leiden? Studien zeigen immer wieder: ADHS und Schlafprobleme gehen fast schon Hand in Hand. Das betrifft nicht nur Einschlafschwierigkeiten, sondern auch nächtliches Aufwachen, Albträume oder ein unruhiger Schlaf.
Schlafprobleme bei ADHS sind nicht nur ein lästiges Nebensymptom - sie sind ein echter Verstärker der Kernprobleme. Wer schlecht schläft, ist am nächsten Tag unkonzentrierter, reizbarer und impulsiver - genau die Symptome, die ADHS ohnehin mit sich bringt. Dazu kommt, dass Schlafprobleme oft übersehen oder als „normales ADHS-Verhalten“ abgetan werden. Eine gezielte Diagnostik - z. B. durch Schlafprotokolle, QEEG oder Interviews mit den Eltern - kann hier frühzeitig Licht ins Dunkel bringen. Kurz gesagt: Wer den Schlaf bei ADHS ignoriert, übersieht eine zentrale Stellschraube für die Lebensqualität.
Lesen Sie auch: Kleinkind-ADHS: Worauf achten?
Eine Studie aus dem Jahr 2017 untersuchte 72 Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren mit Verdacht auf ADHS - davon wurden 46 nach DSM‑5-Kriterien tatsächlich diagnostiziert, alle ohne medikamentöse Behandlung. Das Ergebnis: Die Kinder mit ADHS wiesen signifikant erhöhte Schlafproblem-Scores auf - ein klarer Hinweis auf eine hohe Prävalenz von Schlafstörungen in dieser Gruppe. Erschreckend war auch der Einfluss auf die Lebensqualität: Über alle Kinder hinweg zeigte sich ein deutlich reduziertes Wohlbefinden, doch am stärksten litten jene mit gleichzeitiger Schlaflosigkeit und häufigen Albträumen.
Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass bestimmte ADHS-Subtypen ein erhöhtes Risiko für spezifische Schlafprobleme aufweisen - und dass diese gezielt diagnostiziert und individuell behandelt werden sollten. Schlafprobleme bei ADHS können auch körperliche Ursachen haben. Studien zeigen, dass Kinder mit Schlafapnoe, Restless Legs oder zirkadianen Rhythmusstörungen ein deutlich höheres Risiko für ADHS-Symptome haben. Kinder, die nachts schnarchen oder Atemaussetzer zeigen, haben bis zu doppelt so oft eine ADHS-Diagnose.
QEEG und Schlaf
Das QEEG misst elektrische Aktivitätsmuster im Gehirn und kann Hinweise darauf geben, warum das Ein- oder Durchschlafen gestört ist.
- Erhöhte Theta-Aktivität im Wachzustand (4-8 Hz): Personen mit Insomnie oder ADHS zeigen häufig eine verstärkte Theta-Aktivität in frontalen Regionen, selbst tagsüber.
- Verminderte Alpha-Aktivität (8-12 Hz): Ein gut reguliertes Gehirn zeigt in Ruhephasen stabile Alpha-Wellen.
- Verminderte SMR-Aktivität (12-15 Hz): Das Sensorimotor Rhythm (SMR) steht im Zusammenhang mit Schlafspindeln und der Fähigkeit, in tiefe, erholsame Schlafphasen zu gelangen. Personen mit chronischer Insomnie oder ADHS zeigen oft verminderte SMR-Aktivität, insbesondere im Bereich Cz (zentral-parietal).
- Übererregung im Beta-Bereich (15-30 Hz): Menschen mit Einschlafproblemen zeigen oft übermäßige Beta-Aktivität, vor allem in frontalen Arealen - ein Zeichen von kognitiver Hyperarousal, also Grübeln, Anspannung oder Stress.
Behandlungsmöglichkeiten bei ADHS und Schlafstörungen
Auch wenn Schlafprobleme bei ADHS weit verbreitet sind, dürfen sie nicht einfach als „Teil des Pakets“ akzeptiert werden. Zu viele Betroffene - ob Kinder oder Erwachsene - leiden still unter Einschlafproblemen, Albträumen oder nächtlicher Unruhe, weil sie glauben, das gehöre eben dazu. Denn hinter gestörtem Schlaf kann mehr stecken: medizinische Ursachen wie Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom oder ein Melatoninmangel sollten unbedingt ausgeschlossen werden. Ein modernes Werkzeug dafür ist das QEEG, das die elektrische Aktivität im Gehirn sichtbar macht.
Die gute Nachricht ist: Es gibt Wege aus dem Teufelskreis. Und je individueller sie abgestimmt sind - etwa mit Neurofeedback, Biofeedback oder sanften Verhaltensänderungen - desto wirkungsvoller sind sie.
Lesen Sie auch: Unterstützung für ADHS Betroffene in Freiburg
Neurofeedback
Eine Pilotstudie aus dem Jahr 2020 untersuchte genau das bei Menschen mit schwerer chronischer Insomnie. Nach 20 SMR-Neurofeedback-Sitzungen berichteten die Teilnehmenden von signifikant besserem Schlaf: längere Gesamtschlafzeit, schnellere Einschlafzeit und eine deutlich höhere Schlafzufriedenheit. Neben EEG-basiertem Training helfen auch klassische Biofeedback-Methoden, den Schlaf zu fördern.
Neurofeedback ist eine Technik, die die EEG-Aktivität nutzt, um Menschen dabei zu helfen, bestimmte Gehirnaktivitäten auf der Grundlage von Lernprinzipien und operanter Konditionierung zu regulieren. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von Neurofeedback zur Erhöhung des Frequenzbandes des sensomotorischen Rhythmus (SMR) (12-15 Hz) zu einer erhöhten Schlafspindeldichte, einer verringerten Schlaflatenz und einer erhöhten Gesamtschlafdauer führen kann. Bei Kindern mit ADHS wurde eine reduzierte Aktivität im SMR-Frequenzband während des Schlafs festgestellt, was auf reduzierte Schlafspindeln hindeutet. In einer kürzlich durchgeführten Studie mit ADHS-Patienten wurde nachgewiesen, dass SMR-Neurofeedback den Einschlafvorgang normalisierte, und die Patienten mit einer normalisierten Einschlaf-Latenz zeigten nach der Behandlung eine verbesserte Aufmerksamkeit.
Schlafhygiene
Schlafhygiene bezieht sich auf Praktiken und Gewohnheiten, die eine bessere Schlafqualität und -quantität fördern können. Sie ist für die Aufrechterhaltung einer guten Gesundheit unerlässlich und kann das allgemeine Wohlbefinden erheblich beeinflussen. Für Menschen mit ADHS kann eine gute Schlafhygiene besonders wichtig sein.
- Einen konsistenten Schlafrhythmus beibehalten: Jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und jeden Morgen zur gleichen Zeit aufzuwachen, kann dazu beitragen, die innere Uhr des Körpers zu regulieren, so dass das Einschlafen und Aufwachen auf natürliche Weise leichter fällt. Die Einhaltung dieses Zeitplans, auch an Wochenenden oder freien Tagen, ist unerlässlich.
- Schaffen Sie eine entspannende Schlafumgebung: Die Schlafumgebung sollte dem Schlaf förderlich sein. Das bedeutet, dass das Schlafzimmer ruhig, kühl und dunkel sein sollte. Verdunkelungsvorhänge oder eine Schlafmaske können helfen, das Licht auszublenden, während Ohrstöpsel oder ein Gerät mit weißem Rauschen helfen können, den Lärm auszublenden.
- Vermeiden Sie Stimulanzien: Koffein, Nikotin und Alkohol können den Schlaf beeinträchtigen. Am besten verzichten Sie auf diese Substanzen, vor allem am Abend.
- Bildschirmzeit begrenzen: Das von elektronischen Geräten ausgestrahlte blaue Licht kann den Schlaf beeinträchtigen, da es die natürliche Produktion von Melatonin unterdrückt. Am besten ist es, mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen keine Bildschirme mehr zu benutzen und elektronische Geräte nicht im Schlafzimmer aufzubewahren - je früher desto besser.
- Eine Routine für die Schlafenszeit einführen: Eine regelmäßige Routine vor dem Schlafengehen kann dem Körper signalisieren, dass es an der Zeit ist, zur Ruhe zu kommen und sich auf den Schlaf vorzubereiten. Zu dieser Routine kann das Lesen, ein warmes Bad oder die Anwendung von Entspannungstechniken gehören.
- Regelmäßig Sport treiben: Regelmäßiger Sport kann zu einem besseren Schlaf beitragen. Allerdings sollte man es vermeiden, zu kurz vor dem Schlafengehen Sport zu treiben, da dies den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers stören kann - am besten ausprobieren, was für Sie stimmig ist.
- Vermeiden Sie nächtliches Essen: Der Verzehr einer großen Mahlzeit oder eines Snacks kurz vor dem Schlafengehen kann den Schlaf beeinträchtigen. Am besten ist es, mindestens einige Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu essen.
- Stress bewältigen: Stress und Ängste können den Schlaf beeinträchtigen. Die Anwendung von Stressbewältigungstechniken, wie Meditation oder tiefes Atmen, kann zur Entspannung und zu besserem Schlaf beitragen.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
- Chronotherapie: Bei der Chronotherapie des verzögerten Schlafphasensyndroms wird die innere Uhr durch exogenes Melatonin am späten Nachmittag oder Abend und/oder durch eine Therapie mit hellem Licht am frühen Morgen wieder eingestellt.
- Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (CBTi): kann primäre oder sekundäre Schlaflosigkeitssymptome behandelt werden.
- Körpertherapie: Falls Sie Schwierigkeiten haben, mit Emotionen respektive Stress umzugehen, können körpertherapeutische Behandlungen sinnvoll sein, um zu lernen, Ihren Körper als Tool einzusetzen, um Ihre Selbstregulationsfähigkeiten zu erweitern und sich selbst lernen zu beruhigen.
Zusammenhang zwischen ADHS, Schlafstörungen und Zirkadianem Rhythmus
ADHS-Symptome, Schlafstörungen und ein verzögerter zirkadianer Rhythmus sind über verschiedene Wege miteinander verbunden. Sie haben einen gemeinsamen genetischen und ätiologischen Hintergrund und können von einer gemeinsamen Behandlung profitieren. Es ist wichtig, zusätzlich zu ADHS auch Schlafstörungen zu untersuchen, zu beurteilen und zu behandeln. Sowohl Schlafprobleme als auch ADHS können sich negativ auf die Lebensqualität und das soziale Funktionsniveau auswirken, insbesondere bei Kindern. Angesichts der hohen Prävalenz von Schlafstörungen bei ADHS sollten Personen mit ADHS regelmäßig auf Schlafstörungen untersucht werden.
Schlafstörungen im Zusammenhang mit ADHS
Kinder mit ADHS leiden häufiger an Schlafstörungen wie Schlaflosigkeit, schlafbezogenen Atmungsstörungen, erhöhter nächtlicher motorischer Aktivität und unruhigen Beinen, Parasomnien wie Schlafangst und Zähneknirschen sowie einer verzögerten Schlaf-Wach-Störung. Sie neigen auch dazu, mehr Zeit im Tiefschlaf zu verbringen, was die Tagesmüdigkeit erhöht. Auch Jugendliche mit ADHS haben Schlafprobleme: 73 % berichten über Schlafprobleme und 42 % über Tagesmüdigkeit. Darüber hinaus neigen Jugendliche mit mehr ADHS-Symptomen eher zu verzögertem Schlaf, kürzerem Schlaf, längerem Aufwachen vor dem Einschlafen, nächtlichem Aufwachen, stärkerem Schlafmangel und mehr Schlaflosigkeit. Bei Erwachsenen mit ADHS ist der Schlaf häufig gestört. 78 % der Erwachsenen mit ADHS haben einen verzögerten zirkadianen Rhythmus, 35-44 % leiden unter dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) und 67 % unter Schlaflosigkeit.
Lesen Sie auch: Lernerfolg steigern
In einigen Fällen hat die Behandlung bestimmter Schlafprobleme und -störungen bei Kindern mit ADHS die ADHS-Symptome verringert. Diese Ergebnisse deuten auf einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und ADHS-Symptomen hin.
Sonnenintensität und ADHS
Menschen, die typischerweise natürlichem Licht im Freien ausgesetzt sind, neigen dazu, mehr zu schlafen und früher ins Bett zu gehen als Menschen, die typischerweise nicht natürlichem Licht in Innenräumen ausgesetzt sind.
In zwei Pilotstudien wurde festgestellt, dass eine morgendliche Therapie mit hellem Licht dazu beiträgt, die verzögerte zirkadiane Phase bei Erwachsenen mit ADHS zu verbessern. Eine hohe Tageslichtintensität ist ein stärkerer Impuls für die Regulierung des zirkadianen Rhythmus im Gehirn, was zu besserem Schlaf und weniger ADHS-Symptomen führt. Auch hat sich bei einigen Patienten durch die Verordnung von Melatonin zur Nacht die Schlafqualität wesentlich bessern können. Es gibt auch Studien, in denen nachgewiesen wurde, dass Menschen mit ADHS oft eine verkleinerte Zirbeldrüse haben und damit einhergehend eine geringere Melatoninausschüttung vermutet wurde.
tags: #ADHS #und #Schlafprobleme #Ursachen #Behandlung