Viele Menschen kennen das Problem: ständiger Harndrang und häufige Toilettengänge. Dies kann verschiedene Ursachen haben, sowohl körperliche als auch psychische. Im Folgenden werden die möglichen Ursachen und Zusammenhänge näher beleuchtet.
Was ist eine Reizblase?
Bei einer Reizblase (überaktive Blase, Urethralsyndrom) ist die Funktion der Harnblase gestört. Die Blase fungiert als Sammelbecken für den von den Nieren gefilterten Urin. Da sie dehnbar ist, fasst sie bis zu 500 Milliliter Urin. Allerdings meldet die Blase schon bei circa 300 Milliliter dem Gehirn, dass sie bald entleert werden möchte. Wenn jemand uriniert, zieht sich die muskulöse Wand der Blase zusammen und befördert so den Harn aus dem Körper.
Patienten mit Reizblase verspüren wesentlich öfter Harndrang, als körperlich nötig wäre. Nach neuester Leitlinie zur Harninkontinenz der Frau wird der Begriff nur auf die Fälle von Dranginkontinenz angewendet, bei denen keine Harnwegsinfektion oder keine andere Erkrankung eine Auswirkung auf den unteren Harntrakt hat.
Die frühere Unterscheidung in eine primäre Reizblase (ohne organische Gründe) und eine sekundäre Form (aufgrund von Erkrankungen wie Tumore, Blasensteine oder Blasenentzündung) wird in der genannten Leitlinie demnach nicht verwendet.
Die Reizblase gilt manchen Ärzten als Ausschlussdiagnose. Wenn sie keine anderen Ursachen für die Beschwerden finden, attestieren sie eine Reizblase. Früher galt sie vor allem als psychosomatische Erkrankung.
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Die Reizblase schränkt die Lebensqualität der Betroffenen mitunter erheblich ein. Dennoch meiden viele Betroffene aus verschiedenen Gründen die ärztliche Hilfe. Viele sicherlich aus Scham, andere haben geringe Erwartung an die Therapie oder sind der Auffassung, eine Reizblase sei eine normale Alterserscheinung. Dabei tritt eine Reizblase altersunabhängig auf, auch wenn sie mit zunehmendem Alter häufiger wird.
Besonders betroffen sind Frauen, vor allem im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Insgesamt ist das Krankheitsbild weit verbreitet: Eine Studie, die übergreifend in fünf Ländern durchgeführt wurde, ergab, dass rund 13 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer an einer Reizblase leiden.
Bei Kindern unterscheidet man zwischen einer Inkontinenz am Tag, zu der die Dranginkontinenz gehört, und dem Einnässen im Schlaf (Enuresis nocturna) nach dem fünften Lebensjahr.
Ursachen für häufigen Harndrang
Die genauen Ursachen für eine Reizblase sind bislang unbekannt. Vermutet wird, dass bei Frauen hormonelle Veränderungen und Hormonungleichgewichte in der Schwangerschaft sowie in der Menopause für eine Reizblase verantwortlich sein könnten.
Des Weiteren sind mögliche Ursachen Kälte- und Nässereize sowie psychische und seelische Belastungen wie Stress, Nervosität und Angst oder Koordinationsstörungen des Beckenbodens. Darüber hinaus kann eine Reizblase auch als Nebenwirkung von harntreibenden Mitteln sowie anderen Medikamenten auftreten.
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Erhöhter Druck auf die Blase kann das Entstehen einer Reizblase ebenfalls begünstigen. Das ist beispielsweise der Fall bei Übergewicht, einer gutartigen Prostatavergrösserung beim Mann sowie während einer Schwangerschaft oder bei einer Blasen- oder Gebärmuttersenkung bei der Frau.
Altersbedingte Veränderungen des Harntraktes (v.a. hormonelle Schwankungen, Veränderungen oder Hormonmangel (z.B. Studien zeigen, dass ab dem 50. Betroffene Frauen und Männer beklagen auch, dass sie bei einsetzendem Drang die Blasenentleerung nur kurz verzögern können.
Psychosomatische Ursachen
«Es ist möglich, dass die Dranginkontinenz Stress und psychische Belastungen als mögliche Auslöser hat. Das sind im Vergleich zu anderen Harninkontinenz-Ursachen aber eher seltenere Fälle. Die psychogene Blase zeigt sich meist über eine häufige Drangsymptomatik sowie Blasenschmerzen. Es muss nicht zwingend zu Harnverlust kommen. Dann sprechen Mediziner von einer 'trockenen überaktiven Blase'. In der Blase senden Nervenzellen abhängig vom Füllstand der Blase bestimmte Signale an die Blasenmuskulatur.
Sorgen, seelische Belastungen, psychischer Druck können einen Einfluss haben. «Der Beckenboden und die Sexualorgane können durchaus auf psychogene Einflüsse reagieren. Darauf spielen auch Sprichwörter wie 'Die Blase ist der Spiegel der Seele' oder 'Urin statt Tränen' an. Viele Menschen kennen es, dass besonders unter Stress und in belastenden Situationen ständig die Blase drückt.
"Latchkey Urgency" oder "Home Toilet Syndrome"
Das Phänomen heisst «Latchkey Urgency» oder «Home Toilet Syndrome», was auf deutsch soviel heisst wie «Haustürschlüssel-Dringlichkeit» und «Heim-Toiletten-Syndrom». Beides beschreibt den Zustand, bei dem Menschen ein starkes Bedürfnis verspüren, auf die Toilette zu gehen, sobald sie sich ihrem Zuhause nähern.
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«Je näher du deinem Zuhause kommst, desto mehr wirst du ein Gefühl der Dringlichkeit verspüren. Dein Körper sagt: Hey, wir sind fast da, wir haben es geschafft», erklärt Jessica Stern, Assistenzprofessorin für Psychiatrie, gegenüber «Huffpost».
Dr. Victor W. Nitti, Professor für Urologie und Gynäkologie erläutert: «Das Gehirn sendet Signale an die Blase, die ihr sagen, wann sie sich zusammenziehen soll und wann nicht.» Dein Gehirn sagt deiner Blase also, wann du Pipi machen darfst. Geist und Körper sind eng miteinander verbunden und arbeiten zusammen. Dabei werden zahlreiche Körperfunktionen gesteuert, darunter eben auch das Wasserlassen. Du trainierst deinem Gehirn an, deine Haustür mit der Möglichkeit zum Pipimachen zu verknüpfen.
Es wird angenommen, dass das «Heim-Toiletten-Syndrom» mit psychologischen Faktoren zusammenhängt. Wenn eine Person sich in einer vertrauten Umgebung wie ihrem Zuhause befindet, kann dies ein Gefühl der Entspannung und Sicherheit auslösen. Dies wiederum kann dazu führen, dass sich die Blase entspannt und das Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, verstärkt wird.
Symptome und Beschwerden
Das Hauptsymptom ist ein plötzlich auftretender, dringender Harndrang, obwohl die Blase nur wenig gefüllt ist. Patientinnen und Patienten mit einer Reizblase gehen daher deutlich häufiger Wasser lösen mit eher kleinen Urinportionen. Die häufigen Toilettengänge kommen überdies auch in der Nacht vor.
Es kann zudem auch zu unfreiwilligem Urinverlust kommen. Aufgrund der häufigen Toilettengänge auch nachts kann eine Reizblase ausserordentliche Einschränkungen der Lebensqualität und wegen des Schlafmangels auch der Leistungsfähigkeit nach sich ziehen.
Beträgt der Abstand zwischen zwei Blasenentleerungen deutlich weniger als zwei Stunden, beginnen sich die häufigen Toilettengänge negativ auf das Berufs- und Privatleben auszuwirken. Ist eine stündliche Entleerungsfrequenz der Harnblase erreicht, werden die häufigen Toilettengänge bei vielen Betroffenen zu einem echten Problem, das sich nicht mehr ohne weiteres in den normalen Tagesablauf integrieren lässt. Spätestens an diesem Punkt wird das häufige Wasserlassen zum Symptom einer möglichen Blasenstörung.
Diagnose
Eine Reizblase wird von Betroffenen oft als "peinliches" Problem erachtet. Trotzdem sollte das niemanden davon abhalten, sein Leiden offen bei einem Arzt anzusprechen. Bei Verdacht auf eine überaktive Blase ist es ratsam, sich zunächst an den Hausarzt zu wenden. Dieser stellt bei Bestätigung der Diagnose eine Überweisung an einen Urologen oder bei Frauen eventuell an einen Gynäkologen aus.
Der Arzt führt erst einmal ein Gespräch, um die Probleme näher zu erfassen (Anamnese). Dabei stellt er eventuell solche Fragen:
- Müssen Sie häufiger als gewohnt urinieren?
 - Ist der Harndrang oft dringend und plötzlich?
 - Schaffen Sie es manchmal nicht rechtzeitig bis zur Toilette?
 - Müssen Sie nachts häufig zur Toilette?
 - Haben Sie Schmerzen beim Wasserlassen?
 - Nehmen Sie irgendwelche Medikamente ein?
 - Wie viel trinken Sie am Tag?
 
Es ist oftmals hilfreich, schon vor dem Gang zum Arzt ein Miktions-Protokoll zu führen. Darin werden jeden Tag Trinkmenge und Toilettengänge verzeichnet. Diese Aufzeichnungen helfen dem Arzt, die Ursachen der "nervösen" Blase zu finden.
Weiterführende Untersuchungen
Im Anschluss an das Gespräch folgt die körperliche Untersuchung, die organische Gründe als Ursache für die Symptome der Reizblase ausschliesst. Grundlage dafür bildet die Inspektion des Urogenitaltrakts. Bei Männern wird bei dieser Gelegenheit die Prostata und bei Frauen die Gebärmutter untersucht. Diese beiden Organe verursachen manchmal ähnliche Beschwerden.
Die wichtige alternative Diagnose zur Reizblase ist ein Harnwegsinfekt. Um ihn auszuschliessen, wird eine Urinprobe genommen und auf pathogene Keime untersucht. Bei einer Reizblase bleibt der Erregernachweis negativ.
Ein Symptom der Reizblase ist, dass manche Betroffene nicht in der Lage sind, die Blase richtig zu entleeren. Dies stellt der Arzt fest, indem er direkt nach einem Toilettengang via Ultraschalluntersuchung kontrolliert, ob sich noch Restharn in der Blase befindet. Wenn ja, erfordert das weitere Untersuchungen zur Abklärung.
Alternativ führen Urologen eine sogenannte urodynamische Untersuchung durch. Mithilfe von Drucksonden und Elektroden wird hierbei die Funktion der Blase und der abführenden Harnwege überprüft. So lassen sich das Fassungsvermögen der Blase bestimmen und die Verschlussmechanismen (vor allem die Blasenschliessmuskeln) testen.
Ein Abstrich aus den unteren Harnwegen zeigt möglicherweise, ob ein lokaler Östrogenmangel die Symptome der Reizblase auslöst. Ein solcher Hormonmangel führt nämlich zu Veränderungen der oberflächlichen Zellen, was sich mit dem sogenannten karyopyknotischen Index erfassen lässt.
Es ist möglich, bereits bei einem Verdacht auf eine Reizblase den Therapieversuch mit einem Medikament aus der Gruppe der sogenannten Anticholinergika zu starten. Sollte dies wirksam sein, ist die Diagnose erhärtet.
Der Arzt wird bei einer Reizblase versuchen, unbedingt andere Erkrankungen auszuschliessen - also beispielsweise Ursachen wie Blasensteine. Dabei hilft etwa eine Ultraschalluntersuchung.
Vermutet der Arzt seelische oder sexuelle Traumata als Auslöser der Reizblasen-Symptome, wird er möglichst sensibel das Thema ansprechen und gegebenenfalls die Psychosomatik der Erkrankung mit in die Behandlung einbeziehen.
Behandlung
Bei der Reizblase gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten. Dazu gehören:
- Beckenbodentraining
 - Entspannungsübungen (warme Sitzbäder)
 - Toilettentraining
 - Medikamente (Anticholinergika/Spasmolytika)
 
Bei Frauen mit überaktiver Blase kann in einigen Fällen eine Therapie mit östrogenhaltigen Präparaten hilfreich sein. Bei stressbedingter Reizblase kann auch eine Psychotherapie wirksam sein.
Zu den vorbeugenden Massnahmen zählen der Abbau von Übergewicht, Rauchstopp und der Verzicht auf übermässigen Alkohol- und Kaffeekonsum.
In jedem Fall ist es ratsam, bei einem plötzlichen Auftreten von Blasenstörungen oder Harnverlust, einen Urologen aufzusuchen und die Ursache abklären zu lassen. Dies ist wichtig um, körperliche Ursachen auszuschliessen, und auch wenn nötig anschliessend beheben zu können. Oft hilft es Getränke und Speisen zu reduzieren oder ganz zu streichen, die Harntreibend sind oder die Blase reizen. Dazu zählen z.B. Kaffee, Alkohol, Schwarztee und scharfe Gewürze.
Krankheitsverlauf und Prognose
Manchmal lässt sich eine hyperaktive Blase durch einfache Mittel gut behandeln, eine sofortige Abhilfe, um die Reizblase zu beruhigen, gibt es aber bisher nicht. Die Therapie gestaltet sich gelegentlich schwierig und langwierig. In den meisten Fällen allerdings lindert die Behandlung die Reizblase-Symptome zumindest deutlich, wenn sie sie auch nicht immer vollständig beseitigt.
Die ärztliche Begleitung bei einer Reizblase ist sehr wichtig. Der behandelnde Arzt sollte immer wieder Wirkung und Nebenwirkungen der Therapie gegeneinander abwägen. Zudem empfiehlt es sich, die Funktion des Urogenitaltrakts regelmässig zu prüfen, um Schäden durch die Reizblase frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
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