Der Mensch ohne Puppen? Undenkbar! Puppen sind uralt - als Kulturgut und Spielzeug. Sie sind mehr als Dinge aus Porzellan, Plüsch und Plastik und stehen für die menschliche Fähigkeit, Dinge symbolisieren und animieren zu können.
In der normalen Kinderzimmer sind Puppen oft nur ein Teil des Haufens moderner Spielzeuge, die einem Kind zur Verfügung stehen, aber wie falsch das ist! Dennoch drohen sie im Überangebot der Spielzeugwelt unterzugehen bzw. auf erstarrte Formen reduziert zu werden. Dieses Buch ist eine vehemente Ermutigung, sich auf das freie Spiel mit Puppen und die Faszination, die von ihnen ausgeht, lustvoll einzulassen.
In dieser Mischung aus Psychologie, Literatur- und Kulturgeschichte plädiert Insa Fooken für das Comeback der Puppe in der modernen Gesellschaft. Sie können helfen, Entwicklungsaufgaben zu übernehmen, geschlechtsspezifische Rollen zu bewältigen und die persönliche Identitätsbildung zu fördern. Sie können Türen zu inneren Welten öffnen und therapeutische Einsichten ermöglichen.
Historische und aktuelle empirische Studien beleuchten den Stellenwert von Puppen und Kuscheltieren als Kindheitsbegleiter und Sozialisationsagenten in der kindlichen Entwicklung. Sie ermöglichen Zugänge zur inneren Welt von Menschen, therapeutische Begleitung, Selbstreflexion und sprechen Fragen des Umgangs mit Geschlechterrollen an. Puppen sind Kinderkram und gleichzeitig mehr als das.
Der rapide Aufstieg des Kuscheltiers und seine aktuelle Omnipräsenz werden thematisiert. Dieses farbenfrohe, vielseitige Buch ermutigt zum Spielen mit Puppen und zur Öffnung für die Faszination, die von ihnen ausgeht. Die hier angestellten Überlegungen sind zu verstehen als ein Plädoyer für wildes Denken, Fantasie und Imagination, für das Ausbalancieren großer und oft ambivalenter Gefühle und für die Erfahrung und Gestaltung sozialer Vielfalt im Spiel mit Puppen.
Lesen Sie auch: Arlesheim: Onkologie & Psychiatrie
Die Bedeutung von Kuscheltieren für Erwachsene
Umfragen zufolge sollen 10 bis 40 Prozent aller Menschen auch im Erwachsenenalter noch Kuscheltiere haben. Kuscheltiere gelten noch immer als Indikator für kindliches Verhalten in unserer Gesellschaft. Dabei zeigt sich: Es gibt mehr Erwachsene als angenommen, die noch ein Kuscheltier bei sich haben.
Als Einschlafhilfe, auf Reisen, oder um darin Trost zu erhalten. Die Funktion von Kuscheltieren ist bei Erwachsenen dieselbe wie bei Kindern. Das habe mit dem Konzept der Bindung zu tun. Wir bauen mit Personen und Objekten unserer Umwelt eine emotionale Bindung auf. Im Kindes- und Jugendalter ist eine sichere Bindung von zentraler Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung.
Kinder bauen zu Stofftieren Bindungen auf, damit sie einen Ersatz haben, wenn die Eltern gerade nicht da sind. Ein Übergangsobjekt übernimmt in diesen Fällen die Aufgabe der Eltern und beruhigt und tröstet. Normalerweise nehme das Bedürfnis nach solchen Übergangsobjekten im Alter von etwa sechs Jahren ab, sagt Kiefer. Dann haben Kinder im Idealfall stabile Bindungen mit ihren Mitmenschen entwickelt und wissen, dass diese für einen da sind, auch wenn man sie gerade nicht sehen kann.
Durchlebe man als Kind allerdings eine schwierige Zeit und könne mit den Eltern keine gesunde Bindung aufbauen, könne es sein, dass Übergangsobjekte wie Kuscheltiere auch länger nötig sind - je nach dem bis weit ins Erwachsenenalter hinein. Die Bindungserfahrungen, die wir als Kind gemacht haben, prägen uns. Seien die Eltern etwa selten feinfühlig und stattdessen abweisend oder gar übergriffig gewesen, könne man Bindungsängste entwickeln.
Im schlimmsten Fall könne das zu einer Borderline-Persönlichkeitsstörung führen - einem Zustand, in dem Betroffene keine stabilen Beziehungen eingehen können und eine ausgeprägte Angst haben, verlassen zu werden. Da der Mensch ein soziales Wesen sei, suche er sich bei Problemen alternative Möglichkeiten des Trostes, zum Beispiel mit Kuscheltieren.
Lesen Sie auch: Erwachsene mit ADHS: App-Unterstützung
Die Vorteile von Kuscheltieren für Erwachsene
- Emotionale Unterstützung: Kuscheltiere können Trost und Geborgenheit spenden, insbesondere in stressigen oder einsamen Zeiten.
 - Stressabbau: Das Kuscheln mit einem Kuscheltier kann helfen, Stress abzubauen und die Entspannung zu fördern.
 - Förderung von Bindungen: Kuscheltiere können als Übergangsobjekte dienen und helfen, emotionale Bindungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
 - Keine Wertung: Kuscheltiere bewerten nicht, sie sind immer für einen da und geben die nötige Stabilität. Auch wenn man wisse, dass es sich dabei um leblose Stofftiere handle, sei dieser Aspekt für Betroffene wichtig und beruhigend.
 
Kuscheltiere haben noch einen Vorteil: Sie bewerten nicht. Kuscheltiere sind immer für einen da, laufen nicht weg und geben die nötige Stabilität. Auch wenn man wisse, dass es sich dabei um leblose Stofftiere handle, sei dieser Aspekt für Betroffene wichtig und beruhigend, sagt Kiefer.
Auch bei psychisch gesunden Erwachsenen besteht laut Kiefer kein Grund zur Sorge oder Scham, wenn man noch Kuscheltiere hat. Kuscheltiere können bei der emotionalen Beruhigung helfen. Dass man deswegen nicht ernst genommen oder als unreif abgestempelt werde, habe mit gesellschaftlichen Normen und sozialer Akzeptanz zu tun. Dabei zeigt die Erfahrung klar: Kuscheltiere können für Erwachsene die gleiche emotionale Funktion haben wie für Kinder.
Die Rolle von Puppen im Vergleich zu Kuscheltieren
Das Kuscheltier hat die Puppen überholt. Was hat es so erfolgreich werden lassen? Dass Neugeborene und Kinder bis zu zwei Jahren ein Bedürfnis nach einem Schmuse- und Begleitobjekt, nach einem sogenannten Übergangsobjekt haben, ist klar. Verwunderlich ist aber, dass dieses Bedürfnis auch nachher anhält und dermaßen inflationäre Ausmaße annimmt.
Die Kinderzimmer und Auslagen in Kaufhäusern quellen ja über von Kuscheltieren! Und die Tiere sehen nicht mehr «tierisch» aus, sondern wie Babys mit einem amorphen Kindchenschema-Gesicht. Wenn man sich das so anschaut, könnte man meinen, dass die ganze Gesellschaft ein grosses regressives Bedürfnis nach Symbiose, Trost und Kuscheln hat.
Fantasiewelten kann man doch mit beiden herstellen, beides sind sogenannte Übergangsobjekte. Sie vermitteln zwischen der Innenwelt des Kindes und seiner Aussenwelt. Das Kind kann in einem geschützten Rahmen das Erlebte in Rollenspielen nachstellen, verändern, sich darin verlieren, so tun, als ob. Das ist wichtig für die Identitätsfindung. Aber es gibt Unterschiede.
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von ADHS-bedingter Impulsivität
Eine Studentin hat es sehr schön formuliert: Das Kuscheltier ist für die Nacht, die Puppe für den Tag. Auf eine Puppe muss man aufpassen, das Kuscheltier passt auf einen auf. Die Puppe ist eben menschenähnlich, mit ihrem Gesicht, vor allem ihren Augen ist sie sowohl ein Teil vom Kind als auch ein Spiegel des Kindes.
Welches Spielzeug ist entwicklungsfördernder: ein Kuscheltier oder eine Puppe? Beides ist förderlich. Ein Lieblingskuscheltier oder eine überschaubare Zahl dieser Lieblingsgefährten hilft dem Kind oft in Situationen von Alleinsein oder Kummer. Das Kuscheltier tröstet auf der unmittelbar sinnlich fühlbaren Ebene. Das Kind drückt das Kuscheltier an sich und fühlt sich gehalten.
Die Puppe setzt dagegen eher auf der kognitiven Ebene an, man lernt, über sich und die anderen nachzudenken, gerade auch auf der Ebene der sozialen Rollen. Insofern können sich beide Spielzeugarten eigentlich sehr konstruktiv ergänzen.
Kuscheltiere als Zeichen von Reife
Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn jemand ein Kuscheltier hat. Es zeigt, dass das Kind einen Partner, einen Tröster gefunden hat. Es spricht außerdem für Reife. Denn ein Kuscheltier zeigt, dass sich das Kind in der Welt sicher fühlt. Ein Kind muss Sicherheit erfahren haben, um sich einen Lieblingsteddy herauszusuchen; ein Kind, das vernachlässigt wird und sich hilflos fühlt, entwickelt diese Fähigkeit nicht.
Übergangsobjekte
Donald Winnicott, der Forscher, nach dem unser Institut benannt ist, erfand den Begriff des «Übergangsobjektes». Diese Objekte helfen beim Ablösen von den Eltern. Die Kinder machen mithilfe ihrer Fantasie aus einem unbelebten Objekt ein belebtes, das ihnen Sicherheit und Geborgenheit gibt. Ein Übergangsobjekt kann übrigens alles Mögliche sein: Der Zipfel einer Decke, ein Faden, eine Puppe.
Normalerweise sind Übergangsobjekte bis zum 6. Lebensjahr von Bedeutung, aber wenn es länger dauert, ist es überhaupt nicht schlimm. Eltern sollten dem Kind seinen Schatz lassen. Das Kuscheltier akzeptieren und sich freuen, dass es eine gute Wirkung hat. Man sollte auch nicht nachfragen, was das Kind und das Kuscheltier miteinander besprechen.
Kuscheltiere auch für Ältere wichtig
Studien zufolge sind Stofftiere auch für Ältere wichtig. Offenbar fliegen mehr als zehn Prozent der Erwachsenen mit ihrem Kuscheltier in den Urlaub. Alle Menschen haben etwas, das sie tröstet. Ob man einen Kaffee braucht, um zu glauben, dass der Tag gut losgeht. Oder ob man am liebsten im eigenen Bett schläft. Jeder Mensch hat Rituale, Routinen, Objekte, mit denen er sich wohl fühlt und weltweit gibt es magische Objekte, die einen vor Unbill schützen sollen. Talismane sind im Grunde nichts Anderes als Kuscheltiere.
tags: #kuscheltier #psychologie #erwachsene